Arktis – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Gelesen: Schwarzes Wasser https://blogs.dw.com/abenteuersport/gelesen-schwarzes-wasser/ Sun, 04 Jun 2017 14:36:49 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=36567 Ich war weit weg. Die Frau mit dem Ausweis am Band um den Hals stupste mich an. Ich entschuldige mich, kramte meine Bahnfahrkarte heraus und zeigte sie ihr. Ich saß im Zug, hörte auf dem Kopfhörer Musik, aber eigentlich auch wieder nicht. Denn ich las das kleine, aber feine Büchlein „Schwarzes Wasser“ von Thomas Ulrich und Birgit Lutz. Ich kannte diese wahre Geschichte. Schließlich war Thomas im Frühjahr 2009 mein Expeditionsleiter, der es mir ermöglichte, auf Skiern, einen Schlitten hinter mir herziehend, den Nordpol zu erreichen. Vor, während und nach unserem Ausflug auf das arktische Eis hatten wir viel Zeit, unsere Lebensgeschichten auszutauschen. Und diese war eine, die Ulrich tief geprägt hat.

Allein auf der Eisscholle

Im Frühjahr 2006 wollte der Schweizer die gesamte Arktis durchqueren, solo, ohne Unterstützung von außen, 1800 Kilometer von der russischen bis zur kanadischen Küste. Doch es ging gleich zu Beginn der Expedition so ziemlich alles schief, was schief gehen konnte. Der Hubschrauberflug zum Startpunkt seines Marsches verzögerte sich. Damit verschlechterten sich die Eisbedingungen. Trotzdem zog Ulrich los. Einen Tag später saß der Abenteurer fest. Im Sturm, auf einer gerade mal 20 Zentimeter dicken Eisscholle, die – soviel war klar – nicht mehr allzu lange halten würde. Per Satellitentelefon versuchte Thomas, Hilfe herbeizurufen. Doch die Mühlen der russischen Bürokratie mahlten langsam. Ulrich war klar, er würde sehr viel Glück brauchen, um dieses Abenteuer zu überleben. 89 Stunden schlief er nicht. Dann …

Schleimigschmierigschwappend“

Nein, mehr wird nicht verraten. Es war nicht nur das Eis, das unter Ulrich wegbrach. Sein ganzes Leben geriet aus den Fugen, weil ihm plötzlich klar wurde, dass er auch im normalen Alltag nicht mehr so weitermachen konnte wie bisher. Die Journalistin Birgit Lutz, selbst eine Arktis-Abenteurerin, erzählt Thomys spannende Geschichte mit viel Fingerspitzengefühl und einer bildgewaltigen Sprache. Habt ihr schon mal ein „schleimigschmierigschwappendes Geräusch“ gehört, das entsteht, wenn Eisschollen „aneinanderreiben, quietschen und sausen“?

Die Frau im Zug mit dem Ausweis um den Hals war übrigens gar keine Kontrolleurin, sondern eine Frau auf Dienstreise. Sie wollte mich nur bitten, meinen Rucksack wegzunehmen, damit sie sich neben mich setzen konnte. Als ich ihr meine Fahrkarte zeigte, sorgte ich für Heiterkeit im Abteil. „Da sehen sie mal, wie weit ich gerade weg war“, erklärte ich mein verpeiltes Verhalten und zeigte auf mein Buch: „Ich war in der Arktis, auf einer Eisscholle.“

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Der Rücken stoppt Fiennes am Aconcagua https://blogs.dw.com/abenteuersport/der-ruecken-stoppt-fiennes-am-aconcagua/ Thu, 19 Jan 2017 16:32:53 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=34785 Ranulph Fiennes am Aconcagua

Ranulph Fiennes am Aconcagua

Er wird doch wohl nicht alt werden. Sir Ranulph Fiennes hat Rücken. Großbritanniens bekanntester Abenteurer musste Anfang der Woche mit dem Rettungshubschrauber vom Aconcagua ausgeflogen werden. Am höchsten Berg Südamerikas hatte den 72-Jährigen sein Rücken derart geschmerzt, dass er den Aufstieg zum höchsten Punkt auf 6962 Metern nicht fortsetzen konnte. „Mir fehlten nur noch ein paar Stunden bis zum Gipfel“, sagte Fiennes. „Ich bin sehr frustriert. Aber ich habe gelernt, dass man in meinem Alter Schmerzen nicht mehr einfach ignorieren kann.“

Über die Pole und Gipfel

Fiennes wollte den Aconcagua im Rahmen eines Projekts besteigen, das er „The Global Reach Challenge“ (Herausforderung globale Reichweite) getauft hat. Der Brite will der Erste werden, der nicht nur den arktischen Ozean und die Antarktis durchquert, sondern auch noch die „Seven Summits“ bestiegen hat, die höchsten Berge aller Kontinente. Für diese Sammlung fehlen ihm neben dem Aconcagua noch der Denali (6194 Meter) in Alaska und die Carstensz-Pyramide (4884 Meter) in Indonesien. Über sein Projekt wirbt Fiennes um Spenden für die britische Hilfsorganisation „Marie Curie“, die sich um Todkranke und ihre Familien kümmert.

