Jahrestag – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Vor 40 Jahren: Der erste Deutsche auf dem Everest https://blogs.dw.com/abenteuersport/vor-40-jahren-der-erste-deutsche-auf-dem-everest/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/vor-40-jahren-der-erste-deutsche-auf-dem-everest/#comments Fri, 11 May 2018 08:11:01 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=40647

Reinhard Karl (1946-1982)

An diesem Wochenende werden die ersten Gipfelerfolge der Frühjahrssaison am Mount Everest erwartet. So peilt der als Frühstarter bekannte Mingma Gyalje Sherpa, Expeditionsleiter und Chef des Veranstalters „Imagine“, mit seinen fünf chinesischen Kunden Sonntag als Gipfeltag an. Die Gruppe wollte heute nach Lager 3 auf 7200 Metern aufsteigen. Vor genau 40 Jahren stand der erste Deutsche auf dem 8850 Meter hohen Gipfel des Mount Everest. „Die letzten Schritte bewältigen Oswald und ich Arm in Arm. Wir sind oben. Wir fallen uns um den Hals. Es ist zwölf Uhr mittags. Wir sind am Ziel unserer Wünsche, kurz unter dem Himmel“, schrieb Reinhard Karl später in seinem Buch „Erlebnis Berg. Zeit zum Atmen“ über jenen Augenblick am 11. Mai 1978, als er zusammen mit dem Österreicher Oswald Oelz den höchsten Punkt erreichte. Die beiden gehörten zu einer von Wolfgang Nairz geleiteten österreichischen Expedition, drei Tage vorher war Reinhold Messner und Peter Habeler ihr historischer erster Aufstieg ohne Flaschensauerstoff gelungen. Karl und Oelz benutzten Atemmasken.

Oelz und Karl über die Momente auf dem Everest-Gipfel

Ein 68er als Bergsteiger

Das Bergsteigen ist Reinhard Karl nicht in die Wiege gelegt. 1946 wird er in Heidelberg geboren, in Nordbaden, fernab der Berge. Mit 14 Jahren beginnt Reinhard eine Lehre als Automechaniker, der „dreckigste und mieseste aller Traumjobs“, wie er später schreibt. Mit 17 macht er seine erste Klettertour. Das Bergsteigen am Wochenende wird zur Flucht vor dem ungeliebten Job. Als ihm der Inhaber der Autowerkstatt kündigt, beginnt Reinhard in Frankfurt zu studieren und gerät mitten in die 1968er-Studentenbewegung. Als Bergsteiger werden seine Touren extremer. Reinhard durchsteigt die Eiger-Nordwand, klettert an den Granitwänden des Yosemite-Nationalparks. 1977 eröffnet er mit Helmut Kiene am Fleischbank-Südostpfeiler im Wilden Kaiser die „Pumprisse“, eine bahnbrechende Kletterroute, die erste im siebten Schwierigkeitsgrad.

Traum erfüllt

Everest-Südseite

Reinhard hat sich inzwischen auch einen Namen als Bergfotograf gemacht. Für eine große deutsche Zeitschrift soll er im Frühjahr 1978 Fotos von der Everest-Expedition machen. Deshalb wird der damals 31-Jährige eingeladen. Karls bis dahin höchster Gipfel ist der 4810 Meter hohe Mont Blanc gewesen. Jetzt bietet sich ihm erstmals die Möglichkeit, sich an einem Achttausender zu versuchen, und dann gleich am höchsten aller Berge. „Für mich war die Chance am Anfang eins zu 1000, da hochzukommen“, schreibt Reinhard. „Ich war ja kein Expeditionsmitglied, ich war ja ein durch Zufall hergelaufener Preuße, der Fotos machen sollte.“ Doch Karl hat einen „Standard-Tagtraum“, wie er es nennt: „Den Everest ganz oben zu betreten. Dutzende Male habe ich so schon den Gipfel bestiegen. Allein, mit anderen, erschöpft, glücklich, im Sturm und bei Sonnenschein. Die Fotos, die ich von anderen Gipfelbesteigungen sah, haben sich zu meinem Besteigungs-Traumfilm vermehrt.“

