Jens Tank – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 DLR-Hypoxiestudie: Alle Symptome nach 30 Stunden verschwunden https://blogs.dw.com/abenteuersport/dlr-hypoxiestudie-alle-symptome-nach-30-stunden-verschwunden/ Tue, 18 Dec 2018 09:51:37 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=42993

Nancy Hansen (r.) und Ralf Dujmovits im DLR

„Wir waren fünf Wochen lang die Mäuse“, beschreibt Nancy Hansen die Zeit, die sie und Ralf Dujmovits vor einem halben Jahr – wie berichtet – in einer Hypoxiekammer des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln verbracht hatten. Bei einer Studie sollte nachgeprüft werden, ob unter Umständen auch beim Menschen – wie zuvor in den USA bei einem Experimenten  mit Mäusen festgestellt – extreme Hypoxie zu einer Stärkung des Herzens führen kann.  Nach einer Akklimatisierungsphase von rund zwei Wochen hatte das Bergsteiger-Paar 16 Tage auf einer simulierten Höhe von 6700 Meter oder höher verbracht, davon vier Tage bei einem Sauerstoffgehalt von nur acht Prozent, was 7112 Metern entspricht. „Ich habe wirklich gelitten“, räumt Nancy ein. „Aber es war ein Privileg, an der Studie teilzunehmen.“ Auch Ralf ist von der Erfahrung noch immer beeindruckt: „Ich war ziemlich am Limit. Ganz ehrlich, noch einmal würde ich es nicht machen. Ich habe die ganze Sache unterschätzt.“  In der vergangenen Woche waren die beiden erneut in Köln – zu einer von mehreren Nachuntersuchungen. Die ersten vorläufigen Ergebnisse der Studie liegen inzwischen vor.

Nur 56 Prozent Sauerstoffsättigung

Lungenfunktionstest an der Kletterwand

Die extreme Hypoxie wirkte auf die Körper Nancys und Ralfs zunächst unterschiedlich. Ralf, durch seine vielen Achttausender-Expeditionen offenbar besser an die Sauerstoffarmut gewöhnt, tat sich mit der Akklimatisierung deutlich leichter als Nancy. „Einer der DLR-Ärzte sagte zu mir: ‚Ich hoffe, du fühlst dich besser, als du aussiehst“, erinnert sich die 50-Jährige und schmunzelt. Einmal wurde bei der Kanadierin eine Sauerstoffsättigung von nur 56 Prozent gemessen, ein Krankenhauspatient wäre damit ein Fall für die Intensivstation. Rund um die Uhr war ein DLR-Team für die beiden Bergsteiger im Einsatz. Die Wissenschaftler nahmen Blut- und Urinproben, machten Ultraschall- und MRT-Untersuchungen oder führten kognitive Tests durch. Die Analyse der riesigen Datenmenge aus den vielfältigen Tests ist noch lange nicht abgeschlossen.

Beide Bergsteiger verloren Muskelmasse, beide schliefen schlechter. Verblüffend war, dass sowohl bei Nancy, als auch bei Ralf die Reaktions- und die Konzentrationsfähigkeit auf annähernd konstantem Niveau blieb, auch bei extremer Hypoxie. „Allerdings mit der Einschränkung, dass sie bei den entsprechenden Tests richtig gefordert wurden und sich konzentrieren mussten“, sagt Dr. Ulrich Limper, der zusammen mit Prof. Jens Tank die DLR-Studie leitete. Im normalen Gespräch habe man schon zuweilen einige „Aussetzer“ feststellen können.

Auch Nierenleistung ließ nach

Auszug aus der Hypoxiekammer nach fünf Wochen

Bei Nancy schwoll die rechte Herzhälfte an, die Pumpleistung ließ nach. In ihrem Gehirn bildeten sich kleinere Schäden an der so genannten „Weißen Substanz“ (White Matter Lesions), wie sie häufig bei älteren Menschen auftreten. In Ralfs Hirn schwollen mit der Zeit die Venen an, ohne dass der 57-Jährige deswegen an starken Kopfschmerzen litt. Zudem arbeiteten bei beiden Bergsteigern die Nieren unter Hypoxie deutlich schlechter – wenn auch immer noch ausreichend. „Die gute Nachricht ist, dass wirklich alle Symptome innerhalb von nur 30 Stunden verschwanden, nachdem Nancy und Ralf die Hypoxiekammer verlassen hatten und wieder normale Luft atmeten“, sagt Dr. Fabian Hofmann, einer der DLR-Ärzte.

