IMS – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 10 Jahre IMS: Die letzte Wanderung https://blogs.dw.com/abenteuersport/10-jahre-ims-die-letzte-wanderung/ Sun, 14 Oct 2018 14:16:44 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=42347

IMS-Wanderung zum Latzfonserkreuz

Der IMS wird mir fehlen. Nach zehn Jahren „International Mountain Summit“ in Brixen ist Schluss. Die Macher, Alex Ploner und Markus Gaiser, die ehrenamtlich und mit sehr viel Berg-Herzblut alljährlich dieses außergewöhnliche Bergfestival auf die Beine gestellt hatten, werfen das Handtuch. Der Grund: Mangelnde Unterstützung von außen. Wirklich schade! Jahr für Jahr gaben sich beim IMS frühere und aktuelle Stars der Szene die Klinke in die Hand: Reinhold Messner, Sir Chris Bonington, Doug Scott, die Huberbuam, Steve House, Alex Honnold, Ueli Steck, Gerlinde Kaltenbrunner, Ralf Dujmovits und, und, und. Sie hielten nicht nur Vorträge, sondern gingen auch, ganz uneitel, mit anderen Bergfreunden in den Bergen Südtirols wandern. Das machte den besonderen Reiz des IMS aus. Ich habe dieses „Walk and Talk“ immer sehr genossen.

Fremdschämen am Kangchendzönga

Tamara Lunger (im Hintergrund die Wallfahrtskirche Latzfonserkreuz)

Gestern zum Beispiel stiegen wir mit der Südtiroler Profibergsteigerin Tamara Lunger hinauf zum Latzfonserkreuz auf 2305 Metern. Die dortige Hütte wird (noch) von ihren Eltern betrieben. Ich sprach mit Tamara über ihre Erlebnisse bei der Wintererstbesteigung des Nanga Parbat im Februar 2016. Während ihre Teamkollegen Simone Moro, Alex Txikon und Muhammad Ali „Sadpara“ den Gipfel erreicht hatten, war Lunger 70 Meter unterhalb des Gipfels umgekehrt. Den ganzen Gipfeltag über war es ihr schlecht gegangen. Gott habe ihr ein Zeichen gegeben, erzählt mir Tamara: „An dem Tag hat zehn Stunden Beten nichts geholfen. Da habe ich gewusst, da ist etwas faul.“ Im Frühjahr 2017 war sie wieder an einem Achttausender: Mit Simone Moro wollte sie alle Gipfel des Kangchendzönga-Massivs überqueren. Dazu kam es nicht, diesmal hatte Moro gesundheitliche Probleme. Nach der Expedition hatte Tamara erst einmal die Nase voll von den Achttausendern. Was sie im Basislager, in dem auch kommerzielle Expeditionen ihre Zelte aufgeschlagen hatten, erlebte, hat Narben hinterlassen. „Unglaublich, was einige Leute da so treiben. Ich habe mich teilweise für sie geschämt“, sagt Tamara. „Mit tat dort das Herz weh.“

Wellnessurlaub für die Seele

IMS-Organisator Markus Gaiser, Tamara Lunger und Robert Jasper (v.l.)

Auch Robert Jasper wanderte gestern mit zum Latzfonserkreuz. Der 50 Jahre alte deutsche Top-Kletterer war in diesem Sommer auf einer Solo-Expedition auf Grönland. Mit dem Faltkajak fuhr er von der letzten bewohnten Siedlung durch einen Fjord in Richtung des Berges, den er sich für eine Erstbegehung ausgeguckt hatte. „Mit dem Faltboot unterwegs zu sein, dann eine neue Route in einer Bigwall zu eröffnen, das Ganze mit reduzierten Mitteln – das war ein absolut geniales Abenteuer“, schwärmt mir Robert vor. Auch wenn er vor dem Start ein mulmiges Gefühl gehabt habe, sei er mit dem Alleinsein gut zurechtgekommen. „Über die Stille gelangst du sehr schnell zu dir selber. Das war Wellnessurlaub für die Seele.“ Bei der Rückkehr in die Zivilisation nach vier Wochen, so Robert, habe er jedoch ein paar Tage gebraucht, bis er wieder richtig habe sprechen können.

