Gröden – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Im Duft des Windes https://blogs.dw.com/abenteuersport/im-duft-des-windes/ Mon, 04 Jul 2011 14:45:03 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport2/2011/07/04/im-duft-des-windes/ Ich würde nicht so weit gehen, mich als Kulturbanausen zu bezeichnen. Aber sicher bin ich nicht der Typ, der stundenlang durch Museen rennt, eher eine Vernissage als das Stadion besucht oder endlos über einen Pinselstrich philosophieren kann. Kunst muss mich ansprechen, meine Sinne rühren oder mich überraschen. Genau das widerfuhr mir vor einer Woche bei einem Ausflug in die Südtiroler Berge. Auf 2200 Metern Höhe, auf der Röschitzalm oberhalb von St. Ulrich im Grödnertal, hat der Bildhauer Wilhelm Senoner sieben lebensgroße Bronzefiguren platziert. Die Ausstellung heißt nicht umsonst „Im Duft des Windes“.


Bronzegesellen auf der Bergkuppe

Kunst vor Rundum-Panorama

Als ich den Grat erreiche, pfeift mir der Wind nur so um die Ohren. Da wirkt die nach hinten geneigte Skulptur „Mann im Gegenwind“ fast wie ein Produkt der rohen Naturgewalt. Dort oben kannst du bei guter Sicht ein spektakuläres 360-Grad-Panorama genießen: Brixen mit seinem Hausberg, der Plose; das Villnöß-Tal mit den Geislerspitzen; das Grödnertal mit der Sella-Gruppe und dem Langkofel, im Hintergrund die vergletscherte Marmolata; die Seiser Alm; das Bozener Tal.


Sella, Marmolata, Langkofel (v.l.)

Neuer Blick auf altbekannte Gipfel

Mit dem Hubschrauber sind die 1,70 Meter großen und je 100 Kilogramm schweren Figuren auf ihren Standplatz geflogen worden. „Die Raschötz-Alm ist für mich ein mystischer Ort“, sagt Wilhelm Senoner. „Es berührt mich, wenn ich dort oben auf der Bergkante stehe und den Wind spüre. Der Wind duftet vielleicht nicht, kann aber durchaus Düfte mit sich tragen.“ Etwa den von Latschenkiefern, Alpenkräutern oder auch Kuhfladen. Die Figuren des 65 Jahre alten Künstlers laden dazu ein, sie zu berühren, zu verweilen und an ihnen vorbei einen ganz neuen Blick auf die altbekannten Dolomitenberge zu werfen. Ich war begeistert. Vielleicht auch, weil die Natur doch das schönste Museum ist.

P.S. Wenn ihr mal in der Gegend seid, solltet ihr euch diese ungewöhnliche Ausstellung nicht entgehen lassen. Die Skulpturen stehen noch bis zum 18. Oktober auf dem Außerröschitz. Wenn ihr hier klickt, findet ihr eine kleine Bildergalerie.

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Wie Comici https://blogs.dw.com/abenteuersport/wie-comici/ Thu, 30 Jun 2011 18:03:04 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport2/2011/06/30/wie-comici/ Mit den Fußspitzen stehe ich sicher auf einem kleinen Felsvorsprung, die Fersen hängen in der Luft. „Du musst immer erst nach unten schauen“, hat mir Bergführer Albin Markart aus Wolkenstein in Südtirol eingeschärft. „Wichtig ist, dass du einen sicheren Stand hast. Dann kannst du dich auf den nächsten Schritt konzentrieren.“ Der Dolomit-Fels fühlt sich unter meinen Händen angenehm warm an. Die Wand liegt in der Sonne. Hier ist schon Emilio Comici geklettert.


Dolomiten-Kletterei

Sechster Grad

Ich schließe kurz die Augen, versuche mir vorzustellen, wie der legendäre italienische Kletterer in den 1920er und 30er Jahren elegant die Route heraufgeturnt ist. Ein müdes Lächeln dürfte sie Comici abgerungen haben. Immerhin meisterte er 1933 mit den Brüdern Giovanni und Angelo Dimais als Erster die Nordwand der Großen Zinne in den Sextener Dolomiten. Sechster Schwierigkeitsgrad, damals das Maß aller Dinge. Jeder ernsthafte Kletterer kennt die „Comici“. Die nach dem Erstbesteiger benannte Route ist ein echter Klassiker.


