Höhenhirnödem – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Oswald Oelz: „Bergsteiger sind nicht belehrbar“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/oswald-oelz-bergsteiger-sind-nicht-belehrbar/ Fri, 04 Nov 2016 13:22:12 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=34157 Oswald Oelz

Oswald Oelz

„Ich werde bergsteigen, bis ich tot bin“, sagt Oswald Oelz, als wir uns kürzlich beim International Mountain Summit in Brixen gegenüber sitzen. Der 73 Jahre alte gebürtige Österreicher lebt als Ruheständler in einem alten Bauerhaus im Zürcher Oberland in der Schweiz. „Ich habe eine Farm mit Schafen, Papageien, Enten, Gänsen, Hühnern. Ich schreibe, lese viel, gehe bergsteigen. Und ich reise in der Welt herum.“ Oswald, genannt „Bulle“ Oelz, bestieg 1978 den Mount Everest, mit derselben Expedition, bei der Reinhold Messner und Peter Habeler den höchsten Berg der Erde erstmals ohne Flaschensauerstoff bestiegen. Oelz gelangen Erstbegehungen in den Alpen, in Alaska, Jordanien und im Oman. Bis 2006 arbeitete er als Chefarzt am Triemlispital in Zürich. Der Professor forschte auch im Bereich Höhenmedizin.

Oswald Oelz, Sie sind Bergsteiger und Arzt, Sie haben beide Welten kennengelernt. Es gibt immer wieder Todesfälle in den hohen Bergen wegen Höhenhirn- oder -lungenödemen. Hat die Bergsteigerwelt nichts gelernt in den vergangenen Jahrzehnten?

Die Bergsteigerwelt hat insofern nichts gelernt, dass sie immer noch dort hinaufsteigt, wo der Mensch eigentlich nicht hingehört. Oberhalb einer Höhe von 5300 Metern ist der Mensch auf die Dauer nicht überlebensfähig. Trotzdem geht er dort hinauf. Das ist ein Reiz, ein Kitzel. Wenn er sich ausreichend akklimatisiert, kann er auch kürzere oder längere Zeit dort oben bleiben. Das Problem ist, dass einerseits auch wenig höhentaugliche Leute dort hinaufsteigen wollen und dass sie andererseits zu schnell zu hoch steigen. Das typische Beispiel ist der Kilimandscharo, wo man in fünf Tagen oder noch weniger auf fast 6000 Meter hinaufsteigt. Dort gibt es eine ganz hohe Todesrate. Es sterben pro Jahr – das wird von der Regierung strikt unter Verschluss gehalten – ca. zwanzig so genannte Bergsteiger.

Oelz auf dem Gipfel des Mount Everest

Oelz auf dem Gipfel des Mount Everest

Am Everest haben angeblich zwei Drittel der Gipfelaspiranten leistungssteigernde Mittel im Gepäck, die ihnen verschrieben wurden. Wer trägt die Hauptverantwortung für das Doping, die Bergsteiger selbst oder eher die Ärzte, die ihnen diese Medikamente mitgeben?

Ich habe keine Ahnung, wie viel am Everest gedopt wird. Aber ich habe keine Zweifel, dass dort ganz viel „Three D“ verwendet wird. Die Amerikaner haben diesen Ausdruck geprägt für Diamox, Dexamethason und Dexedrine. Die Bergsteiger nehmen Diamox lange Zeit, dann Dexamethason, ein Kortisonpräparat, wenn es in die Höhe geht, und schließlich, um die letzten Kräfte zu mobilisieren, Amphetamin – also jenes Gift, das schon im zweiten Weltkrieg den Stuka-Piloten gegeben wurde, um sie richtig aggressiv zu machen. In der Geschichte des Alpinismus sind viele Bergsteiger an den Folgen dieser Amphetamine gestorben, am Nanga Parbat und anderen Bergen, weil sie sich über ihre Limits gepusht haben. Das wird offenbar von Ärzten verschrieben. Andererseits ist das natürlich auch auf krummen Wegen erhältlich. Heute kann man alles bekommen, was man will, wenn man nur dafür bezahlt.