Oswald Oelz über Reinhard Karl 1978 am Everest

Bei leichtem Schneetreiben brechen Reinhard und Oswald vom Südsattel aus auf. Das Thermometer zeigt 35 Grad minus, der Wind bläst mit 50 Stundenkilometern. Nach sechs Stunden erreichen die beiden den Gipfel. Zurück in Deutschland erhält Karl das „Silberne Lorbeerblatt“, die höchste Auszeichnung der Bundesrepublik für Sportler. Beim anschließenden Bankett sagt Reinhard zum damaligen Innenminister Gerhart Baum: „Wissen Sie, wenn ich nicht Bergsteiger geworden wäre, wäre ich vielleicht Terrorist geworden.“

Tod in der Eislawine

Nepalesische Seite des Cho Oyu

1979 besteigt Karl mit dem Gasherbrum II seinen zweiten Achttausender. Dann reißt seine Erfolgsserie. Reinhard scheitert am Cerro Torre in Patagonien, muss am Nanga Parbat aufgeben und auch der K 2 hält ihn auf Distanz. Beim Versuch, den Cho Oyu über die Südwand zu besteigen, stirbt Karl am 19. Mai 1982 im Zelt auf 6700 Metern Höhe in einer Eislawine. Ein Eisbrocken hat den 35-Jährigen im Gesicht getroffen.

Reinhard Karls letztes Interview am Cho Oyu 1982

Wirklich oben bist du niemals

Bis heute genießen Reinhard Karls Schriften und Bilder Kultstatus – auch seine Worte über die Momente auf dem Dach der Welt: „Wir machen Gipfelfotos für das Familienalbum: Ich, der Gipfelsieger. Ich, der Übermensch. Ich, das atemlose Wesen. Ich der Reinhard auf einem Schneehaufen. Langsam kommen mir die Kälte, der Wind und meine Erschöpfung zu Bewusstsein. Langsam kommt nach der Freude die Traurigkeit, ein Gefühl der Leere: Eine Utopie ist Wirklichkeit geworden. Ich ahne, dass auch der Everest nur ein Vorgipfel ist, den wirklichen Gipfel werde ich nie erreichen.“

P.S. Ich empfehle euch die Reinhard-Karl-Biographie von Tom Dauer: „Ein Leben ohne Wenn und Aber“. Die dort beiliegende CD (mit einem Radio-Feature und O-Tönen von Karl) habe ich vor 16 Jahren verzapft.

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Nur Mut? Eher Demut https://blogs.dw.com/abenteuersport/nur-mut-eher-demut/ Sun, 11 Dec 2016 11:36:58 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=34427 Logo-IMDFür Bergfexe ist eigentlich jeder Tag ein Tag der Berge. Nichtsdestotrotz kann es nicht schaden, sich einmal im Jahr bewusst zu machen, wie verletzlich und schützenswert die Bergwelt ist. Der heutige 11. Dezember ist der alljährlich wiederkehrende „Internationale Tag der Berge“. 2016 widmen die Vereinten Nationen ihn den Menschen, die in Bergregionen leben und arbeiten, immerhin 13 Prozent der Weltbevölkerung.

Mein Beitrag zum „Tag der Berge“ ist eher persönlich gehalten. Vor einiger Zeit bat mich mein Arbeitgeber, doch eine kleine Bilderschau zum Thema „Mut“ zu machen. Ich hätte mit meinen Abenteuern im Himalaya und in der Arktis doch Mut bewiesen, hieß es. Wirklich? Seht selbst:

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Matterhorn: „Zum Klettern okay, aber nicht sehr speziell“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/matterhorn-zum-klettern-okay-aber-nicht-sehr-speziell/ Mon, 13 Jul 2015 06:00:17 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=30025 Dani Arnold

Dani Arnold

Das Matterhorn war sein erster Viertausender. Dani Arnold war 18 Jahre alt, als er 2002 erstmals den Vorzeigeberg seines Heimatlands von der Hörnlihütte aus über die Normalroute bestieg. Heute gehört der 31-Jährige zu den besten Kletterer der Schweiz. Seitdem stand er „vielleicht acht Mal oben“ auf dem Matterhorn, schreibt mir Dani aus Pakistan, wo er mit den Huber-Brüdern und dem Österreicher Mario Walder derzeit versucht, erstmals die Nordwand des Siebentausenders Latok I zu durchsteigen. Für Furore sorgte Arnold bisher vor allem mit seinen Speedrekorden. Seit 2011 hält er den Rekord an der Eiger-Nordwand, die er über die Route der Erstbegeher in zwei Stunden und 28 Minuten durchstieg. Damit war Dani 20 Minuten schneller als der bisherige Rekordhalter Ueli Steck. Im April brach er auch Stecks Geschwindigkeitsrekord am Matterhorn: In einer Stunde und 46 Minuten kletterte Arnold durch die Nordwand, zehn Minuten schneller als Ueli im Jahr 2009. Das Matterhorn, 150 Jahre nach der Erstbesteigung, aus der Sicht eines Profi-Bergsteigers:

Dani, weltweit gilt das Matterhorn als Sinnbild für die Schweiz. Wie siehst du diesen Berg? Oder anders gefragt, was bedeutet er dir?

