Miss Hawley – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Nepalesische Bergsteigerinnen am Everest: Auf den Spuren von Pasang Lhamu Sherpa https://blogs.dw.com/abenteuersport/nepalesische-bergsteigerinnen-am-everest-auf-den-spuren-pasang-lhamus/ Sat, 21 Apr 2018 15:45:24 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=40257

Pasang-Lhamu-Sherpa-Denkmal in Kathmandu

Ein Drama, zwei Versionen. In beiden stirbt die Hauptdarstellerin, die Gründe, die für ihren Tod angeführt werden, unterscheiden sich jedoch deutlich. Am morgigen Sonntag jährt sich zum 25. Mal der Tag, an dem Pasang Lhamu Sherpa als erste Frau aus Nepal den 8850 Meter hohen Gipfel des Mount Everest bestieg. Der Triumph endete in einer Tragödie. Die 31-Jährige Mutter dreier Kinder starb anschließend beim Abstieg auf dem Südgipfel. Nach offizieller nepalesischer Lesart hatte Pasang Lhamu am 22. April 1993 wertvolle Zeit verloren, weil sie sich um ihren höhenkranken Teamkollegen Sonam Tshering Sherpa gekümmert hatte. Dann sei auch noch das Wetter umgeschlagen, hieß es. Ein Bericht der (kürzlich verstorbenen) legendären Himalaya-Chronistin Elizabeth Hawley, der im American Alpine Journal erschien, hat einen deutlich anderen Tenor.

Zu langsam

Everest-Gipfel und -Südgipfel (r.)

Danach war Pasang Lhamu als sehr langsame Bergsteigerin bekannt. Für die Strecke vom Südsattel auf den Gipfel habe sie 14einviertel Stunden gebraucht, schrieb Hawley. Normalerweise werden für diese Etappe zehn Stunden veranschlagt. Laut Hawley war Pasang Lhamu am höchsten Punkt derart geschwächt, dass die anderen Teammitglieder sie und Sonam Tshering, der dann schon Blut spuckte, die rund 100 Höhenmeter vom Haupt- zum Südgipfel regelrecht herunterziehen mussten. Viereinhalb Stunden habe das gedauert. Dann sei der Sauerstoff ausgegangen. Erst am nächsten Tag, so Hawley, als andere Teammitglieder versucht hätten, volle Sauerstoffflaschen vom Südsattel heraufzubringen, sei der Wind so stark geworden, dass eine Rettung unmöglich geworden sei.

„Ungeheurer Mut“

Auf der Briefmarke

Erst zweieinhalb Wochen später, am 10. Mai, konnte wieder ein Sherpa zum Südgipfel aufsteigen, wo er Pasang Lhamu tot auffand , im Schnee sitzend, mit dem Rücken an den 40 Grad steilen Hang gelehnt. Sonam Tsherings Leiche blieb verschollen. Für damalige Verhältnisse ungewöhnlich, wurde die Leiche Pasang Lhamus aus 8749 Meter Höhe nach unten gebracht. Die tote Bergsteigerin wurde vor der Einäscherung in einem Stadion in Kathmandu aufgebahrt, Tausende Menschen erwiesen der Sherpani dort die letzte Ehre. Die Bergsteigerin, so schrieb der damalige Ministerpräsident des Landes an ihre Familie, habe bewiesen, „dass auch nepalesische Frauen mit einem ungeheuren Mut ausgestattet sind“. Pasang Lhamu wurde zur Volksheldin, zum Mythos. Ihr Konterfei zierte Briefmarken. Straßen und Schulen tragen ihren Namen, seit 1996 sogar offiziell auch ein Berg, der 7350 hohe Pasang Lhamu Chuli, Bergsteigern eher bekannt als Jasemba. Noch heute kennt jedes Kind in Nepal den Namen der Bergsteigerin.

