Matterhorn-Nordwand – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Dani Arnold: „Ein bisschen Risiko darf sein“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/dani-arnold-ein-bisschen-risiko-darf-sein/ Mon, 08 Oct 2018 13:07:43 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=42205

Dani Arnold in Köln

Wieder einmal ist er eine Wand geradezu hinaufgesprintet. Im August durchkletterte der Schweizer Dani Arnold die Grandes-Jorasses-Nordwand solo und ohne Seilsicherung in der neuen Rekordzeit von 2:04 Stunden. Die Erstbegeher der Route über den Walker-Pfeiler um den Italiener Riccardo Cassin hatten dafür 1938 drei Tage benötigt. Auch in der Matterhorn-Nordwand hält der 34-Jährige seit drei Jahren die Bestzeit: 1:46 Stunden. Für seinen ersten Paukenschlag hatte Dani 2011 gesorgt, als er Ueli Stecks Rekord in der Eiger-Nordwand um 20 Minuten unterboten und den Gipfel nach 2:28 Stunden erreicht hatte. Steck hatte sich die Bestzeit 2015 zurückgeholt (2:22 Stunden).

Dani Arnold ist Bergführer und lebt mit seiner Frau Denise im Kanton Uri  im 4000-Seelen-Dorf Bürglen, in dem mehr als 200 Einwohner (kein Witz, er hat es mir gegenüber bestätigt) den Namen Arnold tragen. Ich habe Dani in meiner Heimatstadt Köln getroffen – vor seinem Auftritt als Hauptredner des Kölner-Alpintags.

Dani, wie gefällt dir die Bezeichnung „Usain Bolt der Alpen-Nordwände“?

Ich finde sie ein bisschen übertrieben. Ich bin sicher sehr schnell unterwegs, aber es gibt noch viele andere sehr, sehr gute Bergsteiger. Ich glaube, es stimmt einfach nicht, dass ich der beste bin.

Grandes-Jorasses-Nordwand

Aber vielleicht der schnellste. Du hältst schließlich an zwei der drei klassischen Nordwände in den Alpen den Geschwindigkeitsrekord. Kommst du, wenn du so schnell kletterst, auch manchmal in einen Rauschzustand, wie etwa beim Laufen, wenn irgendwann ein „Flow“ einsetzt und alles wie von selbst zu gehen scheint? 

Ja, so ein Gefühl gibt es schon. Ich fühle mich dann frei und leicht. Wenn zum Beispiel in der Eiger-Nordwand der Wasserfall-Kamin, das brüchige Band und der brüchige Riss kommen, dauert es normalerweise ewig, bis man dort durchgeklettert ist. Wenn man aber solo und auf Geschwindigkeit unterwegs ist, dann folgt einfach eine Stelle nach der anderen. Und man hat dann wirklich auch das Gefühl, es sei schnell.

Du bist im Sommer den Walker-Pfeiler an den Grandes Jorasses in zwei Stunden vier Minuten geklettert, 17 Minuten schneller als der vorherige Rekordinhaber Ueli Steck. Du bist komplett ohne Seil und Sicherung geklettert. Wieviel Risiko darf aus deiner Sicht sein?

Es geht nicht ohne Risiko, das ist ganz klar. Auf der anderen Seite war es mein Ziel, am Walker-Pfeiler auf jedes Sicherungsmaterial zu verzichten. Es sollten einfach nur der Berg und ich sein. Ich musste erst einmal herausfinden: Traue ich mich überhaupt? Ist es noch sicher? Ich habe mich dann für den Weg entschieden. Und ich habe nie das Gefühl gehabt, dass ich ein Riesen-Risiko eingegangen bin. Ich glaube, man kann nicht pauschal sagen, dass weniger Material gleich ein höheres Risiko bedeutet.

Dani Arnold: Weniger Material nicht gleich mehr Risiko

Wie hast du dich vorbereitet? Kanntest du jeden Kletterzug auf dieser Route?

