Kreuzlingen – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Verfluchter Wind https://blogs.dw.com/abenteuersport/verfluchter-wind/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/verfluchter-wind/#comments Wed, 13 Sep 2017 20:20:38 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=37607

Am Rheinfall in Schaffhausen

Ich bin k.o. Was für ein Tag! Gefühlt habe ich ständig gekämpft. Gegen die müden Beine, den inneren Schweinehund, den einen oder anderen, Gott sei Dank nur kurzen Regenschauer – und vor allem gegen den Gegenwind. Der hat mich heute beinahe zur Weißglut getrieben. Es begann schon kurz hinter Kreuzlingen, als ich am so genannten Untersee, dem Ausläufer des Bodensees, entlangfuhr. Ich hatte mich schon gefreut, dass die angekündigten Regenschauer zunächst ausblieben, doch da blies mir der Wind frontal ins Gesicht. Und das obwohl ich die ersten beiden Etappen meiner Spenden-Radtour  „School up! River down!“ mit insgesamt 226 Kilometer an zwei Tagen schon ziemlich in den Waden spürte.

Über die Hügel

Zwischenstopp am Weinberg

In Stein am Rhein, wo der Bodensee in den Rhein abfließt, querte ich auf die rechte Seite des Flusses. Dort zog ich erstmals meine Regenkleidung an – wie sich herausstellte umsonst, der Schauer war kurz. Doch der Wind blieb. Deutlich hinter der geplanten Zeit erreichte ich schließlich den Rheinfall in Schaffhausen, etwa auf der Etappenhälfte. Wegen des ungemütlichen Wetters tummelten sich dort deutlich weniger Touristen, als ich eigentlich erwartet hatte. Von Schaffhausen strampelte ich mit meinem Faltrad nach Waldshut-Tiengen –„über die Hügel“, wie es im Tourenführer hieß. Das hätte mir zu denken geben müssen. Im hügeligen Gelände sind Fahrradwege häufig Feldwege mit zuweilen heftigen Steigungen. Ein paar Mal musste ich absteigen und schieben.

Eine Tasse Kaffee zum Runterkommen

(Fahrrad-) Schilderwald in Schaffhausen

Meinen mentalen Tiefpunkt hatte ich jedoch etwa bei Tageskilometer 80. Ich war nun auf der Höhe und freute mich darauf, endlich wieder hinunterfahren zu können. Doch der Wind blies mir mit solcher Kraft ins Gesicht, dass ich es selbst bergab mit großer Anstrengung gerade mal auf 15, 16 Stundenkilometer brachte. Irgendwann brüllte ich den Wind: „Was habe ich dir eigentlich getan?“ Im nächsten Augenblick kam mir das schon ziemlich idiotisch vor. Ich kehrte bei einem Imbiss ein und trank eine Tasse Kaffee. Danach ging es mir besser. Vielleicht hatte ich den Wind tatsächlich mit meinem Wutausbruch beeindruckt, plötzlich wehte er jedenfalls deutlich gemäßigter.

Eine Nacht im Bett

Insgesamt saß ich heute neun Stunden im Sattel. 117 Kilometer habe ich trotz aller Widrigkeiten geschafft. Diesmal gönne ich mir eine Übernachtung in einem auf Fahrradfahrer spezialisierten kleinen Hotel in Laufenburg-Luttingen. Die gestrige sternenklare und deshalb kalte Nacht in Kreuzlingen war wenig erholsam. Mit meinem Ultraleicht-Schlafsack war ich bei den Temperaturen ziemlich „underdressed“, ich fror und wachte deshalb ständig auf. Heute brauche ich dringend ein paar Stunden Tiefschlaf, um wieder zu Kräften zu kommen.

300-g-Steak zum Tagesabschluss

Gestörte Idylle: Das Schweizer Atomkraftwerk Leibstadt

Vielleicht fragt ihr euch, wie ich mich auf der Tour ernähre. Heute gab es zum Frühstück eine Packung Peronin, eine echt Kalorienbombe. Das Pulver, Geschmacksrichtung Vanille, wird mit Wasser angerührt, eine Portion bringt es auf satte 1907 Kilojoule. Entwickelt hat dies Powerdrink der Abenteurer und Arktisspezialist Robert Peroni. Unterwegs nahm ich dann einen Croissant, zwei Landjäger, einen Schoko- und einen Powerriegel sowie einen Apfel zu mir, dazu zwei Kaffee und zwei Liter Wasser. Nach der Ankunft habe ich den Kalorienspeicher wieder aufgefüllt: mit einer Kraftbrühe samt Leberspätzle und anschließend einem 300-g-Steak mit Pommes und Salat. Damit ich morgen wieder etwas zu verbrennen habe.