Kämpferin für Gleichberechtigung

Bergsteigerinnen der „Women Everest Expedition 2018) auf dem Island Peak

Mag ihre Everest-Besteigung auch vielleicht etwas weniger heroisch verlaufen sein, als viele Nepali denken, war Pasang Lhamu Sherpa doch eine Pionierin. Sie hatte sich in das Ziel, als erste Frau ihres Heimatlandes den höchsten aller Gipfel zu erreichen, regelrecht verbissen. In den drei Jahren zuvor war Pasang Lhamu dreimal gescheitert. Bei ihrem bis dahin erfolgreichsten Versuch 1991 als Mitglied einer französischen Expedition hatte sie auf 8700 Metern, nur 50 Meter unterhalb des Südgipfels, umkehren müssen. Für Pasang Lhamu zählte nicht nur der bedingungslose Einsatz für einen Gipfel. Sie kämpfte als Bergsteigerin auch für die Gleichberechtigung der Frauen in Nepal. „Männer werden als Helden betrachtet, wenn sie klettern, Frauen dagegen nennt man verantwortungslos“, klagte Pasang Lhamu einmal.

Zwei nepalesische Frauen-Expeditionen auf der Südseite

Fünf junge Journalistinnen wollen auf den Everest

Dass ihre Botschaft nicht ungehört verklang, sondern die Saat aufgegangen ist, beweist die diesjährige Frühjahrssaison am Everest. Mehr als ein Dutzend nepalesische Bergsteigerinnen versuchen sich allein auf der Südseite des höchsten Bergs der Erde. So steht die „Women Everest Expedition 2018“ der 30 Jahre alten Lakpa Yangji Sherpa, der 37-jährigen Pasang Lhamu Sherpa „Phinasa“ und der 25 Jahre alten Yangdi Sherpa unter dem Motto „Women’s Confidence“. Die Expedition sei eine großartige Plattform „um die Stimme für Frauen und ihre Rechte zu erheben und sie zu ermutigen“, schreibt Pasang Lhamu. Die drei Bergsteigerinnen bestiegen in dieser Woche den 6189 Meter hohen Island Peak nahe dem Everest, um sich zu akklimatisieren. Noch auf dem Trekking Richtung Basislager befinden sich die Mitglieder der „First Women Journalists Everest Expedition 2018“. Die nepalesischen Journalistinnen Kalpana Maharjan (33 Jahre alt), Rosha Basnet (29), Rojita Buddhacharya (26), Deuralee Chamling (35)und Priya Laxmi Karki (27) wollen ein Zeichen setzen für die „Gleichheit aller Menschen, egal welcher Rasse, Kaste, Gemeinschaft oder welchen Geschlechts“.

Lhakpa Sherpa will Rekord ausbauen

Rekordhalterin Lhakpa Sherpa

Lhakpa Sherpa kann auf Botschaften verzichten, sie ist gewissermaßen selbst eine: Frauen können den Everest nicht nur besteigen, sondern können es sogar in Serie tun. Mit acht Gipfelerfolgen steht die 44 Jahre alte Nepalesin, die im US-Bundesstaat Connecticut lebt, schon jetzt als die Frau mit den meisten Everest-Besteigungen im Guinness-Buch der Rekorde. In diesem Frühjahr will die Mutter einer elf und einer 16 Jahre alten Tochter erneut von der tibetischen Nordseite aus aufsteigen und Gipfelerfolg Nummer neun folgen lassen. „Mein Körper weiß, dass sich schon so hoch oben gewesen bin“, sagt Lhakpa. „Er ist wie ein Computer. Er findet es sehr schnell heraus. Mein Körper kennt die große Höhe, er erinnert sich daran.“ Bei ihrem ersten Everest-Erfolg am 17. Mai 2000 war Lhakpa Sherpa übrigens die erste nepalesische Bergsteigerin, die nicht nur am Gipfel stand, sondern anschließend auch wieder wohlbehalten das Basislager erreichte. Ein Mythos wie Pasang Lhamu Sherpa wurde sie in ihrem Heimatland trotz dieses und ihrer zahlreichen weiteren Everest-Erfolge jedoch nicht.