Diamox und Dexamethason sind doch eigentlich Notfallpräparate.

Das ist sicherlich auch eine Ursache des Übels. Diamox halte ich noch für das harmloseste. Wenn jemand diesen brutalen Anstieg auf den Kilimandscharo in fünf Tagen herauf und herunter macht, dann ist er ein ziemlich sicherer Kandidat für Höhenkrankheit. Das kann man zu einem guten Teil vermeiden, wenn man Diamox nimmt. Es hat wenige Nebenwirkungen. Das Bier schmeckt grausig, das ist die schlimmste Nebenwirkung. Man muss ein bisschen mehr Wasser trinken, weil es wasserausscheidend wirkt. Aber sonst empfehle ich persönlich Diamox, wenn mich jemand fragt, der auf den Kilimandscharo will und die Höhe nicht so gut verträgt.

Beim Klettern in Jordanien

Beim Klettern in Jordanien

Sie waren 1978 auf dem Mount Everest, zusammen mit Reinhard Karl (Karl war der erste Deutsche auf dem Everest, 1982 starb er in einer Eislawine am Cho Oyu). Vier Jahre später haben Sie am Cho Oyu ein Höhenhirnödem gehabt, das Ihnen fast das Leben gekostet hätte. Wie ist so etwas zu erklären? Sie mussten doch eigentlich davon ausgehen, dass Sie die Höhe gut vertragen.

So gut wie zum Beispiel Reinhold Messner habe ich die Höhe nicht vertragen, aber doch recht ordentlich, wenn ich mich akklimatisiert habe. Aber ich hatte immer diesen Zeitdruck. Ich war ja im Spital tätig. Ich wollte dann in der wenigen Zeit, die ich fürs Bergsteigen übrig hatte, so schnell wie möglich so hoch wie möglich hinaufsteigen. 1982 hatte ich ein schweres Hirnödem. 1985 am Makalu sind wir innerhalb von neun Tagen von Zürich bis in eine Höhe von 7000 Metern am Berg vorgedrungen. Da hatte ich ein lebensbedrohliches Höhenlungenödem. Ich wäre gestorben, wenn ich nicht dort zum ersten Mal eine Therapie ausprobiert hätte, die dann auch gewirkt hat. Ich nahm das Herzmedikament Nifedipin, das den erhöhten Blutdruck im Lungenkreislauf senkt, der besonders beim Höhenlungenödem entscheidend ist. Das hat mir das Leben gerettet. Ich habe anschließend die entsprechenden Studien gemacht, und wir haben zeigen können, dass man mit diesem Medikament einerseits bei Leuten, die für Höhenlungenödeme prädisponiert sind, eine Prophylaxe betreiben kann. Das ist in meinen Augen kein Doping. Und dass es andererseits, wenn jemand schon ein Höhenlungenödem hat, die Situation ganz drastisch verbessert. Inzwischen hat man herausgefunden, dass man den gleichen Effekt mit Viagra erzielen kann. Das macht in der Lunge die Gefäße auf, nicht nur weiter unten. So sinkt der erhöhte Druck im Lungenkreislauf, und den Leuten geht es besser. Das ist natürlich lustiger, als ein Herzmedikament zu nehmen.

Sie sprechen von Prophylaxe. Wird sie wirklich praktiziert?

Ich kenne solche Leute. Wir haben 1989 im „New England Journal of Medicine“, dem führenden Journal in der Medizinszene, eine Arbeit publiziert, in der wir gezeigt haben, dass Leute mit Neigung, also einer Prädisposition zum Höhenlungenödem durch eine Prophylaxe mit diesem Herzmedikament bis zu einem gewissen Grad geschützt sind. Solchen Leuten, die z.B. schon in den Alpen auf einer Höhe von 3000, 3500 Metern ein Höhenlungenödem erlitten hatten, kann man das als Prophylaxe empfehlen. Es wäre natürlich gescheiter, ihnen zu sagen: Lasst dieses blöde Bergsteigen und geht schwimmen oder langlaufen oder was auch immer! Aber die Leute sind ja nicht belehrbar. Die wollen dann irgendein Medikament.

