Alpinstil – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Tino Villanueva: Vier Fragen, vier Antworten https://blogs.dw.com/abenteuersport/tino-villanueva-vier-fragen-vier-antworten/ Thu, 15 Feb 2018 16:07:53 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=39623

Tino Villanueva (l.) und Alan Rousseau (r.), im Hintergrund der Rungofarka (der mittlere der drei Gipfel)

Besser spät als nie. Irgendwie kam immer irgendetwas dazwischen, sodass ich nicht die Zeit fand, über eine der beeindruckendsten Leistungen im vergangenen Herbst zu berichten. Tino Villanueva und Alan Rousseau gelang im indischen Himalaya Anfang Oktober im Alpinstil die Erstbesteigung des Sechstausenders Rungofarka. Die beiden Bergführer aus den USA kletterten zunächst auf direkter Linie durch die Nordwand, brachen ihren Versuch jedoch auf 6000 Metern ab. Schließlich erreichten sie in fünf Tagen über den Nordgrat den Gipfel des formschönen Bergs. Jetzt endlich habe ich Kontakt mit Tino aufgenommen, und er hat meine Fragen beantwortet:

Zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zu eurer großartigen Leistung. Ihr habt die Erstbegehung des 6.495 Meter hohen Rungofarka geschafft. Wie weit an eure Grenzen musstest ihr gehen?

Danke, dass du unseren Aufstieg verfolgt hast! Die Route auf den Rungofarka war lang und durchgehend anstrengend. Als wir erst einmal losgeklettert waren, hat die Herausforderung eigentlich nie nachgelassen. Am ersten Tag auf der Route war das Terrain noch ziemlich moderat, 250 Meter hinauf bis zu einer geriffelten Eisfläche. Danach wurde die Mixed-Kletterei jedoch viel schwieriger, meist waren wir auf Felsen unterwegs. Auch wenn wir nicht an unsere Grenzen gehen mussten, war es anspruchsvolles, schwieriges Klettern in großer Höhe, in einem entlegenen Gebiet. Aber es war machbar.

Route über den Nordgrat

Ihr musstet euren Versuch aufgeben, durch die Nordwand zu klettern und seid zum Nordgrat gewechselt. Fühlte es sich wie die zweitbeste Wahl an oder einfach die bessere?

Wann immer wir auf solche Expeditionen gehen, haben wir mehrere Optionen im Kopf. Wir haben einen bevorzugten Weg vor Augen, denken aber, dass es wichtig ist, Spielraum für Optionen zu haben, wenn die Bedingungen oder die Gefahren gegen uns arbeiten oder wenn die geplante Route nicht möglich ist. Im Falle des Rungofarka hatten wir im Vorfeld über einige Routen durch die Nordwand und ebenso über den Nordgrat diskutiert. Eine der Nordwand-Routen sah jedoch nicht so aus, als wäre sie in gutem Zustand. Außerdem schien sie stärker von einer darüber hängenden Eisklippe bedroht und war kurz davor auch von Eisschlag getroffen worden. Die Route, die wir in der Nordwand versuchten, schien dem Eisschlag weniger ausgesetzt zu sein. Wir dachten, dass die Nordwand eine elegantere Linie zum Gipfel böte und waren uns auch nicht sicher, ob eine senkrechte Stufe am Nordgrat überhaupt kletterbar wäre. Im Nachhinein, nach der Erfahrung in der Wand und auf dem Grat, würde ich sagen, dass der Nordgrat eine sehr elegante und qualitativ hochwertige alpine Kletterroute bot und die bessere Option war.

Wie ordnest du diese Erstbesteigung im indischen Himalaya in deiner persönlichen Kletter-Vita ein?

Der Nordgrat des Rungofarka hat definitiv die höchste Punktzahl in meinem persönlichen Kletter-Lebenslauf. Es war einer dieser Anstiege, bei denen alles perfekt funktioniert. Das Wetter war spektakulär (abgesehen von ein wenig Schnee am zweiten Tag), wir fanden zwei tolle Biwakplätze (und einen, der grenzwertig, aber immer noch geeignet war). Das Terrain war so herausfordernd, dass wir uns fragten, ob wir überhaupt in der Lage wären, hindurch zu klettern. Und das Klettern war anspruchsvoll genug, um uns auch mental sehr in Anspruch zu nehmen.

Im Aufstieg

Ihr arbeitet beide als Bergführer für den Expeditionsveranstalter Mountain Madness. Wie war es für euch, „auf eigene Faust“ zu klettern?

Alan und ich sind schon häufig zusammen geklettert. Diese Reise nach Indien war unsere dritte große Expedition im Himalaya. Wenn wir Expeditionen leiten, sind wir bestrebt, unseren Kunden eine unterhaltsame und herausfordernde Erfahrung zu bieten und gleichzeitig eine hohen Sicherheitsstandard zu gewährleisten. Unsere eigenen Expeditionen sind ähnlich, nur dass wir die Parameter an unsere persönlichen Kletterfähigkeiten anpassen. Wir sind in der Lage, schneller und härter zu klettern und können uns damit auch in schwierigerem Gelände bewegen. Dennoch bin ich mir sicher, dass die Expeditionserfahrung ähnlich ist, gleichzeitig aufregend und furchteinflößend, spaßig und haarsträubend. Das einzige Wort, das die Erfahrung umfassend beschreibt, ist: herausfordernd. Wir lassen uns auf alpine Kletterexpeditionen ein, um uns körperlich und geistig herauszufordern und zu sehen, was wir in den großen Bergen der Welt erreichen können.

