Extremsportler – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Traurige Liste https://blogs.dw.com/abenteuersport/traurige-liste/ Tue, 19 May 2015 15:37:07 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=29605 Wingsuit_1Ein Zischen, ein grüner Blitz, vorbei. Als ich vor einigen Wochen mit den Skiern am 2550 Meter hohen Brevent oberhalb von Chamonix eine kleine Pause machte, flog, nein, schoss ein Basejumper im grünen Wingsuit über mich hinweg talwärts. Wie eine Fledermaus mit Düsenantrieb. Ich räume ein, dass ich einerseits fasziniert war. Andererseits fragte ich mich, ob bei diesem Extremsport das Risiko wirklich noch kalkulierbar ist. Je nach Gelände genügt eine unerwartete Windböe von der Seite und das Leben des Springers endet an einem Felsvorsprung.

Nummer 256

So wie am vergangenen Samstag die Leben der beiden US-Amerikaner Dean Potter und Graham Hunt. Die beiden starben – wie berichtet – bei einem Wingsuit-Flug vom knapp 2300 Meter hohen Taft Point im Yosemite-Nationalpark. Potter hatte immer wieder mit extrem gefährlichen Projekten für Schlagzeilen gesorgt: ob er nun free solo (also im Alleingang und ohne jede Art von Hilfsmitteln) kletterte, ohne Absicherung auf einer Highline zwischen zwei Felsnadeln balancierte oder eben mit einem Wingsuit von einer Felsklippe sprang. Potter ist die Nummer 256 auf der Todesliste der Basejumper, die seit 1981 geführt wird.

Allein seit 2010 kamen 111 Springer ums Leben, die Zahl der Toten bewegte sich in diesem Zeitraum zwischen 15 und 25 pro Jahr. Auch eine Statistik wird mitgeliefert: Danach starben 71,5 Prozent aller Basejumper bei Sprüngen von Felswänden, 12 Prozent der Opfer waren von Antennenmasten, zehn Prozent von Gebäuden gesprungen. Häufigste Todesursache war in 38 Prozent der Fälle, dass sich die Fallschirme nicht geöffnet hatten. 30 Prozent der tödlich verunglückten die Springer prallten gegen Felswände. Gut ein Drittel der Opfer (35,5 Prozent) trugen Wingsuits. Die Fluganzüge sind erst seit etwa zehn Jahren im Einsatz.

Nummer 254

Wingsuit_2Auf der traurigen Liste stehen auch die Namen von zwölf Deutschen. Erst am vergangenen Donnerstag, gerade einmal zwei Tage vor Potter und Hunt, starb ein deutscher Basejumper (der nicht im Wingsuit sprang) beim Sprung von Monte Brento in Italien. Warum sich sein Schirm nicht öffnete, ist unklar. Möglicherweise hat er sich einfach nur verschätzt. Er wurde nur 25 Jahre alt. Jetzt steht er auf Nummer 254 der Todesliste.

Unweigerlich hohe Todesrate?

Immer wieder wird nach tödlichen Unfällen der Ruf nach einem Verbot dieser Extremsportart laut. Vor anderthalb Jahren fragte ich den Wingsuit-Flieger Alexander Polli, was er davon halte. „Es ist fast unmöglich ist, so etwas mit Verboten zu regeln. Sollen wir jetzt am Absprungort auf dem Berg einen Kontrollposten für die Sicherheit einrichten? Ja, du kannst springen! Nein, du darfst nicht!“, antwortete Polli und lachte.

Eigentlich, findet Bergsteiger-Legende Chris Bonington, unterscheiden sich Basejumper in puncto Motivation kaum von Extrembergsteigern. „Du hast die Adrenalin-Junkies – und das sind wir wirklich – die suchen das Extreme und schieben ihre Grenzen so weit wie möglich hinaus“, sagte mir der 80 Jahre alte Brite kürzlich. „Da muss es doch fast unweigerlich eine hohe Todesrate geben. Und es gibt sie tatsächlich unter den Extrem-Höhenbergsteigern, genauso wie unter den Basejumpern oder Wingsuit-Fliern. Ich glaube nicht, dass sich diese Menschen nach dem Tod sehnen. Vielmehr erleben sie eine Euphorie dabei, ihren Körper und sich selbst ans absolute Limit zu bringen, um ein Ziel zu erreichen.“

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Der deutsche Forrest Gump https://blogs.dw.com/abenteuersport/robby-clemens-der-deutsche-forrest-gump/ Tue, 03 Feb 2015 16:13:05 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=28249 Robby Clemens bei seinem "World Run" 2007

Clemens bei seinem „World Run“ 2007

Forrest-Gump-Darsteller Tom Hanks hat versprochen, ein Stück mitrennen, die laufbegeisterte US-Sängerin Pink ebenfalls. Robby Clemens hat schon mit seiner Ankündigung, vom Nordpol ingesamt 25.000 Kilometer weit bis zum Südpol zu laufen, für Schlagzeilen gesorgt. Im April will der 53-Jährige vom Nordpol aus mit Skiern und Schlitten aufbrechen. Der erfahrene Norweger Borge Ousland soll ihn zunächst durch die Arktis bis an die Südspitze Grönlands führen.Von dort will Robby nach Kanada fliegen, um anschließend Nord- und Südamerika laufend zu durchqueren. Dort wird ihn sein Team mit dem Auto begleiten. Wenn alles so klappt, wie es sich der Langstreckenläufer aus Höhenmölsen in der Nähe von Leipzig vorstellt, wird er nach etwa zwei Jahren am Südpol eintreffen. 2007 umrundete Clemens laufend die Welt, in 311 Tagen über mehr als 13.000 Kilometer durch 27 Länder auf vier Kontinenten. Über 30 Paar Schuhe hat er dabei verschlissen. Die Nase vom Laufen hatte er danach immer noch nicht voll, ganz im Gegenteil. Ich habe mit Robby darüber gesprochen, was ihn antreibt. Lest (und hört) selbst:

Robby, man nennt dich den deutschen Forrest Gump. Warum?

Weil ich immer unheimlich viel laufe. Wobei diese Passion bei mir ziemlich spät gekommen ist. Aber jetzt eben umso mehr. Für mich ist Laufen ein Lebenselixier. Deshalb betrachte ich es nicht als Anstrengung, sondern ich genieße einfach jeden Meter, den ich unterwegs sein darf. Deshalb erweckt es den Anschein, dass ich extrem bin. Forrest Gump ist ja auch ständig unterwegs gewesen. Und deshalb assoziiert man das einfach mit mir.

Robby Clemens

Robby Clemens

Und du hast auch wie Gump einen Lebenslauf mit gewissen Brüchen.

1986, zu DDR-Zeiten habe ich mich selbständig gemacht. Ich übernahm von einem alten Klempner-Meister einen Betrieb. Dann kam die Wende. Wir expandierten, ich hatte über 100 Beschäftigte und war einer der größten Arbeitgeber in der Region. In Leipzig gab es jemand, der große Aufträge erteilte, der hieß [Jürgen] Schneider. Das Ende vom Lied war die erste Milliardenpleite für ihn und für uns eine Millionenpleite. 2,2 Millionen D-Mark waren weg. Ich habe meine Eltern überredet, für diese Schulden zu bürgen. Wir sind dann völlig abgestürzt. Die totale Pleite. Meine Eltern haben durch mich alles verloren. Das muss man sich mal vorstellen: Ich hatte 40 Jahre Arbeit meiner Eltern vernichtet. Trotzdem standen sie immer hinter mir.

Ich wollte das alles vergessen machen und begann zu trinken. Immer mehr, ich wurde süchtig. Nebenbei rauchte ich noch drei, vier Schachteln Zigaretten. Ich wog 125 Kilo. Mein Hausarzt sagte mir eines Tages: Wenn du weiter so viel säufst, wirst du krepieren. Das hat irgendetwas in mir ausgelöst. Ich habe mir Laufschuhe gekauft und bin losgerannt. Ich dachte, ich laufe im heimischen Stadion eine Runde. Doch ich habe nicht einmal eine halbe geschafft. Aber dann bin ich jeden Morgen wieder dorthin gegangen und bin gerannt. Mit dem Loslaufen habe ich auch aufgehört zu trinken. Kein Tropfen Alkohol mehr, keine Zigarette. Nach einem Dreivierteljahr wog ich nur noch 80 Kilogramm. Entscheidender aber war, dass ich wieder denken konnte. Ich habe mir mit dem Laufen Träume erfüllt: erst kleine, ein Fünf-Kilometer-Lauf, dann zehn Kilometer, Halbmarathon und dann nach zwei Jahren ein Marathon. Als ich damals in Hannover den Zielstrich erreichte, habe ich geheult. Es war ein Wahnsinnserlebnis. Das Laufen hat mir ein neues Leben geschenkt.