Peinliches Schauspiel

„Peinliches Schauspiel“

Sie hatten das Privileg, zu einer Zeit im Himalaya unterwegs zu sein, als es noch eine verlassene Bergregion war, in der es keinen Tourismus gab. Wie denken Sie darüber, was heute dort los ist?

Ich verfolge das, was heute im Himalaya passiert, mit Faszination. Es ist unglaublich, was die jungen, wirklich guten Kletterer an den schwierigen Wänden der Siebentausender machen. Was ich mit größter Trauer verfolge, ist, was am Everest und an den kaufbaren Achttausendern stattfindet. Diese unendlichen Schlangen von Kunden, die von den Sherpas da hochgezogen werden, das finde ich ein peinliches Schauspiel.

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Höhenhirnödem: Die versteckte Gefahr https://blogs.dw.com/abenteuersport/hoehenhirnoedem-die-versteckte-gefahr/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/hoehenhirnoedem-die-versteckte-gefahr/#comments Thu, 07 Apr 2016 15:23:44 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=32317 Dr. Tobias Merz (l.) und Co-Expeditionsleiter Urs Hefti auf dem Gipfel des Himlung Himal

Dr. Tobias Merz (l.) und Co-Expeditionsleiter Dr. Urs Hefti auf dem Gipfel des Himlung Himal (© T. Merz)

20 Ärzte, knapp doppelt so viele Versuchspersonen. Die Schweizer Forschungsexpedition zum Siebentausender Himlung Himal im Herbst 2013 hatte sich zum Ziel gesetzt, die Auswirkungen großer Höhe auf den menschlichen Körper zu untersuchen. Mehr als zwei Jahre später liegen die ersten Ergebnisse auf dem Tisch. Ich habe darüber mit Dr. Tobias Merz gesprochen. Der 46-Jährige ist leitender Arzt an der Universitätsklinik für Intensivmedizin in Bern. Seit seiner Jugend ist Merz Bergsportler. Dass er sich auch der Höhenmedizin verschrieben hat, ist kein Zufall. „Im intensivmedizinischen Bereich ist es eine Krankheit, die Organsysteme in den Grenzbereich des Möglichen bringt, in der Höhenmedizin sind es die äußeren Umstände“, sagt Merz. Als Bergsteiger hatte er schon vor der Expedition zum Himlung Himal eigene Erfahrungen mit großer Höhe in den Anden und im Himalaya gemacht. Am Achttausender Shishapangma erreichte Merz eine Höhe von etwa 7600 Metern. Auf den Gipfel musste er damals verzichten, weil er für eine Rettungsaktion gebraucht wurde. Am Himlung Himal stand er auf dem höchsten Punkt.

Dr. Merz, Sie haben 2013 den 7126 Meter hohen Gipfel des Himlung Himal erreicht. Wird Ihnen angesichts Ihrer nun vorliegenden ersten Forschungsergebnisse im Nachhinein noch mulmig?

Ich wusste schon vorher, dass Höhenbergsteigen eine Risikosportart ist, und dass man sich im Grenzbereich des Physiologischen und auch des Vernünftigen bewegt. Für mich waren die Ergebnisse mehr eine Bestätigung dessen, was ich geahnt habe und weniger eine Riesenüberraschung.

Aber Sie haben etwas Beunruhigendes für Höhenbergsteiger zutage gefördert.

Wir hatten eigentlich zwei wesentliche Resultate. Eines ist sehr beruhigend, eines sehr beunruhigend.

Im Aufstieg

Im Aufstieg (© T. Merz)

Fangen wir mit der schlechten Nachricht an.

