Ericsson – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Gute Zeit https://blogs.dw.com/abenteuersport/gute-zeit/ Fri, 25 Feb 2011 13:13:05 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport2/2011/02/25/gute-zeit/ Sie trägt die Vier mit einem Lächeln im Gesicht. Im vergangenen Dezember feierte Gerlinde Kaltenbrunner ihren 40. Geburtstag. „Es war schon so, dass ich einmal alles habe Revue passieren lassen“, gesteht Gerlinde (unser Gespräch könnt ihr unten nachhören). „Aber ich bin nicht in eine Krise gerutscht. Ich spüre vielmehr, dass jetzt für mich eine richtig gute Zeit angebrochen ist.“


„Miss Oh muss vor sich selber geradestehen“

Gerlinde wirkt locker, fast ein wenig befreit. Endlich ist das Gerede über den Wettlauf der Frauen um die Achttausender-Krone ad acta gelegt. Ob nun der Südkoreanerin Oh Eun Sun die Ehre gebührt oder der Spanierin Edurne Pasaban, Gerlinde kann es egal sein. „Ich war erleichtert“, sagt die Österreicherin, die mit ihrem Mann Ralf Dujmovits in Bühl am Schwarzwald lebt. „Ich habe immer versucht, den Druck von mir fernzuhalten. Irgendwann habe ich gemerkt, ich mache das nur für mich selber, und was geschrieben und gesagt wird, sollte mir eigentlich egal sein. Das war nicht immer ganz leicht.“ Natürlich verfolgt auch Gerlinde die nicht verstummenden Diskussionen darüber, ob Miss Oh 2009 wirklich den Gipfel des Kangchendzönga erreicht hat. Das sei aber nicht ihr Problem, meint Gerlinde, sondern das der Koreanerin. „Sie muss mit dem, was sie nach außen trägt, zurechtkommen und letztendlich vor sich geradestehen. Ich steigere mich da nicht rein. Ich würde niemals ein Urteil abgeben, ob ja oder nein.“

Im Traum Begegnung mit dem abgestürzten Freund

2010 war ein hartes Jahr für Gerlinde. Am K 2 musste sie auf etwa 8000 Metern hilflos mit ansehen, wie der Schwede Fredrik Ericsson, mit dem sie morgens aufgebrochen war, an ihr vorbei in den Tod stürzte. „Ich war völlig gelähmt, konnte gar nicht reagieren. Im ersten Moment habe ich einfach nur funktioniert. Ich wusste, ich muss jetzt schauen, dass ich selbst gut herunterkomme. Ich darf keine Fehler machen.“


Fredrik Ericsson, 1975-2010

Erst hinterher habe sie begonnen, das Drama zu verarbeiten. „Das Bild des abstürzenden Freundes habe ich sehr lange mit mir herumgetragen.“ Erst hatte sie es meist tagsüber vor Augen. Später träumte sie davon, zuletzt „auf eine andere Weise, eher in Form von Zwiegesprächen mit Frederik.“ Ans Aufhören dachte Gerlinde nie. „Das wäre nie und nimmer in Frederiks Sinne. Er hat ausgelebt, was er am allerliebsten tat. Er hat versucht, seine Träume zu verwirklichen. Und das mache ich auch.“

Andere Seite des K 2 kennenlernen

Langsam aber sicher tastet sich Gerlinde gedanklich wieder an den K 2 heran, den letzten Achttausender, der noch in ihrer Sammlung fehlt. Dreimal versuchte sie sich an ihm, dreimal kehrte sie mit leeren Händen zurück, im vergangenen Sommer sogar mit dem schrecklichen Erlebnis im Gepäck. „Ich hatte monatelang überhaupt kein Gefühl, ob ich noch einmal zum K 2 zurückkehren sollte oder nicht. Aber jetzt spüre ich, dass es mich wieder hinzieht.“