Neues Hindernis

Aconcagua

Aconcagua

Der Brite will nun erst einmal nach Hause zurückkehren und sich gründlich untersuchen lassen, bevor er irgendetwas Neues unternimmt. „Ein neues Hindernis, mit dem ich mich auseinandersetzen muss, ist, dass die Dinge nicht mehr sind, wie sie einmal waren“, räumt der Abenteurer ein: „Bei gleichem Trainingsaufwand kann der Körper nicht mehr Gleiches leisten, deshalb ist der Erfolg keineswegs mehr garantiert.“

Schwer zu bremsen

Seinem Körper hat Sir Ranulph Fiennes, der wegen seiner zahlreichen Expeditionen und Wohltätigkeitsaktionen 1993 zum Ritter geschlagen wurde, viel abverlangt. Als erster Mensch erreichte er 1982 (gemeinsam mit dem 2002 verstorbenen Charles Burton) beide Pole auf dem Landweg. Fiennes umrundete die Erde entlang des Nullmeridians. 2003 absolvierte er – nur vier Monate nach einer Bypass-Operation – innerhalb von sieben Tagen auf sieben Kontinenten sieben Marathonrennen über die volle Distanz. 2009 bestieg Fiennes als 65-Jähriger den Mount Everest. Anfang 2013 musste er beim Versuch, die Antarktis erstmals im Winter zu durchqueren, gerettet werden, weil er sich Erfrierungen zugezogen hatte. Ein weiterer für diesen Winter geplanter Versuch wurde vom britischen Außenministerium nicht genehmigt.  Dieser Mann ist nur schwer zu bremsen.

P.S. Bevor ihr jetzt anfangt zu googeln: Sir Ranulph Fiennes ist ein Cousin dritten Grades der britischen Schauspieler Ralph und Joseph Fiennes.

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Ostgrönland: Alexander Huber und Co. pflücken den Tag https://blogs.dw.com/abenteuersport/ostgroenland-alexander-huber-und-co-pfluecken-den-tag/ Tue, 04 Oct 2016 15:01:37 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=33795 Thomas Huber (r.) in Ostgrönland

Thomas Huber (r.) in Ostgrönland

Der Klimawandel macht zuweilen auch Abenteurern einen Strich durch die Rechnung. Eigentlich hatten sich der deutsche Topkletterer Alexander Huber und seine Osttiroler Teamgefährten Mario Walder, Bruno Schneider und Christian Zenz in diesem Sommer vorgenommen, die vor 16 Jahren erstmals durchstiegene Südwand des Tupilak in Ostgrönland frei zu klettern. „Das ist eine total geile, steile Wand“, schwärmt Alexander. „Aber wir sind gar nicht erst hingekommen. Die 40 bis 50 Kilometer Anmarsch waren ohne Schlitteneinsatz nicht drinnen.“ Das blanke Eis der Gletscher ohne Schneeauflage und die darauf liegenden kleinen Steinchen hatten den Pulkas, den Kunststoff-Zugschlitten, schon nach etwa einem Drittel der Strecke den Garaus gemacht. Ihre Ski hatten die vier Kletterer ganz umsonst mitgenommen.

Alexander Huber war im vergangenen Jahr schon einmal in Ostgrönland gewesen, allerdings zu einer anderen Jahreszeit. „Du kannst dir im arktischen Winter einfach nicht vorstellen, dass das Ganze dann im Sommer völlig schneefrei wird. Das zeigt schon ganz klar den Klimawandel“, erzählt mir der 47-Jährige, der jüngere der beiden „Huberbuam“. „Dass die Null-Grad-Grenze permanent auf 2500 bis 3000 Meter liegt, ist schon sehr ungewöhnlich.“

Attraktives Alternativziel

Ritterknechtd

Ritterknecht

Huber und Co. disponierten kurzerhand um und entschieden sich für einen Versuch am Ostpfeiler des 2020 Meter hohen Ritterknecht, vielen Kletterern auch unter dem dänischen Namen Rytterknægten bekannt. Der markante Berg im so genannten „Schweizerland“ war 1938 von einer Expedition des „Akademischen Alpenclubs Zürich“ erstmals bestiegen worden. Die Gruppe unter Leitung des Alpinisten André Roch hatte gut ein Dutzend Gipfel in Ostgrönland erstmals betreten. Alexander hatte den Ostpfeiler im Vorjahr als mögliches Ziel ausgemacht: „Das war auch die Motivation, die Reise zu starten. Ein 1000 Meter hoher Pfeiler, von eindrucksvoller massiver Gestalt. Das ist natürlich schon für einen Alpinisten ein Ziel, so einen Pfeiler zu erklettern.“ Hubers Recherchen ergaben, dass offenbar noch niemand dort hochgeklettert war. „Wir haben diesen Pfeiler erstbegangen, das war eine super Sache.“

Gemacht, was möglich war

Erfolgreiches Team: Schneider, Huber, Zenz, Walder (v.l.)