Es ist einer der schönsten Berge, von der Form her. Zum Klettern ist er okay, aber nicht sehr speziell. Der Fels ist auch nicht immer ganz fest.

Vor 150 Jahren wurde das Matterhorn erstmals durch die Seilschaft des Briten Edward Whymper bestiegen. Wie hoch war die sportliche Leistung, wenn man die damalige Ausrüstung berücksichtigt und bedenkt, dass die Gruppe ins Ungewisse stieg?

Es war natürlich eine beeindruckende Leistung! Respekt. 

Die Erstbesteigung endete tragisch: Vier Bergsteiger stürzten in den Tod. Hat dieses Unglück den Mythos Matterhorn mitbegründet?

Dani nach seinem Speedrekord auf dem Gipfel des Matterhorns

Dani nach seinem Speedrekord auf dem Gipfel

Ich denke schon. Meist sind Tragödien und Unglücke der Grund, dass die Berge diesen Mythos bekommen. Ist eigentlich übel, dass immer etwas passieren muss, bis die Öffentlichkeit Notiz nimmt.

Das Matterhorn ist ein kommerzieller Berg, rund 3000 Gipfelanwärter versuchen sich alljährlich an ihm. Teilt das Matterhorn das Schicksal anderer Prestigeberge wie Mont Blanc oder auch Mount Everest, an denen sich viele tummeln, die wegen mangelnder Fähigkeiten als Bergsteiger dort eigentlich nicht hingehören oder ist er dafür technisch zu schwierig?

Er gehört schon zu dieser Kategorie von bekannten Bergen, die viele Leute wegen des Namens anziehen. Dazu gehören schon auch viele Kletterer, die dort eigentlich nichts zu suchen haben.

Kein Jahr vergeht ohne tödliche Unfälle am Matterhorn. Würde es Sinn machen, die Zahl der Besteigungen zu beschränken?

Nein, das Wichtigste ist, dass das Bergsteigen frei bleibt. Das heißt, jeder kann dort klettern, wo er will. Dies ist ein Riesenprivileg. Jeder muss aber auch selber die Konsequenzen tragen.

Ist das Matterhorn, vor allem natürlich die Nordwand, nach wie vor ein Klassiker, der in der Vita eines Profibergsteigers nicht fehlen darf?

Jeder sollte die Wand geklettert haben. Jedoch muss man das schon relativieren. Die Nordwand ist eine klassische Tour, die viele Leute klettern können. Für uns (Profibergsteiger) ist sie aber eher einfach, verglichen mit jetzigen Projekten. Sonst hätte sich ja der Alpinismus seit der Erstdurchsteigung der Matterhorn-Nordwand nicht weiter entwickelt. 😉

Du hast im April einen neuen Speedrekord in der Nordwand aufgestellt, als du für die Route der Erstbegeher Franz und Toni Schmid (1931) nur eine Stunde und 46 Minuten gebraucht hast und damit zehn Minuten schneller warst als Ueli Steck. Warst du bei diesem Solo am Limit oder geht es noch schneller?

Die Schmid-Route durch die Matterhorn-Nordwand

Die Schmid-Route durch die Matterhorn-Nordwand

Es geht immer schneller. 🙂 Nein, es muss schon viel zusammenpassen. Ich muss fit genug sein. Die Verhältnisse müssen okay sein. Die Psyche muss stimmen, und ich muss motiviert sein. Meine Kletterzeit war zwar kurz, jedoch schon anstrengend. 😉

2010 und 2011 eröffnete der Italiener Herve Barmasse in der Südwand des Matterhorns noch zwei neue Routen. Doch solche Aktionen sind selten geworden. Ist das Matterhorn bergsteigerisch ausgereizt, sprich: Ist so gut wie alles gemacht, was machbar ist?

