Alex Megos – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Adam Ondra: „Immer härter zu klettern, macht einfach mehr Spaß“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/adam-ondra-immer-haerter-zu-klettern-macht-einfach-mehr-spass/ Sat, 27 Oct 2018 15:38:35 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=42595

Adam Ondra

Auch der Meister des Unmöglichen steht zuweilen vor ganz profanen Problemen. „Steig ein, ich muss noch einen Parkplatz finden“, sagt mir Adam Ondra, als wir uns vor zwei Wochen am vereinbarten Ort im Zentrum der norditalienischen Stadt Trient treffen. Der 25 Jahre alte Tscheche gehört zu den Topstars eines Sportfestivals, zu dem er mit seinem Kleinbus aus seiner Heimatstadt Brünn angereist ist.

Ondra verschiebt seit Jahren die Grenzen im Sportklettern. Schon mit 13 Jahren kletterte er eine Route im Schwierigkeitsgrad 9 a auf der in der Sportkletterszene üblichen französischen Skala – was in der Bewertung des Weltverbands der Bergsteiger und Kletterer (UIAA) einer Route im elften Grad entspricht. Zum Vergleich: Reinhold Messner beherrschte zu seinen besten Zeiten als Felskletterer den siebten Grad. Ende 2016 gelang Ondra am El Capitan im Yosemite-Nationalpark im Alleingang in nur acht Tagen die erste Wiederholung der Route „Dawn Wall“, die als schwierigste Big-Wall-Route der Welt gilt. Im September 2017 meisterte er in einer Höhle nahe Flatander in Norwegen eine extrem überhängende Route – die weltweit erste 9c (glatter zwölfter Grad in der UIAA-Skala). Die Kletterwelt verneigte sich einmal mehr vor Ondra, niemand zweifelte seine Bewertung an.

Nachdem ich Adam zu dem Parkhaus in Trient gelotst habe, in dem auch mein Auto steht, nutzen wir den Weg zurück zum Veranstaltungsort für das verabredete Interview.

Adam, du kletterst, seit du ein kleiner Junge warst. Kannst du dir vorstellen, eines Tages die Nase davon voll zu haben?

Adam in der Route „Silence“

Ich denke, in einem solchen Moment wäre ich einfach nur müde, aber nicht unbedingt vom Klettern. Manchmal ist es einfach notwendig, die Batterien wieder aufzuladen und sich wieder frisch zu fühlen. Aber das hat nichts mit dem Klettern zu tun. Klettern ist so toll. Ich glaube nicht, dass ich es leid werde, denn es gibt so viele verschiedene Disziplinen. Es ist doch etwas ganz anderes, einen zwei Meter hohen Felsbrocken oder eine 1.000 Meter hohe Wand zu klettern. Ich glaube, ich kann meine Motivation immer sehr hoch halten, wenn ich zwischen den Disziplinen wechsele.

Was machst du, um dich zu entspannen?

Jeden Dezember nehme ich mir eine Kletter-Auszeit von zwei oder drei Wochen. Nach einer kompletten Saison Training und Klettern braucht mein Körper das. Und mental hilft es mir wie gesagt, zwischen Kletterhalle und Felsklettern zu wechseln, zwischen Wettkämpfen und Klettern im Freien. All das hilft mir, immer zu 100 Prozent motiviert zu sein.

Muss man vielleicht auch ein wenig verrückt sein, um solche beeindruckenden Routen zu klettern?

Was mich wirklich motiviert, immer härter zu klettern, ist nicht unbedingt, dass ich meine Grenzen verschieben will, mich darüber freuen will oder den anderen zeigen möchte, wer der Beste ist. Es ist vielmehr, dass es irgendwie mehr Spaß macht, immer härtere Routen zu klettern. Je schwieriger sie sind, desto interessanter wird das Klettern und desto mehr verrückte Moves musst du dir ausdenken. Und sobald du weißt, wie es sich anfühlt, auf einem bestimmten Level zu klettern, willst du es nicht mehr darunter tun, weil du weißt, dass du dann nicht mehr das Gleiche fühlen würdest.

Adam Ondra: Immer härter zu klettern, macht einfach mehr Spaß

Du hast in einer Höhle bei Flatander in Norwegen die erste Route der Welt im französischen  Grad  9c (12. Grad der UIAA-Skala) eröffnet. Zuerst hast du sie „Hard Project“ getauft, hartes Projekt. Nachdem du sie gemeistert hattest, nanntest du sie „Silence“, Stille. Warum?

