Klettern – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Wenn das Kopftuch einfach nur stört https://blogs.dw.com/abenteuersport/wenn-das-kopftuch-einfach-nur-stoert/ Tue, 27 Jun 2017 12:22:32 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=36803

Nasim Eshqi

Donald Trump steht zwischen ihr und dem El Capitan. Zu gerne würde Nasim Eshqi auch einmal an den legendären Granitwänden im Yosemite-Nationalpark klettern, doch der US-Präsident hat bekanntlich ein Einreiseverbot für Iraner verfügt. Die 35-Jährige aus Teheran nimmt es mit Humor. „Ich meine, er ist doch der Unglückliche, wenn ich nicht da bin“, sagt Nasim und lacht. Die Kletterin entspricht schon äußerlich so gar nicht dem westlichen Klischee einer iranischen Frau: Schulterfreies T-Shirt, Sonnenbrille, kein Kopftuch. Und sie sagt, was sie denkt. „Die traditionelle Kultur im Iran akzeptiert mich oder andere Mädchen, die so sind wie ich, nicht als echte Frauen, die man heiraten oder mit denen man zusammen sein möchte“, erzählt Nasim. „Aber das war für mich von Beginn an okay. Ich habe überall auf der Welt Freunde, die mich mental unterstützen.“

Einfach weitergemacht

Die Kletterin ist es gewöhnt, mit Ablehnung umzugehen. Selbst ihre weltoffenen Eltern, ein Universitätsprofessor und eine Lehrerin, taten sich schwer mit den Ambitionen ihrer Tochter, die erst als Kickboxerin Erfolge feierte und dann vor 14 Jahren ihr Herz für das Bergsteigen und Klettern entdeckte. „Du verlässt die Stadt, kommst spät nach Hause und deine Eltern fragen dich: ‚Wo bist du gewesen?‘ Sie hatten Angst vor den Gefahren beim Klettern, vor der Polizei oder schlechten Menschen“, erzählt Nasim. „Aber ich habe einfach weitergemacht. Sie mögen immer noch nicht, was ich mache. Aber ich kann es nicht ändern.“

Nasim Eshqi: I have an open family but they don’t like what I do

Gleichheit am Fels

Nasim in Aktion am Polekhab nahe Teheran (Route „Iran-Swiss“, 8a+)

Eshqi geht konsequent ihren Weg, und der führt über den Fels. „Wenn ich irgendwo auf der Welt klettere, fühle ich mich einfach gleich“, beschreibt Nasim ihre Motivation. „Die Regeln sind überall dieselben. Es geht um Gravitation. Egal, wo wir herkommen, welches Geschlecht oder wie viel Geld wir haben. Es zählt nur der Weg und was wir können.“

Nasim Eshqi: Climbing makes me feeling equal

Nasim klettert Routen bis zum zehnten Grad. Etwa die Hälfte des Jahres verbringt sie in ihrem Heimatland Iran, wo sie auch als Kletter-Trainerin arbeitet. Davon leben kann sie nicht. Die restlichen Monate hält sich Nasim im Ausland auf, wo sie sich mit Vorträgen finanziell über Wasser hält. „Was ich verdiene, gebe ich wieder aus. Manchmal muss ich mir auch Geld leihen, um die Flugtickets zu bezahlen.“

Mit Glück und Willen

Reisen in Länder wie Georgien, Armenien oder Türkei seien kein Problem, erzählt Eshqi. Doch für europäische Staaten, die USA oder auch den größten Teil Afrikas benötige sie Einladungen von dort. Und auch die seien keineswegs die Garantie, dass sie anschließend wirklich einreisen dürfe. Mit ein bisschen Stolz verweist Nasim darauf, dass sie schon in mehr Ländern geklettert sei als viele andere aus Staaten ohne Reisebeschränkungen: „Wenn ich Glück habe und es wirklich will, dann passiert es auch irgendwann.“ So kletterte die Iranerin schon an Felsen im Elbsandstein-Gebirge in Ostdeutschland, den italienischen Dolomiten, im Schweizer Rätikon oder in den Bergen rund um Chamonix.