Gerlinde im Biwakzelt am K 2

Es geht ihr jedoch nicht darum, irgendwie den Gipfel zu erreichen, nur um den „König der Achttausender“ abzuhaken und die Sammlung zu vervollständigen. „Ich würde gerne eine andere Seite des K 2 kennenlernen, auch wenn sie schwieriger ist und die Chance nicht so groß, dass ich es schaffe.“ Ihren Optimismus hat Gerlinde nicht verloren. „Irgendwann wird der K 2 mich herauflassen. Ob es aber jetzt im Sommer sein wird, in zwei oder drei Jahren, das weiß ich nicht.“ Sie lässt es auf sich zukommen, mit der Gelassenheit einer 40-Jährigen, die niemandem mehr etwas beweisen muss.

Interview mit Höhenbergsteigerin Gerlinde Kaltenbrunner

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K 2: „Leichtsinnsfehler“ mit tödlicher Folge https://blogs.dw.com/abenteuersport/k-2-%e2%80%9eleichtsinnsfehler%e2%80%9c-mit-todlicher-folge/ Sat, 07 Aug 2010 14:58:04 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport2/2010/08/07/k-2-%e2%80%9eleichtsinnsfehler%e2%80%9c-mit-todlicher-folge/ Meine Gedanken sind bei Gerlinde. Was geht jetzt wohl in ihr vor? Zweimal innerhalb von drei Jahren musste die 39 Jahre alte Österreicherin miterleben, wie in unmittelbarer Nähe befreundete Bergsteiger tödlich verunglückten. 2007 am Dhaulagiri geriet sie selbst in eine Lawine, konnte sich aber aus den Schneemassen befreien. Die Spanier Santiago Sagaste und Ricardo Valencia hatten weniger Glück und kamen ums Leben. Und jetzt am K 2 wieder so ein Schockerlebnis: Vor Gerlindes Augen stürzte der Schwede Fredrik Ericsson, mit dem sie zu einem Gipfelversuch aufgebrochen war, an ihr vorbei rund 1000 Meter tief in den Tod.


Gedenkstelle für die Opfer des K 2: Ericsson war das 79.

Gerlinde erholt sich im Basislager vom Schock

Gerlinde kam mit einem tief sitzenden Schrecken davon. Am gestrigen Abend erreichte sie wohlbehalten den Wandfuß, ihr Ehemann Ralf holte sie dort ab. Jetzt erholt sie sich im Basislager von dem Schock. In einem Interview per Satellitentelefon sagte Ralf, der Unfall gehe Gerlinde sehr, sehr nahe: „Den Tod eines guten Bekannten zu verkraften, den sie aus nächster Nähe hat abstürzen sehen, dafür wird sie noch lange brauchen.“ Laut Ralf war ein „Leichtsinnsfehler“ Fredriks der Grund für seinen Absturz. Beim Einschlagen eines Hakens habe sich der 35-Jährige zu wenig darauf konzentriert, fest zu stehen. Er sei abgerutscht und habe sich nicht mehr halten können.

Berg selten schuld

Ralf und Gerlinde, die Jahr für Jahr an den höchsten Bergen der Welt unterwegs sind, mussten immer wieder erleben, wie Freunde, Weggefährten und Bekannte aus der Extrembergsteiger-Szene ums Leben kamen. Die meisten Todesfälle seien dabei jedoch auf Fehler der Bergsteiger zurückzuführen gewesen, sagte mir Ralf einmal, als er auf über zwei Jahrzehnte Expeditionen zurückblickte. Der Berg sei in den seltensten Fällen schuld gewesen.

