Alpenglow – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Instant-Expedition zum Cho Oyu https://blogs.dw.com/abenteuersport/instant-expedition-zum-cho-oyu/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/instant-expedition-zum-cho-oyu/#comments Sat, 24 Sep 2016 12:26:09 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=33679 Gipfelregion des Cho Oyu

Gipfelregion des Cho Oyu

Wer stoppt die Grauen Herren? Die Zeitdiebe, die Michael Ende 1973 in seinem Roman „Momo“ ihr Unwesen treiben ließ, scheinen auch im Himalaya eingefallen zu sein. Westliche Veranstalter registrieren seit Längerem, dass die Chance, Expeditionen zu verkaufen, umso höher ist, je kürzer die Reisen nach Asien dauern. Es gibt nicht allzu viele Arbeitgeber, die den Urlaubsantrag eines Angestellten über zwei volle Monate genehmigen, nur weil der auf Achttausender-Expedition gehen will.

Akklimatisationszeit einsparen

Der US-Anbieter Alpenglow Expeditions hat die Bredouille erkannt, in der potentielle Achttausender-Aspiranten stecken und bietet so genannte „Rapid Ascent Expeditions“ an, also „Schnellaufstieg-Expeditionen“: Die Teilnehmer gewöhnen sich noch in der Heimat in Hypoxie-Zelten an die dünne Luft, um Zeit für die aufwändige Akklimatisation vor Ort einzusparen, und reisen erst an, wenn der Berg schon mit Fixseilen präpariert ist. So schmilzt Alpenglow etwa die Dauer einer Everest-Expedition auf der tibetischen Nordseite auf 42 Tage zusammen. Die Cho-Oyu-Expedition des US-Veranstalters in diesem Herbst ist nur auf 30 Tage veranschlagt.

Auf präparierter Piste

Hypoxie-Training daheim

Hypoxie-Training daheim

Dass es noch viel schneller geht, will Alpenglow-Chef Adrian Ballinger beweisen. Mit seiner Lebensgefährtin, der 30-jährigen Profi-Kletterin Emily Harrington, ist der 40 Jahre alte US-Amerikaner nach Lhasa geflogen, um den Cho Oyu zu besteigen. In weniger als zwei Wochen wollen die beiden zurück in den USA sein. Ballinger und Harrington haben ein intensives Hypoxie-Training daheim am Lake Tahoe in Kalifornien hinter sich – und genau verfolgt, für wann die Meteorologen ein Schönwetter-Fenster für den Berg vorhersagen. Ohne die sonst üblichen Akklimatisierungsrunden wollen sie auf der präparierten Normalroute direkt zum 8188 Meter hohen Gipfel aufsteigen, so hoch wie möglich ohne zusätzlichen Sauerstoff. Für die oberen Bereiche des Bergs sollen aber Sauerstoffflaschen bereitliegen, die von den Sherpas der kommerziellen Alpenglow-Expedition dort deponiert worden sind. Das Paar will vom Gipfel mit Skiern abfahren und anschließend sofort wieder in die USA zurückreisen.

Ende der Entschleunigung

Zeitdiebe (auf einer Graffiti-Wand in Trier)

Zeitdiebe (auf einer Graffiti-Wand in Trier)

Sollten Ballinger und Harrington ihre „Instant-Expedition“ erfolgreich beenden, wäre das natürlich beste Werbung für die Schnellaufstieg-Expeditionen von Alpenglow. Auf der Strecke bleiben dabei unter anderem die Entschleunigung während einer Expedition, das Eintauchen in fremde Länder und Kulturen, die Begegnungen mit der lokalen Bevölkerung, mit den Expeditionskollegen und nicht zuletzt auch mit sich selbst, kurz: das eigentliche Expeditionsleben. Und die Grauen Herren reiben sich die Hände.