Wenn ich das Ende einer superharten Route erreiche, schreie ich normalerweise meine Freude heraus. Aber in diesem Moment war die Emotion so stark, dass ich nichts sagen konnte. Eine Minute lang schwieg ich.

Aus welchem Grund?

Ich weiß es nicht. Vielleicht konnte ich einfach nicht fassen, dass es jetzt wirklich passiert war. Wenn du vierzehn Wochen lang an einem einzelnen Projekt arbeitest und rund zwei Saisons lang speziell darauf hintrainiert hast, dann geschieht es wohl einfach auf diese Weise.

„Die Route passt zu meinem Stil“

Glaubst du, dass deine Route wiederholt wird? Und wenn ja, wann und wer könnte es schaffen?

Ich weiß es nicht. Ich wünschte, sie könnte wiederholt werden, aber warten wir es ab! Es gibt definitiv Leute, die es draufhaben – wie Alex Megos, der meiner Meinung nach in der Lage ist, eine 9c zu klettern. Gleichzeitig glaube ich aber nicht, dass diese Route zu seinem Stil passt. Er könnte sicher eine 9c mit ‚Pockets‘ (minimalen Vertiefungen für die Finger) oder schmalen ‚Crimps‘ (Felsleisten) klettern. Aber meine Route „Silence“ ist stilistisch sehr speziell. Und ich gebe zu, dass ich sie genau deswegen ausgesucht habe. Weil ich dachte, dass sie richtig gut zu dem passt, was ich am besten kann.

Adam Ondra: Die „Silence“ passt zu dem, was ich am besten kann

Das ist ziemlich genau das, was Alex mir gesagt hat. Worin liegt denn die besondere Herausforderung deiner Route?

Es ist die Route, in die ich so viel Zeit investiert habe wie in keine andere zuvor. Ich bin die meisten 9b+ Routen weltweit geklettert und denke, dass diese Route wirklich zu meinem Stil passt. Deshalb hatte ich den Mut zu sagen: Das ist die erste 9c der Welt. Wäre ich mir nicht ganz sicher gewesen, hatte ich sie eher mit 9b+ bewertet. Aber sollte sie jemals heruntergestuft werden, wäre mir das schon total peinlich. (lacht).

Ondra bei der WM in Innsbruck

Du nimmst auch an Kletterwettbewerben teil. Bei der Weltmeisterschaft in Innsbruck im vergangenen September warst du Zweiter in der Olympischen Kombination. Sind die Olympischen Spiele in Tokio 2020 für dich ein Ziel?

Ja, definitiv. Im nächsten Jahr werde ich sowohl im Boulder-Weltcup starten, als auch im Lead-Weltcup. Das ist meine Vorbereitung für die Saison 2020, in der die Olympischen Spiele mein größtes Ziel sein werden.

Als beschlossen wurde, dass Sportklettern in Tokio zum ersten Mal olympische Disziplin wird, gehörtest du zu den Kritikern des neuen Formats – der Kombination aus Speedklettern, Lead und Bouldern. Hast du deine Meinung geändert?

Im Wettkampf

Dass ich immer noch gegen das Format bin, ändert ja nichts daran. Ich wollte immer schon bei Olympischen Spielen starten. Da spielt es keine Rolle, wie kritisch ich dem Format gegenüberstehe. An meiner kritischen Haltung hat sich nichts geändert. Aber wenn ich teilnehmen will, muss ich das Format akzeptieren. Eine andere Option gibt es nicht – außer auf die Spiele zu verzichten.

Es ist also die bittere Pille, die du schlucken musst.

Ja, genau.

Können die Olympischen Spiele das Klettern in irgendeiner Weise voranbringen?

