Boukreev – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Gesehen: „Everest“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/gesehen-everest/ Fri, 04 Sep 2015 12:23:51 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=30499 Szene aus dem Film "Everest"Der Film „Everest“ funktioniert, wenn du ihn konsumierst, als würdest du an einem heißen Sommertag unter die Gartendusche gehen: Einfach berieseln lassen, nicht großartig nachdenken! Dann wirst du die 3-D-Sequenzen, die wirklich in Nepal gedreht wurden, genießen: etwa die Aufnahme von oben auf die Hängebrücke, die den Dudh Kosi nahe Namche Bazar in luftiger Höhe überquert, oder auch den Blick ins Western Cwm, das „Tal des Schweigens“, oberhalb des Khumbu-Eisbruchs. Du wirst die erzählte Geschichte über das Unglück am Everest 1996, bei dem nach einem Wettersturz acht Bergsteiger im Gipfelbereich ums Leben kamen, wahrscheinlich spannend finden. Und du wirst womöglich nach zwei Stunden mit dem Gefühl aus dem Kinosessel aufstehen, gut unterhalten worden zu sein und ein filmtechnisch solides Berg-Actiondrama gesehen zu haben. Problematisch wird es allerdings, wenn du den Hinweis zu Beginn des Films ernst nimmst: „Nach einer wahren Geschichte“.

Zu viele Dramen für zwei Stunden

Über kaum ein Bergunglück ist so viel publiziert worden wie über jenes am Everest im Frühjahr 1996. Jon Krakauers Buch „In eisige Höhen“ wurde weltweit zum Bestseller. Doch auch andere Beteiligte griffen zur Feder, etwa der Russe Anatoli Boukreev, der Krakauers Version in vielen Punkten widersprach. Es gab Schuldzuweisungen hier wie dort. Die Geschichte ist komplex. Eine Melange aus Wetterverhältnissen, taktischen Fehlentscheidungen der Bergführer und fehlendem alpinistischem Können einiger Kunden der kommerziellen Veranstalter führte zu dem Unglück. Während des Sturms im Gipfelbereich spielten sich viele Dramen gleichzeitig ab, die, jedes für sich genommen, schon Stoff für einen zweistündigen Film geboten hätten: etwa die unglaubliche Überlebensgeschichte von Beck Weathers, die Rettungsversuche von Anatoli Boukreev, der immer wieder aufbrach, um die Vermissten zu suchen, oder auch Rob Halls Funkgespräch kurz vor seinem Tod mit seiner schwangeren Frau Jan Arnold in Neuseeland (Hört unten nach, was mir Jan 2003 in Kathmandu zu diesem letzten Gespräch mit Rob sagte).

Nur angedeutet

Darin liegt die Schwäche des Films: Die Ursachen des Unglücks 1996 waren so vielschichtig, es gab so viele Akteure, und es geschah so viel während des Sturms, dass es schlicht unmöglich ist, alle Details und Aspekte in einem zweistündigen Kinofilm unterzubringen. Doch genau das scheint Regisseur Baltasar Kormákur versucht zu haben. Alles wird irgendwie angerissen oder angedeutet, aber nichts wirklich vertieft. Da wird zum Beispiel ein Konflikt zwischen den Sirdars der verschiedenen Gruppen suggeriert, aber nur indem man zwei zerknirschte Sherpas zeigt, die offenkundig nicht zusammenarbeiten wollen. Warum? Mögen die sich nicht? Wo sind die anderen Sherpas? Oder diese Szene: Plötzlich fehlen an zwei Schlüsselstellen im Gipfelbereich die eigentlich vereinbarten Fixseile. Schnitt. Ein Sherpa zieht am kurzen Seil eine Klientin nach oben. Wer sind die beiden? Sollte dieser Sherpa wirklich die Fixseile am „Balkon“ und am „Hillary Step“ anbringen?