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Tödlicher Absturz am K 2 https://blogs.dw.com/abenteuersport/todlicher-absturz-am-k-2/ Fri, 06 Aug 2010 16:14:05 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport2/2010/08/06/todlicher-absturz-am-k-2/ Schock für Gerlinde: Vor ihren Augen ist der schwedische Extrembergsteiger und –skifahrer Fredrik Ericsson tödlich abgestürzt. Ralf berichtet aus dem K-2-Basislager, dass Gerlinde mit Fredrik und dessen Freund Trey Cook aus den USA in der vergangenen Nacht vom obersten Lager auf rund 8000 Metern aus Richtung Gipfel aufgestiegen sei. Zu dieser Zeit habe es starken Wind und schlechte Sicht gegeben. Die Wetterprognose sei jedoch günstig gewesen. Trey Cook sei vor der Schlüsselstelle, dem lawinengefährdeten „Flaschenhals“, umgekehrt. Eine Stunde später dann das Drama. Gerlinde habe sich, so Ralf, „mit Entsetzen gemeldet: Fredrik sei an ihr vorbei gestürzt und sie steige sofort ab, um nach ihm zu schauen. Kurze Zeit später meldet sie sich wieder, dass sie nur einen der beiden Skier, die Fredrik mit sich trug, gefunden hätte.“ Gerlinde vermute, dass der Schwede, der im tiefen Schnee unangeseilt vorstieg, einen Haken in einen Fels habe schlagen wollen und dabei weggerutscht sei.


Fredrik Ericsson stürzte am K 2 tödlich ab

Vater lehnte risikoreiche Bergung ab

Gerlinde stieg zum obersten Lager ab, zwei italienische Bergsteiger kamen ihr entgegen und kehrten mit ihr gemeinsam um. Der russischer Bergsteiger Yura Ermachek, der weiter abgestiegen war, konnte die Bergflanke einsehen, in die Fredrik Ericsson gestürzt war. Auf etwa 7600 Metern erkannte er den reglosen Körper des Schweden. Es wäre mit „extremen Risiken wie Schneebrettgefahr und Eisschlag“ verbunden gewesen, die Stelle zu erreichen, schreibt Ralf. „Beim Gespräch mit Fredriks Vater meinte dieser, keine weiteren Gefahren oder Risiken für andere in Kauf zu nehmen und Fredrik an dieser Stelle mit Blick zu seinen Lieblingsbergen, der Chogolisa und dem Laila-Peak, liegen zu lassen.“

“Leistungsstärkster Bergsteiger“

Fredrik Ericsson hatte die drei höchsten Berge der Erde, den Mount Everest, den K 2 und den Kangchendzönga mit Skiern abfahren wollen. Von den Achttausendern Shishapangma (2004) und Gasherbrum II (2005) war dem 35-Jährigen das zuvor bereits gelungen. „Fredrik Ericsson war hier im Basislager wahrscheinlich der leistungsstärkste Bergsteiger und bei uns allen äußerst beliebt“, charakterisiert Ralf den Schweden. „Wie kein anderer hat er jederzeit freundliche, gute Laune verbreitet, war immer optimistisch und hat uns mit seiner Leidenschaft für das Bergsteigen und das Steilwand-Skifahren angesteckt und begeistert.“


Und wieder steigt Gerlinde ab

Große Steinschlaggefahr

Ralf war bereits am Vortag ins Basislager zurückgekehrt. Die permanente Steinschlaggefahr war ihm zu groß. „Irgendwann auf ca. 7500 Metern, als ich voraus steigend wieder einen fußballgroßen Stein durch leichtes Berühren mit den Steigeisen abgetreten hatte, war es mir persönlich zu spannend und ich beschloss, für mich das Abenteuer K2 2010 zu beenden. Die Chance, einen Stein auszulösen, der einen der Kollegen verletzt oder selbst einen Stein abzubekommen, hatte ich noch bei keiner anderen Bergtour so hoch eingeschätzt.“
Gerlinde wurde bei ihrem weiteren Abstieg Richtung Basislager immer wieder von herabstürzenden Steinen bedroht. Auch sie dürfte nach dem tragischen Geschehen des heutigen Tages für dieses Jahr einen Schlussstich unter das Unternehmen K 2 ziehen. Immerhin hat sie – im Gegensatz zu Fredrik Ericsson – überlebt.

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