Adam in der Route „Dawn Wall“ am El Capitan

Ich würde immer noch zwischen der Welt der Wettkämpfe und der des Kletterns im Freien unterscheiden. Ich glaube, dass es die Wettkämpfe selbst definitiv verbessern kann. Sie werden größer werden, das Interesse der Mainstream-Medien wird zunehmen. Es könnte sich sogar zu einer besseren Show entwickeln. Gleichzeitig muss es nicht unbedingt einen negativen Einfluss auf das Felsklettern haben, denn das ist eine Welt für sich. Ich glaube nicht, dass es zwangsläufig so kommen muss, dass unser Sport irgendwann zu groß wird und unsere Klettergebiete überfüllt sein werden. Ich erwarte, dass die Wettbewerbe immer beliebter werden und dass auch viel mehr Leute in die Kletterhalle gehen. Vielleicht wird auch die Anzahl derer steigen, die im Freien klettern, aber nicht in so beträchtlichem Umfang.

Adam Ondra über die möglichen Auswirkungen von Olympia auf den Klettersport

Ende 2016 hast du als Erster die Route „Dawn Wall“ am El Capitan wiederholt, in nur acht Tagen. Tommy Caldwell und Kevin Jorgeson, hatten für ihre Erstbegehung 19 Tage gebraucht und sich mehr als sieben Jahre darauf vorbereitet.

Ich brauchte insgesamt einen Monat.

Wie war es für dich, eine so schwierige Big-Wall-Route alleine zu klettern?

Für mich war es eine komplett neue Erfahrung, denn ich war absoluter Anfänger in Sachen Big-Wall-Klettern. Und als eine meiner ersten Routen wählte ich zufällig diejenige, die als die härteste der Welt gilt. Ich habe viel gelernt, aber am Ende stellte sich heraus, dass es nicht wirklich schwierig war, diese Big-Wall-Kniffe zu lernen. Der schwierige Teil ist eigentlich das Klettern selbst. Es ist eine harte Route, und es hat ziemlich lange gedauert, bis ich mich mit diesem speziellen Stil vertraut gemacht hatte. Aber schließlich gelang es mir. Dennoch muss ich auch darauf hinweisen, dass Tommy und Kevin so lange gebraucht haben, weil sie erst einmal herausfinden mussten, auf welchem Weg man durch diese Wand klettern kann. Jahrelang waren sie sich nicht einmal sicher, ob es überhaupt möglich sein würde. Deshalb ist es für mich super beeindruckend. Ich kannte bereits alle Details der Route und musste nur das nötige Kletterlevel mitbringen, um sie zu durchsteigen.

Adam Ondra über die „Dawn Wall“

Grenzen verschieben bis zum Alter von 35

Das klingt, als hätte es dir gefallen, aber nicht so sehr wie das Sportklettern.

Nein, ich habe es definitiv sehr genossen. Aber mit Sicherheit ist Big-Wall-Klettern eine Menge Arbeit. (lacht) Ich glaube nicht, dass es eine gute Idee ist, nur in Big Walls unterwegs zu sein, auch in puncto Training. Um eine solche Route sehr schnell klettern zu können, braucht man zunächst ein sehr hohes Sportkletterniveau. Dieses Level erreichst du vor allem durch – Sportklettern. Und wenn du dann noch eine sehr hohe körperliche Fitness hast, kannst du nach Yosemite gehen und versuchen, die Route schnell zu durchsteigen.

Denkst du, dass der Grad 9c für dich das Limit ist?

Ich glaube, dass Menschen noch härter klettern können. Ob ich es sein werde oder jemand anderer, der eine 9c+ meistert, weiß ich nicht. Es wäre schön, eines Tages eine 9c+ zu schaffen. Aber ich bin mir definitiv sicher, dass ich nie eine 10a klettern kann – obwohl ich glaube, dass es möglich ist. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es in 20, 30 Jahren 10a-Routen geben wird.

Du bist erst 25, aber der Tag wird kommen, an dem du merkst, dass deine körperliche Stärke nachlässt. Hast du schon darüber nachgedacht, was nach dem Sportklettern kommen könnte?

Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich so lange Sportklettern werde, wie ich kann. Ich bin davon überzeugt, dass ich mein Sportkletterniveau steigern kann, bis ich 35 Jahre alt bin. Danach wird es dann wahrscheinlich nicht mehr möglich sein. Gleichzeitig würde ich gerne alles, was ich gelernt habe, in die größeren Wände bringen – nicht unbedingt an einem Achttausender, aber vielleicht an einem Sechstausender, wo die Hauptschwierigkeit das Klettern selbst ist und man noch mit bloßen Händen und Kletterschuhen unterwegs sein kann. Das würde mich für die fernere Zukunft reizen.