Die Route ist 1200 Meter lang. Ich habe das Talent, dass ich mir sehr gut Stellen und Kletterbewegungen merken kann. Ich weiß zum Beispiel, wie im Rebuffat-Riss, einer der schwierigen Stellen dort, die Griffe aussehen, mit welcher Hand ich welchen Griff klettern muss. Dazu braucht man auch noch eine, ich sage mal, „rollende Planung“ und außerdem sehr viel Selbstvertrauen.

In der Wand

Du hast einmal gesagt, es gebe ein Recht auf Risiko. Wie hast du das gemeint?

Wenn man für etwas lebt, sich seriös darauf vorbereitet und sich dann in einen Gefahrenbereich begibt, wird das von der Gesellschaft nicht akzeptiert. Das finde ich nicht richtig. Schließlich geht man diese Dinge doch nicht einfach fahrlässig an, aus Unwissenheit oder Dummheit. Wenn man sich wirklich auf etwas vorbereitet und es seriös durchzieht, darf man auch ein bisschen Risiko eingehen, denn es lohnt sich zu hundert Prozent.

Dani Arnold: Das Recht auf Risiko

Wenn man sich deine Speedrekorde ansieht, stößt man immer wieder auf den Namen Ueli Steck, weil es seine Rekorde waren, die du gebrochen hast. Er ist im vergangenen Jahr am Nuptse mit 40 Jahren in den Tod gestürzt. War das für dich Warnung oder Mahnung?

Er hat genau das Gleiche gemacht wie ich jetzt. Und da denkt man natürlich sofort: Hej, das kann mir auch passieren. Ich glaube jeder Unfall – nicht nur von Ueli, sondern auch von anderen Bergsteigern – bleibt im Gehirn drin. Das bedeutet nicht, dass man nun einen komplett anderen Weg geht. Aber ich bin mir trotzdem sicher, dass ich jetzt nicht mehr so viel Risiko eingehe wie noch vor fünf oder zehn Jahren.

Dani kurz vor dem Ausstieg aus der Wand

Beim Klettern und Bergsteigen auf höchstem Niveau besteht immer die Gefahr, die Schraube eines Tages zu überdrehen. Hast du Schutzmechanismen dagegen?

Die Gefahr, dass man irgendwann einen Schritt zu weit geht, liegt auf der Hand. Das macht mir auch ein bisschen Angst, weil ich natürlich immer versuche, das Optimum zu erreichen und noch ein bisschen mehr. Um gegenzusteuern, gehe ich z.B. fischen oder ich verbringe einfach mal Zeit mit Freunden und Familie, wo wir das Thema Bergsteigen gar nicht ansprechen. Das hilft mir, aktiv ein bisschen davon wegzukommen. Es dreht sich sonst alles ums Bergsteigen und auch um dieses mehr, mehr, mehr. Ich muss dann andere Gedanken haben und es auch mal gut sein lassen.

Dani Arnold: Es auch mal gut sein lassen

In der breiten Öffentlichkeit bist du vor allem wegen deiner Speedaufstiege bekannt. Dabei bist du ja ein kompletter Kletterer. Du gehörst z.B. zu den Wintererstbesteigern des Cerro Egger in Patagonien, du warst mit den Huber-Brüdern auf Expedition im Karakorum. Stört es dich, dass man dich öffentlich häufig auf das Geschwindigkeitsklettern reduziert?

Es stört mich schon ein bisschen. Auf der anderen Seite kann ich durch das Speedklettern jetzt vom Bergsteigen leben, weil es ausreichend Vorträge und Sponsoren gibt. Von daher ist es schon wichtig. Wenn ich an einem Abend einen 90-Minuten-Vortrag halte, nutze ich die Bekanntheit über das Speedklettern, um auch meine Herzensgeschichten zu erzählen, wie zum Beispiel über das Mixed-Klettern in Schottland, diese ganz, ganz schweren Klettereien.