Mehr als 70 neue Routen

Klettern im Iran (hier am Berg Alamkooh)

Dort gibt es keine strengen Kleidungsvorschriften wie in ihrer Heimat. Im Iran ist Nasim verpflichtet, unter dem Kletterhelm ein Kopftuch zu tragen und die Arme bedeckt zu halten. „Ich kann damit leben. Es ist nicht so hart wie keine Visa zu bekommen“, sagt die Kletterin. „Ich bin auf das Klettern fokussiert und möchte meine Leidenschaft mit möglichst vielen Menschen teilen.“ Eshqi hat bereits mehr als 70 neue Routen in mehreren Ländern eröffnet. Die Kletterszene in ihrer Heimat ist noch überschaubar. „Die meisten Kletterer im Iran sind Picknick-Kletterer, die einfach draußen sein und das gute Wetter nutzen wollen. Es gibt im ganzen Land nicht mehr als zehn Kletterer, die wirklich darauf aus sind, ihre Grenzen voranzutreiben“, sagt Nasim.

Zu ungeduldig für Expeditionen

Deutlich populärer als Klettern ist im Iran das Höhenbergsteigen. Doch in dieser Tradition sieht sich die 35-Jährige eher nicht. „Klar würde ich auch gerne einmal den K 2 besteigen, aber ich habe nicht genug Geduld, um für so eine lange Expedition ausreichend zu trainieren. Das ist einfach nicht mein Weg“, sagt Eshqi. „Ich würde die Strapazen eines langen Anmarschs im Himalaya vielleicht auf mich nehmen, wenn am Ende eine Wand steht, die ich klettern will. Das ist eher mein Ding als nur eine Expedition auf 7000 oder 8000 Meter.“

Nasim Eshqi: Not patient enough for long expeditions

Von Feinden zu Fans

Durch Leistung überzeugt (hier in der Route „Man o to“, 7c+, am Baraghan)

Nasim Eshqi sieht Anzeichen dafür, dass sich die iranische Gesellschaft mehr und mehr öffnet – dank Internetnutzung und vermehrter Reisen. Die Feindseligkeit, die ihr anfangs oft entgegenschlug, habe inzwischen abgenommen, sagt die Kletterin.  Grund seien auch die Berichte westlicher Medien über sie. „Wenn die Leute sehen, dass die Europäer Respekt für eine Frau zeigen, die so viel an Energie investiert, um den eigenen Weg zu gehen, sagen sie irgendwann: ‚Oh, sie ist gut. Wenn die Europäer sie respektieren, respektieren wir sie auch.‘ So sind am Ende aus meinen Feinden meine größten Fans geworden. Ich finde, das kann ich als Erfolg für mich verbuchen.“ Vielleicht bittet ja eines Tages auch Donald Trump um ein Autogramm von Nasim Eshqi – wenn er sie am El Capitan hat klettern sehen.

Nasim Eshqi: Enemies turning into fans

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Sharma: „Ich bin eher ein Strandmensch“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/sharma-ich-bin-eher-ein-strandmensch/ Fri, 31 Mar 2017 18:13:02 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=35653

Chris Sharma (© PRana)

Eigentlich empfiehlt es sich, zurückhaltend mit Superlativen umzugehen. Doch dass Chris Sharma seit vielen Jahren zu den besten Felskletterern der Welt gehört, ist unumstritten. Der 35 Jahre alte US-Amerikaner und der 24 Jahre alte Tscheche Adam Ondra sind bisher die einzigen Kletterer, die eine Route im Schwierigkeitsgrad 9 b+ (nach französischer Skala) gemeistert haben – teilweise extrem überhängend, eigentlich unmöglich zu klettern. Derzeit das Maß aller Dinge. Chris lebt mit seiner Frau Jimena Alarcon und der gemeinsamen kleinen Tochter Alana in Barcelona.

Chris, du klettert schon seit so vielen Jahren auf höchstem Niveau. Glaubst du, dass du es eines Tages leid wirst?