Es waren 38 Versuchspersonen, die an diesem Berg unterwegs waren. 15 von ihnen sind auf eine Höhe von über 7000 Metern gelangt. Bei drei dieser Personen haben wir Hinweise gefunden, dass sie bei der Besteigung ein Hirnödem erlitten, also dass aus den Blutgefäßen Flüssigkeit ins Hirngewebe ausgetreten war. Das Hirn schwillt dann an, das Ganze kann zu einer lebensbedrohlichen Situation führen. Beunruhigend war, dass wir als Ärzte und auch die Probanden von diesen Hirnödemen nichts gemerkt haben. Eigentlich ist die klassische Lehrmeinung, dass parallel zur Entwicklung eines Hirnödems klinische Symptome auftreten wie Kopfschmerzen, Übelkeit, allgemeines Missbefinden und dass man noch Zeit hat, Maßnahmen zu treffen, sprich in erster Linie schnell abzusteigen, um eine lebensbedrohliche Komplikation zu vermeiden. Aber offensichtlich ist es nicht so. Wir denken, dass diese Hirnödeme auch ohne Warnzeichen auftreten können. Das macht die Situation natürlich deutlich kritischer, wenn wie aus dem Nichts innerhalb von Minuten in eine klinische Katastrophe eintreten kann.

Aber es handelte sich doch um Mikroblutungen, die von den Bergsteigern gar nicht wahrgenommen wurden.

Richtig. Diese Leute fühlten sich oben genauso wie jene, die keine Mikroblutungen hatten. Aber diese Mikroblutungen, die wir hinterher bei den Probanden nachweisen konnten, sind ein Beweis für ein erhebliches Hirnödem in großer Höhe. Die gute Nachricht ist, dass diese Mikroblutungen nicht mit einem Hirnschaden gleichzusetzen sind. Diese Bergsteiger sind zurückgekommen und haben jetzt ein völlig normales Hirn. Man sieht zwar noch ein paar ausgetretene Blutzellen, aber das Hirngewebe ist unverletzt. Die Bergsteiger sind also noch mal davongekommen. Sie waren kurz davor, ein schweres Hirnödem zu entwickeln. Es braucht dann nur wenig Volumenzunahme, um von einer normalen Bewusstseinslage in ein Koma zu fallen.

Blutentnahme im Basislager

Blutentnahme im Basislager (© T. Merz)

Es gibt also keine Vorboten. Kann man denn wenigstens sagen, ab welcher Höhe das Risiko für ein Hirnödem extrem ansteigt?

Wir können das aufgrund unseres Studiendesigns nicht beweisen. Wir haben die MRIs (Untersuchungen per Magnetresonanztomographie) vor und nach der Expedition gemacht. Die Mikroblutungen sind irgendwann dazwischen aufgetreten. Aber wir haben sie nur bei Probanden gefunden, die über 7000 Metern waren. Das ist kein Beweis, aber immerhin ein Hinweis. Es handelte sich zudem um die Versuchspersonen, die die tiefsten Sauerstoff-Messwerte von allen hatten. Wir haben während der Expedition bei den Teilnehmern zweimal am Tag die Sauerstoffsättigung im arteriellen Blut überprüft.

Gibt es vielleicht eine Veranlagung für Höhenhirnödeme? Und könnte man diese Anfälligkeit im Vorfeld untersuchen und einschätzen lassen?

Nein, solche Tests gibt es nicht. Man könnte allenfalls ganz pragmatisch sagen: Jemand, der schon einmal auf 4000 Metern ein Hirnödem entwickelt hat, ist wahrscheinlich in größerer Höhe anfälliger dafür, dass es wieder passiert, als jemand, der noch nie ein Hirnödem hatte. Aber dazu gibt es keine Untersuchungen.