Das glaube ich nicht. Es ist schon so, dass die offensichtlichen Linien gemacht sind. Aber es gibt noch viel Platz. Viele denken, dass man nur noch im Himalaya etwas erleben kann. Und das stimmt nicht.

Wenn du dem Matterhorn etwas zum 150. Geburtstag der Erstbesteigung wünschen dürftest, was wäre das?

Ich habe eigentlich noch nie überlegt, was man einem Berg schenken kann. 🙂

P.S.: Damit endet meine kleine Serie zum 150-Jahr-Jubiläum der Matterhorn-Erstbesteigung.

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„Totenbergung ist immer traurig – nicht nur am Matterhorn“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/totenbergung-ist-immer-traurig-nicht-nur-am-matterhorn/ Sat, 11 Jul 2015 06:00:21 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=29915 Helmi Lerjen

Helmi Lerjen, Bergführer und Bergretter

Schon die Erstbesteigung des Matterhorns vor 150 Jahren endete in einer Tragödie. Vier Teammitglieder starben beim Abstieg vom Gipfel, als ein Seil riss. Seitdem sind am „Horu“, wie die Einheimischen das Matterhorn nennen, mehr als 500 Bergsteiger ums Leben gekommen – so viel wie an keinem anderen Berg der Schweiz. Bei jährlich 2500 bis 3000 Gipfelversuchen gibt es auch viel Arbeit für die Bergretter. Helmut, genannt „Helmi“ Lerjen entstammt einer echten Bergführer-Familie. Bereits in der vierten Generation führen die Lerjens Gäste auf Berge wie das Matterhorn. Helmi, der mit seiner Frau und Tochter, im kleinen Dorf Täsch nahe Zermatt lebt, hilft seit fast 15 Jahren auch in der Bergrettungsstation Zermatt mit. Das Matterhorn, 150 Jahre nach der Erstbesteigung, aus der Sicht eines Bergretters:

Helmi, weltweit gilt das Matterhorn als Sinnbild für die Schweiz. Wie siehst du diesen Berg oder anders gefragt, was bedeutet er dir?

Ich bestieg das Matterhorn bisher 187 Mal mit Gästen. Als technischer Leiter bin ich auch für den Unterhalt der Fixseile am Matterhorn zuständig. Bereits im 19. Jahrhundert führten mein Ururgroßvater Josef und Urgroßvater Alois Gäste aufs Horu. Mein Großvater Joseph Lerjen war 1930 an einem gescheiterten Versuch beteiligt, erstmals die Nordwand zu durchsteigen. (Ein Jahr später waren die deutschen Brüder Franz und Toni Schmid erfolgreich.) Zusammen mit seinem Führerkollegen Kaspar Mooser und ihrem Gast Emile Blanchet stieg mein Großvater mit festem Willen in die Nordwand ein. Ausgerüstet waren sie nur mit Holzpickel und Steigeisen ohne Frontzacken (!). Leider mussten sie wegen Steinschlags und schlechter Verhältnisse in der Wand den Rückzug antreten. Die Felsen waren mit einer dünnen Eisschicht überzogen. Sie kletterten mehrere Stunden. Es ist nicht bekannt, welche Höhe sie genau erreichten. Wäre einer der drei ausgerutscht, hätte es das Ende der ganzen Seilschaft bedeutet. Mehrfach gerieten die drei in Steinschlag. Mit viel Glück entrannen sie der Nordwand unverletzt. Mit diesen Geschichten meiner Vorfahren habe ich eine ganz persönliche Beziehung zum Matterhorn.

Matterhorn-II

Gleich die erste Besteigung des Matterhorns endete mit einem Unglück, das vier Bergsteigern das Leben kostete. Wird diese Tragödie unter Bergrettern immer noch als Beispiel dafür angeführt, was am Matterhorn passieren kann?

Jedes Unglück am Matterhorn oder an anderen Bergen ist tragisch. Als Rettungsspezialist ist es für uns immer am schönsten, wenn wir Bergsteiger lebend retten können. Hingegen sind die Einsätze mit Totenbergungen immer traurig. Hier kann man auch nicht mehr von Rettung sprechen, sondern es ist vielmehr eine Arbeit, die wir dann ausführen müssen.

Du bist als technischer Leiter des Bergführervereins für die Fixseile zuständig. Wie sicher ist die Route?

Am Hörnligrat ist die richtige Wegfindung sehr schwierig. Der untere Teil ist wie ein Labyrinth. Sobald man von der richtigen Route abkommt, befindet man sich sofort in losem Gestein, was dann sofort gefährlich werden kann.