Für mich ist Klettern mein Leben, meine Leidenschaft, der Weg, mich selbst zu verwirklichen. Ich glaube nicht, dass ich das Klettern jemals leid werde. Es ist so eng damit verbunden, wer ich bin, und ich bin so dankbar für die Rolle, in der ich mich gerade befinde. Wenn wir durch die verschiedenen Phasen unseres Lebens gehen, wechselt auch unser Verhältnis. Ich bin jetzt ein Vater, ich habe eine Tochter. Selbstverständlich ändert das auch ein bisschen meine Beziehung zum Klettern, aber eigentlich verstärkt es sogar meine Leidenschaft für den Sport. Bei jedem Eintritt in eine neue Lebensphase hatte ich das Gefühl, dass meine Liebe zum Klettern eher noch tiefer wurde. Ich empfinde das Klettern noch leidenschaftlicher als vorher.

Chris Sharma: My love of climbing is deepening

Denkst du, dass du deine Leistungsgrenze schon erreicht hast oder sie noch weiter hinausschieben kannst?

Ich habe das Gefühl, dass ich noch härtere Sachen klettern kann. Es ist interessant, auch nach mehr als 20 Jahren Klettern noch in der Lage zu sein, sich weiter zu steigern. Klettern hat so viel mit Vorwärtskommen zu tun. Es gibt verschiedene Wege, sich als Kletterer weiterzuentwickeln. Klar, ein Weg ist, immer schwierigere Routen zu klettern. Das hat mich sehr inspiriert und angetrieben. Aber es gibt auch noch viele andere Wege, unsere Erfahrungen als Kletterer zu vertiefen. Und sie alle bringen uns weiter. Ich empfinde es zum Beispiel als Fortschritt für mich, dass ich eine Kletterhalle gegründet habe, um dort meine Leidenschaft mit anderen Kletterern zu teilen. Unsere Lebensreise und das Klettern sind total eng miteinander verbunden. So wie wir uns als Menschen auf verschiedene Weisen entwickeln, entwickelt sich auch unsere Beziehung zum Klettern auf verschiedene Weisen weiter.

Du bist inzwischen 35 Jahre alt. Andere Sportkletterer sagen, sie hätten in diesem Alter ihren Zenit überschritten. Hast du das Gefühl, dass auch du deine Prioritäten ändern musst?

Im Augenblick habe ich noch das Gefühl, auf meinem höchsten Niveau zu klettern. Diese Notwendigkeit ergibt also jetzt noch nicht. Aber wie ich eben schon sagte, ist es wichtig, das Ganze in einem größeren Zusammenhang zu sehen. Das Schöne am Klettern ist, dass es sich nicht um eine typische Sportart handelt, wie Turnen oder Fußball. Es ist eher ein Lebensstil, den du dein ganzen Leben lang beibehalten kannst. Dies nur auf extremes Sportklettern zu reduzieren, ist eine sehr eingeschränkte Sichtweise. Im Augenblick fühle ich noch die Möglichkeit in mir, mich weiter zu steigern. Und selbstverständlich verfolge ich dieses Ziel auch. Aber es ist eben nur eine Seite der Erfahrungen eines Kletterers. Kleine Kinder klettern genauso wie alte Leute über 70. Es gehört wirklich zum Wesen des Kletterns, die eigenen Ziele hinauszuschieben, etwas auszuprobieren, was jenseits deiner Komfortzone liegt und dir vielleicht unmöglich erscheint. Und wenn du dann hart für diese Ziele arbeitest, merkst du plötzlich, dass du viel mehr erreichen kannst, als du vorher gedacht hast. Ganz egal ob du eine 6a- oder 9a-Route kletterst, es ist die gleiche Erfahrung –  für dich, für mich, für irgendwen.

Chris Sharma: The essence of climbing

Du lebst seit langem in Spanien. Bist du ein Sonnenkletterer, der einfach warmes Wetter braucht?