Keine Zeit verschwenden

Beat Kammerlander

Beat Kammerlander sucht sich seine Kletterziele bevorzugt vor der eigenen Haustür, im Rätikon. Der 59 Jahre alte Österreicher aus Feldkirch ist eine lebende Kletterlegende. Seit Jahrzehnten betreibt er alpines Sportklettern auf Weltklasse-Niveau. Noch im vergangenen Jahr eröffnete er mit der „Kampfzone“ am Kleinen Turm eine extrem schwierige Route. Ich frage Beat auf der IMS-Wanderung, ob er heute mehr kämpfen müsse als früher. „Man kämpft immer so gut, wie man kann“, antwortet Kammerlander und lacht. „Aber ich habe heute wohl noch mehr Motivation als früher und mehr Konsequenz, um ein Ziel zu erreichen. Ich verschwende keine Zeit mehr.“ Ans Ende seiner Karriere als Extremkletterer denkt Beat noch nicht. „Do what you love! Warum sollte ich mit etwas aufhören, was ich am liebsten mache?“

Wenn das bei Veranstaltungen wie dem „International Mountain Summit“ doch auch immer so leicht wäre …

P.S.: Ausführliche Artikel über meine Gespräche mit Tamara Lunger, Robert Jasper und Beat Kammerlander lasse ich folgen. Der IMS wird also noch nachwirken.

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Der Berg und die vier Elemente https://blogs.dw.com/abenteuersport/der-berg-und-die-vier-elemente/ Mon, 27 Oct 2014 13:43:39 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=27609 Unter diesem Motto stand der diesjährige Fotowettbewerb beim International Mountain Summit in Brixen in Südtirol. Knapp 2600 Fotografen aus aller Welt sandten Bilder ein. Gewinner war der Pole David Kaszlikowski , der im Karakorum einen Baltoro-Gletscherfluss in der Nähe des Concordiaplatzes ablichtete. Auf Platz zwei landete der Südtiroler Georg Kantioler mit seiner Gewitter-Impression, Dritter wurde der Italiener Simone Miotto mit seinem Bild eines zugefrorenen Bergsees. Hier die Gewinnerfotos zum Genießen:

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David Lamas „Mission: Possible“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/david-lama/ Wed, 06 Nov 2013 13:27:03 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=24076

David Lama

David Lama hat für seine 23 Jahre schon viel Kritik einstecken müssen. „Ich habe aus meinen Fehlern gelernt“, sagt der Bergsteiger aus Österreich. 2010 hatte sein Team für Filmarbeiten über den Versuch, die legendäre „Kompressor-Route“ am Cerro Torre in Patagonien erstmals frei zu klettern, Dutzende neuer Bohrhaken in die Wand gesetzt.  Damals war Lama noch gescheitert, zwei Jahre später glückte ihm das Projekt, gemeinsam mit seinem Osttiroler Seilpartner Peter Ortner. Für den Sommer 2014 haben sich die beiden ein weiteres Knüller-Projekt vorgenommen.

Nicht kletterbar?

Masherbrum (in der Bildmitte)

Lama und Ortner wollen als Erste die Ostwand des 7821 Meter hohen Masherbrum im Karakorum durchsteigen. „Viele haben sich eigentlich noch nicht an der Wand versucht, weil die meisten sie für unkletterbar halten“, erzählt mir David beim International Mountain Summit in Brixen. „Aber ich kann es mir mittlerweile vorstellen, durch diese Wand zu klettern. Das ist im Moment eine der spannendsten Ideen, die ich mir vorstellen kann.“ Möglicherweise, verrät Lama, werde noch sein Landsmann Hansjörg Auer zum Team stoßen. Reinhold Messner bezeichnete die beiden österreichischen Topbergsteiger vor wenigen Tagen im Gespräch mit mir als „junge Leute, die kreativ sind“. Sie würden ihre Spielfelder schon finden.