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Putha-Hiunchuli-ABC https://blogs.dw.com/abenteuersport/putha-hiunchuli-abc/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/putha-hiunchuli-abc/#comments Sun, 18 Sep 2011 11:41:45 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=10143

Lager II am Putha Hiunchuli

In den nächsten Wochen werde ich euch in meinem Blog mit nach Nepal nehmen, auf eine Expedition zum Siebentausender Putha-Hiunchuli. Ich versuche natürlich, meine Berichte so zu schreiben, dass auch Nicht-Bergsteiger sie verstehen können. Nobody is perfect. Möglicherweise rutsche ich doch ab und zu in die alpine Fachsprache ab. Dann könnt ihr in diesem Glossar nachsehen, was gemeint ist. Neben Erklärungen der Fachbegriffe findet ihr hier auch einige Informationen zu Land und Leuten. 

 

Alpinstil: Bergsteiger verzichten darauf, Hochträger einzusetzen, feste Hochlager einzurichten und Fixseile anzubringen. Stattdessen besteigen sie den Achttausender wie einen Berg in den Alpen. Das Zelt wird mitgetragen, im Bedarfsfall aufgebaut, am nächsten Morgen wieder eingepackt.

ausgesetzt: In der Sprache der Alpinisten bezeichnet das Adjektiv eine Stelle, an der es sehr steil nach unten geht, sprich an der nicht schwindelfreie Wanderer oder Bergsteiger Probleme bekommen.

Basislager am Achttausender Manaslu

Basislager: Das Basislager ist Ausgangspunkt und Rückzugsort einer Bergbesteigung. Am Putha Hiunchuli liegt das Basislager auf 4915 Meter Höhe, in den Moränen des Gletschers auf der Nordseite des Bergs.

Bergschrund: Kluft zwischen Gletschereis und Bergwand.

Biwak: Improvisierte Übernachtung während der Besteigung, entweder in mitgeführtem Leicht-Zelt, in einer Schneehöhle oder im Freien im Biwaksack.

Bön: Die alte, vorbuddhistische Religion Tibets, die im Dolpo im Westen Nepals teilweise noch praktiziert wird. In der ursprünglichen Bön-Religion spielten Geister, Schamanen und Magie eine große Rolle. Mit Ritualen und Opfern wurde versucht, die Geister zu besänftigen. Jeder Landstrich, jeder Berg hatte einen lokalen Hauptgott. Als Begründer der Bön-Religion gilt Tönpa Shenrab Miwoche, der vor mehreren tausend Jahren im Westen Tibets gelehrt haben soll. Der Dalai Lama erkannte 1978 die Bön-Religion als eine der fünf spirituellen Schulen Tibets an. Anhänger des Bön leben vor allem im indischen Exil, aber auch noch in Tibet und in Nepal.

By fair means: Bergbesteigung mit fairen Mitteln, das heißt u.a. ohne zusätzlichen Sauerstoff und ohne Fixseile.

Churen Himal: 7371 Meter hoher, östlich gelegener Nachbar-Berg des Putha Hiunchuli. Er wurde 1970 erstmals bestiegen.

Couloir: Rinne in einer Bergwand.

Dhaulagiri Himal: Gebirgsmassiv um den Dhaulagiri in Nepal, mit 8167 Meter Höhe der siebthöchste Berg der Erde. Der Putha Hiunchuli liegt im Westen des Massivs und wird auch Dhaulagiri VII genannt.

Dolpo: Das höchste ständig bewohnte Gebiet Nepals. Wegen seiner abgeschiedenen Lage im Westen des Landes, fast überall umgeben von mindestens 6000 Meter hohen Bergen, ist der Einfluss der Regierung in Kathmandu bis heute gering. Das Dolpo wird daher manchmal auch als der „Wilde Westen Nepals“ bezeichnet. Jahrhunderte lang gehörte die Region zu Tibet und ist davon noch immer kulturell und religiös stark geprägt. Später war das Dolpo eine Provinz des Königsreichs Mustang, ehe es 1769 Teil Nepals wurde.  Man unterscheidet zwischen dem Oberen (Upper) Dolpo nahe der Grenze zu Tibet (bis 1993 militärisches Sperrgebiet) und dem Unteren (Lower) Dolpo, in dem auch der Putha Hiunchuli liegt.

Dolpo-Pa: Bewohner des Dolpo. Nach Angaben der nepalesischen Volkszählung 2001 lebten in dem Gebiet damals rund 30.000 Menschen.

Eisbruch: Zerklüftete Zone eines Gletschers, die durch starkes Gefälle oder Buckel im Untergrund entsteht.

Eishaken: Gezackter, gut 20 cm langer Haken, der in festes Eis getrieben wird.

