Hans Kammerlander – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Kammerlander: Frieden mit Manaslu https://blogs.dw.com/abenteuersport/kammerlander-frieden-mit-manaslu/ Tue, 14 Nov 2017 16:32:37 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=38547

Hans Kammerlander am Manaslu (© Stephan Keck)

Das war’s. Hans Kammerlander schließt das Buch Manaslu. „Ich hatte eine schöne, sehr gute Zeit hier an diesem Berg. Das war es allemal wert“, sagte der 60 Jahre alte Südtiroler, nachdem er und sein Nordtiroler Seilpartner Stephan Keck am Wochenende entschieden hatten, ihre Spätherbst-Expedition zum achthöchsten Berg der Erde (8163 Meter) abzubrechen. „Ich habe meinen Frieden mit dem Manaslu gemacht. Vor allem bin ich dieses Stück Weg zu Ende gegangen. Das hatte ich mir vorgenommen. Es ging eigentlich nie um den Gipfel an sich. Der wäre allenfalls ein Höhepunkt gewesen.“

Hohe Lawinengefahr

Oberhalb von Lager 1 (© Stephan Keck)

Die beiden Bergsteiger waren am Samstag auf ihrem Weg bis zum geplanten Lager 2 auf 6600 Metern laut Keck „bis zu den Achseln im Pulverschnee“ versunken: „Wie mühselig, langsam und deshalb auch gefährlich ein Vorankommen unter diesen Umständen ist, muss ich wohl niemandem erklären.“ Wegen der Schneemassen und der daraus resultierenden Lawinengefahr zogen sie die Notbremse. „Wenn wir es versucht hätten, wäre das russisches Roulette gewesen und hätte uns womöglich alle das Leben gekostet“, sagte Kammerlander.

Traumabewältigung

Dass es dem 60-Jährigen nicht primär um den Gipfelerfolg ging, sondern in erster Linie darum, sein Manaslu-Trauma von 1991 zu bewältigen, erkannte auch sein Teampartner. Kammerlander habe die Entscheidung, die Expedition zu beenden, „recht locker“ genommen, schreibt Stephan Keck in seinem Blog: „Es wird deutlich, dass es ihm vielmehr um die Rückkehr zum Manaslu selbst ging, als darum, seinen 13. Hauptgipfel eines Achttausenders zu besteigen.“

Mit Höhen und Tiefen

Zu viel Schnee am Manaslu (© Stephan Keck)

Bei einer von Kammerlander geleiteten Expedition waren vor 26 Jahren während eines Gipfelversuchs seine beiden Freunde Friedl Mutschlechner und Karl Großrubatscher bei einem Wettersturz ums Leben gekommen. Hans hatte seinerzeit erklärt, er werde niemals mehr zum Manaslu zurückkehren. Diese Entscheidung revidierte er jetzt für die Dreharbeiten zu einem Film, der in einem Jahr in die Kinos kommen soll „ein Porträt meines Lebens, mit Höhen und Tiefen“, wie mir Kammerlander im vergangenen Frühjahr erzählt hatte.

Kein weiterer Versuch

Auch wenn ein Gipfelerfolg Kammerlanders mehr als ein Vierteljahrhundert nach der Tragödie von 1991 dem Film eine besondere Pointe verschafft hätte, dürften die Macher auch so mit beeindruckenden Bildern zurückkehren: von einem Basislager, das im Gegensatz zu einigen Wochen zuvor nicht mehr überfüllt war, von einem einsamen Manaslu im Schneekleid – und einem Protagonisten, der gesund zurückkehrt und seinen Frieden mit dem „Berg der Seele“ geschlossen hat. Einen neuen Gipfelversuch im nächsten Frühjahr werde es definitiv nicht geben, ließ Kammerlander wissen.