Rettungseinsatz der Air Zermatt

Rettungseinsatz der Air Zermatt

Jedes Jahr werden etwa 80 Rettungseinsätze am Matterhorn geflogen, mehr als 500 Bergsteiger kamen schon ums Leben. Das macht das Matterhorn in absoluten Zahlen zum gefährlichsten Schweizer Berg. Welches sind die häufigsten Unglücksursachen?

Das Matterhorn selber ist nicht gefährlich. Gefährlich machen es die Bergsteiger, die sich z.B. am Morgen in der Dunkelheit völlig verlaufen und sich dann in losem Gestein befinden und andere nachkommende Seilschaften mit Steinschlägen gefährden. Durch die Verhauer in der Dunkelheit sind sie dann viel zu lange unterwegs und werden schnell müde. Die Konzentration lässt dann auch markant nach.

Könnte man viele Unfälle vermeiden, und wenn ja wie?

Der Hörnligrat ist die Normalroute auf das Matterhorn, eine der schwersten, die auf einen Viertausender führen. Daher ist es ratsam, sich einen Bergführer zu nehmen.

Das Matterhorn ist kein Wanderberg. Sind viele Matterhorn-Anwärter einfach zu sorglos?

Das glaube ich nicht. Es ist ja bekannt ist, dass der Hörnligrat zu den schwersten Normalrouten zählt.

Viele Bergsteiger auf einer Route, das erhöht fast unweigerlich das Risiko. Steine können losgetreten werden, Staus können sich bilden. Würde eine Beschränkung nicht Sinn machen?

Durch den Bau der neuen Hörnlihütte [Ausgangspunkt des Gipfelaufstiegs] wurde die Zahl der Schlafplätze von 170 auf 130 reduziert. Durch das Campingverbot fallen zusätzlich rund 30 Personen weg. Also werden am Tag insgesamt etwa 70 Personen weniger am Matterhorn unterwegs sein. Das sorgt für mehr Sicherheit.

Wenn du dem Matterhorn etwas zum 150. Geburtstag wünschen dürftest, was wäre das?

Am 14. Juli 2015, genau 150 Jahre nach der Erstbesteigung des Matterhorns, wird zu Ehren der Erstbesteiger niemand auf den Berg steigen. Ich wünsche mir von Herzen, dass sich alle Bergsteiger daran halten und das Horu seine Ruhe hat.

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„Dreimal durch Zermatt ist zu wenig fürs Matterhorn“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/dreimal-durch-zermatt-ist-zu-wenig-fuers-matterhorn/ Thu, 09 Jul 2015 06:00:10 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=29911 Aufstieg zum Matterhorn (Foto: © Christoph Frutiger)

Aufstieg zum Matterhorn (Foto: © Christoph Frutiger)

Richard Lehner würde den Gipfel wahrscheinlich auch mit verbundenen Augen finden. 650 Mal erreichte das Bergführer-Urgestein aus Zermatt den höchsten Punkt des Matterhorns auf 4478 Meter Höhe. Das ist zwar nicht der Rekord, den Titel „Mr. Matterhorn“ hätte er aber wohl trotzdem verdient. Seine Leidenschaft für die Berge hat der 76-Jährige weitervererbt. Zwei der Söhne sind ebenfalls Bergführer, einer Skilehrer. Richard Lehner ist einer von 87 aufgelisteten aktiven Bergführern des Zermatt Alpin Centers, des örtlichen Bergführervereins. Das Matterhorn, 150 Jahre nach der Erstbesteigung, aus der Sicht eines Bergführers:

Richard Lehner, weltweit gilt das Matterhorn als Sinnbild für die Schweiz. Wie sehen Sie persönlich diesen Berg oder anders gefragt, was bedeutet er Ihnen?

Ich war als Bergführer hauptsächlich am Matterhorn unterwegs. Ich habe den Berg 650 Mal bestiegen, das letzte Mal war ich vor fünf Jahren oben. Für mich war es immer ein schöner Berg. 

650 Aufstiege, wie oft sind Sie dabei in kritische Situationen gekommen?

Nicht oft, und es war nichts Schlimmes.

Welche Anforderungen stellt das Matterhorn an einen Bergsteiger?

Matterhorn-VEr muss schon ein bisschen trainiert sein. Er muss ein guter Läufer sein. Bergsteigertechnische Fähigkeiten sind nicht so wichtig. Hauptsache, die Kondition stimmt.