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Elizabeth Hawley ist tot https://blogs.dw.com/abenteuersport/elisabeth-hawley-ist-tot/ Fri, 26 Jan 2018 08:42:51 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=39433

Miss Hawley in ihrem Haus in Kathmandu (2016)

Die legendäre Chronistin des Himalaya-Bergsteigens ist nicht mehr unter uns. „Ich bin traurig, mitteilen zu müssen, dass Elizabeth Hawley uns, nach kurzem Kampf im Krankenhaus, verlassen hat“, ließ die deutsche Journalistin und Bergsteigerin Billi Bierling wissen. „Persönlich kann ich es gar nicht in Worte fassen, was diese großartige Frau mir bedeutet hat, wie viel sie mich gelehrt hat und wie sehr ich sie in meinem Leben vermissen werde.“ Elizabeth Hawley wurde 94 Jahre alt. Vor zwei Jahren hatte sie die Leitung der Datenbank „Himalayan Datenbase“ in die Hände Billis gegeben.  

Nie selbst auf einem hohen Berg

Seit 1960 lebte Miss Hawley in Kathmandu. Anfangs arbeitete die US-Amerikanerin für die Nachrichtenagentur Reuters. „Damals wurde Bergsteigen ein wichtiger Bestandteil der Arbeit ausländischer Korrespondenten in Nepal“, erinnerte sich Hawley, als ich sie 2016 in ihrem Haus in der nepalesischen Hauptstadt besuchte. Von den Everest-Erstbesteigern Edmund Hillary und Tenzing Norgay, über Reinhold Messner bis zu den Kunden der kommerziellen Expeditionen dieser Tage – die Chronistin hat sie alle getroffen. Der höchste Berg, den sie selbst je bestiegen habe, sei nur rund 1000 Meter hoch gewesen, erzählte mir Miss Hawley. „In Vermont in New England. Aber ein Berg? Nein, eigentlich war es eher ein Hügel wie die hier rund um Kathmandu.“ Trotzdem gelang es der US-Amerikanerin immer wieder, Bergsteiger, die vorgaben, Achttausender oder andere hohe Gipfel in Nepal bestiegen zu haben, als Lügner zu ertappen.

„Einfach nur eine Chronistin“

R.I.P.

Das trug ihr Spitznamen wie „Miss Marple von Kathmandu“ und „Sherlock Holmes der Berge“ ein. „Ganz ehrlich, diese Bezeichnungen habe ich noch nie gehört. Die kannst du behalten,“ sagte mir Miss Hawley. „In einem Buch und einem Dokumentarfilm wurde ich auch schon als ‚Wächterin der Berge‘ bezeichnet. Ich bewache sie doch nicht. Ich bin einfach nur eine Chronistin.“

 

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Himalaya-Chronik 2.0 https://blogs.dw.com/abenteuersport/himalaya-chronik-2-0/ Thu, 02 Mar 2017 08:08:01 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=35199

Everest, Lhotse, Makalu (v.l.n.r.)

Es ist die alte Straße, aber wegen des gestiegenen Verkehrs wird jetzt auch der (digitale) Seitenstreifen mit genutzt. Expeditionsteams, die sich auf den Weg nach Nepal machen, können sich ab sofort bei der Himalayan Database, der von der legendären Elizabeth Hawley gegründeten Bergsteiger-Chronik, vor dem Start des Unternehmens nun auch online registrieren, z.B. via Facebook. „Wir werden weiterhin so viele Teams in Kathmandu treffen, wie wir können. Jedoch ist es in den letzten Jahren fast unmöglich geworden, alle persönlich zu interviewen“, begründet Billi Bierling das neue Verfahren.

Letzte Instanz: Miss Hawley

Miss Hawley in ihrem Haus in Kathmandu (2016)

Die deutsche Bergsteigerin und Journalistin ist mit dem Nepalesen Jeevan Shrestha, dem US-Amerikaner Richard Salisbury und dem Franzosen Rodolphe Popier für die Interviews der Himalayan Database zuständig. Die inzwischen 93 Jahre alte Miss Hawley hat sich zurückgezogen. Anfang der 1960er Jahre hatte sich die Journalistin aus den USA in Kathmandu niedergelassen und damit begonnen, das Bergsteigen an den höchsten Bergen der Welt zu dokumentieren. Jahrzehntelang fuhr sie mit ihrem blauen VW-Käfer, Baujahr 1963, vor den Hotels vor und befragte die Expeditionsteams. Ihre Chronik wurde zur Messlatte der Szene: Erst wenn Miss Hawley einen Gipfelerfolg bestätigte, galt die Expedition auch wirklich als geglückt. Manchen Gipfel-Schwindler konnte die unerbittlich nachfragende Journalistin enttarnen.