Verzerrt

Jake Gyllenhall als Scott Fischer

Jake Gyllenhall als Scott Fischer

Der Film bietet Topstars aus Hollywood auf: Josh Brolin, Jake Gyllenhall, Keira Knightley, Robin Wright und Emily Watson, um nur einige zu nennen. Doch sie erhalten kaum Gelegenheit, ihre Rollen richtig zu entwickeln – schlicht, weil der Film zu viel vermitteln will statt sich auf einzelne Aspekts zu konzentrieren. Und so gerät auch das eine oder andere Porträt schief. So spielt Gyllenhall den bei dem Unglück ums Leben gekommenen US-Bergführer Scott Fischer zugegebenermaßen mit viel Verve. Doch der „echte“ Fischer dürfte wohl deutlich mehr gewesen sein als der häufig alkoholisierte, mittelschwer durchgeknallte, narzistisch veranlagte Freak, als der er im Film herüberkommt. Aber so oft war Gyllenhall eben auch nicht im Bild, dass er ein wirkliches differenziertes Bild Fischers hätte vermitteln können.

Immer Wind und Lawinen

Apropos wenig differenziert: Glaubt man dem Film, windet bis stürmt es am Everest eigentlich immer, ständig gehen Lawinen ab oder stürzen Seracs in sich zusammen. Als wenn der Everest nicht auch ohne diese filmische Dramatisierung schon spektakulär genug wäre. Wenn die Bedingungen wirklich so wären wie dargestellt, hätte es wohl kaum knapp 7000 erfolgreiche Besteigungen seit 1953 gegeben.

Genug gemeckert. Vielleicht beschäftige ich mich einfach zu häufig mit Höhenbergsteigen und dem, was am höchsten Berg der Erde geschieht. Geht einfach ins Kino (Start: 17. September), um euch von „Everest“ unterhalten zu lassen! Dann werdet ihr wahrscheinlich auf eure Kosten kommen. Denkt an die Gartendusche! 😉

Jan Arnold über ihr letztes Gespräch mit Rob Hall (aufgezeichnet 2003)

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Der Bergsteiger mit dem großen Herz https://blogs.dw.com/abenteuersport/der-bergsteiger-mit-dem-grosen-herz/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/der-bergsteiger-mit-dem-grosen-herz/#comments Tue, 09 Nov 2010 16:03:03 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport2/2010/11/09/der-bergsteiger-mit-dem-grosen-herz/ Die Menschlichkeit endet in der Todeszone, behaupten viele Höhenbergsteiger. Rettungsaktionen seien dort unmöglich. „Das ist doch Unsinn“, sagt Simone Moro. „Du bist auf 8000 Metern der gleiche Mensch wie zu Hause. Wenn du daheim jemand hilfst, hilfst du ihm auch am Gipfel des Mount Everest, K 2 oder Lhotse.“


Simone Moro

Jedes Jahr Post mit einem Dankeschön

Das sind keine leeren Worte. Der Italiener aus der Provinz Bergamo war am 21. Mai 2001 auf dem Weg zum Gipfel des Achttausenders Lhotse, als er erfuhr, dass der Engländer Tom Moore vermisst wurde. Simone machte sich alleine auf die Suche, fand Moore und brachte den nach einem 500-Meter-Sturz verletzten Bergsteiger in Sicherheit. Seine eigene Gipfelchance ließ Simone fahren.
Die UNESCO, die Kulturorganisation der Vereinten Nationen, zeichnete Moro dafür mit einem Fair-Play-Preis aus. „Das war keine heldenhafte Rettung“, wiegelt der Italiener ab, „für mich war das ganz normal.“ Und die vielen anderen Bergsteiger? „Die haben nur an ihren Gipfel gedacht und nicht daran, dass ein anderer ihre Hilfe brauchte. Es tut mir leid, dass unsere Welt auch dort oben so schlecht ist. Nicht immer, aber immer häufiger.“ Alljährlich am 21. Mai erhält Moro Post aus England. Tom Moore bedankt sich dann bei Simone dafür, dass er ihm ein zweites Leben geschenkt hat.

