Alex – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Free Solo: Todesangst ist überlebenswichtig https://blogs.dw.com/abenteuersport/free-solo-todesangst-ist-uberlebenswichtig/ Thu, 22 Jul 2010 13:05:01 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport2/2010/07/22/free-solo-todesangst-ist-uberlebenswichtig/ Für alle, sich nicht tagtäglich mit den Feinheiten des Bergsports beschäftigen: Freiklettern bedeutet nicht unbedingt, auf Haken, Klemmkeile oder Seil zu verzichten. Auch Freeclimber benutzen Hilfsmittel – allerdings nicht um sich fortzubewegen, sondern nur, um sich für den Fall eines Sturzes abzusichern.
Doch natürlich gibt es auch die reinste Form des Freikletterns, den Verzicht auf jegliche Hilfsmittel. Eine solche Kletterpartie nennt man Free Solo. Paul Preuß, ein Kletterpionier aus Österreich, war ein früher Vertreter dieser Spielart. Preuß lehnte es sogar ab, sich abzuseilen. Allerdings wurde er auch nicht alt. Mit 27 Jahren verunglückte er bei einem Absturz im Dachsteingebirge tödlich. Sind Free-Solo-Kletterer verrückt, waghalsig, gar lebensmüde?


Alexander Huber, Mann der Extreme

Reine Konzentration

Auch heute gibt es Extrembergsteiger, die free solo klettern, wie der US-Amerikaner Dean Potter, der Schweizer Ueli Steck, der Österreicher Hansjörg Auer – oder der Deutsche Alexander Huber. Den jüngeren der beiden Huber-Brüder habe ich nach der Faszination des Free-Solo-Kletterns gefragt (das Interview könnt ihr unten hören). Sie liege „in der Unmittelbarkeit“, sagt Alex. „Es ist eine sehr direkte Bedrohung für das Leben. Man braucht sich gar nicht die Frage zu stellen, was passieren könnte, wenn man an zwei kleinen Griffen 200 Meter über dem Einstieg in einer überhängenden Wand hängt. Das ist ja sonnenklar.“ Dennoch klammere er die Todesangst beim Klettern nicht aus, sagt der 42-Jährige. Ganz im Gegenteil. „Die Angst vor der Bedrohung des eigenen Lebens ist überlebenswichtig. Sie sagt mir, dass ich vorsichtig zu Werke gehen muss.“ Hinzukommen müsse jedoch das Vertrauen ins eigene Können, „um die Angst zu kontrollieren, damit sie keine übermäßige Nervosität, im schlimmsten Fall sogar Panik auslöst, sondern nichts anderes als reine Konzentration.“

Vernachlässigbar kleines Restrisiko

Alex Huber hat im Free-Solo-Klettern Marken gesetzt: So kletterte er 2002 in den Dolomiten die sogenannte „Hasse-Brandler-Direttissima“ free solo, eine direkte Route über 500 Höhenmeter durch die Nordwand der Großen Zinne (hier geht es zum Video). 2008 gelang Alex die erste Free-Solo-Besteigung des 3838 Meter hohen Grand Capucin im Montblanc-Gebiet über die sogenannte „Schweizerführe“ (Video).
Ohne Vorbereitung geht das natürlich nicht. Alex studiert die Routen bis ins Detail, bevor er sich ohne Sicherung in die Wand begibt. „Man will sich ja nicht blindlings in ein Abenteuer stürzen, das mit einer guten Wahrscheinlichkeit tödlich ausgeht.“ Free-Solo-Kletterer bräuchten einen „gesunden Menschenverstand“, der ihnen sage, „okay, ich kann das kontrollieren oder nicht.“ Wenn er in die Route einsteige, so Alex, dürfe es nur noch ein „vernachlässigbar kleines Restrisiko“ geben.

Buch der Erinnerungen

Aber sagt nicht gerade der gesunde Menschenverstand, dass eigentlich nur Lebensmüde in einer Felswand auf jede Sicherung verzichten? „Ganz und gar nicht“, sagt Alex. „Ich bin lebensfroh, sogar lebenssüchtig, das Gegenteil von todessüchtig. Ich bin bereit, mein Leben mit Händen und Füßen zu verteidigen, selbst wenn ich free solo klettere.“ Am Ende eines solchen geglückten Projekts stehe für ihn ein ganz besonders intensives Erlebnis. „Ich werde mich in 30 oder 40 Jahren noch minutiös an diese Momente erinnern können, während andere Gegebenheiten schon längst im Nebel der Vergangenheit verschwunden sind. Damit schaffe ich mir eine reich bebilderte, bunt kolorierte Seite im Buch meiner Erinnerungen.“


Alex beim Free-Solo-Klettern am Dent du Géant im Montblanc-Massiv

Und allen Sicherheitsfanatikern, die über seine Free-Solo-Klettertouren nur den Kopf schütteln, sagt Alex Huber: „Wenn man ganz ehrlich zu sich selbst ist, kommt es doch nicht auf die Anzahl der gelebten Jahre an, sondern auf das, was in diesem Buch der Erinnerungen steht.“ Sprich lieber kurz und intensiv gelebt, als lang und mittelmäßig.
Das bedeutet ja nicht, dass jetzt jeder free solo klettern muss. Das sollten wirklich nur die Allerbesten.

Interview mit Topkletterer Alex Huber

P.S. Wer sich intensiver mit dem Klettern ohne Sicherung beschäftigen will, sollte einen Blick in Alexander Hubers Buch „Free Solo“ werfen oder sich die Videodokumentation über seine Free-Solo-Trips ansehen. Beides findet ihr im Shop der Huberbuam-Seite.
P.P.S. Ich verabschiede mich jetzt in den Urlaub. Wundert euch also nicht, wenn ihr ein bisschen länger auf Einträge warten müsst… 😉

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