Effizienter arbeiten

Billi Bierling

Seit Beginn des kommerziellen Bergsteigens in den 1990er Jahren ist die Zahl der Expeditionsbergsteiger in Nepal jedoch geradezu explodiert. Die Zeiten, in denen Miss Hawley noch so gut wie jeden Himalaya-Bergsteiger persönlich kannte bzw. kennen konnte, sind vorbei. Die Online-Registrierung solle dabei helfen, „ein wenig effizienter zu arbeiten“, sagt Billi Bierling. „Wir haben nicht vor, die Himalayan Database unpersönlich zu machen.“ Für viele, so die 49-Jährige, gehörten die Interviews inzwischen ja zu einer Expedition in Nepal dazu. „Auch wenn ich natürlich nicht Miss Hawley bin und manche Leute manchmal enttäuscht sind, wenn sie die Dame nicht persönlich kennenlernen können – was ich vollkommen verstehen kann.“

Keine Schiedsrichter oder Detektive

Original (1,2) und Fälschung (3,4) (© The Himalayan Times)

Nach den Expeditionen versucht das Quartett der Interviewer weiterhin, so viele Bergsteiger wie nur möglich zu befragen. Wer ihnen durch die Lappen geht, hat die Möglichkeit, nachträglich einen Online-Fragebogen auszufüllen. Sinkt damit nicht die Chance, Lügner zu überführen? „Die Zahl der Schwindler ist im Vergleich zu den Leuten, die ehrlich sind, noch sehr gering“, antwortet Billi Bierling. „Und es heißt ja nicht, dass wir alle Schwindler entlarven, auch wenn wir sie persönlich treffen.“ So sei der Everest-Schwindel des indischen Ehepaars im Frühjahr 2016 trotz Interviews zunächst nicht aufgefallen. „Hätte der eigentliche Besitzer der getürkten Gipfel-Bilder nicht darauf aufmerksam gemacht, wäre diese Lüge wohl auch in der Datenbank gelandet“, räumt Billi ein. „Wir arbeiten nach wir vor auf Vertrauen, denn wir sind keine Schiedsrichter oder Detektive – das würde ich mir auch niemals anmaßen. Wir werden natürlich alles dafür tun, Miss Hawleys Himalayan Database so gut und präzise weiterzuführen, wie es geht. Aber wenn uns jemand wirklich anlügen will, dann tut er das. Wenn wir Glück haben, weisen uns andere Bergsteiger, die zur gleichen Zeit am Berg waren, darauf hin.“

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Billi Bierling am Cho Oyu: 3 Fragen, 3 Antworten https://blogs.dw.com/abenteuersport/billi-bierling-am-cho-oyu-3-fragen-drei-antworten/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/billi-bierling-am-cho-oyu-3-fragen-drei-antworten/#comments Wed, 21 Sep 2016 09:14:56 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=33631 Billi in Tibet

Billi in Tibet

Jeder, der mehr als einmal auf Expedition in Nepal war, dürfte ihr wohl schon in Kathmandu begegnet sein. Billi Bierling arbeitet seit vielen Jahren als Assistentin der legendären Himalaya-Chronistin Elizabeth Hawley. Die inzwischen 92 Jahre alte US-Amerikanerin sieht in Billi ihre Nachfolgerin als Leiterin der Himalayan Database. Was viele nicht wissen: Bierling befragt nicht nur ankommende und abreisende Expeditionsmitglieder in den Hotels von Kathmandu für die Chronik, sondern ist selbst eine ambitionierte Höhenbergsteigerin. Die 49 Jahre alte Deutsche hat bereits vier Achttausender bestiegen: 2009 den Mount Everest, 2011 den Lhotse und den Manaslu (diesen Gipfel erreichte sie ohne Flaschensauerstoff) sowie 2014 den Makalu. In diesem Herbst versucht sich Billi am 8188 Meter hohen Cho Oyu in Tibet.