Wahrscheinlich sind aber jüngere Leute anfälliger als ältere. Das hat eher mechanische Gründe. Das Hirnvolumen nimmt im Alter ab, das heißt ein 65-Jähriger hat deutlich weniger Hirnsubstanz im Schädel als ein junger Mensch. Wenn das schon etwas geschrumpfte Hirn beginnt anzuschwellen, hat es einfach mehr Platz als bei einem 20-Jährigen, bei dem das Innere des Schädels wirklich größtenteils mit Hirnmasse ausgefüllt ist.

Würden Sie vor dem Hintergrund Ihrer Studie sagen, dass Höhenbergsteigen ab einer bestimmten Höhe aus medizinischer Sicht unverantwortlich ist?

Ich würde eher sagen, dass sich jeder Bergsteiger selbst überlegen muss, welches Risiko er eingehen will. Man muss sich der Gefahr bewusst sein, dass bei einem gewissen Prozentsatz ein Hirnödem entstehen kann. Das ist dann – wie bei allen Risikosportarten – eine individuelle Entscheidung, ob man diese Gefahr in Kauf nimmt.

Eine Expedition zu dem Berg, den wir bestiegen haben, kann man im Katalog für 12.000 bis 14.000 Euro buchen. Wir als Konsumenten gehen davon aus, dass ein Produkt, das wir kaufen, sicher ist. Und wir delegieren auch gerne die Verantwortung für unser Wohlbefinden an den Veranstalter, den Expeditionsleiter oder den Bergführer. Aber so funktioniert es nicht. Eigentlich muss sich jeder Höhenbergsteiger bewusst sein, dass er persönlich dieses Risiko eingeht und ihm niemand diese Verantwortung abnehmen kann. Dieses Bewusstsein fehlt ein bisschen im kommerziellen Höhenbergsteigen.

Lager 2 am Himlung Himal

Lager 2 am Himlung Himal (© T. Merz)

Und auch ein Expeditionsarzt, so es einen gibt, kann wenig ausrichten.

Die Chance, dass er krank wird, ist genauso groß wie bei allen anderen. Und er kann medizinisch gegen ein Höhenhirnödem wenig machen. Schon der Abtransport eines Bergsteigers aus 7000 Metern ist schwierig. Dann muss es auch noch schnell gehen. Das bringt eine Expedition sehr schnell an den Rand der logistischen Möglichkeiten.

Zum Abschluss noch einmal die gute Nachricht: Die Aussage, dass Höhenbergsteigen dumm macht, gehört nach ihrer Studie also endgültig ins Lexikon der populären Irrtümer.

Ja. Wir hatten aus methodischen Gründen Zweifel an Ergebnissen früheren Studien, dass Bergsteigen in größeren Höhen, beginnend schon in Mont-Blanc-Höhe, zu Hirnschäden führt. Meistens wurden hier jedoch nur Bergsteiger mit Nicht-Bergsteigern verglichen. Wenn ich 45-jährige Bergsteiger mit 20-jährigen Medizinstudenten vergleiche, werde ich aber immer einen relevanten Unterschied finden. Deshalb haben wir diese Studie durchgeführt, in der wir jeden Bergsteiger vorher und nachher per MRI untersuchten. Wir konnten nicht nachweisen, dass es zu Verlust von Hirnsubstanz kommt und auch nicht, dass Mikroinfarkte auftreten, wie in früheren Studien beschrieben. Selbst die drei Bergsteiger in unserer Gruppe, die Mikroblutungen hatten, erlitten keinen bleibenden Hirnschaden. Die Hirnödeme sind wieder weg.