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Kammerlander: „Ich möchte am Manaslu meinen Weg beenden“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/kammerlander-ich-moechte-am-manaslu-meinen-weg-beenden/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/kammerlander-ich-moechte-am-manaslu-meinen-weg-beenden/#comments Wed, 14 Jun 2017 12:50:56 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=36671

Hans Kammerlander

Er will einen Schlussstrich ziehen. Der Südtiroler Hans Kammerlander will im Spätherbst in Nepal den 8163 Meter hohen Manaslu besteigen und damit sein Trauma von 1991 endgültig hinter sich lassen. Während eines Gipfelversuchs waren damals seine beiden Freunde Friedl Mutschlechner und Karl Großrubatscher bei einem Wettersturz ums Leben gekommen. Kammerlander erklärte seinerzeit, er werde niemals mehr zum Manaslu zurückkehren. In den Jahren zuvor hatte Hans an der Seite Reinhold Messners Alpingeschichte geschrieben. So gelang den beiden 1984 am Gasherbrum I und Gasherbrum II in Pakistan die erste Achttausender-Doppelüberschreitung, und das im Alpinstil.

„Kein Alpinismus“

Insgesamt bestieg Kammerlander bisher zwölf der 14 Achttausender. Vom Mount Everest fuhr er 1996 vom Gipfel mit Skiern über die tibetische Nordseite ab. Weil es eine schneearme Saison war, musste Hans mehrfach die Abfahrt unterbrechen. Heute hat er das Interesse am Everest verloren. „Ich verfolge das gar nicht mehr. Normale Everest-Besteigungen sind für mich kein Alpinismus. Sauerstoff, präparierte Berge, die Sherpas machen alles klar“, sagt mir der heute 60-Jährige. „Aber jeder soll es so machen, wie er es für richtig hält. Er soll nur keinen Müll dort oben lassen. Er soll den Berg sauber verlassen, dann ist es für mich okay.“ Ich habe mit Kammerlander über sein Manaslu-Projekt gesprochen, das er zusammen mit dem Nordtiroler Bergführer Stephan Keck realisieren will.

Hans, Manaslu heißt übersetzt „Berg der Seele“. Liegt dir der Manaslu immer noch auf der Seele?

Manaslu (l.) und Pinnacle East (r.)

Ja, natürlich. Wenn du mit solchen Schicksalsschlägen konfrontierst wurdest, wie ich am Manaslu, wo ich bei einem Versuch meine zwei damals sehr, sehr engen Freunde verloren habe, dann liegt dir so ein Berg mehr auf der Seele als einer, an dem du die größten Erfolge erzielt hast, wie der Everest oder der Nanga Parbat.

Du hast damals gesagt: Dieses Erlebnis war so traumatisch, dass ich nie mehr zum Manaslu zurückkehren will. Warum der Sinneswandel?

Ich wollte wirklich nicht mehr zurück. Ich dachte immer, das könnte nur die Wunden aufreißen. Vor einigen Jahren (2006) ist in Nepal bei einem Versuch am (7350 Meter hohen) Jasemba – wir waren zu zweit – ein sehr guter Freund von mir (Luis Brugger) beim Abseilen tödlich abgestürzt. Wir waren zu zweit. Im Jahr danach war ich wieder dort, und ich habe mit Karl Unterkircher die Begehung erfolgreich abgeschlossen. Ich habe festgestellt: Es ist besser, nach vorne zu gehen und nicht den Kopf in den Sand zu stecken und aufzuhören. Da entstand die Idee, vielleicht doch noch einmal an den Manaslu zurückzukehren, ohne Leistungsdruck, einfach ganz entspannt versuchen, auf den Berg zu gehen und damit einen Weg zu beenden. Das werden wir in diesem Jahr versuchen. Wir werden einen großen Kinofilm drehen. Er soll nicht reißerisch sein, sondern in die Tiefe gehen. Es wird ein Porträt meines Lebens, mit Höhen und Tiefen. Und der Manaslu ist das Hauptthema.

