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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Exklusiv-Interview mit Umweg

Natürlich ist es schöner, jemanden direkt zu befragen. Augenkontakt ist wichtig, Nachfragen sind möglich. Doch manchmal muss man auch Umwege in Kauf nehmen.
Nach ihrer erfolgreichen Winterbesteigung des 8034 Meter hohen Gasherbrum II im Karakorum haben der Italiener Simone Moro, der Kasache Denis Urubko und der Kanadier Cory Richards ihre Zelte abgebrochen und befinden sich auf der Heimreise. Ich hatte Gelegenheit, ihnen per Mail einige Fragen zukommen zu lassen, die sie mir jetzt auf elektronischem Weg beantwortet haben.


Der Gasherbrum II im Karakorum

Simone, du hast deinem Ruf als Winterspezialist wieder einmal alle Ehre gemacht. Nach der Shishapangma 2005 und dem Makalu 2009 hast du jetzt gemeinsam mit Denis und Cory erstmals den Gasherbrum II im Winter bestiegen. Wie schwer ist euch der Aufstieg gefallen?

Legt man die Expeditionsberichte kürzlich gescheiterter Winteraufstiege im Karakorum zugrunde, erschien ein Erfolg nahezu unmöglich. Aber nach elf Winterexpeditionen, die hinter mir liegen, wusste ich, dass nichts unmöglich ist. Trotz der geringen Erfolgschancen, die aus 25 Jahren gescheiterter Versuche sprachen, gab ich mein Bestes in Sachen Organisation, Taktik und Einsatz. Und es wurde ein großer historischer Erfolg.

Kalkulierbares Risiko

Wie habt ihr euch gegen die ungeheure Kälte geschützt?

Wir haben einfach unsere Erfahrung, Kraft, Optimismus und Leidensfähigkeit genutzt. Die Kälte war aber nur eine der drei größten Schwierigkeiten. Dazu kamen noch der tiefe Schnee und der Sturm.

Das Wetterfenster, das der Meteorologe Charly Gabl euch vorausgesagt hatte, war eng. Ihr wusstet, dass ihr sehr schnell sein musstet. Seid ihr deswegen größere Risiken eingegangen als sonst?

Karl Gabl aus Innsbruck hatte uns 36 Stunden gutes Wetter angekündigt. Ich vertraue ihm uneingeschränkt und wusste, dass er Recht behalten würde. Wir haben unsere Strategie danach ausgerichtet und diese Stunden für den erfolgreichen Gipfelversuch genutzt. Das Risiko war eingeplant und kalkulierbar.

Vor der Expedition hast du gesagt, dass dich die Verantwortung als zweifacher Vater am Berg unter Umständen auch bremsen könnte. Hast du das ausblenden können?

Ich plane meine Expeditionen jetzt einfach kürzer und ziehe sie schneller durch, um das Risiko möglichst klein zu halten. So werde ich es künftig auch halten.


Denis erreicht den Gipfel

Alpingeschichte geschrieben

Was ging dir am Gipfel durch den Kopf?

Dass wir mutig und klug unsere Karten ausgespielt haben. Ich war auch stolz, der erste Mensch zu sein, der drei Achttausender komplett im Winter (also nach dem 21. Dezember) bestiegen hat. Das ist historisch – und Geschichte kannst du nicht einfach wegstreichen. Ich folgte der Tradition der polnischen Bergsteiger. Sie eröffneten das Höhenbergsteigen im Winter und bestiegen sieben der 14 Achttausender. Jetzt habe ich diese Zahl auf zehn erhöht, nur vier Achttausender blieben bisher im Winter unbestiegen.

Ihr habt Alpingeschichte geschrieben. Noch nie zuvor wurde ein Achttausender in Pakistan im Winter bestiegen. Wie stolz macht dich das?

Wie ich schon sagte, ich bin glücklich, stolz, aufgeregt, voller Enthusiasmus und Hoffnung für die Zukunft.

Unglaublich viel gelernt

Cory, du bist mit Simone and Denis geklettert, zwei Freunden, die schon viele gemeinsame Bergfahrten hinter sich haben. Wie hast du dich als drittes Teammitglied gefühlt?

Es ist immer interessant, zu einer so eingespielten Mannschaft zu stoßen. Eigentlich halte ich mich für ziemlich anpassungsfähig, aber das ist natürlich nicht immer der Fall. Glücklicherweise hat es dieses Mal aber ganz gut geklappt. Ich empfand es schon als große Ehre, überhaupt gefragt zu werden, ob ich an der Expedition teilnehmen wolle. Um Teil einer Partnerschaft wie jener von Simone und Denis zu werden, bedurfte es ein wenig Taktgefühl und Bescheidenheit. Ich musste lernen, wann es besser war, den Mund zu halten oder zu sprechen, wann ich Pause machen oder arbeiten sollte, welche Bedenken ich äußern und welche ich besser für mich behalten sollte. Doch eigentlich sollte an dieser Stelle eher über Denis´ und Simones Anpassungsfähigkeit als über meine geredet werden. Es war eine tolle Erfahrung, die beiden zu beobachten und mit ihnen unterwegs zu sein. Sich in die Nuancen einer seit Jahren gewachsenen Beziehung einzuarbeiten, ist immer sehr spannend – und diese machte da keine Ausnahme. Ich lernte von beiden unglaublich viel, es hat mich als Alpinist und Mensch weiter gebracht. Es war eine sehr reichhaltige Erfahrung.

Du bist der erste Nordamerikaner, der einen Achttausender im Winter bestiegen hat. War es die härteste Tour deines Lebens?

In der Tat war es ein sehr harte Kletterei und gewiss auch die anspruchsvollste Expedition, an der ich bisher teilgenommen habe. Als ich 23 Jahre alt war, machte ich eine sechswöchige Kajaktour auf dem Meer, die mich vielleicht psychisch noch mehr gefordert hat. Aber das lag sicher an meinem Alter und der Tatsache, dass ich niemals zuvor im Meer gepaddelt war. Diese Tour jetzt stellte mich vor einzigartige Herausforderungen, mit denen ich aufgrund meiner Expeditionserfahrung umgehen konnte … aber, was das Bergsteigen angeht, war es meine bisher härteste Tour, ja.

Feiern in Serie

Wie und wo feiert ihr euren Erfolg?

(Simone) Wir haben unseren Erfolg bereits direkt nach unserer Rückkehr ins Basislager gefeiert: mit einem großen Lächeln. Einen Tag später folgte die nächste Party, im Basislager der Gasherbrum-1-Winterexpedition. Die Bergsteiger hatten uns eingeladen. Gestern hatten wir zur Feier des Tages ein kleines Essen mit Major Anjum von der pakistanischen Armee. Und morgen, wenn wir nach Islamabad zurückkehren, werden wir wieder feiern.
(Cory) Wie Simone schon gesagt hat, kommen wir seit der Rückkehr ins Basislager aus dem Feiern gar nicht mehr heraus. Aber ich denke, die wahre Feier besteht für mich darin, zu meiner Verlobten in Boulder zurückzukehren und mit ihr eine gute Flasche Wein zu trinken … Dann ist es endgültig vorbei, ich werde tief durchatmen und damit beginnen, das Erlebte zu verarbeiten.

Datum

10. Februar 2011 | 20:53

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