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Was das Auge über das Gehirn verrät https://blogs.dw.com/abenteuersport/studie-hoehenmedizin-uniklinik-tuebingen/ Thu, 13 Jun 2013 09:12:09 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=22185

Forschung auf der Margherita-Hütte

Gabriel Willmann hat schon Everest-Geschichte geschrieben. Mit einem Rekord der besonderen Art: Vor fünf Jahren trug der Mediziner im Rucksack acht Mäuse bis auf eine Höhe von 8400 Metern. Weil die Käfigheizung nicht richtig funktionierte, musste Willmann gut 400 Meter unter dem Gipfel umkehren, der Mäuse willen. Für sein Experiment war es wichtig, dass die Tiere lebten. Im Auftrag der Welt-Antidoping-Agentur WADA untersuchte der bergsteigende Wissenschaftler 2008, wie sich der extreme Sauerstoffmangel auf die Steuerung von Genprozessen auswirkt. Die WADA erhoffte sich von den Ergebnissen, Gen-Dopern auf die Schliche zu kommen. Damals arbeitete Willmann in einer Forschungsgruppe der Universität Pennsylvania. Heute ist der 35-Jährige als Augenarzt an der Universitätsklinik Tübingen beschäftigt – und ist der Höhenmedizin treu geblieben, nur dass er jetzt sein wissenschaftliches Auge vor allem auf das menschliche Auge wirft. Willmann hatte die Idee zu einer neuen Studie, deren Ergebnisse auch international Wellen schlagen.

Augenklinik auf dem Gipfel

Willmann und Co. ließen 14 Testpersonen innerhalb von 24 Stunden zur Capanna Regina Margherita aufsteigen. Die Hütte steht auf dem Gipfel der Signalkuppe im Monte-Rosa-Gebiet, 4559 Meter hoch. „Wir konnten da oben praktisch eine komplette Augenklinik mit modernsten Untersuchungsgeräten aufbauen“, erzählt Willmann. Per Hubschrauber brachten die Wissenschaflter 1,2 Tonnen Material auf die Hütte. „Ideale Bedingungen für eine Feldstudie.“ Deren Ergebnisse legen einen überraschenden Schluss nahe: Die akute Bergkrankheit (Acute Mountain Sickness – AMS) und das lebensbedrohliche Höhenhirnödem (High Altitude Cerebral Edema – HACE) haben möglicherweise nicht denselben Ursprung. Bisher ging man davon aus, dass AMS eine milde Form oder Vorstufe des gefährlichen Höhenhirnödems ist.

Undichte Netzhaut, aber sonst gesund

Dr. Gabriel Willmann

Die Tübinger Augenärzte stellten fest, dass bei jeder zweiten Testperson nach dem schnellen Aufstieg zur Margherita-Hütte Netzhaut-Gefäße in den Randbereichen Flüssigkeit verloren. Zudem wurde die Hälfte aller Probanden akut höhenkrank. Je 50 Prozent also – aber nicht dieselben. Vier der sieben Testpersonen mit undichten Netzhautgefäßen fühlten sich pudelwohl und litten nicht an AMS. Es gebe also, so Willmann, offenbar nicht zwangsläufig einen Zusammenhang. „Wir haben erstmals gezeigt, dass die Leckagen unabhängig von der AMS auftreten können.“ Bleibt für den Laien die Frage, was das mit einem Hirnödem zu tun hat? „Das Auge ist entwicklungsgeschichtlich ein Teil des Gehirns. Der Gefäßaufbau ähnelt sich sehr“, erklärt Willmann. Was also in großer Höhe mit der Netzhaut geschehe, könnte analog auch im Gehirn passieren. „Ins Gehirn kann ich aber nicht so einfach hineinsehen wie ins Auge.“

Leckagen schlossen sich wieder

Die von den Tübingern erstmals nachgewiesenen undichten Netzhautgefäße sind übrigens nicht die Ursache dafür, dass mancher Trekker oder Expeditionsbergsteiger in großer Höhe über massive Sehstörungen klagt. Die auf der Margherita-Hütte beobachteten Leckagen hätten an den Rändern der Netzhaut gelegen, sagt Willmann. Der plötzliche Verlust der Sehkraft in großer Höhe habe andere Ursachen, etwa eine Blutung im Zentrum der Netzhaut. „Was mit den Leckagen in größerer Höhe passiert, auf 6000 oder 7000 Metern, können wir jedoch nicht sagen.“ Bei den Testpersonen auf der Margherita-Hütte schlossen sich die undichten Stellen nach dem Abstieg wieder.