Erfolgreiches Team: Schneider, Huber, Zenz, Walder (v.l.)

Innerhalb von 24 Stunden kletterte das Quartett über den Pfeiler zum Gipfel und wieder zurück. „Eine gewaltige Bergfahrt“ sei es gewesen, schreibt Mario Walder in seinem Expeditionsbericht. Die Erstbegeher taufen ihre Route „Carpe diem“, „Pflücke den Tag“. Das Motto gelte auch für die Expedition, sagt Alexander Huber: „Wir haben unsere Chancen genutzt und genossen. Wir haben einfach das, was möglich war, zufrieden aufgenommen.“ Drei Wochen waren die Kletterer unterwegs. Der besondere Reiz einer Expedition in die Arktis liege in der „absoluten Abgeschiedenheit“, findet Alexander. „Wir haben uns von einem Inuit bis zum Ende des Fjords bringen lassen. Und von dem Zeitpunkt an waren wir die einzigen Menschen, die in dieser Bergregion unterwegs waren.“

Verwundbar

Unmittelbar vor der Abreise von Island nach Grönland erfuhr Alexander Huber vom 16-Meter-Sturz seines Bruders Thomas aus einer Felswand im Berchtesgadener Land. „Das war für mich schon ein dramatischer Moment, weil ich gar nicht gewusst habe, ob ich mich überhaupt auf die Reise begeben soll. Bevor ich losflog, wollte ich schon wissen, dass es ihm gut ging.“ Auch wenn der Sturz für Thomas letztlich – wie berichtet – vergleichsweise glimpflich ausging, saß der Schock auch bei Alexander tief: „Das macht einem immer wieder bewusst, wie verwundbar man als Mensch ist.“

P.S. Alexander Huber ist gerade aus dem Felsmassiv Picos de Europa in Nordspanien zurückgekehrt. Dort gelang es ihm und seinem deutschen Kletterpartner Fabian Buhl, die klassische Route „Suenos de invierno“ (Winterträume) am 2518 Meter hohen Naranjo de Bulnes erstmals frei zu klettern – in neun Stunden. Die spanischen Winter-Erstbegeher der Route hatten 1983 insgesamt 69 Tage in der Wand verbracht.

 

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By fair means https://blogs.dw.com/abenteuersport/by-fair-means/ Sat, 15 May 2010 16:52:03 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport2/2010/05/15/by-fair-means/ Dieser Berg wurde im Gegensatz zum Mount Everest nie in Fesseln gelegt. Er entstand und verschwand. Ich habe ihn bestiegen, als Erster, als Einziger: Free Solo, eine reine Eiskletterei, ohne Eisschrauben, sogar ohne Seil, eine Speedbesteigung, auf der Magic Line, durch eine wie ein gerader Strich nach oben ziehende Rinne zum höchsten Punkt. Keine Hochträger, keine Zwischenlager, keine Atemmaske. Bei minus 30 Grad, perfekter Sicht, Windstille im Gipfelbereich.
Mount Nestler habe ich ihn getauft, seine Höhe: ca. 5,30, vielleicht auch 5,40 Meter. Er stand in der Arktis, irgendwo zwischen dem 89. Breitengrad und dem Nordpol, etwa auf dem 160. Längengrad. Wahrscheinlich hatte er sich erst ein paar Tage vorher in die Höhe geschoben, einige Tage später ist er möglicherweise wieder in sich zusammengebrochen. Warum ich ihn bestiegen habe? Weil er da war.


Nestler auf Mount Nestler

Wer träumt nicht davon, als erster Mensch seinen Fuß auf einen Berg zu setzen? Es gibt zwar weltweit noch einige nicht bestiegene Berge, doch war mir klar, dass ich als eher lausiger Bergsteiger wohl niemals eine Erstbesteigung zustande bringen würde. Bis mir die Idee mit dem Eisklotz kam. So schmiedete ich schon während der Vorbereitung auf unsere Last-degree-Expedition zum Nordpol meinen Plan einer Erstbesteigung – und setzte ihn bereits an unserem ersten Tag auf dem Eis um. Am 6. April 2009, während unserer zweiten Rast, erklomm ich den Mount Nestler.

Leider futsch

Vier Expeditionskameraden waren Zeugen dieser alpinistischen Pionierleistung, einer schoss das Gipfelfoto. Es ist – im Gegensatz etwa zu Oh Eun Suns-Foto vom Kangchendzönga – nicht verschwommen und belegt eindeutig, dass ich wirklich oben war. Das Gipfelfoto würde ganz sicher auch die strenge Prüfung durch die legendäre Himalaya-Chronistin Miss Hawley bestehen. Allerdings hat auch sie bis heute noch nichts vom Mount Nestler gehört. Kein Achttausender, aber ein formschönen Fünfer im ewigen Eis. Mein Berg – leider futsch.

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