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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Der bohrende Schiri

Wir neigen dazu, Menschen vorschnell in Schubladen einzusortieren. Zahnärzte etwa bereiten uns in unserer Vorstellung stets Schmerzen – obwohl sie diese doch eigentlich beseitigen. Schiedsrichter verpfeifen gefühlt jedes zweite Fußballspiel – obwohl sie doch in Wahrheit, durch Studien belegt, mit ihren Entscheidungen fast immer richtig liegen.


Und wenn jemand Zahnarzt und Schiedsrichter gleichzeitig ist? Vielleicht lag es daran, dass mir Markus Merk anfangs recht suspekt war. Ein pfeifender Zahnarzt, ein bohrender Schiri, oje. Doch MM war zu seiner Zeit schlicht der Beste seiner Zunft, dreimal Weltschiedsrichter. Und doch – wenn er ein Spiel meines Leib- und Magenvereins pfiff und, was auch sonst, den Gegner begünstigte, dachte ich bei mir: Was will man auch von einem Zahnarzt anderes erwarten?!

MM will zum Nordpol

Im Mai 2008 legte Merk die Pfeife aus der Hand und auch den Bohrer zur Seite. Jetzt hielt er Vorträge vor Unternehmen und widmete sich der von ihm gegründeten „Indienhilfe Kaiserslautern“. Nachdem er sich selbst vom Fußballplatz gestellt hatte, verlor ich MM aus den Augen. Bis zur vergangenen Woche. Da erfuhr ich durch einen Anruf in der Schweiz eher beiläufig, dass sich Merk auf den Weg zum Nordpol macht: Wie ich selbst 2009 im Rahmen einer von Profi-Abenteurer Thomas Ulrich geleiteten Last-degree-Expedition, also auf Skiern, den Materialschlitten hinter sich her ziehend, vom 89. Breitengrad bis zum Pol. Ich erreichte Merk wenige Tage vor seiner Abreise nach Spitzbergen. „Ich hatte schon als kleiner Junge den Traum und die Vision, ein paar hohe Berge zu besteigen und irgendwann mal ganz oben und ganz unten auf der Erde zu stehen“, sagte MM. „Diese Träume habe ich nie vergessen.“ Das Telefon-Interview könnt Ihr hier nachlesen und -hören.

Abenteurer unter sich


Karawane zum Nordpol

Hinterher plauderten wir noch eine ganze Weile weiter. Und ich konnte Merks Augen fast leuchten hören, als er mir von seinen Bergabenteuern auf 6000ern in Bolivien und Ecuador erzählte und von seinem Plan, noch in diesem Jahr einen 7000er zu besteigen. Als ich aufgelegt hatte, musste ich lächeln. Wie oft hatte ich Markus Merk als Schiedsrichter verflucht! Doch jetzt hatte ich den Abenteurer in ihm kennengelernt – und gemerkt, dass er in dieser Hinsicht eigentlich fast genauso tickt wie ich. Jetzt drücke ich ihm für seine Expedition zum Nordpol fest die Daumen. MM hat die Schublade gewechselt. Vielleicht würde ich mir sogar von ihm einen Zahn ziehen lassen. Aber wirklich nur vielleicht.

Interview mit Ex-Schiedsrichter Markus Merk

Datum

2. April 2010 | 14:37

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