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Küsse des Himmels https://blogs.dw.com/abenteuersport/kuesse-des-himmels/ Tue, 12 Sep 2017 20:46:23 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=37549

Schöner Radweg, weniger schönes Wetter

Ich weiß, jeder Regen ist ein Kuss des Himmels. Aber es gibt eben Tage, da will man nicht geküsst werden, jedenfalls nicht von oben. Blöd, dass keiner danach fragt. Heute morgen in Bad Ragaz musste ich mein Zelt schon nass einpacken. Ich startete in Regenkleidung. Immerhin endete die unfreiwillige Dusche nach einer halben Stunde. Ich radelte mit meinem Faltrad lange direkt am Rhein entlang, auf der Deichkrone der rechten Flussseite. So machte ich Stippvisiten in zwei weiteren Ländern, erst Liechtenstein, dann Österreich. Immer wieder fielen ein paar Tropfen, ich konnte mich jedoch nicht dazu durchringen, wieder ins Regenzeug zu schlüpfen.

Am „Alten Rhein“

Am „Alten Rhein“

Im Gegensatz zum Vortag, an dem sich die Landschaft, je weiter ich flussabwärts kam, ständig verändert hatte, empfand ich die Gegend nun ziemlich eintönig. Das lag allerdings vor allem daran, dass die Berge rechts und links in Wolken hingen, ich also nur den Rhein und den schnurgeraden Fahrradweg sah. Auf Höhe des österreichischen Orts Koblach wechselte ich die Flussseite und damit auch das Land. Jetzt fuhr ich wieder auf Schweizer Boden. Gerade als ich unter einer Brücke Pause machte, um einen Apfel zu essen, entlud sich ein Gewitter. Das nennt man Glück. Zudem sorgte der kurze, aber heftige Regenguss dafür, dass es aufklarte und sich erstmals an diesem Tag sogar die Sonne zeigte. Ich genoss nun die Fahrt am „Alten Rhein“ entlang, dort, wo er sich früher in den Bodensee ergossen hatte. Heute ist der bei der Flussbegradigung abgetrennte Teil des alten Flussbetts ein Naturschutzgebiet.

Tolle Radwege

Es kann so schön sein

Als ich schließlich den Bodensee erreichte, erblickte ich die nächste Regenfront. Sie steuerte auf mich zu, doch wieder hatte ich Glück. Ich geriet nur in die Ausläufer. Es war eigentlich kaum der Mühe wert, das Regenzeug anzuziehen. Hinterher wurde es wieder sonnig und warm. Aprilwetter im September. Der wunderschöne Radweg entlang des Schweizer Bodensee-Ufers hatte den Sonnenschein verdient. Das muss man den Eidgenossen lassen: In Sachen Qualität der Radwege können sie es fast mit den Niederländern aufnehmen, und ausgeschildert sind sie auch vorbildlich.

Hinter der Gardine

Das Unheil naht

Dann erwischte es mich doch, kurz vor Romanshorn. Diesmal gab es kein Entrinnen. Petrus drehte die Schleusen richtig auf. Ich versuchte, mich davon nicht beeindrucken zu lassen, und radelte in Regenjacke und Hose weiter. In Romanshorn passierte ich einen Bauernhof, der vor der Scheune Äpfel zum Verkauf ausgelegt hatte. Ich fuhr auf den Hof. Der Bauer signalisierte mir vom Fenster aus, dass ich das Geld in die Spardose auf dem Tisch werfen sollte. Bei dem Sauwetter wollte er keinen Fuß vor die Tür setzen. Seine Frau überwachte dann hinter der Gardine, dass der mit Regenkleidung Vermummte auch wirklich bezahlte. Andernfalls hätten sie ihren Gatten wohl doch nach draußen gejagt.

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Mein Zelt am See

Nach 20 Minuten waren die Regenwolken abgezogen und die Sonne zeigte sich erneut. Genussradeln war wieder angesagt, wenn man das nach 100 Kilometern in den Beinen noch sagen kann. Mein Zelt steht heute auf einem Campingplatz in Kreuzlingen, direkt am See. Mein Pensum am zweiten Tag meiner Spenden-Radtour „School up! River down!“: 115 Kilometer habe ich geschafft – und bin entsprechend geschafft. Die Regenwahrscheinlichkeit am morgigen Mittwoch ist übrigens laut Prognose leider noch höher als heute. Der Himmel wird mich wieder küssen, ob ich will oder nicht.

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