Expedition 2016 – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Nives Meroi: „Die Arroganz des kommerziellen Bergsteigens“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/nives-meroi-die-arroganz-des-kommerziellen-bergsteigens/ Mon, 04 Jul 2016 20:55:00 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=33095 Auf dem Weg zum Makalu

Auf dem Weg zum Makalu

Ein Achttausender fehlt noch. Dann wären Nives Meroi und Romano Benet das erste Ehepaar, das alle 14 höchsten Berge der Welt gemeinsam bestiegen hat – und das ohne Flaschensauerstoff und Sherpa-Unterstützung. Am 12. Mai standen die beiden 54-Jährigen aus Italien auf dem Gipfel ihres Achttausenders Nr. 13, dem 8485 Meter hohen Makalu in Nepal.
Nives war 19 Jahre alt, als sie Romano kennenlernte. Erst wurde er ihr Seilpartner, dann auch ihr Lebenspartner. Seit 27 Jahren sind die beiden verheiratet. 1998 bestiegen sie mit dem Nanga Parbat ihren ersten Achttausender. 2003 gelang ihnen im Karakorum die Trilogie aus Gasherbrum I, II und Broad Peak innerhalb von nur 20 Tagen. 2007 war Meroi die erste Italienerin, die den Mount Everest ohne Atemmaske bestieg.

Lebensbedrohliche Krankheit

Doch es gab auch Rückschläge. 2009 hatte Nives noch gute Chancen, die erste Frau auf allen Achttausendern zu werden. Am Kangchendzönga verließen Romano plötzlich auf 7500 Metern die Kräfte. Er versuchte, Nives zu überreden, alleine weiterzuklettern. Sie weigerte sich, stieg stattdessen mit ihm ab. Der Grund für Benets Schwäche war ein Schlag ins Kontor: Aplastische Anämie, eine Sonderform der Blutarmut. Zwei Knochenmark-Transplantationen waren nötig, um Romanos Leben zu retten. Sie kehrten in den Himalaya zurück. 2014 bestiegen sie den Kangchendzönga. Und jetzt den Makalu. Fünf Fragen an und fünf Antworten von Nives Meroi:

Nives, ihr habt es geschafft, den Makalu zu besteigen, euren 13. Achttausender. Wenn du ihn mit den anderen zwölf vergleichst, war es eher eine der leichteren oder der schwierigeren Besteigungen?

Technisch gesehen, war es, abgesehen von den letzten 500 bis 600 Metern hinauf zum Makalu La  (7400 Meter hoher Sattel auf dem Normalweg zum Gipfel), nicht sehr schwierig. In diesem Frühjahr waren auch die Bedingungen in der Wand gut. Das Hauptproblem war der Wind, der uns lange Zeit im Basislager hat warten lassen, und die Kälte, durch die ich mir leichte Erfrierungen an den Zehen zugezogen habe.

Nach der Besteigung des Everest 2007

Nach der Besteigung des Everest 2007

Es war euer dritter Versuch am Makalu nach einem im Herbst 2007 und einem weiteren im Winter 2007/2008. Nun habt ihr es im Frühjahr versucht und wart erfolgreich. War es das Erfolgsgeheimnis, sich für diese Jahreszeit zu entscheiden?

Im Herbst 2007 waren Romano und ich die einzige Expedition am Makalu. Bei unserer Ankunft hatte eine Wetterstörung zwei Meter Schnee auf das Basislager abgeladen. Wir spurten immer wieder aufs Neue und erreichten schließlich den Makalu-La, aber es war zu spät. Als wir versuchten, den Gipfel zu erreichen, kam der Jetstream an und zwang uns abzusteigen.
Im Winter 2007/2008 dagegen hatten wir blauen Himmel und die Bedingungen in der Wand waren außergewöhnlich gut. Doch Windböen von bis zu 100 Stundenkilometern im Basislager hielten uns davon ab aufzusteigen. Während eines Monats gab es nur zwei windstille Tage und es gelang uns, fast bis zum Makalu-La aufzusteigen. Doch am 9. Februar zerstörte eine starke Windböe unser Basislager und nahm uns alles. Ich wurde vom Boden gerissen und brach mir meinen Knöchel. Meine beiden Gefährten, Romano und Luca
(Vuerich; er starb 2010), trugen mich zwei Tage lang über den Gletscher zum Hillary-Camp, von wo aus wir per Hubschrauber gerettet wurden.
Wenn du einen Achttausender besteigen willst, brauchst du auch Wetterglück!

