Siebentausender – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Auch der Praqpa Ri bleibt unbestiegen https://blogs.dw.com/abenteuersport/auch-der-praqpa-ri-bleibt-unbestiegen/ Thu, 14 Jul 2016 22:36:15 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=33214 Nancy Hansen vor dem Praqpa Ri

Nancy Hansen vor dem Praqpa Ri (7134 Meter)

Es regnet – und das abends um 21 Uhr auf 5000 Metern im Karakorum. „Es ist unglaublich warm hier“, erzählt mir Ralf Dujmovits, Deutschlands erfolgreichster Höhenbergsteiger, per Satellitentelefon aus dem Basislager zu Füßen des Praqpa Ri. „Wir haben bis weit in den Abend bei offenem Zelt zusammengesessen.“ Das ungewöhnlich warme Wetter hat für schwierige Verhältnisse an dem Siebentausender gesorgt, dessen Gipfel weiter unbetreten bleibt. Wie zuvor schon am ebenfalls unbestiegenen Siebentausender Gasherbrum VI mussten der 54 Jahre alte Deutsche und seine 47 Jahre alte kanadische Partnerin Nancy Hansen ihren Gipfelversuch abbrechen. „Wir haben um jeden Meter im Aufstieg gekämpft“, sagt Ralf. Vergeblich.

Ralf, wie hoch seid ihr diesmal gekommen?

Höchster erreichter Punkt

Höchster erreichter Punkt

Bis auf 6300 Meter. Wir hatten unseren ursprünglichen Plan geändert. Wir wollten über den linken Pfeiler klettern und dann über den überwechteten Grat zum Gipfel steigen. Wir hatten gehofft, auf der Rückseite der überhängenden Wechten entlang klettern zu können. Aber so weit sind wir gar nicht gekommen.

Habt ihr die falsche Route gewählt oder waren die Bedingungen einfach zu schlecht?

Die Schneebedingungen sind in diesem Jahr extrem schlecht. Wir haben es ähnlich angetroffen wie drüben am Gasherbrum VI: sehr viel Zuckerschnee, Schwimmschnee, in den du einbrichst, teilweise grundlos. Wir kletterten teilweise in sehr steilem Gelände, 70 bis 80 Grad, manchmal auch senkrecht.

Durch den Schnee gewühlt

Durch den Schnee gewühlt

Dort konntest du den Pickel waagerecht hineinschieben und den Arm noch gleich hinterher. Dann aber auch wieder Blankeis mit nur einem halben Meter Schneeauflage. Sehr wechselhafter, sehr schlechter Schnee. In den steilen Passagen haben wir teilweise eine Stunde für eine Seillänge gebraucht, weil wir uns im fast senkrechten Zuckerschnee hochbalancieren mussten. Bei diesen schlechten Verhältnissen ist uns einfach die Zeit weggelaufen.

Wie sah es mit der Lawinengefahr aus?

Die kam noch hinzu. Es handelt sich um einen Ostgrat. Ab 4.30 Uhr steht darauf die Sonne. Spätestens ab 9 Uhr hast du dann akute Lawinengefahr. Ständig rauscht rechts und links von dir der Schnee herunter. Wir sind eine Flanke mit einer Auflage von einem halben Meter Zuckerschnee aufgestiegen. Irgendwann ist die ganze Flanke abgerutscht. Jetzt ist dort nur noch eine riesige Blankeisfläche.

Gefriergetrocknetes auf 6000 Metern

Gefriergetrocknetes auf 6000 Metern

Was hat euch letztlich bewogen umzukehren? Habt ihr einfach zu lange gebraucht oder seid ihr wie am Gasherbrum VI an eine Stelle gekommen, die ihr nicht überwinden konntet?

Wir sind an einen Punkt gelangt, an dem Nancy gesagt hat: Das ist mir zu gefährlich. Sie stand 30 Meter über mir im Zuckerschnee, obenauf ein dünner Deckel härteren Schnees, 60 Grad Neigung. Ich hätte wahrscheinlich schon früher umgedreht.

Es lag also an den Verhältnissen, nicht an der Route?

Ich denke, bei guten Verhältnissen wären wir deutlich schneller vorwärts gekommen und hätten weitersteigen können.

Wenn du die beiden Versuche am Gasherbrum VI und Praqpa Ri vergleichst, wo wart ihr dem Erfolg näher?

Das kann man eigentlich nicht sagen. Wir waren an beiden Bergen noch 600 beziehungsweise 800 Höhenmeter vom Gipfel entfernt. Das ist noch ziemlich weit weg. In beiden Fällen war es uns einfach zu gefährlich.

Einfach nur gefährlich

Einfach nur gefährlich

Ihr habt euch erneut sechs Tage durch den Schnee gewühlt, um am Ende wieder einsehen zu müssen, dass es keinen Sinn hat. Wie sieht es jetzt in euch aus?

Wir hatten eine gute Zeit zusammen und haben es wirklich als schönes Abenteuer erlebt, extrem spannend. Trotz der ganzen Anstrengung und Härte haben wir es genossen und nehmen zwei schöne Bergerlebnisse mit nach Hause.

Und ihr seid heile heruntergekommen.

Ja, vor allem am Praqpa Ri waren wir am Ende wirklich froh, wieder unbeschadet das Basislager erreicht zu haben. Es war äußerst heikel.