„Ich habe mich in diesem Jahr für den Cho Oyu entschieden, da ich vor elf Jahren hier war und nur bis Lager 2 (auf 7200 Metern) gekommen bin“, schreibt mir Billi aus dem vorgeschobenen Basislager. „Es war mein erster Achttausender, und damals war ich überzeugt dass ich für solche hohen Berge nicht stark genug bin. Jetzt bin ich noch einmal hier. Und ich hoffe ganz arg, dass mich der sechsthöchste Berg dieses Mal akzeptiert. Und genauso wie am Manaslu möchte ich gerne ohne zusätzlichen Sauerstoff auf dem Gipfel stehen.“

Billi, der Cho Oyu könnte dein fünfter Achttausender werden? Du hast als Training Hunderte von Berglauf-Kilometern in den Beinen. Wie hoch schätzt du deine Chancen ein?

nepalesische Seite des Cho Oyu

nepalesische Seite des Cho Oyu

Ich glaube, dass ich besonders vom „Zugspitz-Ultratrail“ profitiere (das Rennen um die Zugspitze, den höchsten Berg Deutschland geht eine Distanz von mehr als 100 Kilometern und über 5000 Höhenmeter; Billi erreichte im vergangenen Sommer das Ziel nach 23:36.57 Stunden). Ich bin dafür im Training Hunderte von Berg-Kilometern gelaufen, und das kommt mir jetzt zugute. Ich fühle mich gut akklimatisiert, und auch nach vier Tagen am Berg fühle ich mich noch kräftig.

Wie sind die Verhältnisse am Cho Oyu?

Es ist relativ viel Schnee am Berg, der sich aber sehr gut konsolidiert hat. Bis jetzt war ich erst auf ca. 6800 Metern, oberhalb der Eiswand, und bis dorthin waren die Bedingungen gut. Ein österreichischer Kollege und ich wollen in den nächsten Tagen nach Lager 2 aufsteigen und dort zweimal übernachten. Damit wäre unsere Akklimatisierung abgeschlossen.

Billi Bierling

Billi Bierling

Neben dem Manaslu ist der Cho Oyu der meist nachgefragte Achttausender in diesem Herbst. Hat das Basislager Everest-Dimensionen?

Es ist interessant, denn in den letzten zehn Jahren sind Manaslu und Cho Oyu sehr kommerzialisiert worden. Beide Berge werden von den kommerziellen Anbietern als Vorbereitung für den Everest angeboten. Bis vor zehn Jahren sind die meisten Bergsteiger ohne Atemmaske aufgestiegen, nun benutzt die Mehrheit zusätzlichen Sauerstoff. Ich denke, es sind 250 bis 300 Bergsteiger hier, alleine eine große tibetisch-chinesische Expedition mit etwa 150 Leuten. Aus diesem Grund ist es gut, dass ich hier bin, denn normalerweise gehen uns diese Expeditionen für die Himalayan Database natürlich durch die Lappen.

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Miss Hawley: „Ich bin einfach nur eine Chronistin“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/miss-hawley-ich-bin-einfach-nur-eine-chronistin/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/miss-hawley-ich-bin-einfach-nur-eine-chronistin/#comments Tue, 05 Apr 2016 08:56:04 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=32301 Miss Hawley in ihrem Haus in Kathmandu

Miss Hawley in ihrem Haus in Kathmandu

Als ich den Käfer sah, wusste ich, dass ich richtig war. Ich kannte die Straße, hatte aber keine Hausnummer, nur eine grobe Beschreibung, wo Miss Hawley in Kathmandu wohnt. Doch da stand er im Hof: der hellblaue VW-Käfer, Baujahr 1963. „Klar fährt er noch. Diese Käfer sind wirklich unglaublich langlebig“, sagt die legendäre Chronistin des Himalaya-Bergsteigens. Seit Jahrzehnten fährt die US-Amerikanerin mit dem hellblauen Auto vor den Hotels Kathmandus vor, um Bergsteiger zu ihren Himalaya-Expeditionen zu befragen. Die 92-Jährige sitzt allerdings nicht mehr selbst am Steuer, sondern lässt sich in ihrem Käfer chauffieren. „Ich kann doch mit Gehhilfe kein Auto fahren“, sagt Elizabeth Hawley und lacht verschmitzt. Seitdem sie sich die Hüfte gebrochen habe, sei sie nicht mehr ganz so mobil wie früher.