Makalu-Basislager

Makalu-Basislager

In diesem Frühjahr waren auch kommerzielle Expeditionen am Berg. Romano und du, ihr klettert immer ohne Flaschensauerstoff und ohne Unterstützung von Sherpas. War es schwierig, euch mit diesen Teams zu arrangieren?

Ja. Von Jahr zu Jahr müssen wir mehr Energie im Basislager darauf verschwenden, uns vor dem anmaßenden Verhalten und der Arroganz des kommerziellen Bergsteigens zu schützen.

In deinem Buch “Ich werde dich nicht warten lassen”, das kürzlich auf Deutsch erschienen ist, beschreibst du Romanos Krankheit, Aplastische Anämie, als den „15 Achttausender“, den ihr bestiegen habt. Wie hat diese Erfahrung deine und Romanos Einstellung verändert?

Nach einer ersten Zeit, in der Romano sich darüber ereifert hat, dass die Krankheit ihm Jahre gestohlen hat, sieht er das Ganze nun leidenschaftsloser. Ich bin vielleicht ängstlicher geworden, die Erinnerung an die Krankheit macht mir immer noch Angst.

Nives und Romano 2009 am Kangchendzönga)

Nives und Romano 2009 am Kangchendzönga

Jetzt fehlt nur noch die Annapurna in eurer Achttausender-Sammlung. Legt man die Todesrate zu Grunde, ist es der gefährlichste Achttauender. Wie beurteilst du die Schwierigkeit dieser Besteigung, und wann wollt ihr sie versuchen?

Wir machen lieber keine Pläne. Wir werden sehen, ob wir eine Chance dazu erhalten, physisch und auch wirtschaftlich. Es wäre dann unser dritter Anlauf. Beim ersten Mal, 2006, versuchten wir es von Norden aus, beim zweiten Mal, 2009, von Süden aus. Beide Male brachen wir die Aufstiege ab, weil die Bedingungen zu gefährlich waren. Romano und ich sind Experten in der „Kunst der Flucht ohne Scham“. Und sollten wir wieder dorthin zurückkehren, werden wir es erneut auf diese Weise angehen.

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Zu jung für Todesgefahr https://blogs.dw.com/abenteuersport/zu-jung-fuer-todesgefahr/ Thu, 06 Aug 2015 13:30:09 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=30253 Tyler Armstrong (2013 am Aconcagua)

Tyler Armstrong (2013 am Aconcagua)

Tyler Armstrong will den Rekord. Oder sind es vielleicht doch eher seine Eltern, die es wollen? Oder alle drei? Wie auch immer, die Familie des elfjährigen (!) US-Amerikaners hat angekündigt, dass Tyler im nächsten Frühjahr versuchen werde, den Mount Everest zu besteigen. Verrückt! Dann wäre Tyler zwölf Jahre und vier Monate alt, anderthalb Jahre jünger als sein Landsmann Jordan Romero, der 2010 den Everest von Tibet aus bestieg und seitdem als jüngster Besteiger des höchsten Bergs der Erde geführt wird.