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Tödliches Unglück am Pik Lenin https://blogs.dw.com/abenteuersport/toedliches-unglueck-am-pik-lenin/ Thu, 13 Aug 2015 12:55:51 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=30321 Pik Lenin

Pik Lenin

„Es gibt keine leichten Berge und schon gar keine leichten Siebentausender.“ Diese Worte meines Expeditionsleiters Herbert Wolf 2011 am 7246 Meter hohen Putha Hiunchuli in Nepal klingen mir noch immer in den Ohren. Ich hatte damals 150 Meter unter dem Gipfel umkehren müssen, weil sich die Wetterverhältnisse verschlechterten und ich zu spät dran war. Was Herbert meinte, war die Tatsache, dass selbst ein vermeintlich leichter Berg durch die herrschenden Bedingungen zu einem schweren und gefährlichen werden kann.

Der Pik Lenin in Kirgistan wird von kommerziellen Veranstaltern gerne als „leichter Siebentausender“ oder als „Einstiegs-Siebentausender“ bezeichnet. Am 7. August kam an dem 7134 Meter hohen Berg im Pamir ein russischer Bergführer ums Leben. Es war eine Kombination aus schwierigen Verhältnissen und Fahrlässigkeit, die ihn das Leben kostete. Drei andere Teilnehmer der Expedition, die von einer kirgisischen Agentur organisiert worden war, überlebten den Unfall mit viel Glück. Ich habe Informationen aus erster Hand. Ohne Eispickel und Helm

Mehrere hundert Bergsteiger versuchten sich in dieser Saison am Pik Lenin. Nach übereinstimmenden Berichten verschiedener Expeditionen waren die Wetterverhältnisse in den letzten Wochen so schlecht wie selten: Heftiger Schneefall, Wind und Kälte sorgten dafür, dass die Erfolgsquote, die an dem Siebentausender sonst bei etwa 20 Prozent liegt, im Juli auf zwei Prozent fiel. „Wir waren am Morgen des 7. August die erste Gruppe, die auf der Normalroute von Lager eins auf 4400 Metern über den spaltenreichen, tief verschneiten Gletscher nach Lager zwei auf 5300 Metern aufstieg“, berichtet mir ein Mitglied der Viererseilschaft, der das Unglück überlebt hat und anonym bleiben will. Der russische Bergführer sei ein erfahrener Mann gewesen, der auch schon auf Achttausender-Gipfeln gestanden habe. Er habe jedoch die Verhältnisse offenbar auf die leichte Schulter genommen. „Er hatte weder Helm noch Eispickel dabei, dazu ein 40-Meter-Seil, von dem er aber nur 20 Meter ausgeben wollte.“ Das sollte sich später als fatal erweisen.

Keine Chance zu reagieren

Auf dem Gletscher

Auf dem Gletscher

Die ersten schmaleren, tiefen Spalten habe man noch springend überwinden können. Dann jedoch sei das Team auf etwa 5000 Meter Höhe an eine breite Spalte gekommen, in die der Wind viel Schnee geweht habe. „Wegen des kurzen Seilabstands zwischen uns standen zwei Bergsteiger gleichzeitig auf der Schneebrücke, als diese brach“, erzählt der Bergsteiger. „Alles ging rasend schnell. Wir anderen konnten wegen der kurzen Seilverbindung nicht mehr reagieren und wurden ebenfalls in die etwa 20 Meter tiefe Spalte gerissen.“

Der Bergführer schlug mit dem Kopf voraus in der Mitte der Spalte auf und war sofort tot. Ein Teammitglied wurde von den Steigeisen des Bergführers getroffen und zog sich schwere Schnittwunden zu. Der Sturz der anderen beiden anderen endete am Spaltenrand, einer verletzte sich am Knie, der andere blieb wie durch ein Wunder unversehrt.

Andere Seilschaften hätten beobachtet, dass die Gruppe plötzlich in der Spalte verschwunden sei, erzählt das Teammitglied. Etwa zwei Stunden später seien alle aus der Spalte geborgen und per Hubschrauber ausgeflogen worden.

„Grobe Fahrlässigkeit“

„Hätten wir – wie von uns mehrfach beim Bergführer angemahnt – die volle Seillänge verwendet, hätte nur ein Teammitglied auf der Schneebrücke gestanden, und wir hätten eine Chance gehabt, den Sturz abzufangen“, sagt der Bergsteiger. Das Material, mit dem der russische Bergführer aufbrach, sei für die herrschenden Verhältnisse am Pik Lenin unzureichend gewesen. Das gelte auch für die Verpflegung in den Hochlagern. „Das war grobe Fahrlässigkeit. Man sollte sich wirklich genau ansehen, wem man sich auf einer solchen Expedition anvertraut“, sagt das Expeditionsmitglied.

Tragödien am Pik Lenin

Gedenkstein für die Opfer der Eislawine 1990

Gedenkstein für die Opfer der Eislawine 1990

Der Pik Lenin wurde 1928 von einer sowjetisch-deutschen Expedition erstbestiegen. Der Berg war mehrfach Schauplatz von Tragödien. 1974 gerieten acht russische Bergsteigerinnen in einen Sturm und erfroren. 1990 ereignete sich am Pik Lenin das Bergsteiger-Unglück mit den meisten Todesopfern überhaupt: Ein Erdbeben löste eine Eislawine aus, die ein Lager komplett verschüttete. 43 Bergsteiger starben, nur zwei überlebten. So viel zum Thema „leichter Siebentausender“.

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