Adam Ondra: Grenzen verschieben, bis ich 35 bin

Du fürchtest dich also nicht vor der Kälte, die du an Sieben- oder Sechstausendern aushalten müsstest?

Doch. Aber das ist Teil des Spiels, ein wenig Abenteuer, um das Klettern interessanter zu machen.

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Alex Megos: „Ich lebe meinen Traum“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/alex-megos-ich-lebe-meinen-traum/ Fri, 12 Oct 2018 06:27:03 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=42277

Alex Megos beim IMS in Brixen

Es gibt Menschen, die scheinen das Gravitationsgesetz aushebeln zu können. Alex Megos gehört dazu. Der 25 Jahre alte Franke aus der Stadt Erlangen gehört zu den besten Sportkletterern der Welt. Mit 19 meisterte er im spanischen Klettergebiet Siurana als Erster weltweit „onsight“ eine Route im französischen Klettergrad 9a, was nach der klassischen Schwierigkeitsskala dem elften Grad entspricht. Zum Vergleich: Reinhold Messner kletterte in seinen besten Tagen den siebten Grad. Onsight bedeutet, dass Alex einfach drauflos kletterte, ohne sich vorher irgendwelche Informationen über die Route besorgt zu haben. Dieser Coup öffnete ihm das Tor zum Profiklettern. In diesem Frühjahr ließ Megos ein weiteres Glanzlicht folgen: Ihm gelang im Klettergebiet Margalef im Nordosten Spaniens die Erstbegehung der Route „Perfecto Mundo“ (s. Video unten von einem seiner gescheiterten Versuche), seine erste 9b+ (nach alter Lesart im unteren zwölften Grad). Eine einzige Route weltweit wird derzeit überhaupt als noch schwieriger gewertet.

Ich habe Alex Megos beim 10. International Mountain Summit (IMS) in Brixen in Südtirol getroffen, wo sich seit Jahren die Großen der Bergszene die Klinke in die Hand geben.

Alex, du bist einer von erst drei Kletterern weltweit, die eine Route im Schwierigkeitskeitsgrad 9b+ geklettert sind. Du bist also ganz vorne mit dabei. Wie fühlt sich das an?

Es fühlt sich natürlich nicht so schlecht an. Aber eigentlich mache ich es ja nicht, um berühmt zu werden, sondern einfach, weil mir Klettern taugt und weil ich wissen möchte, wie schwer ich klettern kann, wie weit ich mein eigenes Limit nach oben schieben kann.

Erkläre doch bitte einmal einem Laien, was er sich unter einer 9b+-Route vorzustellen hat.

Das sind viele, viele schwere Kletterzüge hintereinander in sehr steilen, teilweise überhängenden Felswänden. Wenn jemand beispielsweise einen ganz normalen Türrahmen von zwei Zentimetern hat, dann kann ich daran ganz gemütlich einarmig hängen. Das ist nicht sonderlich schwer. 9b+ ist aber schwer. (lacht)

Strapazierte Finger

Wie sieht dein Training dafür aus?

Ich trainiere eigentlich täglich. Etwa fünf Tag pro Woche gehe ich an die Kletterwand, den Rest der Zeit mache ich Ausgleichstraining und andere Kräftigungsübungen an den Ringen, der Klimmzugstange, dem Fingerboard usw.

Der Tscheche Adam Ondra, der mit einer 9c die bisher wohl schwierigste Route weltweit geklettert hat, beschäftigt einen eigenen Physiotherapeuten, der ihm auch neue Bewegungen zeigt, die er in seine Kletterzüge einbauen kann. Hast du auch solche Berater?

Ich habe keinen eigenen Physio, aber ich habe zwei Trainer, Patrick Matros und Dicki (Ludwig) Korb, mit denen ich schon seit zwölf Jahren zusammenarbeite. Wir schauen gemeinsam, wo ich noch besser werden kann, feilen am Training, erfinden neue Übungen. Im Vergleich zu Laufen oder Fahrradfahren ist Klettern ja noch ein sehr junger, aber ein, wie ich finde, viel komplexerer Sport. Man hat sehr vielfältige Bewegungen, niemals dieselben. Deshalb gibt es auch so viele unterschiedliche Weltklasse-Kletterer. Der eine ist vielleicht 1,50 Meter groß und wiegt 50 Kilogramm, der andere misst 1,85 Meter und bringt 80 Kilo auf die Waage. Beide sind Weltklasse, aber in unterschiedlichen Kletterstilen. Deshalb ist das Klettern für mich so besonders. Man muss halt für sich herausfinden, wo seine Stärken und Schwächen liegen und dann daran arbeiten, sich ganzheitlich als Kletterer zu verbessern.