Ich komme aus Santa Cruz in Kalifornien, einer Surfer-Stadt. Als ich mit Klettern angefangen habe, bin ich in eine Kletterhalle gegangen. Ich war wirklich einer der ersten dieser neuen Kletterer-Generation, die aus den Kletterhallen kommt. Ich habe meine ersten Erfahrungen nicht so gemacht wie vielleicht andere Leute in den Alpen. Meine erste Verbindung zum Klettern lief über das Sportklettern. Heute liebe ich „Psicobloc“, Solos über tiefem Wasser [Klettern an Küstenfelsen, solo, ohne Seil und Sicherung. Wenn man abrutscht, fällt man ins Meer.]. Das verbindet meine zwei Welten, die Berge und das Meer. Ich bin eher ein Strandmensch als ein Bergmensch.

Psicobloc, Extremklettern an Küstenfelsen (© PRana)

Viele Sportkletterer, die älter werden, wenden sich dem Himalaya zu und sagen: Wir sind gute Felskletterer, haben jede Menge Erfahrung und versuchen nun, unsere Kletterfähigkeiten in niedrigerer Höhe auf die hohen Wände zu übertragen. Ist das auch für dich eine Option?

Ich weiß es noch nicht. Ganz ehrlich, im Augenblick kann ich es mir noch nicht vorstellen. Ich habe noch eine Menge Dinge abzuarbeiten, die näher vor meiner Haustüre liegen. Aber ganz ausschließen möchte ich es nicht. Mal sehen, was passiert. Eigentlich bin ich offen für alles.

Bist du schon im Himalaya gewesen?

Ich war in Indien und Nepal, aber nur um dort herumzulaufen, nicht um Berge zu besteigen.

Hat es dich nicht gepackt, als du diese Berge gesehen hast? Hast du nicht gedacht: Dort muss ich raufklettern?

Ich empfinde eine große Wertschätzung für Berge und alpines Klettern. Aber ehrlich, die Gefahren des Himalaya-Bergsteigens mit den Lawinen und all dem Kram interessieren mich im Augenblick nicht so sehr.

Chris mag es warm (© PRana)

Spricht da gerade der Vater?

Na klar. Für die Leute, die das machen, ist es ihre Leidenschaft. Aber es nur so nebenher zu machen, ist das Risiko nicht wert. Wenn du es als deine Bestimmung im Leben empfindest, nimmst du das Risiko in Kauf.  Aber ich bin kein Bergkletterer, ich bin eher ein Küstenfels-Kletterer. Ich denke, egal was du machst, du musst fokussiert und entschlossen sein, die Sache durchzuziehen. Zumindest im Augenblick empfinde ich das nicht für das Himalaya-Bergsteigen. Es geht mir nicht nicht durch den Kopf, also macht es auch keinen Sinn, mich damit zu beschäftigen.

Im November 2016 hat Adam Ondra weltweit Schlagzeilen gemacht, als er die „Dawn Wall“ am El Capitan im Yosemite-Nationalpark in acht Tagen frei kletterte. Viele vergleichen Adam und dich. Gibt es so etwas wie einen Wettkampf zwischen euch? Oder würdest du sagen, ich kämpfe nur gegen mich selbst?

Ich würde sagen, ich stehe nur im Wettkampf mit mir selbst. Ehrlich, es ist eine Ehre, mit Adam zu klettern. Ich empfand es oft als ziemlich hart, in der Vergangenheit alle meine Projekte alleine durchzuziehen. Adam und ich sind in Spanien zusammen geklettert. Das macht richtig Spaß und treibt mich auch an. Es gibt so viele verschiedene Weisen, an die Dinge heranzugehen. Stelle dir vor, zwei der besten Musiker der Welt kommen zusammen. Du kannst einen Ego-Trip daraus machen und versuchen herauszufinden, welcher von beiden der bessere ist. Aber das ist eigentlich Verschwendung. Viel interessanter ist es doch, wenn die beiden zusammen musizieren und etwas noch Unglaublicheres hervorbringen. Genau dazu sind Adam und ich in der Lage. Ich finde das richtig cool. Ich schätze Adam, all die Dinge, die er macht. Und ich genieße es, mit ihm zusammen zu klettern. 

Chris Sharma about Adam Ondra

Was empfindest du, wenn du ein Kletterprojekt erfolgreich beendet hast?