Eisschraube

Eisschraube: Dient wie Eishaken zur Sicherung, wird hineingeschraubt.

Expeditionsstil: Gegensatz zu Alpinstil: Einsatz von Hochträgern, Hochlagern, Fixseilen, häufig auch Atemmasken.

Eisgerät: Kurzer Eispickel mit gebogener Haue und gekrümmtem Schaft, zum Klettern in steilem Eis.

Fixseil: Seil, das fest in Fels oder Eis verankert wird, um schnell auf- und absteigen zu können.

GPS: Satellitengestütztes System zur Bestimmung von Positionen. Handliche GPS-Geräte werden inzwischen gerne bei Expeditionen mitgeführt, um sicherzustellen, dass die Bergsteiger auch im Falle eines plötzlich auftretenden Schneesturms oder im Nebel zu den Zelten zurückfinden.

Hiunchuli: In Nepali bedeutet Hiunchuli „Gipfel des schneebedeckten Bergs (him = schneebedeckter Berg, chuli = Gipfel)

Höhenkrankheit: Sie kann in Höhen ab ca. 2500 Metern auftreten. Symptome sind u.a. Kopfschmerzen, Appetitverlust, Müdigkeit, Übelkeit, Erbrechen oder Schlafstörungen. Ursache ist der mit zunehmender Höhe sinkende sogenannte Sauerstoff-Partialdruck: Auf 5000 Metern wird der Sauerstoff nur noch mit der Hälfte, auf 8850 Metern (Gipfel des Mount Everest) mit einem Drittel des Drucks in die Lungen gepresst wie auf Meereshöhe. Der Körper kann sich auf den Sauerstoffmangel (Hypoxie) bis zu einem gewissem Maße einstellen. Wer sich zu wenig Zeit zur Akklimatisierung nimmt und zu schnell aufsteigt, riskiert höhenkrank zu werden. Im schlimmsten Fall kann dies tödlich enden: wenn Flüssigkeit in der Lunge (Höhenlungenödem, kurz HAPE von engl. high-altitude pulmonary edema) oder im Gehirn (Höhenhirnödem, kurz HACE, von engl. high-altitude cerebral edema) austritt. Statistisch gesehen enden 24 Prozent der HAPE-Fälle und 40 Prozent der HACE-Fälle tödlich. Es gibt Notfallmedikamente und –therapien. Unbedingt erforderlich ist jedoch zusätzlich der schnelle Abstieg in niedrigere Höhen.

Hochträger: Sie richten Hochlager ein, transportieren Material hinauf und legen Fixseile an. Zum Expeditionsteam werden zwei „Climbing Sherpas“ gehören.

Kamin: Senkrechte Felskluft.

Karabiner: Schnappring zum Einklinken in Haken oder um das Sicherungsseil durchlaufen zu lassen.

Moräne: Wall aus Sand und Geröll am Rande des Gletschers.

Normalroute: Der von den meisten Expeditionen gewählte „leichte“ Weg auf einen Berg. Am Putha Hiunchuli hat sich seit den 1990er-Jahren die Route der Erstbesteiger über die Nordost-Flanke als Normalroute etabliert.

Padmasambhava

Padmasambhava

Padmasambhava (oder Guru Rimpoche): „Der aus dem Lotos Geborene“gilt als Begründer des Buddhismus in Tibet, in dem auch Bestandteile der alten tibetischen Bön-Religion aufgingen. Angeblich bereiste Padmasambhava im 8. oder 9. Jahrhundert auch das Dolpo und erklärte es zu einem der „versteckten Täler“, in dem verfolgte Buddhisten Zuflucht finden sollten.

Putha: Das Wort könnte aus dem Sanskrit stammen. Für „Puta“ gibt es in dieser Sprache viele Übersetzungen. Wäre es ein Adjektiv, könnte es „hell“ oder „glänzend“ bedeuten, was bei einem schneebedeckten Berg nicht abwegig erscheint. Als Substantiv käme die Bedeutung „Hinterteil“ in Frage, im Sinne von hinten (sehr weit westlich) gelegen.

Pfeiler: Aus einer Bergwand vorspringende Felsformation.

Riss: Finger-, hand-, oder schulterbreiter Spalt im Fels.

Sauerstoff-Flaschen: In den Hochlagern wird nur für medizinische Notfälle (!) je eine Flasche Sauerstoff deponiert.

Schlüsselstelle: Schwierigster Abschnitt einer Route.

Sérac: Durch Bewegung des Gletschers entstandene Eistürme und -blöcke.

Steigeisen: Metallzacken werden an der Sohle des Bergschuhs befestigt. Frontalzacken erlauben das Klettern in steilem Eis.

Traverse: Klettern in seitlicher Richtung (Quergang), um eine Gefahrenstelle zu umgehen

Überschreitung: Aufstieg und Abstieg über unterschiedliche Flanken des Bergs

Verschneidung: Zwei Felswände, die verwinkelt zueinander stehen.

Wächte: Vom Wind angewehte, überhängende Schneemasse.

White-Out: Schnee, Wolken und Sturm sorgen dafür, dass alles weiß erscheint und eine Orientierung unmöglich ist.

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