Robby Clemens: Wie ich zum Läufer wurde

Du bist dann 2007 um die Welt gerannt, insgesamt über 13.000 Kilometer weit. Wurde damals die Idee geboren, auch von Nord nach Süd zu laufen?

Bei der Weltumrundung selbst noch nicht. Aber du erreichst das Ziel völlig glücklich und bemerkst plötzlich: Das Rennen war ja schön, aber wie schaffe ich es jetzt, auch mental anzukommen. Die psychologische Bedeutung des Ankommens hatte ich total unterschätzt. Bei so einer Tour sind 80 Prozent Kopf und nur 20 Prozent Körper. Ich brauchte professionelle Hilfe, um aus diesem Loch wieder herauszukommen. Ich war völlig am Boden. Nach vielen Gesprächen mit einer Sportpsychologin war klar: Ich brauche ein neues Ziel. Um die Erde herum war ich schon gelaufen. Jetzt also von Nord nach Süd. Das war das neue Ziel, das mich sehr schnell aus dieser psychologischen Misere herausgebracht hat.

2007 in Indien

Immer schön schlurfen

Wie schafft der Körper das, wenn man – abgesehen von den Strecken im ewigen Eis – jeden Tag einen Marathon laufen will?

Ich bin immer noch ein Amateur. Ich versuche aber zumindest, meinen Körper jedes Mal besser kennenzulernen. Bei so einer Tour verschiebst du ja deine psychologische und physische Leistungsgrenze immer um ein Stück weiter. Für mich ist aber entscheidend, dass ich nicht Kilometer zähle und nicht auf die Uhr sehe. Stattdessen rede ich mit den Leuten an der Strecke, genieße die Landschaft. Selbst an einem tristen, grauen Tag ist es für mich ein absoluter Wahnsinn, dort laufen zu dürfen. Deshalb ist es für mich keine Anstrengung, sondern nur ein gelebter Traum.

Entscheidend ist natürlich auch der Laufstil. Die so genannte Prallkraft entsteht, wenn du beim Laufen abhebst und dann wieder mit dem Fuß aufkommst. Jemand hat mal gemessen, dass sich bei einem Marathon diese Prallkraft auf ein paar Tonnen summiert. Die möchte ich nicht kompensieren müssen. So entstehen Verletzungen. Ich versuche, so wenig wie möglich von der Erde abzuheben, eher zu schlurfen, zwischen sieben und neun Stundenkilometer schnell. Und ich mache keine großen raumgreifenden Schritte. Dieser sehr effektive Laufstil minimiert die Verletzungsgefahr.

Robby Clemens: So minimiere ich die Verletzungsgefahr

Trotzdem werden die Gelenke und Bänder extrem belastet, wenn du jeden Tag läufst. Wie groß ist die Gefahr, dass du an einen Punkt kommst, wo die Schmerzen so groß sind, dass du aufhören musst?

Man sollte auf seinen Körper hören. Und der signalisiert: Kollege, das war zu viel, tritt mal kürzer! Natürlich rennt man in diesem Augenblick weiter, aber zwei, drei Tage später stellt sich eine Entzündung ein, am Schienbeinmuskel, von allen Läufern gefürchtet, oder an der Achillessehne. Dann weißt du: Hätte ich lieber mal auf meinen Körper gehört! Hast du aber nicht, also musst du es ausbaden und zwei oder drei Tage Pause machen. Mittlerweile habe ich die Abläufe so verinnerlicht, dass ich genau weiß, wann ich kürzer treten muss. Ich nehme keine chemischen Medikamente. Das passt für mich mit der Ausdauerleistung nicht zusammen. Ich versuche, mit ganz normalen Mitteln die Entzündungen in den Griff zu bekommen.

Ernährst du dich auf besondere Weise?

Im Training schon, aber wenn ich unterwegs bin, überhaupt nicht. Das geht nicht. Du musst dich dann von dem ernähren, was du hast. Da kann es passieren, dass du monatelang nur gekochten Reis, Nudeln oder Kartoffeln isst. Ich bin ja nicht auf einer kulinarischen Reise, sondern ich will mein Ziel erreichen. Ich will vom Nordpol loslaufen und, sofern es klappt, nach zwei Jahren den Südpol erreichen. Es ist wie beim Auto: Tankdeckel auf, Benzin rein, weiterfahren. So stopfe ich mir Kohlenhydrate in den Mund und weiß: Das reicht, und ich kann weiterlaufen.

Robby Clemens: Besondere Ernährung?

Das Laufen auf dem Eis ist für dich aber auch Neuland.

Völliges Neuland. Wir trainieren das schon eine ganze Zeit lang. Ich umgebe mich Leuten, die sich in dem Gebiet auskennen, z.B. aus Norwegen. Sie geben mir Ratschläge, wie ich trainieren muss, wenn ich den Pulka [Schlitten] ziehen will, welche Ski ich nehmen, welche Sachen ich anziehen sollte.

2007 am Taj Mahal

2007 am Taj Mahal

Leute, die extrem unterwegs sind, wissen, dass es hauptsächlich Kopfsache ist. Du musst dich immer wieder motivieren, den inneren Schweinehund überwinden. Gibt es nicht auch einmal einen Hänger, wenn man zwei Jahre lang unterwegs ist?

Das kann schon sein. Aber genau das sind die Dinge, die ich seit zwei Jahren mit der Sportpsychologin Tanja Schuck in Leipzig trainiere. Wie komme ich über den Hänger hinweg? Etwa durch Visualisieren. Ich halte mich gerne an der Ostsee auf. Deshalb habe ich auf meinem MP3-Player Geräusche von der Ostsee, die ich dann abspiele. In Kanada oder den USA, wo es nicht mehr so sehr auf das Gewicht ankommt, habe ich Düfte dabei, z.B. von einer Meeresbrise, wie an der Ostsee. So visualisiere ich selbst in den schwierigsten Situationen schöne Momente, an die ich nur positive Erinnerungen habe. Mit diesen psychologischen Mitteln, die ich mir erarbeitet habe, können schlechte Tage wieder zu guten werden.

Ist es für deine Familie kein Problem, wenn du zwei Jahre lang weg bist?

Im Endeffekt trenne ich mich nicht von der Familie. Bei der Weltumrundung ging es nicht anders. Aber jetzt begleitet mich ab und zu meine Frau. Natürlich nicht in den gefährlichen Regionen, am Nordpol und in Grönland, aber ab Kanada. Sie wird drei, vier Monate dabei sein und dann wieder einen Monat zu Hause nach dem Rechten sehen. Mein Sohn gehört sowieso zum Team und ist öfter dabei. Sogar meine bald sieben Jahre alten Enkel werden ein Stück mit mir rennen. Wir sind als Familienunternehmen unterwegs. Das gibt mir die Kraft, dies zu tun. Ich habe ganz liebe Menschen um mich, die im Endeffekt ein bisschen Heimat suggerieren.

Robby Clemens: Wir sind ein Familienunternehmen

P.S. 2012 lief der Australier Pat Farmer als erster Mensch vom Nord- zum Südpol, in neun Monaten, auf einer anderen, etwas kürzeren Route als jener, die Clemens jetzt plant. Wenn Robby aufbricht, werde ich immer wieder mal Kontakt zu ihm aufnehmen und über seinen Lauf zwischen den Polen berichten.

Update 4.2: Robby Clemens hat mich heute darüber informiert, dass er den Start seines Projekts „Zu Fuß vom Nordpol zum Südpol“ um ein Jahr auf April 2016 verschoben hat. Diese Entscheidung sei gestern gefallen. Gründe seien vor allem organisatorische.

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Die perfekte Welle https://blogs.dw.com/abenteuersport/steudtner-perfekte-welle/ Thu, 04 Dec 2014 12:11:43 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=27881 Steudtner in der (vielleicht Rekord-) Monsterwelle

Steudtner in der (vielleicht Rekord-) Monsterwelle

„Jetzt kommt sie langsam auf dich zu, das Wasser schlägt dir ins Gesicht“, singt die deutsche Band Juli in „Perfekte Welle“, einem ihrer größten Hits. „Siehst dein Leben wie einen Film. Du kannst nicht glauben, dass sie bricht.“ Sebastian Steudtner ist ständig auf der Suche nach der perfekten Welle: Belharra an der französischen Atlantikküste, Mullaghmore in Irland, Nazaré in Portugal – der 29 Jahre alte deutsche Surf-Profi reist den Monsterwellen hinterher. Steudtner gehört zu den weltbesten Big Wave Surfern. Am 29. November ritt Sebastian in Nazaré auf der nach seinen Worten größten Welle seines Lebens (siehe Video).