Viele offene Fragen

Das ist die gute Nachricht. Die weniger gute lautet: Selbst wenn du als Höhenbergsteiger nicht akut höhenkrank wirst, kann dich offenbar ein Höhenhirnödem erwischen. Ich möchte von dem Tübinger Wissenschaftler wissen, ob nun jemand, bei dem Leckagen an der Netzhaut nachgewiesen wurden, damit rechnen muss, dass auch seine Hirngefäße schneller undicht werden. „Das ist zwar eine mögliche, sehr interessante Hypothese, mehr jedoch nicht“, antwortet Gabriel Willmann. „Es gibt viele spannende Fragestellungen, die noch geklärt werden müssen!“ Da müssen Willmann und seine Kollegen von der Universitätsklinik Tübingen wohl wieder in den Himalaya reisen. Es gibt sicher Schlimmeres für bergsteigende Wissenschaftler.

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Todesfall an der Shishapangma https://blogs.dw.com/abenteuersport/todesfall-an-der-shishapangma/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/todesfall-an-der-shishapangma/#comments Thu, 16 May 2013 11:31:05 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=21727

Shishapangma (8027 Meter)

Die traurigen Nachrichten aus dem Himalaya reißen nicht ab. Am Achttausender Shishapangma in Tibet ist ein deutscher Bergsteiger an einem Höhenhirnödem gestorben. Der Expeditionsveranstalter Amical alpin teilt mit, der Bergsteiger aus dem Chiemgau habe zu einer Gruppe von sechs Teilnehmern gehört, die zusammen mit dem Expeditionsleiter Thomas Lämmle und dem Sherpa Pasang am 10. Mai den 8013 Meter hohen Zentralgipfel der Shishapangma erreicht habe. Beim Abstieg hätten sich bei dem Bergsteiger zunächst Symptome eines Höhenlungenödems gezeigt.

Bis auf 7500 Meter abgeseilt

„Eine sofortige notfallmedizinische Behandlung, sowie der weitere Abstieg zeigten zunächst wenig Wirkung“, heißt es bei Amical. Thomas Lämmle, ein Sportwissenschaftler, der sich sehr gut mit Höhenmedizin auskennt, beschloss, die anderen Teilnehmer vorzuschicken und den höhenkranken Bergsteiger, am Seil gesichert, langsam hinunterzubringen. In der folgenden Nacht habe sich  aus dem Höhenlungenödem ein Höhenhirnödem entwickelt, das Lämmle sofort mit einem Notfallpräparat behandelt habe. Es sei ihm gelungen, den Teilnehmer bis zum nächsten Morgen auf eine Höhe von 7500 Metern abzuseilen. Doch die Bemühungen, das Leben des Bergsteigers zu retten, waren erfolglos. „Ein Notfallzelt und Sauerstoff waren bereits zum Verunfallten unterwegs, als dieser tragischerweise am 11. Mai 2013 um 11:23 Uhr in den Armen des Expeditionsleiters verstarb“, teilt Amical mit.

Everest-Besteigung abgeblasen

Lämmle erkrankte bei der Rettungsaktion ebenfalls an einem Höhenlungenödem, außerdem zog er sich Erfrierungen an den Zehen zu. „Beides ist nicht so schlimm – mittlerweile bin ich in einer Klinik in Kathmandu gewesen -, aber eine Besteigung des Everest ohne Flaschensauerstoff wird nicht möglich sein“, schreibt Lämmle in seinem Blog.  Er hatte bereits am 30. April den Hauptgipfel der Shishapangma erreicht. Ursprünglich wollte Lämmle innerhalb von vier Monaten vier Achttausender besteigen: nach der Shishapangma den Everest und anschließend im Karakorum noch den Gasherbrum II und den Gasherbrum I. Lämmle will sich jetzt zu Hause erholen, um am 8. Juni nach Pakistan zu starten.

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