David Lama über das Projekt Masherbrum-Ostwand

Extrem lässig

David auf den letzten Metern zum Gipfel der Chogolisa (Foto: privat)

Derzeit sei das Karakorum „eine der spannendsten Spielwiesen“ für ihn, sagt David. „Riesige, schöne, vor allem schwierige Berge mit großen Wänden. Die reizen mich einfach.“ 2012 hat Lama zusammen mit Ortner die 7665 Meter hohe, formschöne Chogolisa bestiegen, seinen ersten Siebentausender. „Wir waren die ersten seit 26 Jahren, die oben gestanden haben. Von daher war es ein extrem lässiges Erlebnis, dort auf den Gipfelgrat hinaufzusteigen. Zum anderen war es natürlich eine Vorbereitung für höhere Berge, weil es mein Ziel ist, dort hohe, schwierige Wände zu klettern.“ Wie die Ostwand des Masherbrum.

David Lama: Besteigung der Chogolisa war extrem lässig

Früh übt sich

David Lama ist der Sohn einer Österreicherin und eines Sherpas aus dem Khumbu, dem Gebiet um den Mount Everest. Schon mit fünf Jahren bewies David bei einem Klettercamp von Peter Habeler sein außergewöhnliches Talent. Das war der Startschuss zu einer steilen Karriere als Sportkletterer. Schon als Zehnjähriger bewältigte Lama schwierigste Routen. Heute sehe er sich „eher als Alpinist“, sagt David und fügt mit einem verschmitzten Lächeln hinzu: „Und auch ein bisschen als Bergsteiger.“

David Lama: Angst ist Abfallprodukt der Ungewissheit

Alles geregelt

Ein Hasardeur sei er nicht, meint der Innsbrucker. Allerdings kehre er am Berg nicht um, wenn es nicht unbedingt nötig sei. „Ich glaube, ich habe die Fähigkeit, das Risiko abzuwägen und zu bewerten. Aber es ist natürlich klar, dass ein Führerschein-Neuling schneller fährt als einer, der ihn schon seit vierzig Jahren hat.“ Denkt er auch über den Tod nach? Am Masherbrum, antwortet David, „ möchte man schon alles geregelt haben, bevor man in die Wand einsteigt.“

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Destivelle: „Verrückt, was am Everest passiert“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/catherine-destivelle-interview/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/catherine-destivelle-interview/#comments Thu, 24 Oct 2013 13:11:53 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=23945

Catherine Destivelle

Sie sieht deutlich jünger aus, als sie ist (53 Jahre). Und ihre Augen glänzen, wenn sie übers Klettern spricht. Vor 20 Jahren war die Französin Catherine Destivelle ein Star der Kletterszene: Unter anderem durchstieg sie die klassischen Nordwände von Eiger, Matterhorn und Grande Jorasses – solo und im Winter. Den Nameless Tower, einen beeindruckenden Granitzapfen von über 6000 Metern im Karakorum, kletterte sie frei. (Wenn ihr einen Eindruck ihres Kletterstils gewinnen wollt, seht euch unten das Video an!) Nach der Geburt ihres Sohnes Victor 1997 trat sie als Kletterin deutlich kürzer. Ich sprach mit Catherine – wie berichtet – bei einer Wanderung während des International Mountain Summit (IMS) in Brixen in Südtirol.

Catherine, kletterst du immer noch?

Ja, zwar weniger, aber ich klettere noch. Ich mag es. Wenn ich Zeit habe oder Urlaub, klettere ich mehrere Male in der Woche.

Als du deine großen Routen geklettert bist, in den 1980ern und am Beginn der 90er Jahre, warst du eine Pionierin des Frauenkletterns. Was hat sich seitdem geändert?

