Altrip – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Widerstanden https://blogs.dw.com/abenteuersport/widerstanden/ Sun, 17 Sep 2017 20:16:41 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=37695

Durch den Weinberg

Die Versuchung wartete bei Kilometer 90, kurz hinter dem Ort Nierstein nahe Mainz. Wieder einmal war ich auf einer (diesmal zur Abwechslung vorbildlich beschilderten) Umleitung unterwegs und schon eine Weile durch Weinberge gefahren. In den Dörfern hatte ich viele Menschen gesehen, die gemütlich auf dem Hof von Straußwirtschaften bei Federweißem und Zwiebelkuchen saßen und es sich gut gehen ließen. Die Sonne lachte dazu. und ich dachte: Wäre ich nicht für „School up! River down!“ unterwegs und müsste Kilometer „fressen“, würde ich mir jetzt sicher die Zeit nehmen, selbst einzukehren. Ich blieb hart und radelte mit meinem Faltrad weiter. Hinter Nierstein, unterhalb des „Roten Hangs“  – benannt nach seinem Tonsandstein-Boden und bekannt wegen ausgezeichneter Riesling-Weine – blockierten etwa 30 Leute den Radweg.

Falsche Richtung

Weinausschank in Mainz

Als ich mich hindurchschlängelte, realisierte ich den Grund der Blockade: Winzer schenkten kostenlos Wein aus. Einer von ihnen sprach mich an: „Möchten Sie nicht auch ein Glas trinken?“ Unwillkürlich musste ich an Abdel-Kader Zaaf denken. Der algerische Radprofi hatte während einer Etappe der Tour de France 1950 zu tief ins Glas geschaut, hatte sich unter einen Baum gelegt, um den Rausch auszuschlafen, und war, nachdem er aufgewacht war, in die falsche Richtung gefahren. Ich lehnte also das freundliche Angebot ab. Später in Mainz passierte ich einen weiteren Wein-Ausschank, diesmal aber war die Versuchung nicht mehr ganz so groß. Schließlich hatte ich zu diesem Zeitpunkt schon 111 Kilometer hinter mir und vor, noch ein, zwei Stunden weiterzufahren.

Eine Woche unterwegs

Diese Regenfront zog an mir vorbei 🙂

Neuneinhalb Stunden nach dem Aufbruch in Altrip nahe Ludwigshafen stieg ich in Bingen am Rhein entkräftet vom Rad. Der Blick auf den Tacho entschädigte mich: heute 149 Kilometer. Die letzten knapp 60 Kilometer hätte ich niemals geschafft, wenn ich hinter Nierstein weich geworden wäre. Dann hätte ich mich wahrscheinlich wie Abdel-Kader Zaaf schlafen gelegt – und wäre anschließend zurückgefahren. Eine Woche bin ich jetzt für „School up! River down!“ mit meinem kleinen Faltrad den Rhein hinunter geradelt. Die Bilanz: insgesamt 868 Kilometer, bisher keine nennenswerte Panne (zweimal sprang die Kette ab, aber das zählt nicht), und sturzfrei bin ich auch geblieben. So kann es weitergehen. Morgen in Richtung meiner Heimatstadt Köln.

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Drei Hochzeiten und ein Ermüdungsfall https://blogs.dw.com/abenteuersport/drei-hochzeiten-und-ein-ermuedungsfall/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/drei-hochzeiten-und-ein-ermuedungsfall/#comments Sat, 16 Sep 2017 20:45:56 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=37671

Aufbruch im Morgennebel

Ich werde gut schlafen, egal wie laut es ist. „Ich muss Sie vorwarnen“, sagte die Hotelmitarbeiterin an der Rezeption. „Wir haben heute drei Hochzeitsgesellschaften, und es kann sein, dass bis sechs Uhr morgens Musik läuft.“ Das Hotel in Altrip, an der so genannten „Blauen Lagune“, rund 15 Kilometer vor den Toren Ludwigshafens gelegen, hat sich darauf spezialisiert, Hochzeiten auszurichten. Andererseits gewährt es auch Fahrradtouristen einen Sonderrabatt. Vorbildlich! Und so stand ich gegen 18 Uhr in meiner Radlerhose in der Hotellobby, ein paar Meter von mir entfernt eine der drei Bräute – und auch waren sonst die Hotelgäste ziemlich aufgebrezelt. „Machen Sie sich keine Sorgen“, antwortete ich der Rezeptionistin. „Ich bin so fertig, ich werde schlafen wie ein Stein.“

Murks an der Murg

Idylle nahe der Murg-Mündung

Weitere 130 Tageskilometer stecken mir in den Knochen. Heute früh setzte Ralf Dujmovits mich und mein Faltrad exakt an der Stelle am Rhein nahe Söllingen wieder aus, an der ich die gestrige Tagesetappe von „School up! River down!“ beendet hatte. Bis zum Mittag hatte ich auch die nun schon fast obligatorische Irrfahrt hinter mir. Ich folgte einem Radweg-Schild, das offensichtlich nicht das offizielle der Rhein-Tour war – und stand plötzlich vor der Murg, einem Nebenfluss, über den es an dieser Stelle keine Brücke gab. Also musste ich fast zwei Kilometer landeinwärts fahren, um wieder auf den richtigen Weg zu gelangen.

Wenn sich Vater und Sohn verirren

Geteilter Weg

In Karlsruhe hatte ich mich mittags mit meinem Sohn Jan verabredet, der vorübergehend in Stuttgart arbeitet und mich ein Stück begleiten wollte. Wir fanden uns auch, dann aber nicht den richtigen Weg. Wieder folgten wir einem Fahrradschild, das dort aus uns hinterher unerfindlichen Gründen platziert war, führte es uns doch auf einen Kieselweg direkt am Rhein, der mit beladenem Fahrrad so gut wie unmöglich zu befahren war. Damit nicht genug, landeten wir in einem Industriegebiet, aus dem es nur einen Ausweg gab: zurück. Eine Dreiviertelstunde verloren wir durch diesen „Verhauer“. Wir beschlossen auf die andere Rheinseite zu wechseln, die Jan bereits in Gegenrichtung mit dem Rad befahren hatte. Ein weiser Entschluss. Hier rollte es sich prächtig. Asphaltierte und gut beschilderte Wege, dazu Windstille. Und nur ein kurzer Schauer, dessen Ende wir abwarten konnten.

Achilles lässt grüßen

Vor den Toren Speyers

Am späten Nachmittag trennten sich unsere Wege in Speyer. Jan fuhr mit dem Zug nach Stuttgart zurück, während ich beschloss, noch ein Stündchen in gemütlichem Tempo weiter nach Norden zu radeln. Nach gut neun Stunden auf dem Sattel beschloss ich, die Tagesetappe zu beenden. Viel weiter hätte ich kaum fahren können. Treppen steigen funktioniert nicht mehr so gut, meine Achillessehnen sind durch die ständige Kurbelei gestresst. Meine Waden sowieso. Aber sonst geht es mir gut. Morgen früh wartet die nächste Etappe den Rhein hinunter, Richtung Mainz. Nach einer Mütze Schlaf, die ich mir holen werde. Ganz egal, wie laut die drei Hochzeitsgesellschaften auch sein mögen. Sollen sie feiern!

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