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Everest-Saison „so normal, wie sie sein konnte“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/everest-saison-so-normal-wie-sie-sein-konnte/ Fri, 10 Jun 2016 14:31:48 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=32913 Mount Everest

Mount Everest

Vor der Saison waren sich eigentlich alle einig: Noch ein Jahr mit Unglücken und ohne Gipfelerfolge am Mount Everest würde das kommerzielle Bergsteigen am höchsten Berg der Erde kaum verkraften. Es kam anders. Mehr als 400 Besteigungen auf der nepalesischen Südseite des Everest, über 100 auf der tibetischen Nordseite, fünf Todesfälle im Gipfelbereich. Alles wieder normal? Irgendwelche Probleme, auf die man hinweisen sollte? Das habe ich einige Expeditionsveranstalter gefragt, die im Frühjahr am Everest waren. Die ersten drei haben bereits geantwortet. Es gibt einige Übereinstimmungen. Aber lest selbst!

Crampton: „Warum keine Regeln wie bei den Chinesen?“

Für Phil Crampton, der in Großbritannien geboren wurde und in den USA lebt, war es die 14. und letzte Saison am Everest. Er hatte schon im Vorfeld angekündigt, dass sich sein Unternehmen Altitude Junkies ab 2017 auf „weniger überfüllte“ Berge wie die Achttausender Makalu, Dhaulagiri und Kangchendzönga konzentrieren werde. Crampton selbst stand sechsmal auf dem Gipfel des Mount Everest. In dieser Saison verbuchte das Altitude-Junkies-Team 16 Gipfelerfolge. Hier ist Phils Bilanz:

Phil Crampton

Phil Crampton

„Die Frühjahrssaison am Everest war so normal, wie sie nach den Katastrophen-Saisons 2014 und 2015 sein konnte. Der Berg war in diesem Jahr nicht so überfüllt wie sonst. Und doch wurden am Gipfeltag 19. Mai wieder Engpässe wegen Massen von Bergsteigern gemeldet. Expeditionsveranstalter und die Regierung in Kathmandu sprechen bereits davon, dass sie für die Saison 2017 eine höhere Zahl ausländischer Bergsteiger erwarten, weil immer noch viele Leute Permits aus den vergangenen beiden Jahren haben. Ich habe wieder einmal Bergsteiger mit unzureichender Höhenerfahrung an den Flanken des Everest gesehen. Und die meisten von ihnen waren mit Billiganbietern unterwegs, die über weniger Erfahrung verfügen. Auch die Frage der alpinen Erfahrung der Everest-Bergsteiger wird von der Regierung nicht geregelt. Es scheint, als dürfe jeder losklettern, der bereit ist, die 11.000 Dollar für das Permit zu zahlen. Warum macht man es nicht so wie die Chinesen, die von allen ihren Staatsbürgern fordern, vorher einen anderen Achttausender bestiegen zu haben, bevor sie ein Permit für die Nordseite erhalten?“

Barringer: „Müll auf dem Berg, unerfahrene Bergsteiger“

Adrian Ballinger versuchte in diesem Frühjahr zusammen mit seinem US-Landsmann Cory Richards, den Everest von Norden aus ohne Flaschensauerstoff zu besteigen. Per Snapchat ließen sie unter dem Hashtag #everestnofilter die Welt in Echtzeit an ihrem Aufstieg teilhaben. Adrian drehte auf etwa 8500 Metern um, als er bei sich erste Symptome der Höhenkrankheit feststellte, Cory erreichte den Gipfel. Ballingers Unternehmen Alpenglow Expeditions war auch mit einem kommerziellen Team am Berg. Das schrieb mir Adrian:

Adrian Ballinger

Adrian Ballinger

„2016 war eine großartige Saison für Alpenglow am Everest. 100 Prozent unserer kommerziellen Kunden (vier Kletterer, drei Sherpas) erreichten den Gipfel, bei sehr guten Bedingungen. Die Route auf der Nordseite war in einem sehr guten Zustand, und viel sicherer, als ich es auf der Südseite in den vergangenen acht Saisons erlebt habe. Das Fixseil-Team der CTMA (Chinese Tibet Mountaineering Association) hat größtenteils ausgezeichnete Arbeit geleistet. Dennoch gibt es Probleme am Berg, die angesprochen werden müssen. Verantwortlich dafür sind Billiganbieter ohne westliche Bergführer. Zu diesen Problemen gehört, dass sie Müll und Fäkalien am Berg zurücklassen, unerfahrene Bergsteiger in ihren Teams zulassen und die Ressourcen anderer Teams nutzen, die ihnen selbst fehlen. Keines dieser Probleme ist unüberwindbar, aber es ist notwendig, Regeln für die kommerziellen Veranstalter aufzustellen und diese auch durchzusetzen.“