Warten auf die Bestätigung

Ob er den Weltrekord des 47 Jahre alten US-Amerikaners Garrett McNamara gebrochen hat, wird noch geprüft. Garrett hatte 2011 eine knapp 24 Meter (78 Fuß) hohe Welle gesurft, ebenfalls in Nazaré. Dort will auch der britische Surfer Andrew Cotton im Februar eine neue Bestmarke aufgestellt haben.  Wer künftig die Rekordliste anführt, wird sich wohl erst im April herausstellen, wenn der Verband der Surf-Profis (ASP) die XXL Big Wave Awards vergibt.

Die Extremsportler lassen sich von Teammitgliedern auf Jet-Skis auf die Monsterwellen ziehen. Stürzt der Big Wave Surfer, wird er unter Umständen minutenlang unter Wasser gedrückt und läuft Gefahr zu ertrinken. Steudtner erwischte am Tag seines möglichen Rekordritts in Nazaré eine noch höhere Welle, die ihn jedoch abwarf. „Dank an mein Team, die haben mich heil rausgeholt“, sagt Sebastian. Und Juli singt: „Stellst dich in den Sturm und schreist: Ich bin hier, ich bin frei.“

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Der Google-Mann, der vom Himmel fiel https://blogs.dw.com/abenteuersport/der-google-mann-der-vom-himmel-fiel/ Mon, 27 Oct 2014 12:42:19 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=27583 Alan Eustace auf der Rolle

Alan Eustace auf der Rolle

Selbst in der Stratosphäre ist man nicht mehr vor Google sicher. Am Freitag hat ein Manager des Internet-Riesen den Höhenrekord des österreichischen Extremsportlers Felix Baumgartner geknackt. Alan Eustace ließ sich von einem Helium-Spezialballon hinauf in die zweite Schicht der Erdatmosphäre ziehen, genoss eine halbe Stunde lang die Aussicht auf den Planeten und sprang dann aus 41.419 Metern ab. Baumgartner hatte sich 2012 aus knapp 39 Kilometer Höhe in die Tiefe gestürzt.

Nicht getrudelt

Eustace hielt sich beim Aufstieg in höchste Höhen – anders als Baumgartner – nicht in einer Kapsel auf, sondern hing in voller Montur unter dem Ballon. Der 57 Jahre alte US-Amerikaner trug einen Spezial-Raumanzug und vor dem Bauch ein Sauerstoffsystem, beides entwickelt von einer US-Firma für Raumfahrttechnik. Mit einer Geschwindigkeit von 1322 Stundenkilometern durchbrach Eustace die Schallmauer. Im Gegensatz zu Baumgartner geriet er dabei jedoch nicht ins Trudeln. Das verhinderte ein Mini-Fallschirm, der kurz nach dem Absprung ausgelöst wurde und Eustace stabilisierte. Auf etwa 5.500 Metern klappte dann der Hauptschirm auf, 3000 Meter höher als der des Österreichers vor zwei Jahren.

Billige PR

„Das war ein wilder, wilder Ritt“, sagte Eustace nach der Landung. „Ich habe mein Ausrüstungsmodul umklammert, die Beine angezogen und mich bemüht, die Richtung zu halten.“ Eustace ist seit langem Pilot und Fallschirmspringer. Seit 2002 arbeitet er für Google. Der Ingenieur ist für die Entwicklung verantwortlich und Vizepräsident des Konzerns. Eustace gönnte sich ein Sabbatjahr, um sich in Ruhe auf den Rekordsprung vorbereiten zu können. Der Manager sagt, er habe ein Sponsoring-Angebot seines Arbeitgebers abgelehnt, um zu verhindern, dass der Sprung  – wie bei Baumgartner und seinem Brause-Sponsor geschehen – ein PR-Event würde. Statt einer Fernseh-Liveübertragung wurden die Medien erst nach Eustaces Sprung informiert. Die Verantwortlichen bei Google werden sich trotzdem die Hände reiben. Nichts bezahlt und doch in aller Munde.

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In memoriam Basti Haag https://blogs.dw.com/abenteuersport/in-memoriam-basti-haag/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/in-memoriam-basti-haag/#comments Fri, 26 Sep 2014 12:23:42 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=27393 Basti Haag (1979-2014)

Basti Haag (1979-2014)

Nein, ich habe Sebastian Haag nicht wirklich gekannt. Ich habe ihn nur einmal getroffen – wie man sich halt so trifft in der Bergsteiger-Szene. Vor einem Jahr war das, beim International Mountain Summit (IMS) in Brixen. Damals berichteten er und Benedikt Böhm über ihre Erlebnisse am Manaslu: Am 22. September 2012 war an dem Achttausender in Nepal oberhalb von 6000 Metern eine Lawine abgegangen und hatte zwei Hochlager getroffen. Elf Bergsteiger waren ums Leben gekommen. Bene und Basti hatten Glück gehabt, weil sie aus einem unguten Bauchgefühl heraus ihr Zelt weit abseits der anderen aufgebaut hatten. Die beiden Deutschen hatten nach dem Unglück mehrere Verletzte aus den Schneemassen befreit. Im Oktober 2013 in Brixen sprach ich mit Basti auch über die Gefahren, die er als Extremsportler einging. „Es gibt Momente,  wo man das Gehirn ausschalten muss, und solche, wo man es anlassen muss“, lautete seine Antwort (die ihr unten auch nachhören könnt). „Natürlich kann uns, wie allen anderen auch, etwas passieren. Davor ist niemand gefeit, auch wenn du noch so vorsichtig bist. Und wenn du zu vorsichtig bist, musst du eben zu Hause bleiben, auf die Zugspitze steigen oder beim Münchner Stadtmarathon mitmachen.“

Basti Haag (Okt. 2013): Man darf nicht zu vorsichtig sein

„Ein richtiger Sonnenschein“

Schnell unterwegs: Haag (r.) und Böhm

Schnell unterwegs: Haag (r.) und Böhm

Haag war nicht nur Skibergsteiger, sondern startete auch weltweit bei Ultratrail-Läufen – und er war Doktor der Tiermedizin. Seine Promotion widmete der Münchener 2010 seinem Bruder Tobias, der vier Jahre zuvor in den Bergen nahe Chamonix in den Tod gestürzt war, als eine Wächte gebrochen war. Mit seinem Schulfreund Benedikt Böhm stellte Basti 2005 einen Geschwindigkeitsrekord am 7546 Meter hohen Mustagh Ata im Westen Chinas auf: neun Stunden 25 Minuten für den Aufstieg, eine Stunde 16 Minuten für die Skiabfahrt. Ein Jahr später meisterten die beiden Skibergsteiger zusammen mit Luis Stitzinger  im Eiltempo den Achttausender Gasherbrum II im Karakorum. 17 Stunden brauchte das Trio für den Weg auf den Gipfel und die anschließende vollständige Skibefahrung des Bergs. „Ich habe Basti als sehr umgänglichen, sympathischen Menschen erlebt“, erinnert sich Luis, als ich ihn heute anrufe. „Er konnte es mit allen gut, ein richtiger Sonnenschein, ein lebenslustiger Typ.“

Kein Selbstmordkandidat

Danach riss die Erfolgsserie von Bene und Basti an den Achttausendern. 2007 mussten sie am Manaslu wegen zu großer Lawinengefahr auf 7400 Metern umdrehen. Ihr Versuch am Broad Peak 2009 endete am 8011 Meter hohen Vorgipfel, weil sich Basti ein Höhenhirnödem zugezogen hatte. „Damals habe ich mein Leben riskiert und sicher auch Benes, weil ich den Fehler gemacht habe, trotz meiner Probleme weiterzugehen“, erzählte mir Basti in Brixen. 2012 am Manaslu kehrte er bei einem Gipfelvesuch nach dem Lawinenunglück auf etwa 8000 Metern um, obwohl Benedikt weiter aufstieg. „Er hatte aus seinen Erfahrungen gelernt“, denkt Luis. „Basti hat viel in die Waagschale geworfen und riskiert, aber er war kein Selbstmordkandidat.“

Geringe Sicherheitsreserve

Ganz ohne Risiko gehe es jedoch nicht beim superschnellen Skibergsteigen, sagt Stitzinger, der nach seinen Erlebnissen am Gasherbrum II zwar auch von anderen Achttausendern mit Skiern abfuhr, auf weiter Speedprojekte aber verzichtete: „Wenn du zu defensiv bist, wirst du nicht erfolgreich sein. Für eine Top-Zeit musst du alles geben können. Die Sicherheitsreserve ist da relativ gering.“ Sebastian Haag und sein italienischer Freund Andrea Zambaldi starben am Mittwoch in einer Lawine in der Gipfelregion der Shishapangma. Basti wurde 35 Jahre alt.