Mehr Angeber

Seit 1960 lebt Miss Hawley in Kathmandu. Seitdem hat sie in ihrer Chronik „Himalayan Database“ mehr als 4000 Expeditionen erfasst. Anfang arbeitete sie für die Nachrichtenagentur Reuters. „Damals wurde Bergsteigen ein wichtiger Bestandteil der Arbeit ausländischer Korrespondenten in Nepal“, erinnert sich Hawley. Von den Everest-Erstbesteigern Edmund Hillary und Tenzing Norgay, über Reinhold Messner bis zu den Kunden der kommerziellen Expeditionen dieser Tage – die Chronistin hat alle Typen von Bergsteigern getroffen. Ich möchte von ihr wissen, ob heute mehr geflunkert wird als früher. „Ist der Prozentsatz der Lügner pro Expedition wirklich angestiegen? Ich glaube nicht“, sagt Miss Hawley. „Die kommerziellen Bergsteiger prahlen vielleicht eher mit ihren Erfolgen.“

Viele nicht ertappt

Der höchste Berg, den sie selbst je bestiegen habe, sei nur rund 1000 Meter hoch gewesen, erzählt die alte Dame. „In Vermont in New England. Aber ein Berg? Nein, eigentlich war es eher ein Hügel wie die hier rund um Kathmandu.“ Trotzdem gelang es der US-Amerikanerin immer wieder, Bergsteiger, die vorgaben, Achttausender oder andere hohe Gipfel in Nepal bestiegen zu haben, als Lügner zu ertappen. Einige seien von anderen Bergsteigern beobachtet worden, andere hätten sich in Widersprüche verstrickt: „Manch einer klang wirklich verdächtig. Aber ich bin mir sicher, dass mir auch viele durch die Lappen gegangen sind.“

Auf dem Rücken des Sherpas

Nordseite des Mount Everest

Nordseite des Mount Everest

Sie schildert den Fall des Japaners Tomiyasu Ishikawa, der 2002 den Everest von Norden aus bestieg. Der 65-Jährige war „damals der Älteste, der den Gipfel erreicht hatte, aber hatte er ihn auch bestiegen? Wie viele bemerken diesen kleinen Unterschied?“, fragt Miss Hawley. Der Japaner sei im Gipfelbereich müde geworden. „Er erreichte den Gipfel auf dem Rücken eines Sherpas.“ Altersgrenzen für Everest-Bergsteiger nach oben – wie von der nepalesischen Regierung 2015 angekündigt – hält Miss Hawley für überflüssig, für junge Menschen befürwortet sie dagegen strengere Regeln: „Kleine Kinder sollten nicht auf Berge steigen, schon gar nicht auf den Everest. Sie sind nicht stark und entwickelt genug, sowohl körperlich als geistig.“

An den Tisch geklammert

Die anstehende Frühjahrssaison erwartet Miss Hawley mit Spannung: „Ich bin wirklich neugierig, was in diesem Jahr passiert. Wahrscheinlich wird die Zahl der Bergsteiger geringer ausfallen, weil die Leute Angst vor weiteren Erdbeben haben. Wir haben ja immer noch gelegentlich Nachbeben.“ Das verheerende Beben am 25. April 2015 habe sie in ihrem Haus erlebt. „Ich saß am Tisch und habe mich einfach festgehalten. Du wartest, bis es vorbei ist und dann machst du einfach weiter.“ Wie viele andere in Nepal spricht auch Miss Hawley von einem noch stärkeren Beben, das bevorstehen könnte. „Ich hoffe, ich bin dann wieder in der Nähe meines stabilen Tisches“, sagt die 92-Jährige und lacht.