Brice: „Neue nepalesische Veranstalter mit zu wenig Sherpas“

Auch der Neuseeländer Russell Brice kann aus seiner Sicht als Chef des Veranstalters Himalayan Experience mit der Everest-Saison zufrieden sein. Sechs seiner Kunden, darunter auch der Deutsche Andreas Friedrich, erreichten mit ihren Sherpas, von Süden aufsteigend, den höchsten Punkt. Russ hat mich ermuntert, seine Saisonbilanz auf der Himex-Homepage zusammenzufassen. Das habe ich getan:

Russell Brice

Russell Brice

„Nachdem ich gesehen hatte, wie viele Menschen aufbrachen, um am 19. Mai den Gipfel zu erreichen, hat es mich nicht überrascht, was später in der Saison geschah. Es war „Business as usual auf dem Everest“, wie es in der Schlagzeile eines Artikels hieß. Aber ich frage mich wirklich, ob wir denn niemals aus den Fehlern der Vergangenheit lernen! Es gibt hier jetzt viele neue nepalesische Expeditionsanbieter. Wir stellen fest, dass sie nur über eine begrenzte Anzahl von Sherpas verfügen. Sehr häufig sind diese Teams nicht in der Lage, Sherpas bereitzustellen, um Ausrüstung auf den Berg zu schaffen und Fixseile anzubringen. Es war zwar eine demokratische Entscheidung, dass sich Sherpas aus neun verschiedenen Teams um das Anbringen der Fixseile bis zum Gipfel kümmerten, aber effizient war es nicht. Es wäre besser gewesen, wenn zwei oder drei Veranstalter für diese Aufgabe Sherpas abgestellt hätten, die sich gekannt und gut zusammengearbeitet hätten, und wenn es einen Sirdar oder Anführer gegeben hätte, dessen Anweisungen sie befolgt hätten. So wäre das Anbringen der Fixseile effizienter verlaufen. Es wäre schneller gegangen und hätte deswegen die Sherpas weniger in Gefahr gebracht.“

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Nepal hofft auf Comeback im Herbst https://blogs.dw.com/abenteuersport/nepal-hofft-auf-comeback-im-herbst/ Wed, 03 Jun 2015 15:22:06 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=29689 Manaslu, „Berg der Seele“

Manaslu, „Berg der Seele“

„Come back! Damit Nepal ein Comeback feiert.“ So könnte man die Appelle all jener überschreiben, die in irgendeiner Form vom Tourismus in Nepal leben oder damit zu tun haben. Die Veranstalter von Trekkingreisen und Expeditionen signalisieren, dass sie die meisten ihren für die Nach-Monsun-Saison im Herbst geplanten Touren realisieren wollen. „Das verheerende Erdbeben hatte das Leben in Nepal erschüttert, aber so langsam kehrt das Leben wieder zur Normalität zurück“, schreibt Dominik Müller, Chef des deutschen Veranstalters Amical alpin.

Manaslu-Expeditionen finden statt

Die ausgeschriebenen Trekkingtouren im Khumbu-Gebiet am Mount Everest seien ebenso wenig gefährdet wie jene im Gebiet um die Achttausender Annapurna, Dhaulagiri und Kangchendzönga. Massive Schäden gebe es auf der Manaslu-Runde. Da Amical dort aber ohnehin kein Lodge-, sondern ein Zelttrekking plane, sei auch diese Tour „machbar“, so Dominik. Die Expedition auf den 8163 Meter hohen Manaslu werde ebenfalls durchgezogen. Auch der neuseeländische Veranstalter Himalayan Experience steuert den achthöchsten Berg der Erde an. „Ich veranstalte wie sonst auch eine Manaslu-Expedition im Herbst“, schreibt mir Russell Brice, der Chef von Himex.