Im senkrechten Fels

Wenn du spektakuläre Routen kletterst, tauchen in deinem Umfeld immer dieselben Namen auf: Chris Sharma, Stefano Ghisolfi, Adam Ondra. Ist das eine kleine Clique in diesem High-End-Bereich des Kletterns?

Auf jeden Fall. Sowohl im Felsklettern, als auch im Wettkampfklettern kennt man sich. Nach den zwei Tagen hier beim IMS werde ich nach Arco fahren, um Stefano zu besuchen und mit ihm zu klettern. Man kennt sich, man besucht sich, man klettert gemeinsam, wenn es sich ergibt. Es ist wirklich eine kleine Clique.

Die angesprochene 9b+-Route, die du als Erster gemeistert hast, hatte ja eigentlich Chris Sharma vor Jahren eingebohrt, sie aber selbst nicht geschafft. Fuchst ihn das?

Ich glaube, aus dem Alter ist er heraus. (lacht) Er hat die Route vor neun oder zehn Jahren eingebohrt, es einige Jahre lang probiert und ist immer wieder gescheitert. Dann hat er sich einem anderen Projekt zugewandt, der Route „Dura Dura“, die vor vier Jahren zur ersten 9b+ weltweit wurde. Er hat sie dann auch geklettert. Da war er auch schon 33 Jahre alt. Er ist dann Vater geworden, hat eine Kletterhalle eröffnet und hatte einfach weniger Zeit. Als Stefano (Ghisolfi) und ich die Route in Margalef versucht haben, hat ihn das natürlich mega motiviert, und er hat es auch selbst wieder probiert.

Du bist jetzt 25 Jahre alt. Fühlst du dich schon auf dem Zenit deiner Leistungsfähigkeit?

Ich sehe mich auf jeden Fall noch nicht an meinem Limit. Ich habe noch so viele Schwächen gefunden, an denen ich arbeiten kann, damit ich noch schwerere Sachen klettern kann.

Im Überhang

Apropos schwerer. Es gibt ja eine 9c-Route, die von Adam Ondra 2017 erstbegangene „Silence“ in der Höhle „Hanshallaren“ bei Flatanger in Norwegen. Reizt dich diese extrem stark überhängende Route nicht?

Ich denke, für meinen Kletterstil ist diese Route nicht ideal. Es ist eine Kletterei, die mir nicht sonderlich entgegenkommt. Meine Stärken liegen in anderen Kletterbereichen. Wenn ich wirklich an meinem Limit klettern will, dann muss ich mir etwas suchen, was meine Stärken bedient. Nur dann werde ich es auch schaffen.

Wobei Adam Ondra ja gesagt hat: Wenn er es einem zutraut, dann dir.

Aber dafür müsste man sehr, sehr viel Zeit investieren. Es gibt ja gar nicht so viele Leute, die a) das Level hätten, so etwas zu klettern und b) auch noch den Willen, so viel Zeit zu investieren. Ich würde lieber die Zeit in etwas stecken, das mir mehr liegt.

Du kommst ja ursprünglich aus dem Wettkampfklettern.

Ich habe als Jugendlicher viele, viele Wettkämpfe gemacht, etwa bis ich 18 Jahre alt war. Dann habe ich für sechs Jahre komplett aufgehört. Ende 2017 bin ich dann wieder mit einigen Wettkämpfen eingestiegen und habe auch in Briancon in Frankreich wieder meinen ersten Weltcup-Wettbewerb gewonnen. Ich würde gerne wieder mehr in das Wettkampfgeschehen einsteigen.

Mit dem Fernziel Olympia 2020 in Tokio, wo Klettern erstmals olympische Sportart wird?

