More DW Blogs DW.COM

Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Gelesen: Eiszeit

Der Verkehr brach zusammen. Nichts ging mehr. Das passiert im Rheinland, wenn innerhalb kurzer Zeit mehr als zehn Zentimeter Schnee fallen. Mich ließ das kalt, hatte ich doch frei, konnte mich im warmen Wohnzimmer mit Blick auf den verschneiten Garten in den gemütlichen Lesesessel fläzen und zu einem Buch greifen. Passend zum Wetter wählte ich „Eiszeit“ von Alexander und Thomas Huber.


Drei neue Routen

Ende 2008 waren die beiden deutschen Topkletterer gemeinsam mit dem Schweizer Bergsteiger Stephan Siegrist und dem Kameramann Max Reichel in die Antarktis gezogen, um sich an den beeindruckenden Granitwänden der im ewigen Eis versteckten Berge Ulvetanna (norwegisch für „Wolfszahn“) und Holtanna („Hohlzahn“) zu versuchen. „Wir sind halt immer auf der Suche nach Dingen, die vor uns noch keiner getan hat“, sagte mir Thomas, als ich ihn damals kurz vor der Abreise traf (die Story findet ihr hier). Ihr Vorhaben, die 750 Meter hohe Holtanna-Westwand komplett frei zu durchklettern, musste das Team wegen der eisigen Kälte von durchschnittlich minus 30 Grad Celsius aufgeben. Dennoch gelang es den vieren, eine extreme Route zu eröffnen, die sie – kein Wunder – „Eiszeit“ tauften. Anschließend bestiegen sie den Holtanna dann noch erstmals frei, wenn auch über eine etwas leichtere, neue Route („Skywalk“) über den Nordpfeiler. Außerdem gelang ihnen am Ulvetanna eine Erstbegehung auf einem neuen Weg („Sound of Silence“) über den Nordwest-Pfeiler.


Eiszeit ist Lesezeit

Echt bärig

Bevor ich das Buch über diese Expedition der Extreme las, blätterte ich es erst einmal durch, weil mich die großformatigen Bilder der faszinierenden Eislandschaft mit den herausragenden Granitzähnen sofort fesselten. Eindrucksvoll vermitteln sie die unendliche Weite der Antarktis. Dazu gibt es natürlich viele atemberaubende Fotos aus der Vertikalen der Felswände.
Doch „Eiszeit“ ist mehr als nur ein Bildband. Alex Huber, der nicht nur Kletterer, sondern auch Diplom-Physiker ist, steuert interessante Informationen rund um die Antarktis bei. Sein Bruder Thomas beglückt uns mit einem sehr persönlich gehaltenen Expeditionstagebuch, in dem er ab und zu ins Bayrische abrutscht: „Eine Saukälte hat\’s. Heid wird\’s wieder nichts.“ Stefan Siegrist wirkt in seinen Beschreibungen dagegen fast wie der sprichwörtliche neutrale Schweizer. Und Max Reichel weiht uns in die Kunst ein, bei Tiefkühlschrank-Temperaturen Filme zu drehen. Um es kurz, bündig und leicht bayrisch zu formulieren: I find des Buch echt bärig. Wenn ihr also noch ein Last-Minute-Geschenk sucht, …

P.S. Ich kann allerdings nicht ausschließen, dass ich leicht befangen bin. Zum einen, weil ich die Huberbuam nicht nur als Bergsteiger, sondern nach vielen Begegnungen auch menschlich sehr schätze. Zum anderen, weil mich einige Schilderungen an meine eigenen Erlebnisse 2009 in der Arktis erinnerten.

Datum

21. Dezember 2010 | 16:50

Teilen