Ich denke, es ist eine ganz normale Entwicklung: Die Kletterinnen von heute sind besser als zu unseren Zeiten, weil sie seit ihrer Jugend trainieren. Klettern ist ein richtiger Sport geworden. Zu meiner Zeit begann es gerade erst, ein Sport zu werden, war es aber noch nicht wirklich.

Denkst du, dass es junge Frauen heutzutage einfacher haben, Profikletterinnen zu werden?

Da bin ich mir nicht sicher. Es gibt viele Kletterinnen, vielleicht ist es deshalb sogar schwieriger. Zu meiner Zeit gab es nur ein paar, etwa eine Spitzenkletterin pro Land. Deshalb war es damals möglicherweise sogar einfacher, vom Klettern zu leben.

Catherine Destivelle: Vielleicht ist es heute sogar schwieriger

Verfolgst du noch das Geschehen im Himalaya?

Ich weiß immer noch, was dort los ist, aber ich träume nicht davon. Ich bin schon ein bisschen neidisch, weil ich nicht so lange fortbleiben kann. Aber eines Tages werde ich mir wieder die Zeit nehmen, in den Himalaya zurückzukehren und dort ein paar kleine Klettertouren zu machen.

Du bist bereits in den 1990ern dort geklettert. Du warst am Makalu, der Shishapangma – und auch an der Annapurna-Südwand. Gerade vor zwei Wochen ist Ueli Steck durch diese Wand geklettert, solo, die Nacht hindurch, in 28 Stunden hinauf und wieder herunter. Was hältst du von dieser Leistung?

Ich denke, schnell zu sein, ist die sicherste Art, im Himalaya zu klettern. So verlierst du nicht die ganze Kraft und bleibst auch im Kopf klar (lacht). Erhard Loretan hat es genauso gemacht. Er kletterte auch sehr schnell in großer Höhe.

Als du im Himalaya in den 90er Jahren auf Expedition warst, waren dort nur wenige Kletterer unterwegs. Seitdem hat sich viel geändert, vor allem am Everest.

Dem Everest bin ich nie nachgelaufen, weil ich eher technische Routen bevorzugte. Das waren die Klettereien, die ich mochte. Aber technische Routen in großer Höhe zu klettern, ist sehr gefährlich. Davor hatte ich Angst. Ich wollte kein Risiko eingehen. Deshalb entschied ich mich, einen Bogen um die ganz hohen Berge zu machen. Zu dieser Zeit war es für mich uninteressant, den Everest über die Normalroute zu besteigen. Heute sind dort zu viele Leute. Deshalb bin ich mir nicht sicher, ob ich eines Tages dorthin gehen werde (lacht). Es ist doch verrückt: Nur weil es der Everest ist, geht jeder dorthin. Sie wissen nicht einmal, wie man klettert und sind unfähig, Probleme am Berg zu lösen. Sie brauchen Fixseile und haben keine Ahnung, wie man sich seilfrei bewegt. Wenn dann eine Lawine abgeht oder ein Eisblock zusammenbricht, wie 2012 am Manaslu, geschieht gleich eine große Katastrophe. Vor ein paar Jahren war es am K 2 genauso. Kletterer verloren ihr Leben, weil sie keine wirklichen Alpinisten waren. Ich denke, es ist echt gefährlich, wenn zu viele Menschen an einem hohen Berg unterwegs sind.

Catherine Destivelle: Zu viele Leute am Everest

Warum hast du Mitte der 90er Jahre mit dem extremen Klettern aufgehört? War es dein schwerer Kletterunfall in der Antarktis, bei dem du dir einen offenen Bruch deines Beins zugezogen hast?

Nein, es war nicht der Unfall. Ich wollte einfach ein Kind haben (lacht). Victor. Ich zog es vor, für ihn zu sorgen. Ich bin wie eine Glucke, will meinen Sohn nicht alleine lassen. Ich mag es lieber, meine Tage mit ihm zu teilen. Ich klettere immer noch, aber ich möchte sicherstellen, dass mein Sohn glücklich ist. Das ist für mich das Wichtigste. Ich reise auch mit ihm, aber er steht nicht so aufs Klettern. Deshalb fahre ich mit ihm ans Meer (lacht). Kitesurfen und solche Sachen.