Zu der Frage, ob ein geschädigtes menschliches Herz – wie bei den Mäusen im Experiment – durch extreme Hypoxie positiv beeinflusst wird, lässt sich noch keine Aussage machen. „Wir hatten es ja hier mit zwei gesunden Herzen von Hochleistungssportlern zu tun“, sagt Hofmann. „Aber es ist schon erstaunlich, was man dem Herz zumuten kann, ohne dass es strukturellen Schaden erleidet.“ Weitere Studien sollen folgen, dann nach Möglichkeit auch mit Herzpatienten.

P.S.: Nancy und Ralf werden in Kürze zu einer Expedion in die Antarktis aufbrechen – in deutlich niedrigere Höhen als im DLR simuliert.

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Expedition „Hypoxie“ erfolgreich beendet https://blogs.dw.com/abenteuersport/expedition-hypoxie-erfolgreich-beendet/ Mon, 18 Jun 2018 13:55:50 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=41145

Mit Nancy Hansen (r.) und Ralf Dujmovits in der DLR-Hypoxiekammer

Und plötzlich kam der Anruf aus dem All: „Hier Alex“. Ralf Dujmovits wusste zunächst nicht, wer da am anderen Ende der Telefonleitung sprach: „Wie Alex? Dann habe ich plötzlich die Stimme wiedererkannt, die ich zwei Tage zuvor während der Übertragung des Raketenstarts gehört hatte.“ Alexander Gerst erkundigte sich von der Internationalen Raumstation ISS aus nach dem Befinden des deutschen Bergsteigers und seiner kanadischen Partnerin Nancy Hansen in der Hypoxiekammer des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln. „Es hat sich angehört, als säße er nebenan.“ Eine Viertelstunde lang sprach Ralf, der erste und bisher einzige deutsche Bergsteiger, der alle 14 Achttausender bestiegen hat, mit „Astro Alex“, dem ersten deutschen Astronauten, der das Kommando auf der ISS übernehmen wird. „Er hat sich sehr für unsere Erfahrungen im Labor interessiert. Das war große Klasse.“ Natürlich wechselte auch Nancy einige Worte mit Gerst. Für beide Bergsteiger sei es ein „echter Höhepunkt“ gewesen, sagt die 49 Jahre alte Kanadierin.

Belastung unterschätzt

Alexander Gerst schaut WM-Fußball auf der ISS

Nach fünf Wochen in der Hypoxiekammer, auf 110 Quadratmetern, öffnen sich am Dienstag die Türen für Dujmovits und Hansen. Dann ist das Experiment vorbei, bei dem getestet werden sollte, ob sich bei langem Aufenthalt in extrem dünner Luft Herzfunktionen verbessern. Die vergangenen beiden Wochen haben Ralf und Nancy durchgängig tagsüber auf einer simulierten Höhe von 6718 Metern verbracht und nachts auf 6490 Metern geschlafen. Das hat Spuren hinterlassen. „Du siehst uns hier ziemlich müde“, sagt Ralf, als ich die beiden am vergangenen Wochenende noch einmal (mit Atemmaske) besuche. „Ich hatte es anders erwartet. Ich war überzeugt, dass wir anfangs etwas müde wären, uns aber nach einiger Zeit so weit an die sauerstoffarme Luft gewöhnen würden, dass wir gut damit zurechtkämen. Ich habe unterschätzt, wie anstrengend das Ganze ist.“

„Ein Riesenerfolg“

Ein Grund für diese Müdigkeit dürfte sein, dass sich – wie sich bei Ralfs MRT herausstellte – das Blut in den Venen des Gehirns mit der Zeit extrem gestaut hat und die Adern angeschwollen sind. „So massiv habe ich das noch nie gesehen. Auf den ersten Blick ist man darüber nicht gerade glücklich“, sagt Dr. Ulrich Limper, der zusammen mit Prof. Jens Tank die DLR-Studie leitet. „Andererseits ist es aber auch keine direkte Gefahr. Wir gehen davon aus, dass es sich wieder zurückbildet.“ Bereits in vier Wochen werden Dujmovits und Hansen zur ersten Nachkontrolle ins DLR zurückkehren.