Das Stahlseil habe ich nicht angefasst, Ehrenwort!

Aufgeben?

Genug innegehalten. Ich versuche, den nächsten Tritt, den nächsten Griff auszumachen. Vielleicht da links oben, die kleine Felsnase. Nein, zu schmal, ich rutsche ab. Meine Augen wandern nach rechts. Nichts. Bin ich am Ende meiner Möglichkeiten angelangt? „Die meisten machen den Fehler, zu viel aus den Armen heraus zu klettern“, hat mir Albin vor dem Einstieg erklärt. Ich hätte nachfragen sollen: „Aber was ist, wenn die Füße keinen Halt mehr finden?“ So kurz vor dem Ende der Route will ich nicht aufgeben. Was kann schon passieren? Albin sichert mich, ich würde ins Seil fallen.

Auf den Spuren der Huberbuam

Ich riskiere einen Blick nach unten. Vor Jahren, zu Zeiten meiner Höhenangst, als mein Puls bereits auf einer Hängebrücke auf Rekordhöhen stieg, hätten mir in diesem Moment die Knie zu zittern begonnen. 15, vielleicht 20 Höhenmeter trennen Albin und mich, Haushöhe. Ich denke an den Werbespot der Huberbuam. Die turnen doch auch nur aus den Armen heraus ein Haus hinauf. Also los. Ich suche ich mir einen schönen Griff, atme tief durch und stoße mich unten ab. Geschafft. Die Schlüsselstelle liegt hinter mir, ich erreiche den letzten Haken. „Lass dich nach hinten ins Seil fallen“, ruft mir Albin von unten zu. Das fällt mir deutlich schwerer als die Kletterei zuvor. Eine Minute später stehe ich am Fuße des Klettergartens. Die anderen klatschen. Ich gestehe, ich bin ein bisschen stolz. Bis zu dem Augenblick, als Albin sagt: „Wir machen hier auch Schnupperkurse für Kinder.“ Meine Euphorie platzt wie eine Seifenblase.

Hallo?!

Beiläufig frage ich Albin noch, wie dieser Klettergarten heiße. „Comici“, antwortet der Bergführer. Zu Hause versuche ich, im Internet ein Bild der Wand zu finden, an der ich geklettert bin. Schnell werde ich fündig und traue meinen Augen nicht. Da steht doch tatsächlich, dass eben dort, an diesem Felsen, der große Emilio Comici 1940 zu Tode gestürzt ist. Beim Üben, weil seine Reepschnur verrottet war. Hallo?! Das hätte mir Albin schon noch erzählen dürfen. War wohl doch mehr als Kinderkram.


Wenn Albin sichert, fühlst du dich sicher

P.S. Nicht vorenthalten will ich euch die Worte eines Kletterers aus dem Siegerland nahe Köln, der sich mit seinem Freund im selben Klettergarten für größere Dolomiten-Touren warm machte. Hört mal rein!

Ein Siegerländer in den Dolomiten

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Sonnenaufgang mit Weichei https://blogs.dw.com/abenteuersport/sonnenaufgang-mit-weichei/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/sonnenaufgang-mit-weichei/#comments Sat, 25 Jun 2011 21:26:03 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport2/2011/06/25/sonnenaufgang-mit-weichei/ Der Wecker gehört nicht zu meinen Freunden. Manchmal wird er sogar zum Feind. Wie heute morgen, als er um 3.40 Uhr klingelt. Eine unchristliche Zeit, die mit meinem Biorhythmus in etwa so vereinbar ist wie das Oktoberfest für einen Antialkoholiker. Doch die Sonne schert sich nun einmal nicht um Morgenmuffel. Wer sie aufgehen sehen will, muss früh aus den Federn. Am Vorabend habe ich meine Bergklamotten bereits so weit vorbereitet, dass ich, noch im Halbschlaf, nur hineinschlüpfen muss. Den Blick in den Spiegel schenke ich mir, nach einem Zombie ist mir am frühen Morgen nicht zu Mute.


Langkofel im ersten Sonnenlicht

Mrgn!