Welchen Rat würdest du jungen Kletterern, besonders Frauen, geben?

Du musst es mögen und deinen Instinkten folgen! Sei glücklich, dann hast du auch eine Chance, darin gut zu sein! Wenn du sehr gut werden willst, trainiere viel! Treffe dich mit sehr erfahrenen Leuten, um dich inspirieren zu lassen und nimm ihren Rat an!

Catherine Destivelle: Du musst es mögen und deinem Instinkt folgen!

Und was ist mit Mut?

Du brauchst keinen Mut zu haben, wenn du es magst (lacht). Du hast doch deine Leidenschaft. Du musst trainieren und dich auf das Klettern fokussieren, wenn du Erfolg haben willst. Das ist alles. Mut ist etwas anderes. Für mich bedeutet mutig sein zum Beispiel, sein Leben für eine Idee zu riskieren.

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Zwei Tage in Brixen https://blogs.dw.com/abenteuersport/zwei-tage-in-brixen/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/zwei-tage-in-brixen/#comments Tue, 22 Oct 2013 19:36:32 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=23927 Zurück im Rheinland. Schade. Schön war es beim International Mountain Summit in Brixen – und in den Bergen dort. Hier ein paar Impressionen von oben:

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Begegnungen im Nebel über Brixen https://blogs.dw.com/abenteuersport/begegnungen-im-nebel-uber-brixen/ Mon, 21 Oct 2013 00:40:35 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=23907

Wetter zum Schuhe an den Nagel hängen

Frei nach Platon: Ich sehe, dass ich nichts sehe. „Das ist ja wie bei uns in London“, meint mein englischer Kollege Chris, nachdem wir uns vor dem dichten Nebel und dem kalten Wind in die auf 2446 Metern gelegene Plosehütte geflüchtet haben und durch das Fenster in die trübe Wolkensuppe blicken. Keine Spur von dem Panorama, das wir noch am Vortag bei der IMS-Wanderung zum selben Ziel, der Pfannspitze, genossen haben. Als wir auf den Bergrücken steigen, der zum Gipfel führt, bläst uns ein eisiger Wind ins Gesicht und mir meinen Tirolerhut beinahe vom Kopf. Gerade noch kann ich ihn vor dem Abflug ins graue Nichts bewahren. An Interviews mit den bekannten Bergsteigern, die uns heute begleiten, ist hier oben nicht zu denken. Und auch das Gipfelkreuz schenken wir uns diesmal.

Auf geht’s zu den großen Wänden

David Lama

Als wir später auf der Rossalm einkehren, reißt die Wolkendecke wenigstens einmal kurz auf. Doch als ich mit David Lama zu einer Bank oberhalb der Hütte aufsteige, um in Ruhe mit ihm zu sprechen, hüllt uns erneut dichter Nebel ein. Davids Vater stammt aus dem Khumbu, dem Gebiet um den Mount Everest, seine Mutter ist Österreicherin. Eines Tages wolle er auch dort klettern, verrät mir der 23 Jahre alte Innsbrucker: „Ich möchte auf jeden Fall irgendwann herüber, weil es dort tolle Berge mit fantastischen Linien gibt, die noch nie geklettert wurden. Das reizt mich. Und zusätzlich habe ich eben noch den persönlichen Bezug.“ Als Sportkletterer hat David schon im Kindesalter für Schlagzeilen gesorgt. „Heute sehe ich mich eher als Alpinist“, sagt Lama und fügt mit einem verschmitzten Lächeln hinzu: „Und auch ein bisschen als Bergsteiger“. 2012 hat er mit der Chogolisa in Pakistan seinen ersten 7000er bestiegen. „Das war ein extrem lässiges Erlebnis, dort oben über den Gipfelgrat zu steigen“, erinnert sich David. Aber eigentlich sei diese Expedition nur die Vorbereitung für extremere Projekte gewesen. „Mein Ziel ist es, hohe und schwierige Wände zu klettern.“ Wir werden also von David hören. Im nächsten Sommer reist er erneut in den Karakorum.