Gibt es viele, die den Berg unterschätzen?

Ja, sehr viele. Manche, die einsteigen, brauchen drei bis vier Tage. Die stellen ihr Zelt auf und gehen los. Und wenn dann das Wetter umschlägt, schreien sie um Hilfe. Dann steigt der Helikopter auf und bringt sie herunter.

Welche Probleme haben diese Bergsteiger?

Vor allem haben sie Schwierigkeiten, den richtigen Weg zu finden.

Jahr für Jahr versuchen sich 2500 bis 3000 Bergsteiger am Matterhorn. Verkraftet der Berg so viele Menschen?

Kein Problem.

Gibt es keine Staus am Berg?

Höchstens morgens beim Einstieg. Danach ist es nicht mehr schlimm.

Wer regelt denn den Verkehr? Machen das die Bergführer?

Das ist nicht nötig. Die Bergführer starten morgens als Erste. Wenn einer schneller ist, geht er eben vor oder überholt. Die ohne Bergführer unterwegs sind, haben kaum eine Chance nachzukommen, weil sie am Seil viel zu viel Arbeit verrichten müssen.

Es vergeht trotzdem kein Jahr ohne tödlichen Unfall am Matterhorn. Ist das die Kröte, die man an einem so beliebten Berg schlucken muss?

Gipfel des Matterhorns

Gipfel des Matterhorns

Früher war die Ausrüstung viel schlechter als heute. Da hatten wir zehn Unfälle im Jahr, heute vielleicht nur einen. An den häufigsten Absturzstellen von damals sind jetzt Fixseile installiert. Da kann man sich beim Heruntersteigen festhalten.

Dennoch geschehen immer noch Unfälle. Warum vor allem?

Hauptsächlich, weil Bergsteiger von der Route abkommen.

Eine Besteigung kostet derzeit etwa 1600 Schweizer Franken, das sind rund 1500 Euro. Das ist eine Menge Geld. Erwarten die Kunden dafür eine Gipfelgarantie?

Die kann man nicht geben. Es gibt Leute, die haben schon Probleme, zur Hörnlihütte zu kommen, und sagen dann: Der Berg ist mir viel zu hoch, ich gehe erst gar nicht los. Manchmal muss man auch wegen eines Wetterumschwungs umdrehen.

Sie haben über mehrere Jahrzehnte als Bergführer am Matterhorn gearbeitet. Hat sich der Typ der Gipfelanwärter verändert?

Ein bisschen schon. Die Menschen wollen einfach nicht mehr trainieren. Die meinen, wenn sie dreimal durch Zermatt hin und zurück laufen, sind sie für das Matterhorn bereit und können sich einen Bergführer suchen. Aber ohne Training geht es nicht, ein Gipfelerfolg lässt sich nicht erzwingen. Früher hat man zunächst zehn andere Touren gemacht, bevor man sich ans Matterhorn gewagt hat. Heute wollen die Leute nur diesen einen Berg machen. Kaum einer von denen kehrt später noch einmal zurück. Sie besteigen das Matterhorn und fertig.

Wenn Sie dem Matterhorn etwas zum 150. Geburtstag wünschen dürften, was wäre das?

Für uns als Bergführer wäre es natürlich besser, wenn die Matterhorn-Anwärter ein bisschen besser vorbereitet wären. Ich habe mal mit einem Kunden viereinhalb Stunden für den Aufstieg und dann für den Abstieg acht Stunden gebraucht. Sein Hosenboden war durch, und er hat geblutet. Da stimmt dann etwas nicht mehr. Aber es ist eben der markante Berg, und wir leben von ihm. Hier will jeder Gast ein Zimmer mit Blick aufs Matterhorn haben.