Die Wissenschaftler haben jede Menge Daten gesammelt, die jetzt ausgewertet werden. Voraussichtlich in einem halben Jahr werden die ersten Ergebnisse vorliegen. „Für uns ist es schon jetzt ein Riesenerfolg“, sagt Limper. „Das Konzept hat funktioniert, wir haben sehr viel gelernt. Wir sind noch vorsichtig, aber es sieht klinisch danach aus, als würde sich unsere Hypothese bestätigen, dass sich bestimmte Herzfunktionen unter Hypoxie-Einfluss verbessern. Wenn wir das mit den Daten untermauern können, wäre es toll.“ Möglicherweise könnten dann aus der Studie sogar neue Therapien für Herzinfarktpatienten hervorgehen.

Herz „angeschwollen“

Nancy an der mobilen Kletterwand

Ursprünglich war geplant gewesen, dass die beiden Bergsteiger nach einer Gewöhnungsphase zwei Wochen lang Tag und Nacht auf einer simulierten Höhe von 7112 Metern leben sollten. Doch die Wissenschaftler mussten umdisponieren. Bei Nancy war in dieser Höhe der Druck in den Lungenarterien – der Druck, mit dem das sauerstoffarme Blut vom Herz in die Lunge gepresst wird – stark erhöht. Die rechte Herzhälfte war deshalb, vereinfacht gesprochen, „angeschwollen“, Nancys Werte bewegten sich im Grenzbereich. „Es hätte aus unserer Sicht keinen Erfolg gebracht, sie ‚hochzuprügeln‘“, sagt Limper. „Wahrscheinlich wäre es ihr schlechter gegangen.“ Deshalb wurde die simulierte Höhe auf unter 7000 Meter gesenkt, nachts noch etwas weiter als tagsüber. „Damit ist Nancys Körper klargekommen. Ihre Werte verbesserten sich langsam und näherten sich gegen Ende wieder jenen von Ralf an.“

Nicht viel höher als 7000 Meter

Lernt der Körper durch häufige Aufenthalte in großer Höhe?

Man gehe davon aus, so Limper, dass es sich bei Nancy um eine „normale Reaktion eines Herzens handelte, das an die ganz großen Höhen einfach noch nicht gewöhnt ist“. Auch Ralf habe von gesundheitlichen Problemen bei seinen ersten Expeditionen erzählt, die bei seinen späteren Projekten nicht mehr aufgetreten seien. „Es könnte sein, dass es so etwas wie eine Langzeitadaption gibt“, sagt der Mediziner. Wissenschaftlich bewiesen sei das jedoch bisher nicht.

Nancys Schwierigkeiten haben ihr und Ralf zu denken gegeben. „Einen Siebentausender anzugehen, bei dem wir die letzte Nacht auf 6300 oder 6500 Metern verbringen, dürfte kein Problem sein“, sagt Ralf. „Aber in Höhen darüber könnte es schon sein, dass sich Nancy einen gesundheitlichen Schaden zuzieht. Das haben wir gelernt, und darauf werden wir natürlich Rücksicht nehmen.“

Ständig gefroren

Muskelmasse verloren

Beide haben während der Zeit in der Hypoxiekammer jeweils gut zwei Kilogramm Körpergewicht verloren, in erster Linie wohl Muskelmasse. „Die Oberarme sind dünner geworden“, stellt Ralf fast. „Und wo normalerweise die Hosen an den Oberschenkeln straff sitzen, schlabbert jetzt alles.“ Der Gewichtsverlust der Bergsteiger sei geringer gewesen als gedacht, sagt Ulrich Limper. „Wir führen es darauf zurück, dass sie außer der Hypoxie keine Stressfaktoren hatten wie normalerweise im Gebirge: keine Kälte, kein Zeltaufbau, keine andauernde körperliche Belastung. Im Endeffekt haben sie sich ja sehr wenig bewegt.“ Auf einem Laufband und einem Ergometer sowie an einer mobilen Kletterwand versuchten Nancy und Ralf, halbwegs fit zu bleiben. Zu den auch für die Wissenschaftler überraschenden Erkenntnissen gehörte, dass Ralf nach 50 Minuten auf dem Ergometer zwar erschöpft war, aber überhaupt nicht schwitzte. Auch dass es Nancy und Ralf bei 24 Grad Raumtemperatur durchgehend so sehr fröstelte, dass sie noch zwei Jacken über ihre T-Shirts zogen, wirkte ungewöhnlich. Es gibt also noch einige Fragezeichen.

Ab in die Sonne!