Wie ich schon sagte, ist Klettern für mich die Art, mein Potential zu entfalten. Ich widme dem Klettern mein Leben.  Und wenn du dann diese Augenblicke erlebst, in denen alles perfekt zusammenpasst, sind es fast übersinnliche, magische Momente.

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Royal Robbins ist tot https://blogs.dw.com/abenteuersport/royal-robbins-ist-tot/ Wed, 15 Mar 2017 11:58:26 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=35427

Royal Robbins (1935-2017)

Einer der großen Fels-Kletterpioniere ist nicht mehr: Royal Robbins starb gestern in Modesto in Kalifornien nach langer Krankheit im Alter von 82 Jahren. „Mein Vater stand vor großen Herausforderungen, bei seinem Klettern, Schreiben, im Beruf, in seiner Rolle als Vater und Ehemann und später im Leben bei seiner schweren Krankheit“, sagte seine Tochter Tamara Robbins. „Egal wobei, er zeigte sich der Situation gewachsen, indem er die Herausforderung mit Würde und Demut annahm. Dafür ist er mein Held.“ Robbins hatte in den späten 1950er und 60er Jahren Maßstäbe im Bigwall-Klettern gesetzt.

Legendäre Routen

Robbins 1961 in der „Salathé“

Robbins erschloss zahlreiche Routen an den Granitwänden im Yosemite-Nationalpark, unter andren 1961 mit Tom Frost und Chuck Pratt die legendäre 1000 Meter hohe „Salathé Wall“ am El Capitan, die damals als die schwierigste Felskletter-Route durch eine große Wand galt. Robbins setzte sich für einen möglichst sauberen Stil ein. 1995 gelang Alexander Huber, dem jüngeren Bruder der „Huberbuam“, die erste Rotpunkt-Begehung der Route, sprich frei kletternd, immer im Vorstieg und in einem Zug. Nur noch Geschichte ist die „American Direct“ an der Westseite des Petit Dru im Mont-Blanc-Gebiet, die Robbins 1962 mit Gary Hemming eröffnete. Nach mehreren Felsstürzen existiert die legendäre Originalroute im oberen Teil nicht mehr.

Hunger nach Abenteuer

In den 1970er Jahren litt Robbins zunehmend an Arthritis. Er verlegte sich nun zunehmend auf extreme Kajakfahrten. Auch hier gelangen ihm zahlreiche Erstbefahrungen. „Ich mag es sehr, ich finde es sehr bereichernd. Aber zuerst, zuletzt und immer bin ich ein Kletterer“, sagte Robbins einmal. „Ich werde klettern, bis ich falle. Und es wäre das Letzte, was ich aufgeben würde.“ Später leitete Robbins auch eine sehr erfolgreiche Firma für Outdoor-Textilien, die seinen Namen trägt. Im Herzen blieb der Unternehmer immer ein Abenteurer: „Wir brauchen Abenteuer. Es liegt in unserem Blut. Es wird nicht verschwinden“, schrieb Robbins. „Die Berge werden uns weiterhin rufen, weil sie auf einzigartige Weise das Bedürfnis nach Einklang mit der Natur erfüllen und unseren Hunger nach Abenteuer stillen.“

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Thomas Huber: „Danke, dass ich leben darf!“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/thomas-huber-danke-dass-ich-leben-darf/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/thomas-huber-danke-dass-ich-leben-darf/#comments Tue, 19 Jul 2016 20:16:06 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=33246 Thomas Huber (2014)

Thomas Huber (2014)

Rund 1,8 Sekunden. So lange dauerte der 16-Meter-Sturz Thomas Hubers aus einer Felswand am Brendlberg im Berchtesgadener Land – heute vor zwei Wochen. Wie berichtet, war der 49 Jahre alte deutsche Top-Kletterer, der ältere der beiden „Huberbuam“, auf weichem Waldboden gelandet. Wie sich später herausstellte, hatte sich Thomas einen Schädelbruch zugezogen und musste sofort operiert werden. Die beruhigende Prognose der Ärzte hinterher: keine bleibenden Schäden. Inzwischen hat Thomas das Krankenhaus verlassen und erholt sich zu Hause. Ich habe mit ihm telefoniert.