Tränen im Hochlager

Jordan Romero (2010)

Jordan Romero (2010)

Schon damals gab es – wie ich finde, absolut notwendig – eine Debatte darüber, ob es verantwortbar ist, dass ein so junger Mensch auf den Everest steigt und dabei sein Leben riskiert, womöglich noch angetrieben von überehrgeizigen Eltern. Ein Bergsteiger, der 2010 auch am Everest unterwegs war, erzählte mir, dass Jordan im Zelt auf 7000 Metern Höhe bitterlich geweint habe und seine Eltern ohne Unterlass auf ihn eingeredet hätten. Später wiederholte Romero gebetsmühlenartig, es sei sein eigener Wunsch gewesen, den Everest zu besteigen.

Butterweiche Regel

Everest-Nordseite

Everest-Nordseite

Als Reaktion auf die weltweite Kritik am Aufstieg des Teenagers verkündete die China Tibet Mountaineering Association im Sommer 2010, dass sie künftig nur noch Everest-Permits für Bergsteiger ausstellen werde, die älter als 18 Jahre sind. Allzu lange wurde die Regel jedoch nicht eingehalten. 2014 bestieg die Inderin Malavath Poorna von Tibet aus den Everest. Mit 13 Jahren und elf Monaten war sie nur einen Monat älter als Romero und wurde so die jüngste Frau oder eher das jüngste Mädchen, das jemals auf dem Dach der Welt stand.

Wenn Tyler Armstrong sich im nächsten Frühjahr wirklich auf den Weg zum Everest machen sollte, wird er – wenn überhaupt – wohl auch nur auf der tibetischen Nordseite eine Chance erhalten. In Nepal gilt nach den Regeln für Expeditionen, die seit 2002 unverändert Bestand haben, ein Mindestalter von 16 Jahren.

Temba Tsheri: „Zu wenig Erfahrung“

Temba Tsheri Sherpa

Temba Tsheri Sherpa

So alt, nämlich 16 Jahre, war im Mai 2001 Temba Tsheri Sherpa, als er von Süden aus als damals jüngster Bergsteiger aller Zeiten zum Gipfel des Everest aufstieg. „Ich denke, ich hatte damals nicht genug Erfahrung. Das war mein erster Versuch überhaupt an einem Achttausender“, sagt mir der 30-Jährige im Rückblick selbstkritisch. „Ich hätte eigentlich vorher mehr Bergerfahrung sammeln müssen.“ Auf meine Frage, ob er sein eigenes Kind so früh auf den Everest steigen lassen würde, antwortet Temba Tsheri: „Vielleicht nicht.“

Der Sherpa war immerhin ein Jugendlicher, als er den Everest bestieg. Tyler Armstrong wäre dagegen als Zwölfjähriger immer noch ein Kind. Als solches verspricht ihm die UN-Kinderrechtskonvention „wegen seiner mangelnden körperlichen und geistigen Reife“ besonderen Schutz und besondere Fürsorge. „Wenn man die Gefahr als Kriterium nimmt, müsste Tylers Aufstieg verboten werden. Denn sein Leben ist am Everest gefährdet”, findet Temba Tsheri.

Ausnahme-Permits

Tylers Eltern scheinen sich nicht um die Gesundheit ihren Filius‘ zu sorgen. Armstrong bestieg 2012 schon als Achtjähriger den Kilimandscharo, den mit 5895 Metern höchsten Berg Afrikas, ausgestattet mit einem „Special Permit“, weil die Altersgrenze dort eigentlich bei zehn Jahren liegt. Auch am 6962 Meter hohen Aconcagua, dem höchsten Berg Südamerikas, erwirkten die Eltern eine Ausnahme vom Alterslimit 14 Jahre. Ende 2013 wurde Tyler der jüngste Aconcagua-Besteiger aller Zeiten: mit neun Jahren. Und jetzt auf den Everest? Wenn das so weiter geht, wird bestimmt demnächst im Basislager eine Kindertagesstätte aus der Taufe gehoben, für die ganz jungen Gipfelaspiranten. Direkt neben dem Seniorenzentrum, für die Ü80er, die sich den Altersrekord schnappen wollen.

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