Die Hotellobby ist glücklicherweise so spärlich beleuchtet, dass die anderen Frühaufsteher meinen erbärmlichen Zustand kaum wahrnehmen können. Im Halbdunkel ahne ich, dass es den anderen kaum besser ergeht. Unsere Kommunikation erstreckt sich auf die überlebenswichtigen Dinge: „Mrgn!“ (Frühaufsteher-Variante von ‚Guten Morgen’)- „Kaffee?“ – „Mmh!“ Erst an der noch sehr frischen Luft erwachen die Lebensgeister. Langsam, sehr langsam. Oswald Runggaldier hat in dieser Hinsicht schon einen beachtlichen Vorsprung. Der Bergführer wirkt nicht nur hellwach, sondern trägt bei Temperaturen von geschätzt zehn Grad Shorts. Spätestens jetzt komme ich mir nicht nur als müdes, sondern auch noch weiches Ei vor.


Edelweiß

Wolkensteins Hausberg wolkenfrei

Oswald erzählt mir später, dass er, wenn auch nur entfernt, mit dem Ex-Skirennfahrer Peter Runggaldier verwandt ist. Irgendwie scheint hier im Grödnertal jeder einen prominenten Verwandten zu haben. Unser Ziel ist der Berg Steviola, 2138 Meter hoch, über Wolkenstein gelegen. Als wir vom Parkplatz aufwärts stapfen, ist es noch stockdüster. Doch schon bald lichtet sich der Wald. Keine Wolke trübt den Himmel. Langsam legt sich mein Groll gegen den Wecker. Ich finde meinen Rhythmus und steige gleichmäßig höher. Bald liegt uns das Tal zu Füßen, vor uns thront majestätisch der Langkofel. Der 3181 Meter hohe Felsklotz ist der Hausberg Wolkensteins, ein Riesenstein, der sich gestern noch trotzig hinter Wolken versteckt hielt.


Gipfelkreuz auf dem Steviola

Keine Diskussionen!

Nach gut einer Stunde und 600 Höhenmetern erreichen wir das Hochplateau des Steviola. Ein eisiger Wind bläst dort oben. Schnell stülpen wir uns alle verfügbaren Jacken, Mützen, Stirnbänder und Tücher über. „Manche unterschätzen die Tour, obwohl wir sie als ‚schwierig’ angeben“, sagt Oswald. (Das Gespräch könnt ihr unten nachhören.) „Zu dieser frühen Stunde sind wir einfach nicht gewohnt, uns so viel zu bewegen.“ Wie wahr. Mein Körper hat mir inzwischen endgültig den Vogel gezeigt: ‚Erst hetzt du mich aus dem warmen Bett, dann jagst du mich den Berg hinauf und jetzt bleibst ausgerechnet an der ungemütlichsten, weil windigsten Stelle stehen!’Zu dieser frühen Stunde lasse ich mich auf keine Diskussionen ein. Ich tue so, als müsste ich mich auf den Fotoapparat konzentrieren. Inzwischen erreichen die ersten rötlichen Sonnenstrahlen die Gipfelzone des Langkofel. Ein toller Anblick, der für halb erfrorene Fingerspitzen entschädigt.


Oswald Runggaldier an der \’Silvesterscharte\‘

Laune-Thermometer steigt

Das Aha-Erlebnis folgt wenig später. Kaum hat sich die Sonne endlos langsam über die Bergkante gequält (wahrscheinlich auch ein Morgenmuffel) wird es um gefühlte fünf Grad wärmer. Unser Laune-Thermometer steigt in gleichem Maße. Selbst jene, die vorher noch bibberten, als stünden sie am Nordpol, eilen nun beschwingt talwärts. Schließlich wartet ein deftiges Frühstück auf der Juac-Alm auf uns. Als wir eine halbe Stunde später gestärkt und gesättigt wieder ins Freie treten, dürfte bei den meisten im Tal erst der Wecker klingeln. Immer diese Weicheier!

Walk and Talk mit Bergführer Oswald Runggaldier

P.S. Der lange Tag war damit natürlich nicht zu Ende. Was ich heute sonst noch erlebt habe, reiche ich euch nach.
P.P.S. Blogadresse vergessen? Einfach www.stefannestler.de eingeben, schon bist du da!

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Bedrohte Sprache https://blogs.dw.com/abenteuersport/bedrohte-sprache/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/bedrohte-sprache/#comments Fri, 24 Jun 2011 21:34:02 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport2/2011/06/24/bedrohte-sprache/ Eigentlich wollten wir heute den Sonnenaufgang auf einem Berg im Grödnertal in Südtirol genießen. Doch Petrus hatte noch nicht zu Ende geweint. Erst im Laufe des Vormittags verzogen sich die letzten Wolken über Wolkenstein und machten den Blick frei auf die Felsen der Sella-Gruppe. Zeit, sich mit den Menschen dieser Region vertraut zu machen. Das Grödnertal ist eines der wenigen Gebiete Europas, in denen gleich drei Sprachen gesprochen werden: Italienisch, Deutsch und Ladinisch.