„Es war die Anstrengung wert“

Nancy und Ralf bedauern es nicht, sich auf das DLR-Experiment eingelassen zu haben. Ganz im Gegenteil. „Ich würde es noch einmal machen“, sagt Nancy. „Wissenschaftlich gesehen, fand ich es unglaublich interessant. Natürlich war es nicht in jedem Moment das reine Vergnügen, doch insgesamt war es eine tolle und einzigartige Erfahrung.“ Auch für Ralf „war es die Anstrengung unbedingt wert“: „Wir gehen gesund aus der ganzen Geschichte heraus. Und wenn wir noch einen Beitrag dazu leisten, dass vielleicht künftig eine Therapie für Herzinfarktpatienten entsteht, dann ist doch alles perfekt.“

Und worauf freuen sich die beiden jetzt am meisten? „Sonnenschein“, sagt Nancy, wie aus der Pistole geschossen. Ralf sehnt besonders das Wiedersehen mit seiner Familie und den Freunden herbei und freut sich darauf, im Garten zu sitzen, durch die Wälder zu laufen oder mit dem Mountainbike stundenlang durch die Gegend zu radeln: „Wir hatten hier ein unglaublich engagiertes Wissenschaftler- und Ärzteteam um uns herum. Wir haben es genossen, es war spannend, und wir haben sehr viel dazugelernt. Aber jetzt ist es gut, dass wir wieder heimkommen.“

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Dujmovits: „Wir sind hier in besten Händen“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/dujmovits-wir-sind-hier-in-besten-haenden/ Thu, 17 May 2018 12:35:52 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=40767

Ralf Dujmoivits und Nancy Hansen

Die Türen haben sich geschlossen hinter Ralf Dujmovits und Nancy Hansen. Der einzige Deutsche, der bisher alle 14 Achttausender bestiegen hat, und seine kanadische Lebensgefährtin bezogen am Dienstag eine 110 Quadratmeter große Hypoxiekammer des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln. Wie berichtet, nehmen die beiden Bergsteiger an einer Studie des DLR in Kooperation mit der Universität Texas teil, bei der untersucht werden soll, ob extreme Hypoxie bei Menschen auch einen positiven Nebeneffekt haben kann. US-Forscher aus Texas hatten bei zwei Experimenten mit Mäusen festgestellt, dass sich Herzmuskelzellen teilten, wenn die Tiere zwei Wochen lang einem Sauerstoffmangel ausgesetzt waren, der den Verhältnissen auf 7000 Metern entsprach. Bei Mäusen, bei denen man vorher einen Herzinfarkt verursacht hatte, verbesserte sich die Herzfunktion nach zwei Wochen Hypoxie.

Medizinische Kontrolle rund um die Uhr

Monitor im Kontrollraum

Ralf und Nancy, beide kerngesund, sind die Probanden der Pilotstudie. Gut einen Monat sollen sie sich in der Hypoxiekammer aufhalten. In den ersten Wochen wird eine Akklimatisierung wie bei einer Himalaya-Expedition simuliert. Der Sauerstoffanteil in der Atemluft wird schrittweise gesenkt und nur zweimal zwischendurch vorübergehend erhöht – so als würden die beiden Bergsteiger nochmal absteigen, um wieder dickere Luft zu atmen. Die letzten beiden Wochen sollen der 56 Jahre alte Deutsche und die 49-jährige Kanadierin dann in einer simulierten Höhe von 7000 Metern verbringen. Das Experiment kann jederzeit abgebrochen werden, sollten schwerwiegende Probleme auftauchen. Ein Forscherteam des DLR überwacht rund um die Uhr den Gesundheitszustand von Dujmovits und Hansen. Auf dem Tagesplan stehen unter anderem Kontrollen der Herz- und Lungenfunktion, Blut- und Urintests, Fitness-Checks und so genannte „Cognition Tests“, bei denen Reaktions- und Wahrnehmungsvermögen der Probanden überprüft werden.

Ich besuchte gestern die beiden Bergsteiger in ihrem neuen „Zuhause“. Das war am Mittwoch letztmals ohne Atemmaske möglich. Nach einer guten halben Stunde in einer simulierten Höhe von rund 3700 Metern fühlte ich mich allerdings ein wenig benommen. Das Interview mit Ralf führte ich dann doch lieber anschließend in dicker Luft, per Telefon.

Ralf, ihr könnt nicht raus, ihr habt kein Tageslicht, und euch wird quasi der Sauerstoff abgedreht. Das klingt nicht gerade nach Ferienwohnung.