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Rekord beim Everest-Marathon https://blogs.dw.com/abenteuersport/rekord-beim-everest-marathon/ Wed, 04 Dec 2013 14:55:19 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=24625 Everest-Marathon

Everest-Marathon

Marathonis machen auch vor den Polen nicht halt. Der Nordpol-Marathon wurde im vergangenen April bereits zum elften Mal ausgetragen. Bei Temperaturen von minus 30 Grad Celsius. Sieger Gary Thornton aus Irland sprach anschließend „vom surrealsten Lauferlebnis meines Lebens“. Ähnlich dürften sich vor zwei Wochen die Teilnehmer des neunten Antarctic Ice Marathon“ gefühlt haben, auch wenn es mit „nur“ minus 20 Grad etwas weniger kalt war als im Frühjahr in der Arktis. Am dritten Pol, dem Mount Everest, wurde in der vergangenen Woche bereits der zweite Marathon in diesem Jahr gestartet. Der Sieger kam aus Nepal – und ist auf dieser Strecke eine Klasse für sich.

Zwölf Nepalesen auf den ersten Plätzen

Ram Kumar Raj Bhandari benötigte für die 42 Kilometer vom knapp 5200 Meter hoch gelegenen Gorak Shep nahe dem Everest-Basislager bis hinunter nach Namche Bazaar auf etwa 3450 Metern drei Stunden, 40 Minuten und 43 Sekunden und unterbot damit seinen eigenen Rekord aus dem Jahr 2011 um zwölf Minuten. Auf den ersten zwölf Plätzen landeten – kaum verwunderlich angesichts der großen Höhe – ausnahmslos Läufer aus Nepal. 59 Frauen und Männer erreichten das Ziel, der letzte nach knapp elf Stunden. Es war die 15. Auflage dieses Rennens, das nur alle zwei Jahre gelaufen wird, immer Ende November oder Anfang Dezember. Organisiert wird dieser Marathon seit 1987 von der inzwischen 68 Jahre alten Britin Diana Penny-Sherpani und ihrer Trekkingagentur. Die Erlöse kommen Hilfsprojekten in Nepal zugute.

Auch 1500 Meter bergauf

Raj Bhandari (2.v.r.) nach seinem Sieg im Mai

Raj Bhandari (2.v.r.) nach seinem Sieg im Mai

Es ist nicht der einzige Marathon am höchsten Berg der Erde. Seit 2003 wird jeweils am 29. Mai, dem Jahrestag der Erstbesteigung 1953, der „Tenzing-Hillary Everest Marathon“ gestartet. Er führt ebenfalls vom Basislager nach Namche Bazaar. Auch dieses Rennen hatte Ram Kumar Raj Bhandari in diesem Jahr gewonnen, nach zwei zweiten Plätzen 2012 und 2011.

Mit normalen Marathonläufen haben jene am Everest eigentlich nur die Distanz gemein. Nicht nur die dünne Höhenluft verlangt den Läufern alles ab, auch das Streckenprofil. Der Trekkingpfad führt naturgemäß nicht stetig abwärts. Die Starter müssen insgesamt auch 1500 Meter bergauf laufen.

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Alexander Polli: „Ich habe extreme Angst vor dem Tod“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/interview-alexander-polli/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/interview-alexander-polli/#comments Tue, 12 Nov 2013 15:37:54 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=24137

Alexander Polli

Der Traum, wie ein Vogel zu fliegen, ist so alt wie die Menschheit. Bis zu dem Moment, wo der Springer den Fallschirm öffnet, kommt ein Basejump diesem Traum schon recht nahe. Noch näher am Vogelflug ist jedoch der Sprung mit einem sogenannten „Wingsuit“, einem Anzug, der den Springer wie eine Fledermaus ins Tal rasen lässt. Einziger Haken an der Sache: Ein Fehler bedeutet meistens den Tod. Allein in diesem Jahr sind über 20 Springer ums Leben gekommen. Darunter waren der Kanadier Mario Richard und der Brite Mark Sutton. Der 47 Jahre alte Richard war der Ehemann der bekannten US-Kletterin Steph Davis. Der 42-jährige Sutton wurde weltweit bekannt, als er bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele 2012 in London James Bond doubelte und aus einem Hubschrauber heraus mit einem Fallschirm ins Olympiastadion schwebte. Beide starben im August bei Sprüngen mit Wingsuits, Richard in Italien, Sutton in der Schweiz.

Beim International Mountain Summit in Brixen habe ich mit Alexander Polli gesprochen. Der 28 Jahre alte gebürtige Norweger, der meist in Italien lebt, ist einer der erfahrensten Wingsuit-Springer der Welt. In diesem Jahr sorgte er für Furore, als er mit rund 250 Stundenkilometern durch ein Felsloch in Spanien sprang (siehe Video unten).

Alex, viele sagten, es ist absolut verrückt, was du machst. Du riskierst dein Leben. Wozu?

Ich sehe es nicht so, dass ich in erster Linie mein Leben riskiere. Ich habe mich so gründlich auf das vorbereitet, was ich mache. Vor meinem ersten Basejump habe ich in zwei Jahren 1500 Fallschirmsprünge absolviert. Damit habe ich einen Trainingszustand erreicht, bei dem es nicht mehr darum geht, ob ich fliegen kann, wenn ich von einer Felskante abspringe. Ich bin mir vielmehr sicher, dass ich fliegen kann. Ich habe es nie so gesehen, dass ich mein Leben riskiere. Ganz ehrlich, ich habe extreme Angst vor dem Sterben, und dazu habe ich noch Höhenangst.  Dass ich diesen Sport treibe, verdanke ich der Tatsache, dass ich nicht der Erste war. Andere Fallschirmspringer und Basejumper machten es schon seit 20 Jahren. Ich habe mir immer gedacht: Warum können die das und ich nicht? Fehlt mir irgendetwas oder ist es einfach die Angst, die mich stoppt?

Aber du springst immer weiter? Was gibt dir das Ganze?

Ich bin gerade gestern vom Monte Brento gesprungen, zusammen mit einem Vater und seinem Sohn. Der Vater ist 61 Jahre alt, der Sohn mit 26 etwa in meinem Alter, und wir sind zusammen gesprungen! Auch heute ist es noch so, dass ich da oben in meinem Wingsuit stehe und anfangs denke: Was mache ich hier eigentlich? Bin ich ein Idiot oder was? Aber dann werde ich mir bewusst, was ich als nächstes tun werde und dass ich es genießen kann, weil ich das ganze Training hinter mir habe. Und, mein Gott, ich werde tatsächlich diesen Berg hinunterfliegen! Wenn ich gelandet bin und nach oben zurückblicke oder wenn ich mir, wie hier beim IMS, ein Video auf einer großen Leinwand ansehe, denke ich: „Wow, bin ich das? War ich das wirklich?“ Ich meine es ernst, hier wird ein Traum Wirklichkeit.

Alexander Polli: Ein Traum wird Wirklichkeit

Ist es dein Ziel, immer näher und näher an den Felsen heranzufliegen?

Nein, ganz und gar nicht. Es ist gut, nahe heranzufliegen, weil du dann einen guten visuellen Eindruck davon hast, wie schnell du fliegst. Mein Ziel ist eher, eine Aufgabe zu meistern. Ich treffe mich mit Freunden und wir klettern auf diese großen Klippen, von denen manchmal noch niemand vorher gesprungen ist oder zumindest von denen ich noch nicht gesprungen bin. Ich bin wirklich kein Kletterer. Die Aufgabe, da hoch zu kommen, dieses bisschen Kletterei, über das die Leute hier beim IMS eher lachen würden, ist für mich erschreckend, Furcht einflößend. Das macht mir viel mehr Angst als der Sprung, wenn ich endlich mit meinem Fallschirm an der Kante stehe. Dann fühle ich mich sicher. Es ist der Aufstieg, der angsteinflößend und gefährlich ist.

