Albert – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Gedanken an Kurt https://blogs.dw.com/abenteuersport/gedanken-an-kurt/ Fri, 11 Feb 2011 12:43:04 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport2/2011/02/11/gedanken-an-kurt/ Die große ISPO ist manchmal wie ein kleines Dorf. Die Bergsteiger-Szene trifft sich alljährlich bei der weltweit größten Fachmesse für Sportartikel und Sportmode in München. An den Ständen einiger Ausrüster geht es zu wie im Taubenschlag. Bekannte Bergsteiger geben sich die Klinke in die Hand: Gerlinde Kaltenbrunner, Ines Papert, Alix von Melle, Ralf Dujmovits, Thomas Huber, Krzysztof Wielicki, David Göttler und Holger Heuber liefen mir über den Weg, als ich mich Anfang der Woche einen Tag lang auf der ISPO herumtrieb. Mit einigen von ihnen plauschte ich nur, mit anderen machte ich auch Interviews (wie ihr nach und nach im Blog lesen und hören könnt).


Holger Heuber, Bergsteiger, Wildwasser-Kajakfahrer und Kameramann

Hinter dem Regenbogen

Holger Heuber hat Ende 2010 mit Stefan Glowacz eine neue, schwierige Route am Roraima Tepuis eröffnet, einem 2810 Meter hohen Tafelberg im Dreiländereck zwischen Venezuela, Brasilien und Britisch-Guyana. „Behind the rainbow“ tauften die beiden den Weg durch die steile Wand – in Erinnerung an ihren kurz vor der Expedition tödlich verunglückten Kletterpartner Kurt Albert, „weil sein Leben so bunt und schillernd wie ein Regenbogen war“.
Noch im Frühjahr 2010, beim ersten gescheiterten Versuch, war Albert, ein Pionier des Freikletterns, mit ihnen nach Venezuela gereist. Am 28. September dann der Schock: Der 56-Jährige starb an den schweren Verletzungen, die er sich bei einem 18-Meter-Sturz von einem Klettersteig im Frankenjura zugezogen hatte. Ein Schraubkarabiner hatte sich gelöst. „Dieser Umstand deutet auf einen möglichen versehentlichen Handhabungsfehler durch den Verunglückten hin“, hieß es im Abschlussbericht der ermittelnden Polizei.


Kurt Albert, deutsche Kletterlegende (1954-2010)

Der Bruchteil einer Sekunde

„Solche Sachen passieren, aber wirklich verstehen kann man sie nicht“, sagt Holger Heuber (unser Gespräch könnt ihr unten nachhören). „Wenn mich vorher jemand gefragt hätte, ich hätte es einfach für unmöglich gehalten. Aber das ist ein Bruchteil einer Sekunde, in dem man nicht hundertprozentig konzentriert ist.“
Zwanzig Jahre lang waren Holger und Stefan mit Kurt geklettert. „Er war ein ganz fester Bestandteil unserer Gruppe, nicht nur als hervorragender Bergsteiger, sondern vor allem auch als Mensch“, erzählt Holger. „Er war einfach ein ganz besonderer Typ. Mit Kurt hat es immer unheimlich Spaß gemacht. Wir haben ihn extrem vermisst bei dieser Expedition.“


Holger (r.) mit Stefan beim Klettern in Brasilien

Unser Leben

Es sei extrem schwierig gewesen, sich mental auf die Kletterei an dem Tafelberg einzulassen. „Kurt war die ganze Zeit präsent, vor allem in unseren Gedanken.“ Eigentlich könne man sich solche Emotionen gar nicht leisten, wenn man extreme Touren klettere. „Wenn man anfängt nachzudenken, was alles geschehen kann – und so ein Unfall wie Kurts hätte auch mir jederzeit passieren können – dann ist es schwierig“, sagt Holger. Der 48-Jährige, der auf zahlreiche Erstbesteigungen, unter anderem in der Arktis und Antarktis, zurückblicken kann, hatte zunächst überhaupt keine Motivation, in die Wand einzusteigen. „Irgendwann habe ich dann aber den Spaß am Bergsteigen zurückgewonnen. Ich habe dort draußen gemerkt, dass es genau das ist, wofür Kurt gelebt hat. Das ist unser Leben. Das war der Punkt, der mir geholfen hat, diese Geschichte zu verarbeiten.“

Interview mit Bergsteiger Holger Heuber

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Neue Routen https://blogs.dw.com/abenteuersport/neue-routen/ Tue, 07 Dec 2010 15:28:05 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport2/2010/12/07/neue-routen/
Roraima Tepuis, ein Tafelberg im Grenzgebiet Venezuelas

Ob Kurt Albert von oben mitgeholfen hat? Stefan Glowacz und Holger Heuber durchstiegen am 2810 Meter hohen Roraima Tepuis nach eigenen Angaben erstmals die steile Wand „La Proa“ („Der Bug“). Ihre Route, die nach Angaben der Kletterer Schwierigkeiten bis zum zehnten Schwierigkeitsgrad enthielt, tauften sie auf den Namen „Behind the rainbow“ (Hinter dem Regenbogen).