Starke Seilschaft: Kammerlander/Messner (hier 1991)

Du hast irgendwann einmal geschrieben, dass du dich jahrelang mitschuldig am Tod der beiden Freunde gefühlt hast und dir das Unglück damals auch die Fähigkeit genommen hat, dich am Berg zu freuen. Bist du in dieser Hinsicht inzwischen mir dir im Reinen?

Ja, vollkommen. Aber es ist natürlich klar: Als Expeditionsleiter fühlt du dich immer ein bisschen schuldig. Ich wollte damals Freunden die Chance geben, einen Achttausender zu besteigen, so wie Reinhold Messner es mit mir gemacht hat, als ich ein junger Bergsteiger war. Dann erreichen wir den Gipfel nicht und die beiden Topfreunde verunglücken. Obwohl du keine Schuld hast, bedrückt es dich sehr. Und doch möchte ich den Menschen jetzt sagen: Egal, was euch im Leben passiert, geht nach vorne. Wenn jemand eine Treppe herunterfällt und sich verletzt, kann er nicht ein Leben lang Treppen meiden. In diesem filmischen Porträt werden nicht nur glänzende Erfolge, sondern auch tiefe Schmerzen vorkommen, die mir im Leben sehr oft passiert sind: durch den Verlust von Freunden, durch einen schweren Autounfall, wo ich selbst die Schuld auf mich nehmen muss. Das waren ganz schwere, ungewollte Einschnitte. Das kommt in diesem Film alles auf den Tisch.

Du hast den Autounfall Ende 2013 angesprochen, bei dem ein junger Mann ums Leben kam. Du bist unter Alkoholeinfluss gefahren und wurdest als Schuldiger 2015 zu einer zweijährigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt. Kann man mit so einer Geschichte überhaupt klarkommen?

Wenn du einen Fehler machst, dann willst du ihn ja nicht machen. Dann ist er passiert, und du musst versuchen, damit zu leben. Natürlich weiß niemand auf der Welt, wie vielen Leuten ich bei Einsätzen als Bergrettungsmann das Leben gerettet habe. Und dann machst du einen Fehler, und dir wird nicht alle Schuld, aber ein Großteil der Schuld zugewiesen. Es war ungewollt, und auch damit musst du leben können. Das ist schwer. Wenn du einen Fehler gemacht hast, und es passiert etwas Dramatisches, das ist sehr, sehr, sehr hart. Weil du kein Guthaben bei der Öffentlichkeit hast. Da wirst du als bekannte Person auf diesen Fehler reduziert. Das ist sehr, sehr bitter.

Kammerlander über den Autounfall 2013

Camp 1 auf der Manaslu-Nordseite

Kommen wir auf den Manaslu zurück. Seit vergangenem Dezember bist du 60 Jahre alt. Wie bereitest du dich auf deine erste Achttausender-Expedition seit über 15 Jahren vor?

Ich bereite mich nicht besonders vor. Ich habe eine unglaubliche Routine. Ich weiß genau, was mein Körper schafft und was nicht. Diese Expedition soll ja auch mit Leistung nichts zu tun haben. Für mich persönlich soll es nur ein Weg sein, den ich gerne beenden möchte. Vielleicht gelingt es mir auch. Und ich glaube, dann bin ich innerlich  sehr ausgeglichen und kann sagen: Jetzt kannst du dich langsam zur Ruhe setzen. Jetzt hast du am Berg die großen Ziele erreicht. Das am Manaslu habe ich einfach nur abgewürgt, verschoben und mich nie mehr diesem Projekt gestellt.

Kammerlander: Keine besondere Vorbereitung auf Manaslu

Wirst du ohne Flaschensauerstoff aufsteigen?

Flaschensauerstoff kam für mich nie in Frage. Ich brauche ihn auch nicht. Den Berg traue ich mir natürlich auch zu, sonst würde ich das Projekt gar nicht erst andenken. Ich bin noch relativ fit. Und es sind schon viel Ältere auf solchen Höhen gewesen, die keine große Erfahrung hatten. Ich dagegen habe sie. Deshalb muss ich jetzt nicht wie verrückt laufen, um mich in Form zu bringen. 