Aber es gab viele Diskussionen, weil in letzter Zeit so viele Springer tödlich abgestürzt sind. Viele deiner Kameraden sind gestorben. Was antwortest du diesen Kritikern?

Meine Antwort lautet: Es ist ein sehr neuer Sport. Unser Wissen darüber, wie die Wingsuits fliegen, ist noch sehr begrenzt. Wenn jemand mit etwas mehr Erfahrung einem anderen mit weniger Erfahrung das Springen beibringt, hat es ein bisschen von: „Halte den Finger in den Wind und lass uns sehen, wie es funktioniert!“ Es gibt dazu noch keine wissenschaftlichen Erkenntnisse. Diese Wingsuits sind gerade einmal vor acht Jahren herausgekommen.

Alexander Polli: Unser Wissen ist sehr begrenzt

Ich fühle mich geehrt, dass ich einige dieser Menschen treffen durfte, die jetzt nicht mehr unter uns sind. Ich glaube, einige von ihnen hatten einfach Pech. Alle diese Wingsuit-Springer waren nicht unbedingt Gleitschirm-Flieger. Wir verstehen nicht wirklich etwas von Thermik und so weiter. Aber je mehr ich in diesen Sport eintauche, desto mehr wird mir klar, dass die thermischen Bedingungen eine ganze Menge mit dem zu tun haben, was wir mit unseren Wingsuits machen. Wenn warme Winde vom Berg fallen, kannst du in der Regel fliegen. Liegt der Berg im Schatten, solltest du es in der Regel sein lassen. Aber möglicherweise machst du dir überhaupt keine Gedanken über diese Dinge, bevor du springst. Ich denke also, weil unser Sport so neu ist, ist unser Wissen darüber einfach sehr begrenzt.

Deine Videos sind sehr spektakulär. Millionen junger Menschen sehen sie sich an. Glaubst du nicht, dass du ihnen gegenüber auch eine Verantwortung trägst? Vielleicht denken sie ja „Wow, das möchte ich auch machen!“, obwohl ihnen eigentlich das Können dafür fehlt.

Indirekt ja. Ich würde gerne nein sagen, weil Verantwortung in diesem Zusammenhang ein bedeutungsschweres Wort ist und ich mir damit eine ganz schön harte Sache auf den Teller lege. Aber ja, möglicherweise habe ich den einen oder anderen inspiriert, eines Tages einen Sprung mit dem Wingsuit zu machen, der es gelassen hätte, wenn er mein Video nicht gesehen hätte. Deshalb wird es in diesem Jahr von mir auch kein Video mehr geben, auf dem man wie im letzten Jahr einen Höhlensprung oder einen Menschen nur fliegen sieht. Auf meinen nächsten Videos werde ich zu den Springern über die mentale Seite sprechen – und über bestimmte Regeln. Wenn du diese Regeln einhältst, sie verinnerlichst, nach dem Motto „Okay, wenn ich mit einem Wingsuit springe, werde ich immer dies und niemals das tun“, dann kannst du es meiner Meinung nach nicht nur einmal, sondern beliebig oft machen.

Alexander Polli: Ich fühle mich indirekt verantwortlich

Wäre das besser als Verbote?

Natürlich, weil es fast unmöglich ist, so etwas mit Verboten zu regeln. Sollen wir jetzt am Absprungort auf dem Berg einen Kontrollposten für die Sicherheit einrichten? „Ja, du kannst springen! Nein, du darfst nicht!“ (lacht)

Diese Sprünge sind deine Leidenschaft. Glaubst du, dass sie eines Tages enden wird?

Ganz ehrlich, meine Leidenschaft gilt einer großen Menge von Abenteuern. Ich bin schon so viel gesprungen und geflogen, dass ich jetzt auch mal gerne mehr klettern gehen würde. Das Klettern fasziniert mich. Ich fühle mich von diesen Leuten in den großen Wänden wirklich herausgefordert, inspiriert, in Erstaunen versetzt. Was die anstellen, ist doch im Vergleich zu dem, was ich mache, total verrückt (lacht). Ich würde das wirklich gerne besser können.  Auch Surfen, Wildwasser-Rafting oder Trekking über große Entfernungen. Es gibt viele andere Abenteuer, für die ich mich auch erwärmen könnte.

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Betagte Muschel mit Salzkruste https://blogs.dw.com/abenteuersport/diana-nyad-kuba-florida/ Tue, 03 Sep 2013 11:08:57 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=23029

Auf den letzten Metern

„Will you still need me? Will you still feed me, when I’m sixty-four?“, sangen einst die Beatles. Mit 64 galtest du damals als steinalt, nicht nur für die Pilzköpfe aus Liverpool. Heute schwimmen Frauen in dem Alter sogar von Kuba nach Florida. Die New Yorkerin Diana Nyad hat es jedenfalls getan. Die 64-Jährige benötigte für die rund 170 Kilometer von Havanna bis Key West auf Florida nur 52 Stunden.

Ohne Käfig

Sie war die erste Langstreckenschwimmerin, die die lange Strecke schaffte, ohne sich von einem Käfig gegen Haiangriffe schützen zu lassen. Mit einem solchen Käfig war 1997 die Australierin Susie Maroney als Erste von Kuba nach Florida geschwommen. Als 30-Jährige hatte Diana Nyad 1979 einen Langstrecken-Weltrekord aufgestellt: Sie schwamm 164 Kilometer weit von den Bahamas nach Florida. Auch damals verzichtete sie auf einen Schutzkäfig.

Einzelschwimmen als Mannschaftssport

Diana Nyad, von den Strapazen gezeichnet

Als Diana jetzt in Key West völlig erschöpft aus dem Wasser stieg, glich sie ein wenig einer betagten Muschel mit Salzkruste. „Salzwasser“, war dann auch zunächst das einzige Wort, das sie über ihre geschwollenen Lippen brachte. Doch Nyad erholte sich schnell und brachte ihre Botschaften unters Strandvolk: „Erstens: Wir sollten niemals aufgeben. Zweitens: Man ist nie zu alt, um seine Träume zu jagen. Drittens: Schwimmen mag aussehen wie ein Einzelsport, es ist aber ein Mannschaftssport.“

Anti-Quallen-Schutz

35 Männer und Frauen hatten Diana unterstützt. Sie versorgten sie von einem Boot aus mit Trinkwasser, Lebensmitteln und Medikamenten. Taucher schwammen vor ihr her, um nach Haien Ausschau zu halten und die lästigen Quallen zu vertreiben. Vor allem die letztgenannten Plagegeister, die im Golf von Mexiko häufig herumschwimmen, hatten Dianas vorhergehende Versuche scheitern lassen: 1978 sowie dreimal in den Jahren 2011 und 2012. Diesmal trug sie einen Ganzkörper-Schutzanzug und eine Gesichtsmaske.

„Nahe beieinander“

Mit ihrem Projekt setzte Diana Nyad auch ein politisches Signal. Sie wolle zeigen, dass die USA und Kuba trotz ihrer ideologischen Gegensätze „letztlich nahe beieinander“ lägen, sagte die 64-Jährige, bevor sie in Havanna ins Wasser sprang.  Oder frei nach den Beatles: „Obama, hear me! Cuba is near me! Hey folks, I’m sixty-four.”

