Garmisch-Partenkirchen – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Oben abgekommen https://blogs.dw.com/abenteuersport/oben-abgekommen/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/oben-abgekommen/#comments Thu, 20 Sep 2012 16:33:53 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=17011

Am Ende einer langen Reise

Der Stein von der tiefsten Stelle Deutschlands liegt jetzt auf der höchsten. Heute um 13.30 Uhr habe ich ihn am 2962 Meter hohen Gipfel der Zugspitze abgelegt – nachdem ich ihn ausschließlich mit fairen Mitteln, mit dem Fahrrad oder zu Fuß, quer durch Deutschland dorthin gebracht habe. Die Zugspitze hat  es uns nicht gerade leicht gemacht.

Reif für den Trockenraum

Regenwolken im Oberreintal

Als wir am Mittwoch vom Skisprung-Stadion Garmisch-Partenkirchen aufbrechen, gießt es in Strömen. Noch nie habe ich in der Partnachklamm so viel Wasser von den Felswänden rieseln sehen. Die erste unfreiwillige Dusche für mich und meine Begleiter. Das sind mein Sohn Jan und seine Freunde Felix und Justus. Als wir den weiten Weg ins Reintal hinein wandern, lässt der Regen vorübergehend ein wenig nach, doch es nieselt beständig weiter. Trotz wetterfester Bekleidung arbeitet sich die Nässe langsam nach innen durch. Als wir nach vierstündigem Aufstieg die Reintalangerhütte auf 1369 Metern erreichen, werden wir dort mit den Worten empfangen: „Ihr seht aus, als solltet ihr erst einmal in den Trockenraum gehen.“ Dort lassen wir die nassen Klamotten und Wanderschuhe zurück.

Ochsenblut

Matratzenlager

Das Matratzenlager in der 100 Jahre alten, urigen Hütte ist kaum belegt. Wir können uns ausbreiten. Außer uns übernachten hier noch etwa ein Dutzend Wanderer. Am Abend bestellen zwei Mainzer nach dem Essen „Ochsenblut“. Weder das Hüttenpersonal noch die anderen Gäste haben davon jemals gehört. “Das ist Rotwein mit Cola“, klären uns die beiden auf. Ein kollektiver Aufschrei des Abscheus hallt durch die Gaststube. „Das schmeckt wirklich gut“, beharren die Mainzer, die aber niemanden dazu bewegen können, davon zu kosten. Wir ziehen uns früh ins Lager zurück, um am Gipfeltag ausgeschlafen zu sein. Zwei Stunden später unterbrechen die Mainzer unsere Ruhe, indem sie die Beleuchtung einschalten und belustigt feststellen: „Ach, guck mal, da schlafen ja noch andere.“ Wieder einmal bestätigt sich eine alte Hüttenregel: Wenn du im Matratzenlager gut schlafen willst, musst du am meisten trinken und als letzter kommen.

Volle Konzentration

Gratwanderung

Um 6.30 Uhr werden wir mit einem schönen, auf einem Akkordeon gespielten Walzer und einem anschließenden Weckruf aus dem Schlaf geholt. Das hat Tradition in der Reintalangerhütte. Eine gute Stunde später treten wir ins Freie. Kaum zu glauben, aber der Himmel ist fast wolkenlos. Nach dem gestrigen Dauerregen hätten wir das kaum für möglich gehalten. Petrus meint es offenbar gut mit uns. 1600 Höhenmeter trennen uns noch vom Gipfel. Wir gewinnen an Höhe. Auf dem Zugspitzplatt sind fünf bis zehn Zentimeter Neuschnee gefallen. Wir steigen auf einem weißen Teppich auf. Bald erscheint der Gipfel zum Greifen nah, doch noch wartet ein mit Drahtseilen gesicherter Steig auf uns. Und der hat es in sich. Die Sonne hat nämlich inzwischen dafür gesorgt, dass der Neuschnee zu schmelzen begonnen hat. Kleine Bäche ergießen sich über die Felsen. An anderen Stellen liegt noch Schneematsch auf den Tritten. Unsere ganze Konzentration ist gefordert. Ein Ausrutscher könnte fatale Folgen haben. Wir nehmen auch diese letzte Hürde und stehen plötzlich auf der Metalltreppe, die zum Zugspitzhaus führt. Ein fast absurdes Ende einer Bergtour.

Seid fair zum Berg!

Platz mit Aussicht

Dort oben tummeln sich wegen der heute fast perfekten Fernsicht von bis zu 150 Kilometern mehrere hundert Touristen. Fast alle sind mit Seil- oder Zahnradbahn auf Deutschlands höchsten Berg gekommen. Auf den eigentlich höchsten Punkt traut sich kaum jemand, weil die Stelle recht ausgesetzt ist. So stehen wir wenig später alleine unter dem vergoldeten Gipfelkreuz. Ich ziehe den den Stein aus der Tasche, der vor anderthalb Wochen noch an der tiefsten Stelle Deutschlands in Neuenfeld-Sachsenbande nahe Itzehoe gelegen hat. Ich suche einen schönen Platz für ihn aus, mit einem beeindruckenden Panorama rundherum – sieht man vom Zugspitzhaus und seiner Besucherterrasse ab.