Ihren ersten Versuch an dem Tafelberg im Dreiländereck zwischen Venezuela, Brasilien und Britisch-Guyana hatten Glowacz und Heuber im Frühjahr wegen Dauerregens abbrechen müssen. Damals hatte der legendäre Kurt Albert noch zum Team gehört. Ende September war der 56-Jährige nach einem Sturz von einem Klettersteig im Frankenjura ums Leben gekommen. „Es wird schmerzhaft und bitter“, meinte Stefan Glowacz (links im Bild im Vorstieg) vor Beginn der neuerlichen Expedition zum Roraima Tepuis. Heuber und er hätten sich „bewusst entschieden, die Besteigung im Sinne von Kurt an diesem besonderen Ort zu vollenden“. Das Projekt liegt nun hinter den beiden. „Behind the rainbow“ sei für ihn die perfekte Route, sagt Stefan: „Sie wird nach oben hin immer schwerer. Jede Seillänge hat ihren eigenen Charakter, und die Kulisse ist absolut beeindruckend.“ Mit dabei war auch ein Filmteam. Im Herbst 2011 soll der Streifen in die Kinos kommen.

Starkes Team

Der US-Amerikaner Kyle Dempster und der Schotte Bruce Normand machen derweil weiter die un- oder wenig berührten Sechstausender Chinas unsicher. In der Provinz Sichuan eröffneten sie im Alpinstil zwei neue Routen: eine durch die Ostwand und über den Südgrad zum Gipfel des 6618 Meter hohen Mount Edgard, eine durch die Westwand des 6376 Meter hohen Mount Grosvenor. Beide Berge waren zuvor erst einmal bestiegen worden. An der Route am Mount Edgard hatten sich 2009 die US-Bergsteiger Micah Dash, Jonny Copp und Wade Johnson versucht und waren bei einer Lawine ums Leben gekommen.


„Rose des Niemandslands“ heißt die Route am Mount Edgard

Dempster und Normand waren im Frühjahr gemeinsam mit dem US-Kletterer Jed Brown mit dem Piolet d\‘ Or ausgezeichnet worden, dem Goldenen Pickel, der so etwas wie der Oscar der Bergsteiger ist. Das Trio hatte erstmals die Nordwand des 6422 Meter hohen Xuelian West, ebenfalls in China, durchstiegen.

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Kurt Albert ist tot https://blogs.dw.com/abenteuersport/kurt-albert-ist-tot/ Wed, 29 Sep 2010 09:01:01 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport2/2010/09/29/kurt-albert-ist-tot/ Nun ist aus den Vermutungen also doch traurige Gewissheit geworden. Die Ärzte konnten das Leben Kurt Alberts nicht mehr retten.


Die Kletterszene trauert um einen echten Pionier: Kurt Albert ist im Alter von 56 Jahren gestorben. Nach Angaben des Polizeipräsidiums Oberpfalz erlag er am Dienstagabend den schweren Verletzungen, die er sich am Sonntag bei einem 18-Meter-Sturz zugezogen hatte. Albert war einer von drei Führern einer 17-köpfigen Gruppe, die in den „Höhenglücksteig“, einen beliebten Klettersteig im Frankenjura, eingestiegen war. Warum Albert an einer eher leichten Stelle abstürzte, ist noch unklar. Ein Rettungshubschrauber brachte ihn ins Krankenhaus, wo die Ärzte zwei Tage lang versuchten, sein Leben zu retten, am Ende vergeblich.

Rotpunkt

Kurt Albert gehörte zu den Pionieren des Freikletterns. Schon mit 14 begann er, in den Felsen seiner heimatlichen Fränkischen Schweiz zu klettern. Klassische Touren in den Alpen wie der Walkerpfeiler an den Grandes Jorasses im Mont-Blanc-Gebiet oder die Eiger-Nordwand folgten in den nächsten Jahren. 1975 begann Albert, Routen, die er im Vorstieg, also mit Seilsicherung von unten, frei geklettert war, am Einstieg mit einem roten Punkt zu markieren. Heute ist „Rotpunkt“ ein fester Begriff im Vokabular der Freikletterer.


Verfechter eines sauberen Kletterstils

Eternal Flame

In den 1980er Jahren hängte der Mathematik- und Physiklehrer seinen Job an den Nagel und widmete sich nur noch dem Klettern. Albert übertrug den Gedanken des Rotpunkt-Kletterns auf die großen Berge der Welt. 1988 kletterte er mit Wolfgang Güllich im Karakorum in Pakistan eine Route am 6251 Meter hohen Nameless Tower frei. Ein Jahr später eröffneten die beiden am selben Berg mit Milan Sykora und Christoph Stiegler die legendäre „Eternal Flame“. 80 Prozent der äußerst anspruchsvollen Route, benannt nach einem Album der damals angesagten US-Girlgroup „The Bangles“. kletterten sie frei. Erst 20 Jahre später gelang es Alexander und Thomas Huber, die „Eternal Flame“ Rotpunkt zu meistern.
Bis zuletzt war Kurt Albert auf Expeditionen unterwegs, häufig in entlegenen Regionen der Welt wie der Antarktis, Grönland oder dem Dschungel Venezuelas, immer auf der Suche nach neuen Routen in großen Wänden. Kurt Albert hat überall dort seine Spuren hinterlassen – in sauberem Kletterstil.

Warum dort, warum so?

Dass ein verwegener Bursche wie Albert, der in seinem Leben so viel gewagt hat, ausgerechnet an einem vergleichsweise harmlosen Klettersteig zu Tode stürzt, mutet fast wie eine Ironie des Schicksals an. Aber hätte er sich seinen Tod wählen können, hätte er es vielleicht genau so ausgesucht: im Frankenjura, wo er zu Hause war, beim Klettern, das er über alles liebte. Nur so früh wäre Kurt Albert sicher nicht freiwillig gegangen.

Stefan Glowacz über seinen Freund und Kletterpartner Kurt Albert

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