Lungenfunktionstest bei Nancy

Nein, es ist keine Ferienwohnung. Aber wir haben uns ja über einen langen Zeitraum darauf eingestellt. Wir haben es so angenommen. Wir haben uns fast ein Dreivierteljahr mental darauf vorbereitet. Jetzt sind wir hier und fühlen uns auch eigentlich ganz wohl.

Dujmovits: Wir fühlen uns hier ganz wohl.

Wie fühlt sich die Aussicht an, wochenlang gewissermaßen eingesperrt zu sein und nicht an die frische Luft zu können? Das muss doch für einen Bergsteiger fast wie Folter sein.

Gar nicht mal so. Ich habe das große Privileg, dass ich sehr viel draußen sein durfte. Ich sehe kein großes Problem darin, dass ich jetzt mal fünf Wochen drinnen bin. Wir wurden darauf schon oft angesprochen. Aber weder Nancy, noch ich haben große Sorgen, dass wir nicht damit umgehen können. Wir beiden können uns sehr auf etwas fokussieren. Wir haben uns darauf eingelassen und nehmen es so an, wie es ist.

Wie habt ihr euch auf dieses Experiment vorbereitet? Habt ihr noch einmal so viel Frischluft und Natur wie möglich getankt?

Skiabfahrt zur Monte-Rosa-Hütte

Wir waren noch einmal eine Woche lang im Wallis. Wir haben zum Schluss zwei Nächte auf der Gnifetti-Hütte auf 3700 Metern verbracht und anschließend eine Nacht im Winterraum der Capanna Margherita auf der Signalkuppe auf 4550 Metern. Wir haben quasi Natur pur für uns gehabt. Auf der Capanna Margherita waren wir 24 Stunden lang völlig für uns alleine. Wir standen schon um halb sechs auf, um den tollen Sonnenaufgang zu genießen. Anschließend fuhren wir bei schönstem Pulverschnee mit Skiern zur Monte-Rosa-Hütte ab. Wir haben wirklich noch einmal aufgetankt, es uns dort gut gehen lassen und uns damit natürlich auch schon ein Stück weit vorakklimatisiert.

Was motiviert euch denn überhaupt, an dieser Studie teilzunehmen?

Nancy hatte in ihrem familiären Umfeld einige Fälle von Herzinfarkten, die entweder tödlich ausgingen oder nach denen sich die Angehörigen nur sehr schwer erholen konnten. Daher ist für sie die Motivation wirklich, im Bereich der Forschung etwas vorwärts bringen zu können. Ähnlich ist es auch bei mir. Das Interesse an der Medizin war immer da und wird auch weiterhin bleiben. Jetzt dabei sein zu können, wie sich unter Umständen eine neue Behandlungstechnik für Herzinfarktpatienten entwickelt, ist doch eine klasse Geschichte.

Vielleicht trägt ja auch zu eurer Motivation zusätzlich bei, dass dieser „Siebentausender“, den ihr jetzt besteigt, noch unbestiegen ist.

Natürlich ist es ein Stück weit eine Erstbesteigung. (lacht) Aber es ist gar nicht so diese Erstlingstat, die uns motiviert, sondern vielmehr die Unterstützung, in der Herzinfarkt-Forschung ein Stück weiter zu kommen.

Stickstofftank im DLR-Außengelände

Habt ihr auch Befürchtungen, sei es psychischer oder körperlicher Art, wenn ihr an die Wochen in der Hypoxiekammer denkt?

Es gab eine Unbekannte, mit der wir uns beide schwer getan haben. Es ist nicht ganz einfach, die Prozentteile Sauerstoff in der Umgebungsluft auf die (virtuelle) Höhe umzurechnen. Wir müssen uns auf das verlassen, was Jens und Uli (die Leiter der Studie, Prof. Jens Tank und Dr. Ulrich Limper vom DLR) uns vorgerechnet hatten. Aber wir haben hier auch die Möglichkeit,  über Sensoren, die in allen Räumen angebracht sind, zu sehen, wie die Luft zusammengesetzt ist. Von meinem Gefühl her passt das ganz gut. Daher ist das Vertrauen, dass wir der Mannschaft hier entgegenbringen müssen, absolut gerechtfertigt. Wir haben das Gefühl, wir sind hier wirklich in besten Händen.

Dujmovits: Wir sind hier in besten Händen.

Ihr seid jetzt den ersten kompletten Tag in der Hypoxiekammer und befindet euch auf einer Quasi-Höhe von rund 3700 Metern. Fühlt sich das anders an als auf dem Berg?