Ama Dablam

Ama Dablam

Der US-Anbieter Alpenglow Expeditions lockt seine Kunden mit Preisnachlässen nach Nepal. Für alle, die bis Ende Juni buchen, wird die Herbst-Expedition zum Siebentausender Ama Dablam um zehn Prozent, die zum Achttausender Makalu um fünf Prozent billiger. „Massenweise Stornierungen von Reisen nach Nepal wären für die ohnehin zerstörte Wirtschaft des Landes verheerend“, heißt es bei Alpenglow.

Probleme in Langtang-Gebiet

Eine Delegation des Veranstalters DAV Summit Club, die sich vor Ort ein Bild von der Lage in den Trekkinggebieten Nepals gemacht hatte, ist inzwischen nach Deutschland zurückgekehrt. „Trekkingtourismus im Everest-Gebiet kann ab Oktober ohne Einschränkungen stattfinden“, heißt in einem ersten Fazit des Summit-Clubs. Das gelte auch für das Annapurna-Gebiet, wo die Erdbeben-Schäden bis Oktober repariert sein dürften. Östlich des Everest und westlich der Annapurna sei das Beben glimpflich ausgegangen. „Im starken Maße betroffen sind dagegen sind die Regionen Langtang und Manaslu mit dem nördlich angrenzenden Tsum Valley. In diesen Regionen werden im Herbst keine Trekking-Reisen stattfinden können“, so die Vertreter des Summit Club.

Botschafter des guten Willens

Der neue nepalesische Tourismusminister Kripa Sur Sherpa hat 14 bekannte Bergsteiger aus aller Welt nominiert, die als „Botschafter des guten Willens“ Werbung für Nepal machen sollen. Dazu gehören der Südtiroler Reinhold Messner, die Japanerin Junko Tabei (die erste Frau auf dem Everest), Peter Hillary und Jamling Tenzing Norgay (die Söhne der Everest-Erstbesteiger) und auch Ralf Dujmovits, der erste und bisher einzige Deutsche, der alle 14 Achttausender bestiegen hat.

P.S. Sorry, dass ich in der letzten Woche nichts gepostet habe. Die FIFA-Krise hat mich extrem beschäftigt. Hier noch ein Film, den der deutsche Bergsteiger Jost Kobusch vor einigen Tagen in einem vom Erdbeben getroffenen Dorf in Nepal gedreht hat:

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Göttler: Gewaltbereite Sherpas vergiften Everest-Klima https://blogs.dw.com/abenteuersport/interview-david-goettler-everest/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/interview-david-goettler-everest/#comments Sat, 03 May 2014 09:59:42 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=25997 David Göttler

David Göttler

Über 300 Everest-Träume sind vorerst geplatzt. So viele Bergsteiger kehrten nach der Lawine im Khumbu-Eisbruch unverrichteter Dinge heim, nachdem ihre Expeditionen abgeblasen worden waren. Zu ihnen gehörte auch David Göttler. Der 35 Jahre alte Münchener hatte versuchen wollen, den höchsten Berg der Erde über die Normalroute auf der nepalesischen Südseite ohne Flaschensauerstoff zu besteigen. Göttler war noch dabei, sich zu akklimatisieren, als ihn die ersten, noch widersprüchlichen Meldungen über die Lawine erreichten. „Anfangs habe ich gehofft, vielleicht doch noch einen Versuch machen zu können“, erzählt mir David am Telefon. Deshalb habe er sein Vorbereitungsprogramm zunächst auch fortgesetzt. „Als ich am Gipfel des Island Peak (Sechstausender im Everest-Gebiet) war und unterhalb des höchsten Punktes übernachten wollte, kam die Nachricht, dass meine Expedition und auch alle anderen abgebrochen würden.“ Er kehrte nach Kathmandu zurück.

„David, was hat dich letztlich bewogen, das Unternehmen komplett fallen zu lassen? Du hättest doch zum Basislager weiterziehen und alleine durch den Eisbruch klettern können.