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Moonwalk https://blogs.dw.com/abenteuersport/moonwalk/ Wed, 09 Jan 2013 16:42:01 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=18975 Vollmondnächte werden gerne für schuldig erklärt. Dafür, dass mehr Kinder geboren werden als in anderen Nächten, dass mehr Schlafwandler unterwegs oder wir am Tag danach gerädert und schlecht gelaunt sind. Alles Quatsch, sagt Schlafforscher Jürgen Zulley von der Universität Regensburg. Stress oder falsches Essen seien meist die Gründe für Schlaflosigkeit. Der Mond leuchte viel zu schwach, um Schlafwandler anzuziehen. Und auch auf die Geburtenrate habe der Mond keinen Einfluss. Aber er sorgt für eine faszinierende Atmosphäre, wenn er in voller Größe scheint. Der Abenteuer-Filmer Bryan Smith hat für National Geographic den Extremkletterer Dean Potter beim Highlinen am Cathedral Peak im Yosemite-Nationalpark gefilmt – bei Vollmond. Das solltet ihr euch nicht entgehen lassen:

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Botschafter zeitloser Bergsteiger-Werte https://blogs.dw.com/abenteuersport/botschafter-zeitloser-bergsteiger-werte/ Sat, 27 Oct 2012 11:19:06 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=17629

Steve Swenson (rechts seine Frau Ann)

Der Mann heißt Steve und ist Fisch wie ich. Neben Vorname und Sternzeichen verbindet uns die Liebe zu den Bergen. Dann aber hören die Gemeinsamkeiten auf. Denn Steve Swenson hat im Gegensatz zu mir als Bergsteiger einzigartige Spuren hinterlassen – und ist auch mit mittlerweile 58 Jahren noch nicht am Ende seiner Karriere angelangt. 2012 wurden der US-Amerikaner aus Seattle und seine Landsleute Mark Richey und Freddie Wilkinson für ihre Erstbesteigung des 7518 Meter hohen Saser Kangri II in der Region Kaschmir mit dem Piolet d’Or ausgezeichnet, dem „Oscar der Bergsteiger“. Bereits 1990 hatte Swenson mit Greg Child und Greg Mortimer den K 2 über den Nordgrat bestiegen. Vier Jahre später kehrte er den Achttausendern den Rücken. Nach seinen Erlebnissen 1994 am Mount Everest hatte er von den „Prestigebergen“ die Nase voll.

Allein und ohne Atemmaske

„Ich habe am Everest so viel Enttäuschendes erlebt“, erzählt mir Steve, als ich ihn am Rande des International Mountain Summit in Brixen treffe. „Ich sah im Basislager Leute, die auf eine Weise am Berg unterwegs waren, die nicht mit meinen Werten vereinbar war.“ Swenson hatte gerade mit seinem Freund Alex Lowe und einigen anderen US-Bergsteigern vergeblich versucht, den höchsten Berg über die gefährliche Ostwand, die Kangshung-Flanke, zu besteigen. Wegen zu großer Lawinengefahr mussten sie ihren Versuch abbrechen. Hier das von David Breashears gedrehte Video:

Steve wechselte auf die Nordseite des Bergs und erreichte den 8850 Meter hohen Gipfel über die tibetische Normalroute: alleine und ohne Atemmaske aufsteigend. Was er bei den kommerziellen Expeditionen sah, verdarb ihm für die Freude an den Achttausendern.

Eigenverantwortung, Hilfsbereitschaft, Umweltbewusstsein

Er habe kein grundsätzliches Problem mit dem „full-supported style“, sagt Steve, also mit dem „all inclusive“ des Höhenbergsteigens: Fixseile, Hochlager, Flaschensauerstoff und Unterstützung durch Sherpas. „Man könnte in jedem Stil klettern, wenn man die zeitlosen Werte achtet, die Bergsteiger über Hunderte von Jahren vertreten haben.“ Doch genau daran habe es den zahlenden Kunden schon 1994 gemangelt: „Dass du die Verantwortung für dich selbst übernimmst. Dass du anderen Leuten hilfst, wenn sie in Schwierigkeiten geraten. Echte Partnerschaft mit deinen Freunden,  in der du mehr für sie als für dich selbst tun würdest. Stärke, weil du weißt, dass du manchmal leiden musst. Umweltbewusstsein in den Bergen, dass du keinen menschlichen Abfall, Müll, Seile oder Zelte am Berg zurücklässt.“

Steve Swenson über seinen Entschluss, die Achttausender zu meiden

Nicht sehr kreativ

Route am Saser Kangri II

Steve verzichtete einige Jahre lang fast vollständig auf Expeditionen, um mit seiner Frau Ann die beiden Söhne Lars und Jed groß zu ziehen. Ab 2003 startete Swenson dann wieder durch. Ihm gelangen Erstbegehungen schwierigster Routen an Fünf-, Sechs- und Siebentausendern, vor allem im Karakorum. „In Pakistan werden Jahr für Jahr bis zu 70 Genehmigungen für Expeditionen ausgestellt, davon sind dann 65 für die Achtertausender Gasherbrum I und II, Broad Peak und K 2. Vier Berge in einem Land mit Tausenden von Gipfeln.“ Steve schüttelt den Kopf. „Viele Kletterer machen nur das, was alle machen. Sie denken nicht sehr kreativ. Wenn wir uns auf den wahren Entdeckergeist besinnen, können wir einen besseren Job machen, neue Dinge wagen, und dabei auf die grundlegenden Werte achten.“

Mit Husten auf den Gipfel

Richey, Swenson, Wilkinson (v.l.)

Wie am Saser-Kangri II, dem bis dahin zweithöchsten unbestiegenen Berg der Welt – der höchste, der Gangkhar Puensum (7570 Meter) liegt in Bhutan und ist für Bergsteiger gesperrt. 2009 war Steve am Saser-Kangri II noch gescheitert, zwei Jahre später erreichte er mit seinen beiden Partnern Mark Richey und Freddie Wilkinson  im Alpinstil den Gipfel – und das obwohl ihn eine starke Bronchitis so stark schwächte, dass er anschließend mit dem Hubschrauber ausgeflogen werden musste. Ich frage Steve, ob er wegen seiner Krankheit nicht eigentlich hätte umkehren müssen. Er habe den Husten unterschätzt, räumt Swenson ein. „Hätte ich rauf- oder runtergehen sollen? Ich kann das nicht eindeutig beantworten. Das hängt ganz von dem Tag ab, an dem du mich fragst.“

Oldie but Goldie

Dass er für diese Besteigung den Piolet d’Or, den Goldenen Eispickel, erhielt, empfindet Steve als „große Ehre, weil die Bergsteiger, die den Preis vergeben, dieselben Werte vertreten wie ich. Ich verstehe mich als Botschafter dieser Ideale.“ Swenson taugt auch als Oldie-but-Goldie-Botschafter der Generation Ü 50. „Ich glaube, die Leute können auch im Alter sehr fit bleiben, wenn sie hart trainieren“, sagt Steve. „Aber viele geben zu früh auf. Sie erreichen ein bestimmtes Alter und sagen, ich will das nicht mehr machen. Es ist nicht, weil sie es nicht mehr können, sondern weil sie es nicht mehr wollen oder tun.“ Na, das ist doch ein Wort zum Sonntag, oder?

Auch im Alter kannst du viel leisten, sagt Steve Swenson

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Mit und ohne Seil verbunden https://blogs.dw.com/abenteuersport/mit-und-ohne-seil-verbunden/ Tue, 23 Oct 2012 06:20:49 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=17559

Stoanamandl

Wieder draußen, wieder ein traumhaft schöner Tag in Südtirol. Diesmal führt der IMS-Walk über die Höhen des Valser Tals zum „Stoanamandel“ auf 2118 Metern, einem Platz mit Gipfelkreuz, Steintürmchen und Dolomitenpanorama. Die Gruppe ist deutlich kleiner als gestern, diesmal hat ein Bus ausgereicht, um alle zum Ausgangspunkt der Wanderung zu chauffieren. Mit von der Partie sind drei Zweier-Seilschaften der besonderen Art.

 

Blindes Verständnis

Josune Bereziartu und Ricar Otegui

Die Baskin Josune Bereziartu war 2011 die erste Frau, die weltweit eine Route im Schwierigkeitsgrad 9 a kletterte. Ich spüre geradezu die Fragezeichen in euren Gesichtern und versuche deshalb, Josunes Leistung einzuordnen: Wäre sie eine Sprinterin in der Leichtathletik, hätte sie damit wohl das 100-Meter-Finale der Männer erreicht und gute Chancen auf eine Medaille.

Seit vielen Jahren bildet Josune eine Seilschaft mit ihrem Ehemann Ricar Otegui. „Blindes Verständnis, hohes Vertrauen“ zeichneten ihre gemeinsamen Touren aus, sagt die 40-Jährige. „Auf der anderen Seite weißt du, dass du den Menschen, der dir am meisten bedeutet, beim Klettern auch verlieren könntest.“ Das empfindet auch Ricar so, legt aber Wert darauf, abseits der Felswände mit Josune „ein ganz normales Eheleben“ zu führen.