Thomas, das Wichtigste zuerst: Wie geht es dir?

Es geht mir insgesamt sehr gut. Ich bin mir des unermesslichen Glücks, das ich hatte, sehr bewusst. Ich habe es dankbar angenommen. Ich schaue nicht mehr zurück, was hätte passieren können, sondern ich bin nur happy, dass es so geschehen ist, wie es geschehen ist. Optimal wäre natürlich, wenn ich es vermieden hätte und der Unfall gar nicht erst passiert wäre. Aber das ist beim Bergsteigen immer so. Ich habe mich in meiner Routine total sicher gefühlt, und oft ist dann genau darin der Teufel versteckt.

Felswand am Brendlberg

Felswand am Brendlberg

Sind deine Verletzungen allesamt kurierbar?

Es ist wie ein Wunder, dass mir nicht mehr passiert ist. Das haben auch die Chirurgen gesagt. Ich bin immerhin aus 16 Metern abgestürzt, das haben wir nachgemessen. Alles ist wieder kurierbar. Und wie es aussieht, werde ich in naher Zukunft wieder zu 100 Prozent fit sein.

16 Meter, das ist so hoch wie anderthalb Einfamilienhäuser. Hast du beim Sturz noch irgendetwas gedacht oder war alles nur noch purer Instinkt?

Alles Instinkt. Da denkst du nicht mehr, sondern handelst nur noch. Ich war zu jeder Sekunde bei vollem Bewusstsein und habe instinktiv anscheinend alles richtig gemacht. Aber lenken konnte ich das nicht mehr. Das ging so schnell und war so überraschend. Du bist dann auch gar nicht mehr in der Realität, sondern es ist wie eine zweite Ebene, wo nur noch der Körper reagiert und dich letztendlich überleben lässt. Ich hatte 1000 Schutzengel. Ich bin sicher, da war irgendetwas, was mich hat überleben lassen. Sonst wäre ich hinterher nicht einfach aufgestanden und wäre selbstständig vom Berg gegangen. Ich habe ja keinen einzigen blauen Fleck. Ich habe lediglich den Schädelbruch, die Fingerluxation (Ausrenkung), und die Dornfortsätze (der Wirbel), die am Fels runtergeschrappt sind, sind abgebrochen.

Thomas nach der Operation

Thomas nach der Operation

Du hast wahrscheinlich in deinem Leben schon zehntausende Male abgeseilt. Da fragt man sich, wie konnte dieses Unglück überhaupt passieren? War es einfach ein kurzer Augenblick mangelnder Konzentration?

Nein, die Routine war schuld. Wenn man das erste Mal an einer Wand ist, wirkt sie furchteinflößend, nicht nur am El Capitan, sondern auch am Brendlberg, auch wenn diese Wand nur 70 Meter hoch ist, aber sehr steil, sehr alpin. Ich war dort in den letzten zwei Monaten ständig unterwegs, habe verschiedene Routen erschlossen. Die Wand ist für mich wie ein Wohnzimmer geworden, ich habe mich dort total wohl gefühlt. Es war mein zweites Zuhause, meine Sommerbeschäftigung vor der Expedition. Wir haben in der Route „Watzmannflimmern“ gefilmt, die ist (Schwierigkeitsgrad) 9+. Dort wollte ich ein Fixseil reinhängen für die Kameramänner. Ich hatte in den Monaten vorher, als ich in der Route trainiert habe, bevor ich sie schließlich durchstieg, immer ein 60-Meter-Seil benutzt. Das reichte allemal bis zu dem Felsband und dann waren immer noch fünf Meter übrig. Dieses Seil, das ich jetzt benutzte, gehörte aber einem Freund. Ich habe nicht gewusst, dass es abgeschnitten war. Ich seile ab, räume in der Nachbarroute noch drei Expressen (Sicherungsmittel beim Klettern) aus der ersten Seillänge. Alles ist gut, ich seile runter auf das Band. Und – tamm! – geht es schon los und ich stürze. Ich war wirklich voll konzentriert. Schuld war eine andere Geschichte, eben die volle Routine, dass vorher monatelang immer alles gut gegangen war. Wie bei einem Schreinermeister, der sich nach 10.000 Schnitten mit der Kreissäge den Finger abschneidet.