Adrian Ballinger vom Veranstalter Alpenglow, auf dessen Permit ich lief, ist von Kathmandu aus ins Basislager geflogen und hat mit seinen Sherpas geredet. Er hat sie auch gefragt, ob ich kommen könnte. Adrian wollte, nachdem er seine Gäste mit Sauerstoff auf den Gipfel geführt hätte, mit mir zusammen noch einen Versuch ohne Sauerstoff machen. Aber die Sherpas haben relativ deutlich gesagt, dass eine kleine, aber anscheinend sehr einflussreiche Sherpa-Gruppe jedem, der höher als das Basislager steigen wollte, Gewalt androhte. So wurde auch dem Basislager-Personal, z. B. unserem Küchenchef, gedroht, dass seine Familie zu Schaden kommen werde. Das ist etwas, was ich absolut nicht gutheißen kann und scharf kritisiere.

Das war nur eine kleine Gruppe. Der Großteil der Sherpas hat tief getrauert. Ich verstehe jeden einzelnen, der sagt, ich möchte in dieser Saison nicht mehr den Everest besteige. Das akzeptiere ich und würde niemals jemanden zwingen, für mich Fixseile zu legen. Aber ich möchte immer noch als Bergsteiger die Möglichkeit haben, die Risiken selbst zu beurteilen und dann für mich zu entscheiden, ob ich gehe oder nicht. Nachdem aber ausdrücklich gesagt wurde, dass es nicht erwünscht sei, dass irgendwer bergsteige, haben wir auch abgebrochen.  Das ist eine Atmosphäre, in der ich mich nicht wohl fühle und in der ich nicht bergsteigen möchte.

Südseite des Mount Everest

Südseite des Mount Everest

Im letzten Jahr griffen Sherpas Ueli Steck und Simone Moro in Lager 2 tätlich an. Jetzt drohte eine kleine Gruppe Gewalt an und übte Druck aus. Gewalt ist plötzlich ein Thema am Everest. Denkst du, dass die Sherpas in sich gehen müssen, weil offenkundig ein Riss durch ihre Gemeinschaft geht?

Sie müssen das Problem auf jeden Fall lösen. Diese Atmosphäre von Drohungen und Gewaltbereitschaft vergiftet das ganze Klima. Dabei schießen sich die Sherpas doch ins eigene Bein, weil sie ziemlich schnell merken werden, was passiert, wenn keine Expeditionen mehr kommen. Gerade die Sherpas dieser kleinen gewaltbereiten Gruppe, die für Veranstalter arbeiten, die ihre Mitarbeiter nicht ausreichend versichern, werden als erste keine Arbeit mehr haben. Ich weiß nicht, wie sie dann reagieren.

Ich hatte das Gefühl, dass sich im letzten Jahr alle darauf verlassen haben, dass die Regierung einschreitet. Das hat offenkundig nicht funktioniert. Welche Rolle kann und sollte die Regierung überhaupt spielen? Ist es nicht vielmehr Aufgabe der Bergsteiger-Gemeinschaft, dieses Problem selbst zu lösen?

Ich komme nach Nepal und zahle mein Permit an die Regierung und nicht an die Sherpas. Von daher würde ich mir wünschen, dass die Regierung und das SPCC (Sagarmatha Pollution Control Comittee, die Verwaltung des Everest-Nationalparks) dieses Geld auch in die Everest-Region weitergibt oder zumindest, dass dort ein größerer Teil als bisher ankommt. Jedes Wasserkraftwerk, jede Brücke, jede Schule, jedes Krankenhaus im Khumbu-Gebiet ist aus Deutschland, Italien, den USA oder anderen westlichen Ländern  gesponsert. Da frage ich mich, wie wahrscheinlich auch die Sherpas: Wo bleibt eigentlich das Geld dieser Permits von 300 und mehr Bergsteigern für jeweils 10.000 Dollar? Auf der anderen Seite sollte es auch selbstverständlich sein, dass jeder zahlende Kunde sich einen Veranstalter aussucht, der verantwortungsvoll mit seinen Angestellten umgeht. Hätte ich mich für den preisgünstigsten Veranstalter entschieden, hätte ich 5000 Euro sparen können. Ich kannte ihn aber nicht und wusste nicht, welche Versicherungen er abschließt und wie er seine Leute behandelt.