Ich sehe, dass ich wenig sehe

Mischmasch

Letzteres klingt wie Latein und das nicht von ungefähr. Ladinisch ist ein Überbleibsel der römischen Herrschaft über das Alpengebiet. Die Einheimischen kombinierten vor 2000 Jahren ihre eigene Mundart, das Rätische, mit dem Latein, das die römischen Beamten und Soldaten sprachen. Heraus kam ein Mischmasch, der ein bisschen klingt, als würde jemand aus einer Bierlaune heraus versuchen, gleichzeitig Italienisch, Deutsch und Französisch zu sprechen. (Eine kleine Ladinisch-Probe könnt ihr unten anhören.)

30.000 sind zu wenig

Noch ist Ladinisch keine tote Sprache, aber eine bedrohte. „In den Dolomiten sprechen nur noch 30.000 Menschen Ladinisch“, sagt Tobia Moroder (um ein paar Ecken mit dem bekannten Musikproduzenten und Komponisten Giorgio Moroder verwandt). „30.000 sind eigentlich zu wenig, damit die Sprache überlebt.“ Tobia arbeitet in Wolkenstein für „Micurà de Rü“. Das ladinische Kulturinstitut ist nach einem Geistlichen benannt ist, der im 19. Jahrhundert erstmals eine ladinische Grammatik verfasste.


Tobia Moroder kämpft für das Überleben des Ladinischen

“Fast wieder in“

In dessen Fußstapfen sind Tobia und seine Kollegen getreten. Derzeit arbeiten sie an einem Wörterbuch Italienisch-Ladinisch. Außerdem pflegt das Institut ein Internet-Portal zur ladinischen Sprache. Im Grödnertal werden die Kinder in der Grundschule zwei Stunden pro Woche in Ladinisch unterrichtet. Es könnte ruhig ein bisschen mehr sein, findet Tobia. Die Sprache sei keineswegs verstaubt, sondern habe sich weiter entwickelt: „Du kannst auch über aktuelle Themen auf Ladinisch reden.“ Heute sei die Sprache unter jungen Leuten „fast wieder in“.

Ich wär so gern ein Millionär

Diese jungen Einheimischen haben jedoch ganz andere Probleme. Willst du in der Touristenhochburg Wolkenstein eine Eigentumswohnung kaufen, zahlst du zwischen 10.000 und 16.000 Euro pro Quadratmeter. Für eine 100-Quadratmeter-Wohnung musst du also schon Millionär sein. Das führt dazu, dass viele junge Leute das Tal verlassen, um sich an preiswerteren Orten anzusiedeln – ladinische Kultur hin oder her.

Ladinisch-deutsch: Tobia Moroder über Sport im Grödner Tal

Kunst ist schön, aber Kitsch verkauft sich

Auch die Holzbildhauer im Grödnertal haben es nicht leicht. Hugo Senoner hat das Handwerk von der Pike auf gelernt. „Wenn du eine Familie hast, empfiehlt es sich, noch eine zweite Einnahmequelle zu haben“, sagt Hugo. Er vermietet Zimmer an Touristen, das bringt ziemlich sicher Geld in die Kasse. Für das Schnitzen nimmt er sich eigentlich erst richtig Zeit, wenn die letzten Skifahrer abgereist sind. Nur noch jeder zweite Bildhauer im Tal beschränke sich allein auf sein Handwerk, erzählt Senoner.


Hugo Senoner mit seinen „Touristen“

Die hiesigen Holzbildhauer genießen einen ausgezeichneten Ruf. Mehrere von ihnen haben in den vergangenen Jahren sogar auf der Biennale in Venedig ausgestellt. Doch mit Kunst kannst du nicht unbedingt deine Monatsrechnung bezahlen. „Wenn es dir nur ums Verkaufen geht, musst du eher kitschige Figuren schnitzen“, sagt Hugo. Ob es ein Zufall ist, dass er sein neues Werk, einen Zigarre rauchenden Dickbauch und eine vollbusige Matrone, „Touristen“ getauft hat?

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