Bergführer – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Tödliches Unglück am Pik Lenin https://blogs.dw.com/abenteuersport/toedliches-unglueck-am-pik-lenin/ Thu, 13 Aug 2015 12:55:51 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=30321 Pik Lenin

Pik Lenin

„Es gibt keine leichten Berge und schon gar keine leichten Siebentausender.“ Diese Worte meines Expeditionsleiters Herbert Wolf 2011 am 7246 Meter hohen Putha Hiunchuli in Nepal klingen mir noch immer in den Ohren. Ich hatte damals 150 Meter unter dem Gipfel umkehren müssen, weil sich die Wetterverhältnisse verschlechterten und ich zu spät dran war. Was Herbert meinte, war die Tatsache, dass selbst ein vermeintlich leichter Berg durch die herrschenden Bedingungen zu einem schweren und gefährlichen werden kann.

Der Pik Lenin in Kirgistan wird von kommerziellen Veranstaltern gerne als „leichter Siebentausender“ oder als „Einstiegs-Siebentausender“ bezeichnet. Am 7. August kam an dem 7134 Meter hohen Berg im Pamir ein russischer Bergführer ums Leben. Es war eine Kombination aus schwierigen Verhältnissen und Fahrlässigkeit, die ihn das Leben kostete. Drei andere Teilnehmer der Expedition, die von einer kirgisischen Agentur organisiert worden war, überlebten den Unfall mit viel Glück. Ich habe Informationen aus erster Hand. Ohne Eispickel und Helm

Mehrere hundert Bergsteiger versuchten sich in dieser Saison am Pik Lenin. Nach übereinstimmenden Berichten verschiedener Expeditionen waren die Wetterverhältnisse in den letzten Wochen so schlecht wie selten: Heftiger Schneefall, Wind und Kälte sorgten dafür, dass die Erfolgsquote, die an dem Siebentausender sonst bei etwa 20 Prozent liegt, im Juli auf zwei Prozent fiel. „Wir waren am Morgen des 7. August die erste Gruppe, die auf der Normalroute von Lager eins auf 4400 Metern über den spaltenreichen, tief verschneiten Gletscher nach Lager zwei auf 5300 Metern aufstieg“, berichtet mir ein Mitglied der Viererseilschaft, der das Unglück überlebt hat und anonym bleiben will. Der russische Bergführer sei ein erfahrener Mann gewesen, der auch schon auf Achttausender-Gipfeln gestanden habe. Er habe jedoch die Verhältnisse offenbar auf die leichte Schulter genommen. „Er hatte weder Helm noch Eispickel dabei, dazu ein 40-Meter-Seil, von dem er aber nur 20 Meter ausgeben wollte.“ Das sollte sich später als fatal erweisen.

Keine Chance zu reagieren

Auf dem Gletscher

Auf dem Gletscher

Die ersten schmaleren, tiefen Spalten habe man noch springend überwinden können. Dann jedoch sei das Team auf etwa 5000 Meter Höhe an eine breite Spalte gekommen, in die der Wind viel Schnee geweht habe. „Wegen des kurzen Seilabstands zwischen uns standen zwei Bergsteiger gleichzeitig auf der Schneebrücke, als diese brach“, erzählt der Bergsteiger. „Alles ging rasend schnell. Wir anderen konnten wegen der kurzen Seilverbindung nicht mehr reagieren und wurden ebenfalls in die etwa 20 Meter tiefe Spalte gerissen.“

Der Bergführer schlug mit dem Kopf voraus in der Mitte der Spalte auf und war sofort tot. Ein Teammitglied wurde von den Steigeisen des Bergführers getroffen und zog sich schwere Schnittwunden zu. Der Sturz der anderen beiden anderen endete am Spaltenrand, einer verletzte sich am Knie, der andere blieb wie durch ein Wunder unversehrt.

Andere Seilschaften hätten beobachtet, dass die Gruppe plötzlich in der Spalte verschwunden sei, erzählt das Teammitglied. Etwa zwei Stunden später seien alle aus der Spalte geborgen und per Hubschrauber ausgeflogen worden.

