Alpspix – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Nachhaltig https://blogs.dw.com/abenteuersport/nachhaltig/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/nachhaltig/#comments Sat, 16 Oct 2010 07:33:05 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport2/2010/10/16/nachhaltig/ Nachhaltig finde ich gut. Das Adjektiv ist eindeutig positiv besetzt und daher auf dem besten Weg zum Modewort. Immer mehr Redner benutzen es für ihre Zwecke. Dabei entstehen dann aber auch so abenteuerliche Wortschöpfungen wie „nachhaltige Chemie“, was in meinen Ohren klingt wie „harmlose Waffe“. Aber was ist eigentlich genau mit Nachhaltigkeit gemeint? Die Vereinten Nationen haben eine brauchbare Definition geliefert. Danach ist eine Entwicklung dann nachhaltig, wenn sie „den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren Lebensstil zu wählen“.
Auf die Berge übertragen heißt das nach Ansicht von Stefan Glowacz: „Wir sollten die Bergwelt für die nachfolgenden Generationen so erhalten, wie wir sie jetzt vorfinden.“


Stefan Glowacz plädiert für nachhaltigen Bergsport

Genau das aber geschehe nicht, wenn Bergbahn-Unternehmen Aussichtsplattformen oder andere Attraktionen installierten, die nie mehr zurückgebaut werden könnten. Der Extremkletterer macht sich seit einiger Zeit für Nachhaltigkeit in den Bergen stark. Über seine Protestaktion gegen die Aussichtsplattform „Alpspix“ habe ich an dieser Stelle berichtet.

Olympia „eine Hutnummer zu groß“

Glowacz gehört auch zu den Kritikern der Olympia-Bewerbung Münchens für 2018. Für seinen Heimatort Garmisch-Partenkirchen, so der 45-Jährige, seien Olympische Spiele „eine Hutnummer zu groß. Der Ort wird ausgesaugt, nur zur Verfügung gestellt. Aber es bleibt nichts erhalten für die nachfolgenden Generationen.“ Womit wir wieder beim Thema wären. Als mögliches Beispiel nachhaltigen Bergsports schlägt Glowacz für Garmisch vor, auf bereits bestehenden Skipisten im Sommer Mountainbike-Downhill-Parcours mit Steilkurven zu bauen – allerdings nur aus natürlichen Materialien. „Wenn man sich nicht mehr darum kümmert, verfällt die Strecke und ist nach wenigen Monaten wieder zugewachsen.“

Bergsteigen, ohne viele Spuren zu hinterlassen

Stefan Glowacz bricht am 8. November ins Drei-Länder-Eck zwischen Venezuela, Brasilien und Britisch-Guyana auf, um erneut am Roraima-Tepui zu klettern, einem 2810 Meter hohen Tafelberg mit senkrechten Wänden aus Sandstein. Ich möchte von Stefan wissen, was an seiner Expedition nachhaltig sei. Bei seinem ersten Trip zum Roraima sei er mit seinen Begleitern zehn Tage lang durch Indianergebiet gewandert, um zum Berg zu gelangen, erzählt Glowacz (Interview zum Nachhören unter dem Artikel). Eigentlich seien Fremde dort nicht gerne gesehen, weil in der Region Gold abgebaut werde. „Wenn die Indianer uns nicht durchgelassen hätten, hätten wir die Expedition abgeblasen.“ Mit dem Hubschrauber habe er nicht zu dem Tafelberg fliegen wollen, versichert Stefan. Schließlich habe er als bekannter Kletterer auch eine Vorbildfunktion. „Wir wollen der breiten Masse an Bergtouristen eine Idee davon geben, wie man zum Bergsteigen gehen kann, ohne viele Spuren zu hinterlassen.“ Nachhaltig eben.

P.S. „Wenn er nicht so bescheiden gewesen wäre, hätte Kurt Albert eine größere Bedeutung für den Klettersport als Reinhold Messner“, sagt Stefan Glowacz über seinen verstorbenen Freund und Kletterpartner. Ich habe Stefans Würdigung zum Blogartikel über Alberts Tod gestellt.

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X-Beine aus Stahl https://blogs.dw.com/abenteuersport/x-beine-aus-stahl/ Wed, 07 Jul 2010 11:41:01 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport2/2010/07/07/x-beine-aus-stahl/ Der Rummelplatz Alpen lockt seit dem Wochenende mit einer neuen Attraktion: Wer 22 Euro für die Fahrt von Garmisch-Partenkirchen aus mit der Alpspitzbahn hinauf zum rund 2000 Meter hohen Osterfelderkopf berappt, erwirbt damit auch das Recht auf ein bisschen Nervenkitzel – und das, ohne dafür auch nur einen Tropfen Schweiß vergießen zu müssen. „AlpspiX“ hat der Betreiber, die Zugspitzbahn, die spektakuläre Aussichtsplattform zu Füßen der Alpspitze getauft. Das X ist nicht umsonst groß geschrieben: Zwei sich überkreuzende Stahlträger ragen 13 Meter über den Abgrund hinaus. Vorne auf einem dieser X-Beine aus Metall fällt der Blick 1000 Meter tief ins Höllental. Ein Hauch von Grand Canyon.