Kurze Zeltnacht im Foyer

Ungewöhnlicher Biwakplatz

Steilste Wände klettern war auch immer die Leidenschaft von Stefan Glowacz und ist es geblieben. „Für mich ist eine schwere Wand und eine Erstbegehung darin immer noch ein Hauptkriterium einer Expedition“, sagt der 48 Jahre alte deutsche Spitzenkletterer. „Aber ich kann mir inzwischen auch vorstellen, irgendwann einmal irgendein entlegenes Gebiet nur zu durchqueren.  Der Abenteueraspekt bekommt für mich eine immer größere Bedeutung, auch die fremden Kulturen und das Zusammenleben mit den Menschen in diesen Gebieten.“  Zum alten Eisen zählt sich Stefan noch nicht, auch wenn ihm das kürzlich eine Ärztin einreden wollte. „Sie hat gesagt: Was wollen Sie denn? Jeder andere Hochleistungssportler in Ihrem Alter ist schon völlig fertig und kriegt seine Flügel gar nicht mehr hoch. Das hat mich schon entsetzt, denn ich habe noch einiges vor.“ So will er im nächsten Jahr in Oman und auf Borneo klettern. Dass Stefan durchaus noch über Durchhaltevermögen verfügt, hat er in der Nacht zuvor auch beim „Abklettern“ des IMS bewiesen. Erst um sechs Uhr früh überkam ihn die Party-Müdigkeit. Kurzerhand legte sich Glowacz in einem kleinen Sponsoren-Zelt im Foyer aufs Ohr. Nur für eine Stunde, dann weckte ihn die Putzkolonne mit ihren Staubsaugern.

Everest ein „geiler Gedanke“

Andy Holzer (l.) und Stefan Glowacz

In der gleichen Bergsteiger-Altersklasse wie Stefan spielt auch Andy Holzer. Der 47 Jahre alte Österreicher ist seit seiner Geburt blind und klettert dennoch durch Wände und auf hohe Gipfel. Sechs der „Seven Summits“, der höchsten Berge aller Kontinente, hat der Osttiroler schon bestiegen. Nur der Everest fehlt ihm noch. Einen konkreten Plan, auch den höchsten aller Berge zu erklimmen, gebe es nicht, sagt Andy, aber reizen würde es ihn schon. „Das ist ein geiler Gedanke. Ich glaube, wer die Tränen in den Augen nicht verspürt, wenn er den Hillary-Step hinaufsteigt und die letzten Meter zum höchsten Punkt der Erde geht, der hat auf keinem Berg etwas verloren.“ Holzer ist sich bewusst, dass für ihn die verbleibende Zeit für eine Everest-Besteigung langsam, aber sicher abläuft. Schließlich müsse er ohne Stirnlampe, also in vollkommener Dunkelheit zur letzten Etappe starten, sagt Andy. Das sei von der Leistungsbilanz und vom Stoffwechsel her eine ganz andere Nummer. „Da hast du mit 50 wahrscheinlich nichts mehr verloren. Ich bin wahrscheinlich jetzt schon an der Kippe. Das ist einfach für einen Blinden ein anderer Berg als für einen Sehenden. Darüber brauchen wir überhaupt nicht zu diskutieren.“

P.S. Ich hoffe ich habe euch jetzt neugierig gemacht. Denn auch über Andy, Stefan und David werdet ihr bald nach meiner Heimkehr hier im Blog mehr lesen können. Und das ist noch längst nicht alles. Die Ernte beim IMS in Brixen war wieder einmal ertragreich.  😉

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Berggespräche und ein Enzian https://blogs.dw.com/abenteuersport/ims-berggespraeche-und-ein-enzian/ Sat, 19 Oct 2013 22:23:27 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=23879