„Grobe Fahrlässigkeit“

„Hätten wir – wie von uns mehrfach beim Bergführer angemahnt – die volle Seillänge verwendet, hätte nur ein Teammitglied auf der Schneebrücke gestanden, und wir hätten eine Chance gehabt, den Sturz abzufangen“, sagt der Bergsteiger. Das Material, mit dem der russische Bergführer aufbrach, sei für die herrschenden Verhältnisse am Pik Lenin unzureichend gewesen. Das gelte auch für die Verpflegung in den Hochlagern. „Das war grobe Fahrlässigkeit. Man sollte sich wirklich genau ansehen, wem man sich auf einer solchen Expedition anvertraut“, sagt das Expeditionsmitglied.

Tragödien am Pik Lenin

Gedenkstein für die Opfer der Eislawine 1990

Gedenkstein für die Opfer der Eislawine 1990

Der Pik Lenin wurde 1928 von einer sowjetisch-deutschen Expedition erstbestiegen. Der Berg war mehrfach Schauplatz von Tragödien. 1974 gerieten acht russische Bergsteigerinnen in einen Sturm und erfroren. 1990 ereignete sich am Pik Lenin das Bergsteiger-Unglück mit den meisten Todesopfern überhaupt: Ein Erdbeben löste eine Eislawine aus, die ein Lager komplett verschüttete. 43 Bergsteiger starben, nur zwei überlebten. So viel zum Thema „leichter Siebentausender“.

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„Dreimal durch Zermatt ist zu wenig fürs Matterhorn“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/dreimal-durch-zermatt-ist-zu-wenig-fuers-matterhorn/ Thu, 09 Jul 2015 06:00:10 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=29911 Aufstieg zum Matterhorn (Foto: © Christoph Frutiger)

Aufstieg zum Matterhorn (Foto: © Christoph Frutiger)

Richard Lehner würde den Gipfel wahrscheinlich auch mit verbundenen Augen finden. 650 Mal erreichte das Bergführer-Urgestein aus Zermatt den höchsten Punkt des Matterhorns auf 4478 Meter Höhe. Das ist zwar nicht der Rekord, den Titel „Mr. Matterhorn“ hätte er aber wohl trotzdem verdient. Seine Leidenschaft für die Berge hat der 76-Jährige weitervererbt. Zwei der Söhne sind ebenfalls Bergführer, einer Skilehrer. Richard Lehner ist einer von 87 aufgelisteten aktiven Bergführern des Zermatt Alpin Centers, des örtlichen Bergführervereins. Das Matterhorn, 150 Jahre nach der Erstbesteigung, aus der Sicht eines Bergführers:

Richard Lehner, weltweit gilt das Matterhorn als Sinnbild für die Schweiz. Wie sehen Sie persönlich diesen Berg oder anders gefragt, was bedeutet er Ihnen?

Ich war als Bergführer hauptsächlich am Matterhorn unterwegs. Ich habe den Berg 650 Mal bestiegen, das letzte Mal war ich vor fünf Jahren oben. Für mich war es immer ein schöner Berg. 

650 Aufstiege, wie oft sind Sie dabei in kritische Situationen gekommen?

Nicht oft, und es war nichts Schlimmes.

Welche Anforderungen stellt das Matterhorn an einen Bergsteiger?

Matterhorn-VEr muss schon ein bisschen trainiert sein. Er muss ein guter Läufer sein. Bergsteigertechnische Fähigkeiten sind nicht so wichtig. Hauptsache, die Kondition stimmt.

Gibt es viele, die den Berg unterschätzen?

Ja, sehr viele. Manche, die einsteigen, brauchen drei bis vier Tage. Die stellen ihr Zelt auf und gehen los. Und wenn dann das Wetter umschlägt, schreien sie um Hilfe. Dann steigt der Helikopter auf und bringt sie herunter.

Welche Probleme haben diese Bergsteiger?

Vor allem haben sie Schwierigkeiten, den richtigen Weg zu finden.

Jahr für Jahr versuchen sich 2500 bis 3000 Bergsteiger am Matterhorn. Verkraftet der Berg so viele Menschen?