Dani Arnold (3.v.r.) 2015 mit Thomas und Alexander Huber, ihrem pakistanischer Begleiter Rasool, Mario Walder und Seppi Dabringer (v.r.)

Wirst du in den nächsten Jahren wieder auf große Expeditionen gehen?

Ganz bestimmt. Schwierigkeitstechnisch und auch in Sachen Geschwindigkeit wird es nicht unendlich lange so weitergehen. Da werden dann diese Geschichten an neuen Bergen in unbekannten Regionen aufkommen. Mit den Huber-Brüdern habe ich wirklich zwei Super-Leute gefunden, mit denen ich super gerne unterwegs bin. Das ist mir fast wichtiger, als wenn jemand extrem stark ist. Man muss eine gute Zeit zusammen haben. Und das haben wir.

Wäre auch mal ein Achttausender für dich interessant?

Bestimmt. Bis jetzt hatte ich noch nie ein Bedürfnis, dort hochzusteigen, aber so langsam kommt es. Ich möchte gerne mal erleben, wie es sich anfühlt.

Hast du ein Traumziel, einen Berg, zu dem du unbedingt noch hin willst?

Eigentlich nicht. Die Eiger-Nordwand z.B. war für mich nicht dieses eine große Ziel. Ich habe viele, viele Ideen. Wenn es dann in der Vorbereitung konkreter wird, fokussiert man sich auf einen Berg. Und dann wird dieser plötzlich mein Berg, und es gibt keinen anderen mehr.

Beim Eisklettern in den Helmcken Falls in Kanada

Du hast die drei großen Alpen-Nordwände solo und in großer Geschwindigkeit bestiegen, damit hat sich ein Kreis geschlossen – es sei denn, du willst dir den Eiger-Rekord wieder zurückholen. Machst du jetzt einen Haken hinter das Speedklettern?

Mit dem Rekord in der Grandes-Jorasses-Nordwand hat sich das schon ein bisschen erledigt. Mit größter Wahrscheinlichkeit werde ich nicht mehr an den Eiger zurückgehen. Ich möchte mir das Ganze aber offen lassen. Im Moment habe ich tatsächlich kein konkretes Speedprojekt, aber das kann sich bei mir schlagartig ändern. Ich glaube, ich habe damit noch nicht ganz abgeschlossen.

Wann werden wir dich wieder auf großer Expedition erleben?

Im Winter möchte ich Richtung Russland oder China zum Eisklettern aufbrechen. Ich war noch nie im Hochwinter dort. Ich möchte auch die Menschen in diesen extrem kalten Regionen treffen. Das fasziniert mich auch. Es gibt sicher kalte Finger dort! (lacht)

Kannst du auch ganz normal bergsteigen, ohne Hintergedanken an eine krasse Route?

Ja. Es gibt diese Tage, an denen ich keine Ambitionen habe und es einfach nur genießen kann. Ich liebe halt immer noch dieses Draußen-sein.