Damit endet meine Aktion „Fair zum Berg“. Mein Anliegen aber bleibt bestehen: Seid bitte fair zu den Bergen! Tretet ihnen mit Respekt und Demut gegenüber! Und tut etwas für den Klimaschutz!

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Servus vom Fuß der Zugspitze https://blogs.dw.com/abenteuersport/servus-vom-fus-der-zugspitze/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/servus-vom-fus-der-zugspitze/#comments Tue, 18 Sep 2012 20:13:51 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=16991

Angekommen

Ich bin’s, der Stein von der tiefsten Stelle Deutschlands. In einem dunklen Winkel einer Satteltasche bin ich quer durch Deutschland geradelt worden. 71 Stunden und 16 Minuten reine Fahrzeit liegen hinter mir, in denen ich manchmal ganz schön durchgeschüttelt wurde. Einmal waren wir 46,81 Stundenkilometer schnell. Gott sei Dank haben wir Steine keinen Magen, sonst wäre mir sicher schlecht geworden. Steht ihr auf Statistik? Na dann.

 

Bis auf 869 Meter

Sie wäre gerne mitgekommen

Stefan ist in den vergangenen zehn Tagen 1113 Kilometer weit gefahren, im Schnitt 15,6 Stundenkilometer schnell. Den höchsten Punkt passierten wir heute: den Ettaler Sattel, 869 Meter über dem Meeresspiegel, also 873 Meter höher als mein Heimatort Neuendorf-Sachsenbande nahe Itzehoe. Wie viele Höhenmeter mein Spediteur und ich insgesamt zurückgelegt haben, kann ich euch leider nicht sagen. Stefan ist technisch nicht immer auf dem allerneuesten Stand. Seinen Drahtesel hat er auf einem Gebrauchtmarkt erstanden, die Satteltaschen sind dreißig Jahre alt und undicht. Ein hoffnungsloser Fall von einem Romantiker eben.

Gesellschaft bekommen

Andreas kurz vor Oberammergau

Geflucht hat er aber nicht zu wenig bei unserer Deutschland-Tour. Vor allem wenn es Stefan wieder einmal irgendwo zwickte, ob in den Waden, im Knie oder sonst wo. Oder wenn ein Anstieg so steil war, dass er absteigen musste. Er ist halt nicht mehr der Jüngste. Die heutige letzte Etappe war mit 97 Kilometern vergleichsweise kurz. Die Sonne schien von einem wolkenlosen Himmel. Etwa auf halber Strecke, an der Echelsbacher Brücke, erhielten wir Gesellschaft. Andreas, ein sehr guter Freund Stefans seit der Schulzeit, stieß dazu. Er macht derzeit Urlaub im Allgäu und begleitete uns heute mit dem Fahrrad bis nach Garmisch-Partenkirchen. Das hat meinem Spediteur richtig gut getan. Er vergaß fast die Zeit, fluchte deutlich weniger und erreichte das Ziel schneller als gedacht. Auf dem Campingplatz in Grainau warteten bereits Stefans Sohn Jan und dessen Freunde Felix und Justus. Die drei wollen mit Stefan und mir auf den Gipfel der Zugspitze.

Morgen auf die Reintalangerhütte

Stefan hat mich nach der Ankunft ausgepackt, um mich den anderen vorzustellen. Bei der Gelegenheit konnte ich einen kurzen Blick auf die Zugspitze werfen. Schöner Berg – bis auf die Seilbahnstützen. Aber die Aussicht von oben ist sicher grandios. Ich kann mir gut vorstellen, dort bald herumzuliegen. Morgen ziehe ich um, von der Satteltasche in Stefans Rucksack. Die Wettervorhersage ist nicht so toll. Es soll regnen. Mir egal, ich habe es ja trocken. Die vier Bergsteiger wollen bis zur Reintalangerhütte aufsteigen, dort übernachten und dann am Donnerstag – hoffentlich bei besserem Wetter – versuchen, den Gipfel der Zugspitze zu erreichen. Ich bin ganz schön aufgeregt. Keine alltägliche Reise für einen Stein aus dem hohen Norden.

P.S. Wahrscheinlich wird es im Reintal nicht möglich sein, eine Internetverbindung zu bekommen. Ihr müsst euch also voraussichtlich bis Donnerstag gedulden.