Kein Problem.

Gibt es keine Staus am Berg?

Höchstens morgens beim Einstieg. Danach ist es nicht mehr schlimm.

Wer regelt denn den Verkehr? Machen das die Bergführer?

Das ist nicht nötig. Die Bergführer starten morgens als Erste. Wenn einer schneller ist, geht er eben vor oder überholt. Die ohne Bergführer unterwegs sind, haben kaum eine Chance nachzukommen, weil sie am Seil viel zu viel Arbeit verrichten müssen.

Es vergeht trotzdem kein Jahr ohne tödlichen Unfall am Matterhorn. Ist das die Kröte, die man an einem so beliebten Berg schlucken muss?

Gipfel des Matterhorns

Gipfel des Matterhorns

Früher war die Ausrüstung viel schlechter als heute. Da hatten wir zehn Unfälle im Jahr, heute vielleicht nur einen. An den häufigsten Absturzstellen von damals sind jetzt Fixseile installiert. Da kann man sich beim Heruntersteigen festhalten.

Dennoch geschehen immer noch Unfälle. Warum vor allem?

Hauptsächlich, weil Bergsteiger von der Route abkommen.

Eine Besteigung kostet derzeit etwa 1600 Schweizer Franken, das sind rund 1500 Euro. Das ist eine Menge Geld. Erwarten die Kunden dafür eine Gipfelgarantie?

Die kann man nicht geben. Es gibt Leute, die haben schon Probleme, zur Hörnlihütte zu kommen, und sagen dann: Der Berg ist mir viel zu hoch, ich gehe erst gar nicht los. Manchmal muss man auch wegen eines Wetterumschwungs umdrehen.

Sie haben über mehrere Jahrzehnte als Bergführer am Matterhorn gearbeitet. Hat sich der Typ der Gipfelanwärter verändert?

Ein bisschen schon. Die Menschen wollen einfach nicht mehr trainieren. Die meinen, wenn sie dreimal durch Zermatt hin und zurück laufen, sind sie für das Matterhorn bereit und können sich einen Bergführer suchen. Aber ohne Training geht es nicht, ein Gipfelerfolg lässt sich nicht erzwingen. Früher hat man zunächst zehn andere Touren gemacht, bevor man sich ans Matterhorn gewagt hat. Heute wollen die Leute nur diesen einen Berg machen. Kaum einer von denen kehrt später noch einmal zurück. Sie besteigen das Matterhorn und fertig.

Wenn Sie dem Matterhorn etwas zum 150. Geburtstag wünschen dürften, was wäre das?

Für uns als Bergführer wäre es natürlich besser, wenn die Matterhorn-Anwärter ein bisschen besser vorbereitet wären. Ich habe mal mit einem Kunden viereinhalb Stunden für den Aufstieg und dann für den Abstieg acht Stunden gebraucht. Sein Hosenboden war durch, und er hat geblutet. Da stimmt dann etwas nicht mehr. Aber es ist eben der markante Berg, und wir leben von ihm. Hier will jeder Gast ein Zimmer mit Blick aufs Matterhorn haben.

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Herbert Wolf, der bergsteigende Polizist https://blogs.dw.com/abenteuersport/herbert-wolf-der-bergsteigende-polizist/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/herbert-wolf-der-bergsteigende-polizist/#comments Fri, 23 Sep 2011 14:36:51 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=10209 Porträt Herbert Wolf vor Berg in Peru

Expeditionsleiter Herbert Wolf

Eine Polizeieinheit namens Cobra? Da denken die meisten wohl an eine Fernsehserie: die älteren Zuschauer an „Kobra, übernehmen Sie!“ aus den 1960er Jahren, die jüngeren an die Autobahn-Cops von „Alarm für Cobra 11“. In Österreich jedoch ist Cobra nicht Polizei-Fiktion, sondern Realität. Der Name steht für eine etwa 450 Mann starke Anti-Terroreinheit, vergleichbar mit der GSG 9 der Bundespolizei in Deutschland. „Ich habe dort eine intensive Freundschaft zwischen Kollegen erlebt, wie ich sie vorher nicht gekannt habe“, sagt Herbert Wolf. „Die drei Jahre möchte ich nicht missen.“ Doch das Kapitel Cobra ist abgeschlossen. Aus dem Verbrecherjäger ist ein Bergsammler geworden. Herbert leitet unsere Expedition zum Siebentausender Putha Hiunchuli, die heute in einer Woche beginnt.