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Vor 150 Jahren: Triumph und Tragödie am Matterhorn https://blogs.dw.com/abenteuersport/vor-150-jahren-triumph-und-tragoedie-am-matterhorn/ Tue, 07 Jul 2015 06:00:38 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=30115 Die Normalroute über den Hörnligrat (© Photopress/Mammut/Robert Boesch)

Die Normalroute über den Hörnligrat (© Photopress/Mammut/Robert Boesch)

Die Uhr läuft ab. Noch eine Woche, dann springt die Countdown-Uhr auf dem Bahnhofplatz in Zermatt auf Null. Am 14. Juli vor genau 150 Jahren wurde das Matterhorn erstmals bestiegen. Kein anderer Berg der Schweiz verkörpert das Land so wie dieser formschöne Viertausender. Und das liegt nicht nur an einer weltweit vertriebenen Schokoladen-Marke, deren Riegel dem Matterhorn nachempfunden sind. Alljährlich versuchen 2500 bis 3000 Bergsteiger, den 4478 Meter hohen Gipfel zu erreichen – der überwiegende Teil von ihnen über den Hörnligrat, die Normalroute, auf der auch die Erstbesteiger um den Engländer Edward Whymper aufstiegen. Die Hörnlihütte auf 3260 Metern, von der aus die meisten starten, ist mit großem Aufwand umgebaut und modernisiert worden. Rechtzeitig zum Matterhorn-Jubiläum wurde sie fertig. Am Festtag selbst soll der Berg seine Ruhe haben. Das Matterhorn wird für Aufstiege gesperrt. Damit soll jener Menschen gedacht werden, die dort ums Leben kamen.

Im neunten Versuch

Edward Whymper (1910)

Edward Whymper (1910)

Mehr als 500 Bergsteiger bezahlten bisher das Abenteuer Matterhorn mit ihrem Leben. Darunter waren auch vier der sieben Erstbesteiger. Es war d i e Bergtragödie des 19. Jahrhunderts. Auf der Rangliste der Bergprojekte in den 1860er Jahren stand die Erstbesteigung des Matterhorns ganz oben, vergleichbar mit jener des Mount Everest im 20. Jahrhundert. Jedem Bergsteiger war klar: Wem es gelingen würde, den Prestigeberg als Erster zu besteigen, würde nicht nur Alpingeschichte schreiben, sondern Weltruhm ernten. Das Projekt entwickelte sich zu einem Wettlauf zwischen dem Briten Edward Whymper und dem Italiener Jean-Antoine Carrel. Beide scheiterten zunächst je achtmal bei Versuchen am Matterhorn, teilweise gemeinsam.

Schnellere Route

Triumph ...

Triumph …

In jener Juli-Woche 1865 stieg Carrel von Italien aus über den Liongrat auf. Diesen Weg hatte bis dahin auch stets Whymper gewählt. Als er erfuhr, dass sich Carrel zum möglicherweise entscheidenden Gipfelvorstoß aufgemacht hatte, ließ er sich auf den Vorschlag des Zermatter Bergführers Peter Taugwalder Senior ein, der den Hörnligrat für machbar hielt. Zur Seilschaft gehörten neben Whymper und Taugwalder  noch dessen Sohn Peter Junior, der französische Bergführer Michel Croz sowie die Briten Lord Francis Douglas, Charles Hudson und Robert Hadow. Taugwalders Route über den Hörnligrat erwies sich als schneller. Um 13.40 Uhr erreichte Whymper als Erster den begehrten Gipfel. Als Carrel rund 400 Meter tiefer die Seilschaft des Briten am höchsten Punkt sah, machte er enttäuscht kehrt.

Ein Opfer bis heute vermisst

... und Tragödie

… und Tragödie

Beim Abstieg der erfolgreichen Seilschaft dann die Tragödie: Hadow rutschte ab und zog Douglas, Hudson und Croz mit sich. Taugwalder Senior schlang geistesgegenwärtig das Seil um einen Felsen. Vergeblich. „Das Seil riss, als wäre es ein Stück Schnur, und die vier jungen Männer waren nicht mehr sichtbar. Es war alles so schnell wie ein Blitzleuchten“, schrieb Taugwalder Junior später. Die vier Unglücklichen stürzten die Nordwand hinab in den Tod. Drei Leichen wurden geborgen. Lord Francis blieb bis heute verschollen – und mit ihm das eine gerissene Seilende. Das andere kann heute im Matterhorn-Museum von Zermatt bestaunt werden. Im kommenden Herbst soll erneut am Fuße der Matterhorn-Nordwand nach Douglas gesucht werden.