Weiter bergsteigen

Weiter bergsteigen

Es war sehr knapp, du bist dem Tod von der Schippe gesprungen. Stellst du dir jetzt auch die Grundsatzfrage: Mache ich weiter wie bisher?

Wenn man mit einer Sache nicht fertig wird, muss man sich diese Frage wirklich stellen. Aber wenn man sich dieses unermesslichen Glückes bewusst ist und ihm mit der Dankbarkeit begegnet, leben zu dürfen, dann kann man auch weiter bergsteigen. Man muss sich einfach immer bewusst sein, was man tut. Am gefährlichsten ist, wenn man glaubt, alles im Griff zu haben. Das habe ich daraus gelernt: Du darfst dich eigentlich auf niemanden und gar nichts verlassen, außer auf dich selbst. Zieh deinen Klettergurt an und schau wirklich hin, dass die Schnalle geschlossen ist! Auch wenn es Routine wird, immer wieder backup-mäßig draufschauen! Auch wenn ich dort schon zum 20. Mal abgeseilt habe, ein neues Seil heißt eben eine neue Situation. Michael Schumacher (der Formel-1-Rekordweltmeister verunglückte 2013 beim Skifahren schwer) ist nicht so weit gefallen wie ich, und ihm geht es leider Gottes nicht so gut. Andere stürzen einen halben Meter tief und können tot sein. Ich sage nur: Danke, danke, dass ich leben darf.

Du hattest ursprünglich vor, mit Freunden zum Siebentausender Latok 1 nach Pakistan zu fahren, um dich dort an der legendären Nordgrat-Route zu versuchen. Dieser Plan ist natürlich erst einmal hinfällig. Wie geht es jetzt weiter mit dir?

Darüber möchte ich jetzt gar nicht sprechen. Ich bin in ärztlicher Betreuung. Ich habe gerade ein erstes EEG gemacht, das war sehr positiv. Schauen wir jetzt einfach, dass ich gesund und voll einsatzfähig werde. Man macht viel zu oft den großen Fehler, zu weit in die Zukunft zu schauen. Ich schaue auf das Jetzt. Und jetzt bin einfach nur glücklich und sehr dankbar, dass ich lebe.

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Patrick Edlinger ist tot https://blogs.dw.com/abenteuersport/patrick-edlinger-ist-tot/ Sun, 18 Nov 2012 17:47:16 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=18113

Patrick Edlinger (1960-1992)

Er war ein großer Kletterer. Patrick Edlinger ist am Freitag in seinem Heimatort La Palud-sur-Verdon im Alter von 52 Jahren gestorben. Über die Todesursache wurde nichts mitgeteilt. „Le Blond“, wie Edlinger wegen seiner langen, blonden Haare genannt wurde, hatte in den 1980er Jahren Maßstäbe im Freiklettern gesetzt, vor allem an den 700 Meter hohen Felsen der Verdon-Schlucht in Südfrankreich. Weit über die Kletterszene hinaus wurde Edlinger durch den spektakulären Dokumentarfilm „Opéra vertical“ bekannt, der ihn in Hochform zeigte. 1995 gab Patrick das extreme Klettern auf. Nach einem Sturz aus 18 Metern Höhe hatte er wiederbelebt werden müssen.  Zuletzt arbeitete Edlinger als Journalist für eine Kletter-Zeitschrift. „Patrick dürstete nach absoluter Herausforderung“, heißt es in einem Nachruf der französischen Sportministerin Valérie Fourneyron auf Edlinger. „Er lehnte Kompromisse ab, Konventionen waren ihm zuwider. Er hat viele dazu bewegt, mit Respekt vor der Natur zu klettern.“ R.i.P.