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Walter Bonatti ist tot https://blogs.dw.com/abenteuersport/walter-bonatti-ist-tot/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/walter-bonatti-ist-tot/#comments Thu, 15 Sep 2011 12:48:41 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport2/?p=9977 Walter Bonatti bei einem VortragEr war ein Phänomen. Walter Bonatti gab das extreme Bergsteigen bereits mit 35 Jahren auf. Doch der Italiener geriet nie in Vergessenheit. Seine Routen waren und sind bis heute legendär. Mit 81 Jahren ist Bonatti am Dienstagabend in Rom gestorben. Die Bergsteiger-Szene verneigt sich vor einem ihrer Größten. „Walter Bonatti hat Grenzen verschoben. Er hat das Bergsteigen vorangebracht wie kaum ein anderer“, sagt Ueli Steck. Der Topbergsteiger der Schweiz ist nicht verschwenderisch mit der Zahl seiner Vorbilder. Bonatti gehört jedoch dazu.1951, mit 21 Jahren, gelang dem in Bergamo geborenen Bergsteiger seine erste bedeutende Erstbegehung. Mit Luciano Ghigo durchstieg er die Ostwand des Grand Capuzin im Mont-Blanc-Massiv. Bonatti galt als Shooting Star unter Italiens Bergsteigern. Nicht umsonst wurde er zur italienischen K 2-Expedition 1954 eingeladen, die mit der Erstbesteigung des zweithöchsten Bergs der Erde durch Achille Compagoni und Lino Lacedelli endete. Bonatti wurde dabei übel mitgespielt. Erst musste er für das Gipfelteam Sauerstoffflaschen bis auf 8000 Meter Höhe schleppen. Zusammen mit dem pakistanischen Träger Mahdi musste er auf 8100 Metern im Freien biwakieren, weil das Lager an anderer Stelle aufgebaut worden war wie vereinbart. Damit nicht wurde Bonatti anschließend sogar vorgeworfen, er habe durch sein Verhalten die Gipfelmannschaft gefährdet – absurd. Erst vor einigen Jahren rehabilitierte der italienische Alpenverein Bonatti umfassend und würdigte seine Verdienste bei der Erstbesteigung des K 2.

Alleingänge

Walter Bonatti mit drei anderen Bergsteigern 1955 auf der italienischen Seite des Mont Blanc

Bonatti (r.) 1955 am Mont Blanc

„Indem er andere beschuldigt, zeigt der Mensch nur seine Schwäche“, sagte Bonatti vor einiger Zeit in einem Gespräch mit Ueli Steck. „Der beste Ratgeber bist immer du selbst.“ Nach seiner bitteren Erfahrung am K 2 war Bonatti häufig alleine unterwegs. 1955 durchstieg er solo den Südwest-Pfeiler des Petit Dru im Mont-Blanc-Gebiet. Heute wird der Felssporn „Bonatti-Pfeiler“ genannt, in Erinnerung an dieses kühne Projekt. 1958 kehrte Bonatti nach Pakistan zurück und bestieg mit Carlo Mauri erstmals den Fast-Achttausender Gasherbrum II (7925 Meter). Es folgten weitere spektakuläre Touren in den Alpen. 1961 geriet Bonatti durch ein Drama in die Schlagzeilen: Bei einem Wettersturz am Freney-Pfeiler im Mont-Blanc-Massiv starben vier seiner sechs Mitstreiter. Bonatti überlebte mit Erfrierungen. Vier Jahre später setzte er ein letztes alpinistisches Glanzlicht: 1965 durchstieg der Italiener die Matterhorn-Nordwand. Im Winter, auf einer neuen Route und allein. Wieder meldeten sich Kritiker zu Wort, die einige Details seines Touren-Berichts anzweifelten.

Nur ein Haufen Steine

Bonatti hatte genug. Er sagte dem extremen Bergsteigen Adieu: „Es sind nicht die Berge, die mich enttäuschen und ermüden, sondern die dumpfe, plumpe und beschränkte Sicht einer bestimmten ‚Clique’, mit der ich immer eine gewisse formelle Beziehung zu retten versuchte. Jetzt aber bin ich nicht mehr bereit, sie weiter zu pflegen.“ Anschließend reiste Bonatti in entlegene Winkel aller Kontinente, fotografierte, schrieb Bücher und hielt Vorträge. Während andere prominente Bergsteiger gerne mit blumigen Worten ihre Liebe zu den Bergen schildern, blieb Walter Bonatti nüchtern: „Man vergesse nicht, dass die großen Berge lediglich den Wert haben, den der Mensch ihnen zumisst. Ansonsten bleiben sie nur ein Haufen Steine.“

P.S. Wir ihr seht, hat sich das Design des Blogs geändert. Beim Einfügen der alten Inhalte haben sich noch einige technische Probleme ergeben. Wir hoffen, sie bald lösen zu können.

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