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X-Beine aus Stahl https://blogs.dw.com/abenteuersport/x-beine-aus-stahl/ Wed, 07 Jul 2010 11:41:01 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport2/2010/07/07/x-beine-aus-stahl/ Der Rummelplatz Alpen lockt seit dem Wochenende mit einer neuen Attraktion: Wer 22 Euro für die Fahrt von Garmisch-Partenkirchen aus mit der Alpspitzbahn hinauf zum rund 2000 Meter hohen Osterfelderkopf berappt, erwirbt damit auch das Recht auf ein bisschen Nervenkitzel – und das, ohne dafür auch nur einen Tropfen Schweiß vergießen zu müssen. „AlpspiX“ hat der Betreiber, die Zugspitzbahn, die spektakuläre Aussichtsplattform zu Füßen der Alpspitze getauft. Das X ist nicht umsonst groß geschrieben: Zwei sich überkreuzende Stahlträger ragen 13 Meter über den Abgrund hinaus. Vorne auf einem dieser X-Beine aus Metall fällt der Blick 1000 Meter tief ins Höllental. Ein Hauch von Grand Canyon.

Adrenalinkick auf Oktoberfest-Niveau

Das Betreten der Plattform bringe „das Blut in Wallung und verspricht eine Extraportion Adrenalin“, schreibt die Zugspitzbahn auf ihrer Internetseite. „Diesen Adrenalinkick kriege ich auch, wenn ich aufs Oktoberfest gehe“, sagt Extrembergsteiger Stefan Glowacz. „Das ist eine hilflose Begründung.“ Am Tag der Eröffnung der AlpspiX hat der 45-Jährige mit einer Protestaktion im Stile von Greenpeace für Aufsehen gesorgt: Glowacz klinkte mit Karabiner und Seil ein Hängebiwak unten an den Stahlträgern ein. Von dort aus wehte ein Banner mit der Aufschrift „Unsere Berge brauchen keine Geschmacksverstärker“. Der Abenteurer stand auf seinem Hängebiwak und suchte die Diskussion mit den ersten AlpspiX-Besuchern.


Luftiger Protest

Immer wieder, erzählt mir Glowacz am Telefon (das Interview könnt ihr unten nachhören), hätten ihn die Menschen auf der Plattform aufgefordert, doch so tolerant zu sein, auch ihnen das zu gönnen, was er auf seinen Expeditionen jederzeit haben könne. „Wenn das die Argumentation ist, werden wir bald die Alpen komplett für Rollstuhlfahrer und Kinderwagenschieber erschließen“, entgegnete Glowacz.

Wie auf dem Rummelplatz

Das ist vielleicht ein wenig überspitzt formuliert, aber mehr als bloß Schwarzmalerei. In den vergangenen Jahren sind in den Alpen bereits einige sogenannte „Skywalks“ wie die AlpspiX gebaut worden, vor allem in Österreich: am Dachstein, im Rofangebirge, im Ötztal. Und es bleibt nicht nur bei Aussichtsplattformen. Momentan sind bei den Planern des kalkulierten Adrenalin-Ausstoßes „Flying Foxes“ in: Lange Seilrutschen, an denen die „Mutigen“ mit hoher Geschwindigkeit Richtung Tal sausen. Wie auf dem Rummelplatz. Auch an der AlpspiX war ursprünglich ein derartiges Fahrgeschäft vorgesehen, wurde dann aber nicht realisiert – noch nicht.

Fast-Food-Naturerlebnis

Von der neuen Aussichtsplattform erhofft sich die Zugspitzbahn 30 Prozent mehr Fahrgäste. „Das finde ich sehr sportlich“, sagt Stefan Glowacz. „Aber was kommt denn danach, wenn die Zahlen nicht erreicht werden?“


Nachdenklicher Stefan Glowacz

Der Extrembergsteiger glaubt, dass mit Projekten wie der AlpspiX eine gefährliche Entwicklung losgetreten wird. Die Plattformen würden nicht mehr zurückgebaut: „Diejenigen, die das entschieden haben, liegen schon längst in der Kiste und das Ding steht immer noch da oben.“ Ein nachhaltiges, langfristiges Konzept fehle sowohl den Gemeinden als auch den Bergbahnen. „Das hier ist ein Fast-Food-Naturerlebnis, was eigentlich dem Bergerlebnis überhaupt nicht nahe kommt.“ Der wesentliche Reiz liege doch darin, „dass man auch selbst hinaufsteigen muss, dass man sich ein Ziel setzt und sich die Frage stellt, bin ich überhaupt in der Lage dort hinaufzuklettern“.

ZugspiX

Vor ein paar Jahren bestieg ich die Zugspitze von Garmisch-Partenkirchen aus über das Reintal. Es war eine zunächst wunderschöne, einsame Tour: durch die Partnachklamm, vorbei an der „Blauen Gumpe“, einem wildromantischen kleinen Bergsee. Ich übernachtete auf der Reintalangerhütte, die damals noch vom legendären Hüttenwirt Charly Wehrle geleitet wurde. Am nächsten Tag stieg ich weiter auf, über das Zugspitzplatt, dann über einen kleinen Klettersteig dem höchsten Punkt entgegen. Die Tour endete reichlich frustrierend: an der Tür der Bergstation. Das war gewissermaßen mein „ZugspiX“-Erlebnis. Daran musste ich zurückdenken, als Stefan Glowacz sagte: „Wir müssen aufstehen, wir müssen Flagge zeigen.“

Interview mit Stefan Glowacz über die Plattform Alpspix

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