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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Gelesen: Kein Weg zurück

„Das stärkste Buch über ein Bergunglück seit Jon Krakauers ‹In eisige Höhen›“? Mit dieser Formulierung aus einer Rezension, mit der auf dem Einband von Graham Bowleys „Kein Weg zurück“ geworben wird, tue ich mich schwer. Kann ein Buch über eine Tragödie, die Menschenleben kostete, wirklich „stark“ sein? Es geht um das Drama am K 2, bei dem im August 2008 in der Gipfelregion des zweithöchsten Bergs der Erde elf Bergsteiger ums Leben kamen.


Widersprüche sorgen für Spannung

Bowley ist Reporter der New York Times und musste seinerzeit einen Artikel über das Unglück schreiben, obwohl ihn Bergsteigen nicht die Bohne interessierte. Der Bericht schaffte es auf die Titelseite und löste eine Flut von Leserzuschriften aus. Bowleys Neugierde war geweckt. Er begann intensiver zu recherchieren. Der Reporter besuchte die Überlebenden, um zu rekonstruieren, was zu dem Unglück führte. Er stieß auf widersprüchliche Aussagen und Sichtweisen.
Und so wechselt Bowley in seinem detaillierten Bericht auch häufig die Perspektive, um eben diese unterschiedlichen Standpunkte wiederzugeben. Daraus bezieht das Buch seine Spannung. Als Leser versuchst du ständig abzuwägen, welche Version der Beteiligten am plausibelsten ist.

Weniger neutral als er vorgibt

Ein paar Wermutstropfen gibt es trotzdem. Wenn er die Gedankengänge von Opfern des Unglücks beschreibt, frage ich mich, woher er sein Wissen bezieht. In diesen Passagen ist er eher Romancier als Reporter. Ganz so neutral wie er vorgibt, ist Bowley auch nicht. Den Niederländer Wilco van Rooijen etwa hält er für einen ziemlichen Stinkstiefel. Er suggeriert dem Leser: Kein Wunder, dass van Rooijen sich in einer Krisensituation daneben benimmt, wenn er schon während eines Interviews sein Baby schreien lässt, ohne nach ihm zu sehen.
Das ist mir dann doch ein bisschen zu plump und trübt ein wenig den insgesamt positiven Gesamteindruck. Das Buch ist nämlich wirklich gut geschrieben. Bowley versteht es, einen in die Geschichte hineinzuziehen. Und dementsprechend schwer fällt es, das Buch beiseite zu legen.

Datum

20. Juni 2011 | 14:28

Tags

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