Natürlich ist das ein Thema. Allerdings muss ich mir das gut überlegen, weil ich in den letzten Jahren überhaupt keine Wettkämpfe bestritten habe. Dadurch habe ich etwas Rückstand. Das Format, das bei Olympia präsentiert wird – eine Kombination aus den drei Disziplinen Bouldern, Lead- und Speedklettern – kommt mir nicht entgegen, weil ich bis vor kurzem noch nie Speedklettern war. Und auch im Bouldern habe ich noch Defizite, da fehlt mir die Wettkampfpraxis. Ich muss mir also überlegen: Will ich die nächsten beiden Jahre nutzen, um diese Defizite abzubauen und mich für die Olympischen Spiele zu qualifizieren? Oder ist mir das zu aufwendig, und ich verliere zu viel Zeit am Fels?

Der Schwerkraft zum Trotz

Es hat ja in der Kletterszene heftige Diskussionen über die Entscheidung gegeben, für Olympia die drei Kletterdisziplinen zu einem Wettbewerb zusammenzufassen. Wie stehst du dazu?

Ich sehe das Format sehr kritisch. Letztlich werden die 20 besten Kombinierer zu den Olympischen Spielen fahren. Es ist nicht gesagt, dass die besten Speedkletterer, die bester Boulderer und die besten Leadkletterer dabei sein werden. Von den Speedkletter-Assen hat – bis auf den Weltmeister, der automatisch qualifiziert ist – eigentlich keiner eine realistische Chance, in Tokio antreten zu dürfen, weil die Zeit zu kurz ist, um die Defizite in den anderen beiden Disziplinen aufzuholen. Die Besten im Bouldern und Leadklettern werden vielleicht dabei sein, aber dafür keine besonders gute Figur beim Speedklettern machen. Ich weiß nicht, wie das auf die Zuschauer wirkt. Es ist eigentlich nicht die Art, wie wir unsere Sportart präsentieren wollen.

In welcher Hinsicht kann das Wettkampfklettern von den Olympischen Spielen profitieren?

Es werden dann mehr Fördermittel zur Verfügung stehen, um den Klettersport populärer zu machen und mehr Kletterern zu ermöglichen, das Klettern zu ihrem Beruf zu machen. Das wäre natürlich wünschenswert. Heutzutage ist es ja eine Seltenheit, dass jemand sagt, ich bin Profikletterer und kann davon auch wirklich leben.

Körperspannung

Du hast ja schon als Kleinkind angefangen zu klettern. Ist es irgendwann zur Sucht geworden? Könntest du überhaupt noch ohne?

Nein. Ich könnte im Moment nicht ohne Klettern leben. Es hat sich wirklich zu einer Art Sucht entwickelt. Ich habe ja schon mit fünf, sechs Jahren angefangen. Es hat mir Riesenspaß gemacht. Dann wurde es mehr und mehr. Ich konnte einfach nicht genug davon bekommen. Und das ist immer noch so. (lacht)

Wenn du in diesen Felsen hängst und diese für uns unmöglich erscheinenden Stellen bewältigst, was geht da in dir vor?

Ich denke, für mich ist es letztendlich ein Weg, meine Grenzen auszutesten. Jeder hat doch seine Sache, in der er gut ist und gucken will, wie gut er werden kann. Für mich ist das eben das Klettern. Es ist mein Weg, Energie herauszulassen und meinen Traum zu leben.

Bist du eigentlich ein Schönwetterkletterer?

Nein, ich mag es, wenn es kalt und bissig ist. (lacht)

Chris Sharma hat mir mal gesagt, er klettere am liebsten in der Sonne. Deshalb kämen die ganz hohen Berge für ihn nicht in Frage.

Die ganz hohen Berge kommen für mich auch nicht in Frage. Da hat es ja minus 20 Grad und Schnee, da macht es keinen Sinn zu klettern. Aber für mich muss es nicht schön sein. Ich gehe auch bei Regen klettern oder wenn es bewölkt ist.

Die „Huberbuam“, Thomas und Alexander Huber, kamen ja auch aus dem Sportklettern, sind aber dann irgendwann zu den großen Bergen gewechselt. Wäre das für dich auch eine Perspektive für die Zukunft?

Im Moment kann ich mir noch nicht vorstellen, auf Expedition zu gehen und in zehn oder fünfzehn Jahren irgendwelche Sieben- oder Achttausender zu besteigen. Aber das heißt ja nicht, dass es nicht vielleicht irgendwann doch passiert. Im Augenblick, glaube ich, werde ich es mal beim Sportklettern belassen. (lacht)

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