Adrenalinkick auf Oktoberfest-Niveau

Das Betreten der Plattform bringe „das Blut in Wallung und verspricht eine Extraportion Adrenalin“, schreibt die Zugspitzbahn auf ihrer Internetseite. „Diesen Adrenalinkick kriege ich auch, wenn ich aufs Oktoberfest gehe“, sagt Extrembergsteiger Stefan Glowacz. „Das ist eine hilflose Begründung.“ Am Tag der Eröffnung der AlpspiX hat der 45-Jährige mit einer Protestaktion im Stile von Greenpeace für Aufsehen gesorgt: Glowacz klinkte mit Karabiner und Seil ein Hängebiwak unten an den Stahlträgern ein. Von dort aus wehte ein Banner mit der Aufschrift „Unsere Berge brauchen keine Geschmacksverstärker“. Der Abenteurer stand auf seinem Hängebiwak und suchte die Diskussion mit den ersten AlpspiX-Besuchern.


Luftiger Protest

Immer wieder, erzählt mir Glowacz am Telefon (das Interview könnt ihr unten nachhören), hätten ihn die Menschen auf der Plattform aufgefordert, doch so tolerant zu sein, auch ihnen das zu gönnen, was er auf seinen Expeditionen jederzeit haben könne. „Wenn das die Argumentation ist, werden wir bald die Alpen komplett für Rollstuhlfahrer und Kinderwagenschieber erschließen“, entgegnete Glowacz.

Wie auf dem Rummelplatz

Das ist vielleicht ein wenig überspitzt formuliert, aber mehr als bloß Schwarzmalerei. In den vergangenen Jahren sind in den Alpen bereits einige sogenannte „Skywalks“ wie die AlpspiX gebaut worden, vor allem in Österreich: am Dachstein, im Rofangebirge, im Ötztal. Und es bleibt nicht nur bei Aussichtsplattformen. Momentan sind bei den Planern des kalkulierten Adrenalin-Ausstoßes „Flying Foxes“ in: Lange Seilrutschen, an denen die „Mutigen“ mit hoher Geschwindigkeit Richtung Tal sausen. Wie auf dem Rummelplatz. Auch an der AlpspiX war ursprünglich ein derartiges Fahrgeschäft vorgesehen, wurde dann aber nicht realisiert – noch nicht.

Fast-Food-Naturerlebnis

Von der neuen Aussichtsplattform erhofft sich die Zugspitzbahn 30 Prozent mehr Fahrgäste. „Das finde ich sehr sportlich“, sagt Stefan Glowacz. „Aber was kommt denn danach, wenn die Zahlen nicht erreicht werden?“


Nachdenklicher Stefan Glowacz

Der Extrembergsteiger glaubt, dass mit Projekten wie der AlpspiX eine gefährliche Entwicklung losgetreten wird. Die Plattformen würden nicht mehr zurückgebaut: „Diejenigen, die das entschieden haben, liegen schon längst in der Kiste und das Ding steht immer noch da oben.“ Ein nachhaltiges, langfristiges Konzept fehle sowohl den Gemeinden als auch den Bergbahnen. „Das hier ist ein Fast-Food-Naturerlebnis, was eigentlich dem Bergerlebnis überhaupt nicht nahe kommt.“ Der wesentliche Reiz liege doch darin, „dass man auch selbst hinaufsteigen muss, dass man sich ein Ziel setzt und sich die Frage stellt, bin ich überhaupt in der Lage dort hinaufzuklettern“.

ZugspiX

Vor ein paar Jahren bestieg ich die Zugspitze von Garmisch-Partenkirchen aus über das Reintal. Es war eine zunächst wunderschöne, einsame Tour: durch die Partnachklamm, vorbei an der „Blauen Gumpe“, einem wildromantischen kleinen Bergsee. Ich übernachtete auf der Reintalangerhütte, die damals noch vom legendären Hüttenwirt Charly Wehrle geleitet wurde. Am nächsten Tag stieg ich weiter auf, über das Zugspitzplatt, dann über einen kleinen Klettersteig dem höchsten Punkt entgegen. Die Tour endete reichlich frustrierend: an der Tür der Bergstation. Das war gewissermaßen mein „ZugspiX“-Erlebnis. Daran musste ich zurückdenken, als Stefan Glowacz sagte: „Wir müssen aufstehen, wir müssen Flagge zeigen.“

Interview mit Stefan Glowacz über die Plattform Alpspix

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