Auf dem Weg zur Pfannspitze

Das Schöne bei den Wanderungen während des International Mountain Summit in Brixen ist, dass du reich belohnt wirst: Mit tollen Fernblicken, anregenden Gesprächen mit bekannten Bergsteigern, aber auch mit den anderen Teilnehmern. In der Regel kehre ich von jedem IMS Walk mit mindestens einer Geschichte mehr ins Tal zurück, als ich vorher kalkuliert habe. Wieder einmal ist die 2505 Meter hohe Pfannspitze das Ziel, auf deren Gipfel du ein beeindruckendes 180-Grad-Panorama genießen kannst. Ich habe mich daran auch nach mittlerweile drei Aufstiegen noch nicht satt gesehen.

Um Viktors willen

Catherine Destivelle und Hansjörg Auer

Mit Catherine Destivelle steigt eine echte Kletterlegende mit zur Pfannspitze auf. Die sympathische Französin sorgte von Ende der 1980er bis Mitte der 90er Jahre für Furore. Damals gehörte sie im Sportklettern und Bergsteigen zur Weltelite. 1996 zog sich Destivelle nach einem schweren Sturz in der Antarktis aus der Kletterszene zurück. Sie heiratete und brachte Sohn Viktor zur Welt. „Ich war wie eine Glucke“, erzählt Catherine. „Ich wollte ihn nicht allein lassen, meine Tage mit ihm teilen. Ich wollte in erster Linie sicherstellen, dass mein Sohn glücklich ist.“ Die heute 53-Jährige klettert weiterhin, aber bei weitem nicht mehr so riskante Routen wie zuvor.

Je schwerer, desto besser

Das unterscheidet sie von Hansjörg Auer. Dem 29 Jahre alten Österreicher kann es gar nicht schwer genug sein. In diesem Sommer hat er mit seinem Bruder Matthias und dem Schweizer Simon Anthamatten – wie berichtet – den 7400 Meter hohen Kunyang Chhish East erstbestiegen, über eine äußerst anspruchsvolle Route durch die Südwand des Bergs. „Mir ist es auf 7000 Metern besser gegangen, wenn es technisch schwieriger war“, sagt Hansjörg. „Pures Schneestapfen finde ich fast mühsamer.“  Auer und seine beiden Freunde waren zu der Zeit an „ihrem“ Berg im Karakorum, als 120 Kilometer entfernt, am Nanga Parbat, Terroristen elf Bergsteiger erschossen.  Schnell erreichte die Nachricht auch das kleine Team um Auer: „Wir haben das beim Klettern so gut wie möglich verdrängt“, erinnert sich Hansjörg. „Aber hinterher haben wir unsere Besteigung den Opfern vom Nanga Parbat gewidmet.“

Nicht Bergrenner, sondern -brenner

Hubsi Ilsanker

Einer fällt in unserer Wandergruppe gleich doppelt aus der Reihe. Zum einen hat er statt eines Rucksacks einen Instrumentenkoffer geschultert. Dreimal im Verlaufe des Tags öffnet er ihn, nimmt eine Posaune heraus, bläst auf ihr eine Alpenweise und beendet seinen Vortrag mit einem lauten Juchzer. Zum anderen ist er der einzige, der bei einer Temperatur am Morgen von fünf Grad mutig eine kurze Krachlederne trägt. Auf den Querriegel seines Hosenträgers ist die Aufschrift „Bergbrenner“ gestickt. Genau das macht Hubert genannt „Hubsi“ Ilsanker. Der 43-Jährige Berchtesgadener gräbt Wurzeln aus und brennt sie zu Schnaps – nicht im Tal, sondern in einer von vier Brennhütten am Berg. Fast 400 Jahre ist diese Tradition alt. Wie ein Almbauer verbringt Hubsi mehrere Monate im Jahr auf der Hütte. Einen Tag in der Woche steigt er ins Tal, um seiner anderen Leidenschaft nachzugehen: der Musik. Dann spielt er etwa in Festzelten auf. Die Mischung macht es, sagt der musizierende Bergbrenner: „Berufsmusiker, das wäre mir zu anstrengend. Wenn ich aber nur in der Einsamkeit arbeiten würde, dann könnte ich auch schwermütig werden.“  Die Kostprobe von Hubsis „Edelwurz-Enzian“ gehört für mich zu den Höhepunkten des Tages. 🙂