Fast nie zu Hause

„Irgendwann ließ sich das intensive Bergsteigen nicht mehr mit der Arbeit in der Spezialeinheit verbinden“, erzählt der 44-Jährige. Er wechselte zur Alpin-Polizei nach Bad Ischl im Salzkammergut. Dort widmet sich Herbert nun allen Arten von Unfällen in den Bergen, ob beim Skifahren, Wandern, Klettern oder Mountainbiken. „Es könnte ja auch Fremdverschulden vorliegen.“ Wenn er als Bergführer in den Himalaya, den Karakorum, nach Patagonien oder sonst eine Bergregion reisen will, stellt ihn sein Arbeitgeber frei.

Herbert hat seit sieben Jahren „eine ganz liebe Freundin. Die hat mich kennen gelernt, wie ich bin: fast nie zu Hause, immer auf den Bergen unterwegs, dazwischen mein Job als Polizist. Sie zeigt dafür sehr viel Verständnis, und darüber bin ich froh.“ Herbert hat aus erster Ehe einen 24 Jahre alten Sohn, seine Freundin eine 17-jährige Tochter.

Optimale Gipfelchance für jeden

Herbert Wolf zieht am Ortler das Seil ein

Herbert am Ortler

Die Erfahrungen als Polizist helfen Herbert auch bei seiner Arbeit als Expeditionsleiter: „Ich habe in meinem Job mit unterschiedlichsten Charakteren zu tun. Da kriegt man mit der Zeit ein Gefühl, wie man mit Menschen in schwierigen Situationen umgeht.“ In erster Linie will der Bergführer alle Teilnehmer wieder gesund nach Hause bringen, „aber der Erfolg ist natürlich noch größer, wenn der eine oder andere von uns am Gipfel stand.“

Ein Expeditionsleiter bewegt sich auf einem schmalen Grat. Die Mannschaft ist ein bunt zusammen gewürfelter Haufen Bergbegeisterter. Doch damit hören die Gemeinsamkeiten auch fast schon auf. Einige Bergsteiger haben mehr Erfahrung in großer Höhe als andere. Auch das Leistungsvermögen schwankt. „Es wird sicherlich nicht einfach für mich, für jeden die richtige Taktik anzulegen“, ahnt Herbert. „Aber das ist die Herausforderung, jedem die optimale Gipfelchance zu geben.“

Herberts Expeditionsbilanz bei einem guten Kaffee

Keinen Traumberg

Der Österreicher hat bereits vier Achttausender bestiegen: die Shishapangma (2000), den Cho Oyu (1998 und 2006), den Nanga Parbat (2004) – und auch den Mount Everest (2007). Herbert führte einen Kunden auf den höchsten Berg der Erde. Beide benutzten ab einer Höhe von 8000 Metern Atemmasken.

Auch nach dem Mount Everest auf dem Boden geblieben

Einen Traumberg habe er nicht, sagt der bergsteigende Polizist aus dem Salzkammergut. „Jeder Berg hat seinen Reiz, seine eigene Charakteristik. Es muss nicht immer ein Achttausender sein.“ Herbert schätzt an den Bergen auch die Stille, die Möglichkeit, mit sich selbst ins Gespräch zu kommen. Unter Umständen muss ein Expeditionsleiter aber auch einmal laut werden. Schließlich trägt er die Verantwortung für die Sicherheit der Teilnehmer. „Das letzte Wort habe ich“, versichert Herbert, schränkt aber gleich ein: „Seit 2004 bin ich für Amical alpin als Bergführer auf Expeditionen und Trekkings unterwegs. Das letzte Wort habe ich Gott sei Dank aber noch nie gebrauchen müssen.“

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