Tiefe Momente des Glücks

Tanja Schmitt und Matthias Scherer

Auf extreme Weise gemeinsam unterwegs sind auch Tanja Schmitt und Matthias Scherer. Die beiden Deutschen gehören zur Weltelite der Eiskletterer. „Bewegung und Herausforderung sind zentrale Themen in unserem Leben“, sagt Tanja über die gemeinsamen Touren in senkrechten oder überhängenden gefrorenen Wasserfällen. Die Gefahr klettert mit. Im November 2011 überlebte die 35-Jährige mit viel Glück einen schweren Sturz aus 30 Meter Höhe. Auch bei Matthias saß der Schrecken tief. „Diese Angst um den Partner ist immer da“, räumt der 38-Jährige ein. ,,Aber es macht das Leben so wertvoll, dann auch wieder diese tiefen Momente des Glücks gemeinsam genießen zu können.“

Gemeinsam mit dem Vater

Marco (l.) und Hervé Barmasse

Hervé Barmasse ist nicht verheiratet. Noch nicht. „Vielleicht im nächsten Jahr“, sagt der Italiener aus dem Aostatal und schmunzelt. 2011 bewies der 34-Jährige mit einer beeindruckenden Trilogie, dass es selbst an den klassischen Bergen der Alpen noch möglich ist, Neuland zu betreten. Zunächst eröffnete Hervé im Alleingang eine neue schwere Route durch die Südwand des Matterhorns. Anschließend glückte ihm mit zwei baskischen Freunden am Mont Blanc eine Erstbegehung des Broillard-Pfeilers. Und schließlich durchkletterte Hervé noch mit seinem 63 Jahre alten Vater Marco Barmasse eine neue Route am Monte Rosa. „Das war eine besonders emotionale Tour“, schwärmt Hervé. „Mein Vater war immer ein Vorbild für mich.“

P.S. Ich sage nun „Adieu International Mountain Summit, adieu Brixen!“. Ausführliche Berichte über Hervé und die beiden kletternden Ehepaare findet ihr bald hier im Blog.

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Ein Tag in den Bergen mit Gerlinde und Ralf https://blogs.dw.com/abenteuersport/ein-tag-in-den-bergen-mit-gerlinde-und-ralf/ Sun, 21 Oct 2012 17:43:51 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=17523 Wiedersehen mit Gerlinde und Ralf

Wiedersehen mit Gerlinde und Ralf

An diesem Tag muss man einfach auf die Berge steigen. Strahlender Sonnenschein, 20 Grad warm und gute Fernsicht. Da mag sich der eine oder andere gedacht habe, ich schnüre meine Wanderstiefel und steige einsam zur 2581 Meter hohen Kassianspitze auf. Doch er hatte die Rechnung ohne die drei Kleinbusse gemacht, die auf einen Schlag hundert Wanderer ausspuckten, die sich im Pulk auf den Weg zum Gipfel machten. Der „International Mountain Summit“ hatte zum „IMS Walk“ mit Gerlinde Kaltenbrunner und Ralf Dujmovits eingeladen. Es ist eine gute und wohl einzigartige Tradition, dass die Organisatoren der Veranstaltung die Spitzenbergsteiger, die beim IMS ihre Vorträge halten, dazu „verdonnern“, mit Bergfreunden wandern zu gehen. Stars zum Anfassen.

Gerlinde und Ralf passen gut in diese Rubrik. Denn obwohl Gerlinde als erste Frau alle 14 Achttausender ohne Flaschensauerstoff bestiegen hat und Ralf der erste Deutsche war, der auf den 14 höchsten Bergen der Welt stand (nur am Mount Everest 1992 griff er zur Atemmaske), sind beide geerdet geblieben. Starallüren sind ihnen fremd. Geduldig beantworten sie alle Fragen, lassen sich mit den Wanderern fotografieren oder geben Autogramme.

Gerlinde will kein Popstar sein

Latzfonser Kreuz

„Halb so wild“, sagt Gerlinde. „Beim IMS treffen sich Bergfreunde aus aller Welt, wirklich ausnahmslos Interessierte, das gefällt mir.“ Ich frage sie, ob sie sich dabei nicht wie ein Popstar vorkomme. „Nein, wie ein Popstar fühle ich mich überhaupt nicht. So möchte ich auch gar nicht sein.“ An der frischen Luft, in den Bergen ist Gerlinde auch viel lockerer als noch beim Vortrag am gestrigen Abend. Dort hatte man ihr die Konzentration und Anspannung förmlich angesehen. Ralf und Gerlinde hatten die Zuhörer im ausverkauften Forum in Brixen mit ihren spannenden und authentischen Schilderungen über ihre Abenteuer an den 14 Achttausendern begeistert.

Abschreckung am Everest

Im Frühjahr waren Ralf und Gerlinde wieder am Mount Everest. Gerlinde bestieg mit David Göttler in der unmittelbaren Nachbarschaft des höchsten aller Berge den Fast-Achttausender Nuptse – als einzige Seilschaft, während am Everest der Bär tobte. „Noch krasser kann es kaum werden, ein schrecklicher Anblick“, beschreibt Gerlinde die lange Reihe der Gipfelanwärter. „Das hat für mich mit Bergsteigen nichts mehr zu tun.“ Ralf passierte in Gegenrichtung die Aufsteigenden. Er hatte seinen Versuch ohne Flaschensauerstoff auf dem Südsattel in etwa 8000 Meter Höhe abgebrochen, weil er sich nicht wohl fühlte. Die Massen hätten ihn abgeschreckt und auch zu der spontanen Äußerung bewegt, das Kapitel Everest sei für ihn endgültig abgeschlossen, erzählt Ralf. Jetzt, fünf Monate später, hört sich das schon etwas anders an: „Es kann schon sein, dass doch noch einmal eine andere Entscheidung daherkommt.“

Die Seniorenabteilung

Abstieg

Es war schön, wieder einmal ein paar Stunden mit Gerlinde und Ralf gemeinsam unterwegs gewesen zu sein. Trotz der vielen Teilnehmer hatte ich Gelegenheit, eine Weile mit beiden über gestern, heute und morgen zu plaudern. Als Ralf und ich deswegen etwas verspätet den Gipfel der Kassianspitze erreichten, meinte er zu den anderen mit einem Augenzwinkern: „Hier kommt die Seniorenabteilung.“ Ich fühlte mich fast geehrt.  😉

P.S. Über die Gespräche mit Gerlinde und Ralf (vor allem über die chaotischen Zustände am Mount Everest) werde ich euch nach meiner Rückkehr aus Brixen noch ausführlicher berichten.

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Der erste Gipfel https://blogs.dw.com/abenteuersport/der-erste-gipfel/ Sun, 21 Oct 2012 05:46:25 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=17501

Beeindruckende Fernsicht

Ich habe meinen ersten Gipfel schon hinter mir – und das am ersten Tag des International Mountain Summit (IMS) in Brixen in Südtirol. Dort trifft sich zum vierten Mal die Bergsportszene aus aller Welt. Eine Woche lang geben sich Topbergsteiger die Klinke in die Hand. Ganz so lange kann ich leider nicht bleiben. Reinhold Messner werde ich deshalb in Brixen nicht mehr treffen. Er kommt erst am nächsten Wochenende. Aber allzu viel Neues wird Messner wohl ohnehin nicht zu erzählen haben.

Umkleide in der Hoteltoilette

Ich startete in Köln früh um 5.55 Uhr – bei der Schnapszahl konnte ja nichts schiefgehen. Mit Zug, Flugzeug und Mietwagen erreichte ich unfallfrei und ohne Verspätung um 12 Uhr mittags Brixen. „Tut mir leid, ihr Zimmer ist noch nicht bezugsfertig“, informierte mich die nette Dame an der Rezeption meines Hotels. „Sie tun mir damit einen Gefallen“, beruhigte ich sie. „Bei dem Traumwetter zieht es mich ohnehin nach draußen.“ In der Hoteltoilette im Keller zog ich mich um, machte mich bergtauglich: Tourenhose, Wanderschuhe und Tirolerhut. „Na, das sieht doch schon nach einer zünftigen Wanderung aus“, bescheinigte mir die Rezeptionistin.

360-Grad-Panorama

Auf der Pfannspitz

Sie gab mir noch ein paar Tourentipps, und schon war ich draußen. Wegen Zeitmangels nicht ganz fair zum Berg fuhr ich mit dem Auto nach Palmschoß auf knapp 1700 Metern. Von dort wanderte ich los. Das herrliche Wetter ließ mich vergessen, wie kurz die vergangene Nacht war und dass ich eigentlich noch eine Erkältung in den Knochen habe. Ich stieg einfach weiter. Die von zahlreichen Ausflüglern bevölkerte Rossalm auf 2180 Meter Höhe ließ ich links liegen. Immer höher. Und nach gut zwei Stunden stand ich am Gipfelkreuz der Pfannspitz (ohne e), 2545 Meter hoch. Ganz allein, mit einem tollen 360-Grad-Panorama, inklusive Großglockner. Ich konnte mich kaum satt sehen.