Die Sherpas – von den „Ice doctors“, über die Hochträger bis zu den Climbing Sherpas – riskieren im Khumbu-Eisbruch Kopf und Kragen. Hast du Verständnis, wenn sie fordern, für ihren gefährlichen Job besser bezahlt zu werden?

Es muss so honoriert werden, dass beide Seiten damit einverstanden sind. Da bin ich einer Meinung mit den Sherpas. Aber sie müssen die Bezahlung aushandeln, bevor die Arbeit losgeht. Jeder Sherpa unterschreibt bei seiner Agentur einen Vertrag, in dem genau steht, wie hoch die Versicherungssumme im Todesfall ist, wie oft er durch den Eisbruch gehen muss, wie viel Geld er dafür erhält. Wenn ich in den Alpen als Bergführer arbeite und einen Job am Mont Blanc annehme, weiß ich auch, dass es dort die Tacul-Flanke gibt, wo schon mehrere Bergführerkollegen bei Lawinen ums Leben gekommen sind. Trotzdem mache ich es eine bestimmte Summe, die ich vorher aushandele. Ich weiß, was mich erwartet. Genauso wissen die Sherpas, was sie im Khumbu-Eisbruch erwartet. Ich war in drei verschiedenen Jahren dort, und der Weg war immer gleich gefährlich. In diesem Jahr war das Unglück, dass so viele zur falschen Zeit an der falschen Stelle waren. Das hätte in all den Jahren zuvor ebenfalls passieren können. Ich weiß an der Tacul-Flanke auch, dass ich ums Leben kommen kann. Aber ich kann nicht plötzlich, wenn vor mir eine Lawine abgeht, in Streik gehen und sagen: Jetzt möchte ich doppelt so viel Geld, weil es doppelt so gefährlich ist. Die Sherpas, die am Everest arbeiten, sind clever, nicht ungebildet. Sie waren schon dort und gehen wieder hin, weil sie wissen, es ist sehr gut bezahlte Arbeit. Wenn sie mehr Geld wollen, ist es auch okay. Aber dann sollen sie es vorher aushandeln. Sie können nicht plötzlich das Doppelte verlangen, das kann ich nicht unterstützen.

Everest-Nordseite

Everest-Nordseite

Erstmals seit dem Beginn kommerzieller Expeditionen zum Everest ist eine Saison vorzeitig zu Ende gegangen. Glaubst du, dass die großen Veranstalter jetzt auf die Nordseite wechseln werden?

Ich bezweifle es. In einem Jahr gerät vieles in Vergessenheit. Ich weiß auch nicht, ob es für kommerzielle Veranstalter die bessere Wahl wäre, auf die Nordseite zu gehen. Auch dort gibt es Nachteile. So kann die chinesische Regierung von einem Tag auf den anderen sagen: Der Berg ist jetzt geschlossen, weil der Dalai Lama das Land XY besucht hat. Auch die Möglichkeiten, Bergsteiger in Not zu retten, sind bei weitem nicht so gut wie auf der Südseite, wo Helikopter-Rettungsflüge bis Lager 2 gang und gäbe sind. Auf der Südseite habe ich außerdem eine niedrigere Schlafhöhe im letzten Lager. Ich weiß nicht, was für einen kommerziellen Veranstalter mittlerweile das kleinere Übel ist.

Ich würde mir wünschen, dass die nepalesische Südseite wieder gut funktioniert, in dem Sinne, dass die Sherpas, die Veranstalter und die individuellen Bergsteiger wieder gut zusammenarbeiten und sich gegenseitig respektieren, damit alle zusammen bergsteigen können, in den verschiedenen Spielformen.

Wie sieht es jetzt mit deinen persönlichen Everest-Ambitionen aus?

Ich möchte immer noch den Everest wenigstens einmal probieren. Wenn es sich wirklich bewahrheitet, dass das Permit für fünf Jahre gültig bleibt, werde ich sicher auch noch einmal auf die Südseite zurückkehren.“

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