Übel nachgetreten

Die drei Überlebenden – Whymper und die beiden Taugwalders – mussten sich heftiger Kritik erwehren. Whymper warf Vater Taugwalder später vor, mit Absicht das dünnere Seil zwischen sich und den anderen zum Sichern verwendet zu haben. Die Bergführer-Karriere Taugwalders verebbte daraufhin, weil er keine auswärtigen Kunden mehr fand. „Whymper hatte keinen Respekt vor den Bergführern“, sagte Bergsteiger-Legende Reinhold Messner der Neuen Zürcher Zeitung. „Kein einziges Mal hat er Taugwalder dafür gedankt, dass ihm dieser das Leben gerettet hatte, indem er im Moment des Sturzes das Seil um einen Felsen schlang und den Stand behielt.“

Carrels Tod am Matterhorn

Jean-Antoine Carrel gelang am 17. Juli, also nur drei Tage nach Whympers Gipfelerfolg, über den Liongrat die zweite Besteigung des Matterhorns. Der Wettlauf um die Erstbesteigung des Bergs entzweite Whymper und Carrel nicht. Beide gingen später sogar in Südamerika gemeinsam auf Expedition. Dabei gelang ihnen 1880 unter anderem die Erstbesteigung des 6267 Meter hohen Chimborazo in Ecuador. Carrels Leben endete 1890 am Matterhorn. Nach einem Wettersturz gelang es ihm noch, seine Gefährten durch tiefen Schnee in Sicherheit zu bringen, ehe er selbst an Erschöpfung starb.

P.S. Zum Matterhorn-Jubiläum könnt ihr hier im Blog in den nächsten Tagen drei Interviews lesen, bei denen jeweils die erste und letzte Frage identisch ist. Das Matterhorn aus drei Perspektiven: der eines Bergführers, eines Bergretters und eines Extrembergsteigers. Neugierig geworden? Dann schaut doch rein.

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Vor 25 Jahren: Jerzy Kukuczka stürzt in den Tod https://blogs.dw.com/abenteuersport/vor-25-jahren-jerzy-kukuczka-stuerzt-in-den-tod/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/vor-25-jahren-jerzy-kukuczka-stuerzt-in-den-tod/#comments Fri, 24 Oct 2014 15:28:24 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=27569 Kukuczka-Porträt auf einer Hauswand in seiner Heimatstadt Kattowitz

Kukuczka-Porträt auf einer Hauswand in seiner Heimatstadt Kattowitz

Viel hat nicht gefehlt, und man würde heute vielleicht nicht Reinhold Messner, sondern ihn den „berühmtesten Bergsteiger unserer Zeit“ nennen: Jerzy Kukuczka.  Der Pole war der zweite Mensch, der alle 14 Achttausender bestieg. Zeitweise sah es aus, als könnte Kukuczka Messner sogar noch die Krone abjagen, doch dann machte der Südtiroler im Herbst 1986 mit den Besteigungen von Makalu und Lhotse innerhalb eines Monats den Achttausender-Sack zu. Als der eher öffentlichkeitsscheue Kukuzczka knapp ein Jahr später, im September 1987, seine Sammlung komplettierte, ehrte ihn Messner mit den Worten: „Du bist nicht der Zweite, du bist großartig.“

Meilensteine

Innerhalb von knapp acht Jahren – Messner brauchte doppelt so lange – bestieg Kukuczka alle 14 Achttausender und schrieb dabei Alpingeschichte: Gleich vier Wintererstbesteigungen, zwei davon 1985 innerhalb von drei Wochen (Dhaulagiri und Cho Oyu), Erstbegehung des Everest-Südpfeilers, erste Durchsteigung der Südwand des K 2, erste Solo-Besteigung des Makalu – um nur einige Meilensteine zu nennen. Nur am Mount Everest griff er zur Sauerstoff-Flasche. 1988 erklärte das Internationale Olympische Komitee Messner und Kukuczka zu Olympiasiegern ehrenhalber. Messner lehnte die Medaille ab, Kukuczka nahm sie an.

Tödlicher Absturz am Lhotse

Gedenktafel zu Füßen der Lhotse-Südwand

Gedenktafel zu Füßen der Lhotse-Südwand

Auch nachdem Jerzy seine 8000er-Sammlung vervollständigte hatte, ließen den Polen die höchsten Berge der Welt nicht los. Für Herbst 1989 plante Kukuczka eine Überschreitung aller Gipfel der Kangchendzönga-Gruppe, entschied sich dann aber noch um. Mit seinem Landsmann Ryszard Pawłowski versuchte sich der 41-Jährige an der noch undurchstiegenen legendären Lhotse-Südwand. Am 24. Oktober 1989 stürzte Jerzy Kukuczka aus etwa 8200 Meter Höhe in den Tod – heute vor 25 Jahren.

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