Wollt ihr, wie 1991, über die Nordseite aufsteigen?

Ich würde ganz gerne in die Südwand gehen. Ich mag immer noch lieber eine steile Wand als einen ganz langen Hatscher (mühseliger Marsch), der leicht ist.

Die Südseite hätte ja auch den Vorteil, dass du den Massen, denen du am Manaslu im Herbst sicher begegnen wirst, aus dem Weg gehen könntest. Denn die sind zu 99 Prozent auf der Nordseite unterwegs.

Das hat sich wirklich sehr verändert. Damals waren wir alleine am Manaslu. Aber das ist für mich ohnehin kein Thema, weil ich erst im November aufbrechen und in den Winter hinein gehen werde. Dann ist niemand mehr da, und wir haben den Berg für uns alleine. Es wird sicher mehr Wind und mehr Kälte geben, dafür ist das Wetter wahrscheinlich beständiger. Das habe ich alles bedacht. Ich möchte nicht in so einer Masse nach oben gehen.

Die 14 Achttausender wären für dich im Erfolgsfall zum Greifen nahe. Dir fehlt ja neben dem Manaslu noch die Shishapangma, wo du „nur“ auf dem Mittel-, nicht dem Hauptgipfel warst. Wäre das für dich noch ein Thema?

Wenn ich den Gipfel des Manaslu erreiche, hätte ich für mich persönlich die 14 Achttausender voll gemacht. Denn auch der (8008 Meter hohe) Shishapangma-Mittelgipfel ist ja ein Achttausender. Damals war die Shishapangma mein Vorbereitungsgipfel für den Everest. Das habe ich echt vergeigt. Ich bin direkt auf den Mittelgipfel, habe dort ein paar Gebetsfahnen an einem Eispickel gesehen und bin nicht mehr den Grat hinüber zum wenige Meter höheren Hauptgipfel gestiegen. Aber das interessiert mich nicht, die Zahl 14 war für mich nie ein Thema. Ich hätte damals im Erfolgsfall bestenfalls der Vierte sein können, der alle 14 Achttausender bestiegen hätte. Da interessieren mich andere Geschichten mehr, wo ich etwas Neues probieren kann und mich nicht nur in einer Liste einreihen muss.

Kammerlander: 14 Achttausender sind für mich kein Thema

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Kammerlander bei Autounfall schwer verletzt https://blogs.dw.com/abenteuersport/kammerlander-bei-autounfall-schwer-verletzt/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/kammerlander-bei-autounfall-schwer-verletzt/#comments Wed, 27 Nov 2013 12:57:32 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=24417

Hans Kammerlander

Der Südtiroler Bergsteiger Hans Kammerlander ist nahe seinem Heimatdorf Sand in Taufers in einen Verkehrsunfall mit tragischem Ende verwickelt worden. Nach Medienberichten aus Südtirol verlor am Dienstagabend ein 21-Jähriger die Kontrolle über sein Auto. Das Fahrzeug streifte drei entgegenkommende Autos, ehe es frontal gegen einen von Kammerlander gesteuerten Kleinbus prallte. Der 21-Jährige starb noch an der Unfallstelle. Kammerlander und vier weitere Verletzte wurden ins Krankenhaus eingeliefert. Laut stol.it brach sich Kammerlander bei dem Unfall das rechte Bein. Der 56-Jährige habe unter Schock gestanden, hieß es. Der Kleinbus wurde völlig zerstört.