Wandern mit Gerlinde und Ralf

Dolomiten

Dieser Gipfel war ein toller Einstieg für das „Internationale Berg-Gipfeltreffen“. Dort besuchte ich am Abend einen beeindruckenden Vortrag von Gerlinde Kaltenbrunner und Ralf Dujmovits. Morgen früh gehe ich mit beiden wandern. Leider im Pulk mit mehreren Dutzend, aber wir werden sicher trotzdem Gelegenheit haben, in Ruhe miteinander zu reden. Vielleicht habe ich ja durch meine Spontantour von heute einen kleinen konditionellen Vorsprung gegenüber den anderen.

P.S. Die WiFi-Verbindung des Hotels wird am Abend abgeschaltet, daher erscheint der Bericht erst jetzt.

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Experiment geglückt, Patient lebt https://blogs.dw.com/abenteuersport/experiment-gegluckt-patient-lebt/ Mon, 15 Oct 2012 12:42:26 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=17375

Und hopp!

Auch ich konnte mich dem Charme der Bilder nicht entziehen: der Astronauten-Mann in der Kapsel, der Blick in die und aus der Stratosphäre, der Absprung, der Körper als weißer Fleck, der in freiem Fall in atemberaubendem Tempo durch die Dunkelheit Richtung Erde rast, kurz beängstigend trudelt, sich dann aber wieder fängt, das erlösende Aufklappen des Fallschirms, schließlich die problemlose Landung. Keine Frage, die PR-Strategen des Getränke-Herstellers aus Österreich verstehen ihr Handwerk: Die Bilder waren spektakulär – und in kaum einer Einstellung fehlte das Logo des Hauptsponsors von Felix Baumgartner. Nur springen musste der Österreicher alleine, aus 39 Kilometern Höhe. 

So gut wie live 

Der 43-Jährige bewies großen Mut, denn ein Restrisiko blieb, das ihn womöglich auch sein Leben hätte kosten können. Wäre er im freien Fall zu sehr ins Trudeln gekommen und bewusstlos geworden, hätte das Projekt tragisch enden können. Aus diesem Grund zeigte der hauseigene Sender des Hauptsponsors den Sprung auch nur so gut wie live, nämlich mit 20-sekündiger Verspätung. Im Falle des bösen Falles hätte er dann noch schnell umschalten können, etwa auf das Standbild einer Getränkedose.

Schallmauer, ich komme

Doch Felix Baumgartner ist ein Profi, der auch schon mit dem Fallschirm in eine Höhle gesprungen ist – was nur unwesentlich gefahrloser gewesen sein dürfte. Er meisterte alle Herausforderungen und darf sich mit seiner Fallgeschwindigkeit von 1342 Stundenkilometern nun „der erste Überschallmensch“ nennen. Fall-ohne-Knall-Experiment (der Luftwiderstand war zu gering für einen Wumms beim Durchbrechen der Schallgrenze) geglückt, Patient lebt. 

Mega-Event 

Alles andere wäre rein PR-technisch auch als Schuss nach hinten losgegangen. Denn hier wurde ein Abenteuer nicht nur vollzogen, sondern auch inszeniert. Schon der Titel des Projekts verriet die Ambitionen: „Mission Stratos“, das klang nach Captain Kirk und Raumschiff Enterprise. Das Bodenpersonal hieß nicht umsonst „Mission Control“ und saß brav in Reihe am Schreibtisch, ganz so wie biedere NASA-Wissenschaftler bei Weltraumfahrten. Die Botschaft: Der Sprung hat eine ähnliche Dimension wie die erste Mondlandung. Dazu der immer wiederkehrende Kamerablick in die ängstlichen Gesichter der Angehörigen Baumgartners. Die stille Nachricht hier: Seht her, ein netter Mensch riskiert sein Leben zum Wohle der Menschheit!

Viel Geld, wofür?  

Doch in erster Linie profitierte natürlich der Hauptsponsor, auf dessen Ticket der Abenteurer in die Stratosphäre schwebte. Die „Mission Strato“ war auch eine „Mission Brause“. Der Werbeeffekt für den Getränkekonzern dürfte die Kosten bei weitem übertroffen haben. Und die waren nicht von Pappe. Nach Schätzungen pumpte das Unternehmen (das sich auch ein Formel-1-Team leisten kann) in den vergangenen Jahren zwischen 25 und 50 Millionen Euro in den teuersten Sprung der Geschichte. Natürlich nicht, ohne ständig zu betonen, wie groß der wissenschaftliche Nutzen des Projekts sei. Darauf bin ich wirklich gespannt. Nicht dass uns wieder einer die Teflon-Pfanne als Abfallprodukt der Raumfahrt verkaufen will! 

P.S. Ich wette, dass die Nachfrage nach Fallschirmsprüngen aus großer Höhe bei den einschlägigen „Erlebnis“-Veranstaltern in nächster Zeit rasant steigen wird.

P.P.S. Die Discount-Variante des Rekordsprungs findet ihr hier.

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Bergfeuer https://blogs.dw.com/abenteuersport/bergfeuer/ Thu, 23 Aug 2012 14:03:29 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=16325

Feuer machen auf dem Snowdon

Bergsteigen in Großbritannien hat eine große Tradition. Britische Bergsteiger und Expeditionen schrieben Alpingeschichte, ob in den Alpen, im Himalaya oder sonst wo: Edward Whymper, der Erstbesteiger des Matterhorns im Jahr 1865; Albert Mummery, der 1895 verschollene Nanga-Parbat-Pionier; George Mallory und Andrew Irvine, die 1924 im Gipfelbereich des Mount Everest verschwanden; Dougal Haston und Doug Scott, die 1975 als Erste die Südwestwand des Everest meisterten; Chris Bonington, der legendäre Bergsteiger und Expeditionsleiter. Sie alle waren oder sind (Scott, Bonington) Briten. Das gilt gefühlt sogar beinahe für die Erstbesteiger des Everest, den Neuseeländer Edmund Hillary und den Nepalesen Tenzing Norgay. Sie gehörten 1953 schließlich zu einer britischen Expedition und wurden nach ihrem Erfolg dementsprechend vereinnahmt. Briten sind eben stolz auf ihre Bergsteiger. Kein Wunder also, dass jetzt das Paralympische Feuer in den Bergen entzündet wurde.

Aus vier mach‘ eins! 

Vier Gruppen aus Bergführern, Pfadfindern und Behindertensportlern bestiegen die höchsten Berge von Nordirland (Slieve Donard, 850 Meter), Schottland (Ben Nevis, 1344 Meter), Wales (Snowdon, 1085 Meter) und England (Scafell Pike, 978 Meter). Auf den Gipfeln rieben sie Feuersteine aneinander und entzündeten damit je eine Fackel. Diese vier geschützten Flammen werden nun nach Stoke Mandeville gebracht, einem kleinen Ort nahe London, in dem 1948 erstmals parallel zu Olympischen Spielen Behindertensportler gegeneinander antraten. Am Geburtsort der Paralympics werden die vier Flammen vom Berg am kommenden Dienstag zu einer einzigen vereint. 540 Fackelläufer, jeweils in Fünfer-Teams, tragen sie dann einen Tag lang durch die Straßen Londons zur Eröffnungsfeier im Olympiastadion.

Topkletterer mit Behinderung

Auf dem Weg zum Ben Nevis

„Wer in London paralympischen Sport erstmals sieht, wird sicher vom Hocker gehauen“, prophezeit Sebastian Coe. Der Cheforganisator der Olympischen Spiele 2012 hatte sich der Gruppe auf dem Snowdon angeschlossen. Auf dem Ben Nevis, dem höchsten Berg nicht nur Schottlands, sondern ganz Großbritanniens, stand gestern auch Kevin Shields. Der 1978 in der schottischen Region Ayrshire geborene Kletterer ist Epileptiker. Seit seiner Geburt fehlen ihm an der linken Hand bis auf den Daumen alle Finger. Trotzdem hat er schwierige Routen im Fels gemeistert und ist als erster behinderter Sportler beim Eiskletter-Weltcup angetreten. „Das war eine große Ehre, bei der Entzündung der Paralympischen Flamme dabei gewesen zu sein“, sagte Kevin. „Der Ben Nevis ist ein Platz von so einzigartiger Schönheit – wie geschaffen für einen Moment, den man nur einmal erlebt.“

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