Freude in den Bergen ist wie Essen und Trinken

Darüber kann sich der Italiener mehr freuen als über einen Gipfel. Elfmal stand Moro bisher auf dem höchsten Punkt eines Achttausenders, allein viermal auf dem Mount Everest. Im Gegensatz zu anderen Profibergsteigern reizt es ihn aber nicht, die Achttausender-Sammlung zu vervollständigen, „weil das schon etwa 20 Leute geschafft haben. Ich träume davon, etwas Neues zu machen. Abenteuer sind der Motor meines Alpinismus.“


Simone am Gipfel des Makalu

Am liebsten teilt Simone diese Abenteuer mit seinen Freunden, wie früher Anatoli Boukreev oder jetzt Denis Urubko. Der Russe Anatoli Boukreev sei für ihn „der beste Freund der Welt gewesen“, wie ein Bruder, sagt Moro. Am ersten Weihnachtstag 1997 starb Boukreev in einer Lawine am Achttausender Annapurna. Moro wurde von den Schneemassen 800 Meter den Berg hinuntergespült und überlebte mit viel Glück. Das sei eine schwere Zeit gewesen, erzählt Simone. Ein Jahr lang habe er darüber nachgegrübelt, „ob ich in die Berge zurückkehren oder zu Hause bleiben soll.“ Moro kam wieder, „weil ich in den Bergen Freude finde – und die brauchen wir jeden Tag wie Essen und Trinken.“

Wohnungstür als wichtigster Gipfel

Im Kasachen Denis Urubko fand Simone einen neuen Freund und Seilgefährten, der wie er ständig auf der Suche nach neuen Abenteuern ist. Unter anderem gelang den beiden 2009 die erste Winterbesteigung des Achttausenders Makalu. „Unsere Freundschaft ist wie ein dritter Eispickel. Das Team ist das Geheimnis meiner Abenteuer.“ Demnächst werden die beiden wieder gemeinsam aufbrechen. Moro und Urubko wollen versuchen, mit dem Gasherbrum II im Karakorum in Pakistan einen weiteren Achttausender erstmals im Winter zu besteigen.
Um jeden Preis will Simone den Gipfel aber nicht erreichen. Schließlich trägt er als Ehemann der Südtiroler Top-Eiskletterin Barbara Zwerger und als zweifacher Vater auch Verantwortung. Seine Tochter ist zwölf Jahre, sein Sohn zehn Monate alt. Wenn er vor der Wahl stünde, mit Gipfel nur vielleicht, ohne Gipfel aber sicher heimzukehren, würde er sich bestimmt für die zweite Lösung entscheiden, sagt Simone. „Der richtige Gipfel ist die Tür meiner Wohnung.“


Bergführer und Pilot

Rettungsflüge im Himalaya

Der 43-Jährige will nicht ewig auf Expedition gehen: „Bis 50 kann ich noch ein guter Bergsteiger sein.“ Als Bergführer und Hubschrauberpilot sieht Moro seine Zukunft als Bergretter im Himalaya. Gerade ist Simone aus Nepal zurückgekehrt, wo er seine vier ersten Helikopter-Rettungseinsätze bis zu einer Höhe von 7000 Metern geflogen ist. „Ich habe damit begonnen, das neue Leben des Simone Moro vorzubereiten“, sagt der Bergsteiger mit dem großen Herz.

Interview mit Höhenbergsteiger Simone Moro

P.S. Dass Rettungsflüge im Himalaya riskant sind, zeigte sich am vergangenen Wochenende. In der Nähe des Sechstausenders Ama Dablam im Everest-Gebiet zerschellte ein Hubschrauber des Rettungsunternehmens Fishtail Air (für das übrigens auch Simone Moro kürzlich geflogen war). Der Pilot Sabin Basnet und sein Bordingenieur, beide aus Nepal, kamen bei dem Absturz ums Leben. Im vergangenen Frühjahr war Basnet an einer spektakulären Hubschrauber-Rettungsaktion an der Annapurna beteiligt gewesen.

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