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Zwei wie Jean und John https://blogs.dw.com/abenteuersport/zwei-wie-jean-und-john/ Wed, 07 Nov 2012 15:45:44 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=17915

Josune in Aktion

Zahlen können verwirren. Besonders wenn es um Schwierigkeitsgrade von Kletterrouten geht. Eine 9 a (französische Skala) entspricht in etwa einer 5.14 d (US-Skala) oder einer glatten 11 (Skala des Weltverbands der Alpinisten UIAA). Wie auch immer: Für die allermeisten ist eine solche Route nicht kletterbar. Josune Bereziartu war 2002 die erste Frau, die eine 9 a meisterte: in einer senkrechten, ziemlich glatten, fast grifflosen Felswand in Saint Loup in der Schweiz. „Das war wirklich eine sehr extreme Kletterei, in allen Bereichen am Limit“, erzählt mir die Baskin beim IMS in Brixen. Technik, Kraft und Psyche, alles habe optimal zusammenpassen müssen. „Wenn du zu viel Kraft investiert hast, bist du gestürzt. Wie bei einem Ferrari, den du in der Kurve zu schnell fährst.“ Erst 2011 gelang es der US-Amerikanerin Sasha DiGiulian als zweiter Frau, eine vergleichbar schwere Route zu klettern. 

Josune Bereziartu: Klettern am Limit

Emotionales Klettern 

Josune Bereziartu und Rikar Otegui

Dem Sportklettern kann Josune heute nicht mehr ganz so viel abgewinnen wie vor zehn Jahren. Heute bevorzugt die 40-Jährige alpine Klettertouren, gemeinsam mit ihrem Ehemann Rikar Otegui. „Sportklettern ist eher egoistisch“, findet Josune. „Erfolg oder Scheitern betrifft nur dich. Du hast zwar einen Partner, der dich sichert und vielleicht anfeuert, aber wenn es darauf ankommt, bist du allein.“ In einer großen Wand seien beide im Team gleichermaßen gefordert. „Das ist viel lebendiger. Emotionales Klettern.“ 

Josune: Abenteuer ist …

Ganz eng beieinander 

Ricar zählt zu den besten Kletterern Spaniens

Nebenwirkungen sind dabei nicht ausgeschlossen. Schließlich betreiben die beiden eine Risikosportart, und das auf einem gefährlich hohen Niveau. „Das sind zwei Seiten einer Medaille“, findet Josune. Einerseits verstünden sie sich beim Klettern ohne Worte. Ein Blick reiche, um zu wissen, was der andere denke. „Das Vertrauen ist wirklich sehr groß. Aber die Krux ist, dass der wichtigste Mensch in meinem Leben auch abstürzen und ich ihn möglicherweise sogar verlieren könnte.“ Auch Ricar verweist auf das fast blinde Verständnis mit seiner Frau beim Klettern. Konkurrenz am Fels gebe es zwischen ihnen nicht. „Unsere Charaktere ergänzen sich“, sagt Ricar. „Sie ist eher hektisch, voller Leidenschaft. Ich dagegen bin scheuer und ruhig. Wir sind wie ‚Jean und John’, ganz eng beieinander.“ 

Josune und Ricar über das Klettern als Paar

Kurze Wege 

Das Extreme höre aber nach dem Abseilen auf, versichert der Baske. Dann führten die beiden ein ganz normales Leben als Paar. „Wir sitzen auch mal vor dem Fernseher und schauen uns alte Filme an.“ Nachwuchs sei für sie derzeit kein Thema, sagt Josune und fügt mit einem Lächeln hinzu: „Wir haben noch nicht den Ruf der Natur vernommen: Hey, ihr braucht Kinder!“ Josune und Ricar leben in San Sebastian, mit direktem Blick auf den Atlantik. Die Meeresfelsen zum Klettern liegen quasi vor der Haustür und auch zu den Felswänden in den Pyrenäen sind die Wege kurz. Beide sind noch nicht im Himalaya oder Karakorum geklettert. „Aber es ist unser Traum, diese hohen Berge zu besuchen“, sagt Ricar. „Und irgendwann werden wir ihn auch verwirklichen.“

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