Natürlich ist es anders, weil die Härtefaktoren wie starke Sonneneinstrahlung, Wind, Kälte, Sturm oder Schneefall, wegfallen. Von daher ist es natürlich deutlich leichter. Aber die dünne Luft fühlt sich so an, wie wir das von der Höhe her kennen. Und das, obwohl die Höhe simuliert wird, indem man den Sauerstoffanteil reduziert. Normalerweise ist dieser prozentuale Anteil ja immer gleich hoch, egal auf welcher Höhe man sich befindet. (Die Hypoxie entsteht durch den geringeren Druck, mit der der Sauerstoff in die Lungen gepresst wird.) Hier ist es so, dass Stickstoff in die Räumlichkeiten hineingepumpt wird und damit der Sauerstoffanteil zurückgeht.

Glaubst du, dass du in den nächsten Wochen auch etwas über dich selbst lernen wirst?

Mobile Kletterwand im Wohnbereich

Ich habe schon jetzt einiges dazugelernt. Es sind viele, viele Kleinigkeiten. Wir haben zum Beispiel gestern an der mobilen Kletterwand trainiert. Sie wurde extra für uns hier hereingestellt, weil es unser Wunsch war, auch beim Klettern fit zu bleiben. Wir haben sofort gemerkt, dass hier nicht die fehlende Kraft in den Armen oder den Fingern der limitierende Faktor sein wird, sondern die Ausdauer in der dünnen Luft. Das haben wir unterschätzt. Wenn wir hier den Überhang an der Wand klettern, kommen wir wahrscheinlich nie an den Punkt, dass uns die Kräfte ausgehen, sondern wir werden in Sachen Ausdauer am Anschlag sein.

Hilft es euch, die ganze Sache zu zweit durchzustehen?

Das macht es auf jeden Fall viel einfacher. Ich habe mir gestern beim Abendessen mal kurz vorgestellt, wie es wäre, wenn ich alleine hier sitzen, mir vielleicht noch die Tagesschau ansehen und dann alleine ins Bett gehen würde. Das wäre ja furchtbar. Man hat niemanden, mit dem man sich darüber austauschen kann, was am Tag passiert ist. Das jetzt gemeinsam mit der Partnerin machen zu können, ist wirklich klasse. Wir haben viel zu lachen. Wir haben aber in der Nacht auch schon die ersten schwierigen Momente gehabt. Nancy hatte Kopfschmerzen, ich hatte einen leichten Druck im Kopf. Man unterhält sich darüber, und dann geht es gleich wieder ein bisschen leichter.

Dujmovits: Zu zweit geht es leichter.

Ist es nicht ein bisschen so, wie in einem Basislager bei schlechtem Wetter zu sitzen und sich nicht aus dem Weg gehen zu können?

Man kann das durchaus vergleichen. Ich erinnere mich z.B. an 2009, als wir drei Wochen am Stück bei extrem schlechtem Wetter am Lhotse im Basislager festsaßen und nur zwischen persönlichem und Mannschaftzelt hin und her wechseln konnten. Das ist hier auch nicht viel anders. Wir haben eigentlich sogar mehr Auslauf, weil die Räumlichkeiten doch sehr weitläufig sind. Außerdem haben wir am Tag sehr viele Aufgaben zu erledigen.

EKG bei Ralf

Was erwartest du, wie ihr aus diesem Experiment herauskommt? Als körperliche Wracks?

Das ist die ganz große Unbekannte. Wir hatten ursprünglich vor, hinterher auf Expedition zu gehen und damit diese extrem gute Akklimatisation zu nutzen.  Nachdem wir aber keine Ahnung haben, ob wir noch so fit sind, dass wir noch einen interessanten Berg besteigen können, haben wir unsere Pläne erst einmal auf die Alpen beschränkt. Es gibt z.B. auf der Südseite des Mont Blanc so viele hoch gelegene Ziele. Wenn wir noch fit genug sind, würden wir eher dorthin gehen, statt ein Permit zu kaufen, einen Verbindungsoffizier vorneweg bezahlen zu müssen, um dann hinterher vielleicht sagen zu müssen: Wir sind zu schwach, es geht einfach nicht.

Es kann aber auch sein, dass ihr euch einfach faul in die Sonne legt?

Auch das könnte sein. Nach der Zeit hier in der Kammer findet sofort die Messe „Outdoor“ in Friedrichshafen statt. Danach haben wir uns etwas Freiraum gelassen. Vielleicht legen wir uns dann auch in die Sonne.

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