Achttausender-Doppelüberschreitung

Kammerlander hat zwölf der 14 Achttausender bestiegen, allesamt ohne Flaschensauerstoff, sieben der höchsten Gipfel zusammen mit Reinhold Messner. Mit ihm gelang Kammerlander auch 1984 die erste (und bis heute nicht wiederholte) Achttausender-Doppelüberschreitung – und das im Alpinstil, also ohne Hilfe von Sherpas, ohne Hochlager, Fixseile und Atemmaske. Die beiden stiegen im Karakorum in Pakistan zunächst auf den Gasherbrum II, auf anderer Route hinunter bis zu einem Sattel, dann direkt hinauf zum Gasherbrum I und wieder auf anderem Weg bergab. Nach acht Tagen kehrten sie ins Basislager zurück. Gute Besserung, Hans!

Update:  Nach Angaben der Ärzte brach sich Kammerlander den Schienbeinkopf des rechten Beins. Zudem zog er sich Prellungen und ein leichtes Schädelhirntrauma zu. Kammerlander wurde inzwischen am Bein operiert.

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Sherpa-Attacke ‚unter der Gürtellinie‘ https://blogs.dw.com/abenteuersport/interview-kammerlander-everest/ Fri, 10 May 2013 14:26:20 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=21565

Hans Kammerlander

Das Telefon klingelt. Am anderen Ende: „Hans Kammerlander!“ Ich hatte den Südtiroler Extrembergsteiger per Email gebeten, mir seine Gedanken zum 60-Jahr-Jubiläum der Everest-Erstbesteigung zukommen zu lassen. Das erledigt Hans nun auf direktem Wege. Der 56-Jährige hat zwölf der 14 Achttausender bestiegen, allesamt ohne Flaschensauerstoff, sieben der höchsten Gipfel zusammen mit Reinhold Messner. Mit ihm gelang Kammerlander auch 1984 die erste (und bis heute nicht wiederholte) Achttausender-Doppelüberschreitung – und das im Alpinstil, also ohne Hilfe von Sherpas, ohne Hochlager, Fixseile und Atemmaske. Die beiden stiegen im Karakorum in Pakistan zunächst auf den Gasherbrum II, auf anderer Route hinunter bis zu einem Sattel, dann direkt hinauf zum Gasherbrum I und wieder auf anderem Weg bergab. Nach acht Tagen kehrten sie ins Basislager zurück. Ein Meilenstein des Achttausender-Bergsteigens. Als Hans in den Morgenstunden des 24. Mai 1996 von der tibetischen Nordseite aus den Gipfel des Mount Everest erreichte, war er dort alleine. Anschließend fuhr er mit Skiern ab, nur an einigen schneefreien Stellen musste er die Bretter abschnallen. In unserem Gespräch geht es nicht nur um diesen Tag, sondern auch um die jüngsten Ereignisse am höchsten Berg der Erde:

Hans, was bedeutet der Mount Everest heute für dich?

Mir war der Berg als Höhenbergsteiger immer wichtig. Ich habe jahrelang von ihm geträumt, weil ich seit der Kindheit zwei Hobbys habe: Klettern und Skifahren. Dann kam plötzlich die Idee, beides am höchsten Berg der Welt zu kombinieren. Für mich ist der Everest eine außergewöhnliche Erinnerung, vor allem der Start mit Skiern oben am höchsten Punkt und die Einsamkeit. Ich bin ja ab 7000 Metern alleine aufgestiegen, ich habe den Berg richtig spüren können. Ich habe den Everest in toller Erinnerung und freue mich, dass ich das Abenteuer schon vor Jahren erlebt habe. Heutzutage wäre es nicht mehr möglich. Am Everest ist alles Tourismus geworden. Mit Alpinismus hat das Geschehen auf den Normalrouten nichts mehr zu tun. 

Hans 1991 mit Reinhold Messner

Hat der Everest für dich als Extrembergsteiger seine Faszination verloren?

Natürlich gibt es Routen am Everest, die interessant wären, wo man ganz sicher auch alleine unterwegs ist. Aber auf den normalen Aufstiegsrouten unter Hunderten von Leuten aufzusteigen, wäre für mich ein Horror. Der Berg liegt in Handschellen, in Fesseln, das ist nichts mehr. Aber das muss jeder für sich selbst entscheiden. Und wenn es zu solchen Attacken kommt wie vor kurzem gegen Ueli Steck und Simone Moro, stimmt es mich sehr, sehr nachdenklich.