P.S. Daheim im Flachland werde ich ausführlichere Geschichten über Catherine, Hansjörg und Hubsi nachlegen. Darauf könnt ihr einen Schnaps trinken!

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Mit Bahnstreik zum IMS https://blogs.dw.com/abenteuersport/mit-bahnstreik-zum-ims/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/mit-bahnstreik-zum-ims/#comments Fri, 18 Oct 2013 17:14:46 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=23855

Angekommen

Ich hatte die Rechnung ohne die italienischen Gewerkschafter gemacht. Eigentlich wollte ich in aller Ruhe mit dem Zug zum International Mountain Summit (IMS) nach Brixen in Südtirol fahren. Alles lief auch so weit nach Plan: Pünktlich erreichte ich in München meinen Anschlusszug. Ich erfreute mich im Inntal am schönen Wetter und dem Blick auf die Berge. Plötzlich aber ertönte eine Durchsage: „Wegen eines Streiks der italienischen Bahn fährt unser Zug heute nur bis Innsbruck. Es gibt keinen Schienenersatzverkehr. Wir bitten die Unannehmlichkeiten zu entschuldigen und bedanken uns dafür, dass sie mit der Deutschen Bahn gereist sind.“

Wer bestreikt hier eigentlich was?

Helle Aufregung im voll besetzten Abteil. Bei mir noch weniger als bei jenen, die noch bis nach Venedig fahren wollten. Dann wurden plötzlich doch Ersatzverbindungen genannt, wobei schleierhaft blieb, warum diese Züge trotz Streiks fahren sollten: mit der S-Bahn bis zum Brenner, von dort mit dem Regionalzug zumindest bis Meran. Wer noch weiter nach Süden wollte, sollte in Innsbruck zweieinhalb Stunden auf einen Zug warten, der angeblich bis Verona fuhr. Nachdem er auf zwei Meter Gang dreimal von Fahrgästen angesprochen worden war, grantelte der Schaffner nur noch: „Ich kann es auch nicht ändern, ich muss jetzt nach vorne.“

Gemütlich zum Brenner

Kurz überlegte ich, in Innsbruck ein Auto zu mieten, entschied mich dann aber doch für die abenteuerlichere Variante mit S- und Regionalbahn. Vielleicht würde ich ja am Brenner vor Fahnen schwenkenden italienischen Streikposten stehen. Gespannt tuckelte ich also in der S-Bahn hinauf zum Brenner. Dort war von wütenden Bahnmitarbeitern jedoch keine Spur. Stattdessen wies mir ein Beamter mit starrer Miene wortlos den Weg zum Regionalzug. Wenig später setzte der sich auch tatsächlich in Bewegung und hielt, wo er halten sollte. Auch in Brixen.

Glück gehabt

Spätsommer mit Herbststimmung

Mit nur 30 Minuten Verspätung traf ich dort ein. Lächerlich. Das schafft die Deutsche Bahn auch ohne Streik. Später erfuhr ich, dass ich wohl doch ziemliches Glück hatte. „Sie sind mit einem Regionalzug gekommen?“, fragte die Frau an der Hotelrezeption erstaunt. „Das muss aber der erste gewesen sein, der heute gefahren ist.“ Ich nehme es also als Geschenk und freue mich jetzt auf den IMS. Am Samstag und Sonntag werde ich mit bekannten Bergsteigern in den Südtiroler Bergen wandern gehen. Ich halte euch auf dem Laufenden. Versprochen. Es sei denn, nach der italienischen Bahn streikt auch die Lan (-verbindung).

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