Wie denkst du darüber? Ist da wirklich, wie Ueli und Simone sagen, ein Konflikt aufgebrochen, der sich seit Jahren aufgestaut hat?

Mit Sicherheit. Ich bewundere die beiden. Vor allem Ueli Steck ist ein außergewöhnlich schneller, guter Höhenbergsteiger. Es ist ja ganz klar, dass Simone Moro und Ueli Steck diese Fixseile nicht brauchen. Auch die Sherpas müssen kapieren, dass die Top-Alpinisten der Welt nicht ins Rudel hineingedrängt werden dürfen. Natürlich leisten die Sherpas eine große Arbeit am Everest. Aber sie sind auch Manager geworden, verdorben durch den Massentourismus, durch die Leute, die mit Geld um sich werfen. Die Sherpas machen ihre Arbeit für eiskaltes Geld und wollen halt nicht, dass jemand die Seile nicht benutzt. Sie haben Angst, das löst eine Kettenreaktion aus, dass der nächste sagt, ich brauche die Seile auch nicht. Wenn die Sherpas solche Top-Alpinisten attackieren, finde ich das unter der Gürtellinie. Sehr, sehr schwach. Sie müssen schon ein bisschen mitdenken.

Kammerlander: Sherpa-Attacke unter der Gürtellinie

Warst du überrascht über das Ausmaß der Gewalt?

Ja, natürlich. Das ist niveaulos. Ich weiß, dass vor allem Moro sehr sozial denkt. Er hat sehr viel für die Sherpas getan, etwa mit seiner Flugrettung. Ueli Steck auch. Und wenn Sherpas solche Leute angreifen, muss man sie in meinen Augen einfach rügen. Das ist nicht in Ordnung. 

Glaubst du, dass es möglich ist, das verloren gegangene Vertrauen wieder zurückzugewinnen?

Es wird ganz schwer sein, das zurückzudrehen, weil die Besteigungen auf diesen Routen schon seit Jahren ein Kasperltheater geworden sind. Es ist auch für das Land eine wichtige Einkommensquelle. Die Genehmigungen, die bezahlt werden. Man könnte Gesetze oder Regeln einführen, aber daran wird Nepal oder auch Tibet nicht interessiert sein. 

Wir stehen jetzt vor dem 60-Jahr-Jubiläum der Everest-Erstbesteigung. Was würdest du dem Mount Everest für die Zukunft wünschen?

Ich würde dem Berg ein bisschen mehr Ruhe wünschen – vor allem auch andere Anwärter. Da sind, angelockt durch die kommerziellen Anbieter, Leute unterwegs, für die ein Normal-Aufstieg auf den Mont Blanc vollkommen ausreichen würde, die am Everest eigentlich nichts verloren haben. Auch die Sherpas sehen, welche Leute da heraufmarschieren und präparieren dementsprechend den Berg für diese nicht geeigneten Gipfelanwärter. Ich wünsche dem Everest, dass es in Zukunft nicht mehr so krass sein wird. Dass sich die Leute wirklich schöne, einsame Ziele suchen und so viele wie möglich die Finger von diesem Trampelpfad lassen.

P.S. Nachdem er das „Seven Second Summits“-Projekt beendet hat, hat sich Hans etwas Neues ausgedacht. Er will, wie er sagt, „ganz entspannt die ‚Matterhörner’ der Welt besteigen: Dominante allein stehende Berge, die die Form des Matterhorns haben.“ Er habe sich zunächst acht dieser Berge ausgesucht, erzählt Kammerlander. „Die sind wirklich alle verblüffend ähnlich, wie Zwillingsberge.“ In den nächsten Wochen startet der Südtiroler Richtung Rocky Mountains.

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