Die Nachfolgerin

Billi Bierling

Billi Bierling

Die Arbeit an ihrer Himalaya-Chronik will Miss Hawley an ihre deutsche Assistentin Billi Bierling übertragen. „Vielleicht weiß sie es, vielleicht auch nicht. Wir arbeiten sehr gut zusammen. Sie ist gut, sie ist verrückt, sie ist schnell.“ So ganz kann sich Elizabeth Hawley allerdings selbst noch nicht vorstellen, sich völlig auszuklinken: „Es hängt davon ab, wie es klappt. Vermutlich werde ich sie auch mal kritisieren. Aber ich hoffe, ich mache es nicht.“

 

Ohne Allüren

Kürzlich hat die nepalesische Regierung einen Sechstausender „Peak Hawley“ getauft. „Kein Berg sollte nach einer Person benannt werden und ganz bestimmt nicht nach mir“, wiegelt Miss Hawley ab. „Ich dachte, es sei ein Scherz.“ Sie solle es als Auszeichnung nehmen, entgegne ich. „Von mir aus, aber eine lustige Auszeichnung“, sagt Hawley kichernd. Mit Spitznamen kann sie auch nichts anfangen. Ich erwähne „Mama Himalaya“, „Miss Marple von Kathmandu“ und „Sherlock Holmes der Berge.“ Miss Hawley grinst: „Ganz ehrlich, diese Bezeichnungen habe ich noch nie gehört. Die kannst du behalten. In einem Buch und einem Dokumentarfilm wurde ich auch schon als ‚Wächterin der Berge‘ bezeichnet. Ich bewache sie doch nicht. Ich bin einfach nur eine Chronistin.“

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Miss Hawley: Keine Everest-Zirkusmätzchen https://blogs.dw.com/abenteuersport/miss-hawley-everest-jubilaeum/ Wed, 20 Mar 2013 15:52:52 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=20477

Miss Hawley (mit Ralf Dujmovits)

Möglicherweise habe ich es ein wenig übertrieben. Als ich Elizabeth Hawley um ihre Sicht auf den Mount Everest 60 Jahre nach der Erstbesteigung bitte, schreibt mir die legendäre Chronistin des Himalaya-Bergsteigens zurück: „Ihre Fragen scheinen den Mount Everest zu vermenschlichen, so sehe ich ihn aber keinesfalls.“ 89 Jahre hat die US-Amerikanerin bereits auf dem Buckel. Seit mehr als einem halben Jahrhundert dokumentiert Miss Hawley in der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu die Expeditionen zu den hohen Bergen des Himalaya. Ein ungeschriebenes Gesetz unter Bergsteigern lautet: Erst wenn Miss Hawley bestätigt hat, dass du am Gipfel warst, warst du auch wirklich oben.

Nicht mehr als ein riesiger Felsblock

Vor und nach jeder Expedition taucht sie persönlich oder jemand aus ihrem Recherche-Team im Hotel auf und fragt die Bergsteiger nach ihren Plänen und später, was daraus geworden ist. Auch wenn sie selbst nie einen hohen Berg bestiegen hat, kennt die in Chicago geborene Journalistin so viele Details der Achttausender, dass sie Hochstapler entlarven kann. So ist Miss Hawley auf ihre Art auch ein Teil der Everest-Geschichte geworden. Und doch ist der höchste Berg der Erde für sie nicht mehr „als ein riesiger Felsblock, annähernd geformt wie eine Pyramide, mit zahlreichen Eigenschaften, die für Bergsteiger tückisch sind (z.B. Wächten oder Gletscherspalten), wo ein plötzlicher Wetterumschwung immer möglich ist, das alles in extrem großer Höhe“. (Ihr könnt Miss Hawleys Äußerungen auf den beiden Everest-60-Pinnwänden auf der rechten Seite des Blogs nachlesen.)

Ultimative Herausforderung: Hufeisen-Route

Da der Mount Everest nur ein gewaltiger Berg sei, dem „Menschen eigentlich nichts anhaben können“, wünsche sie ihm selbst zum Jubiläum nichts. Doch die Chronistin des Himalaya-Bergsteigens plädiert für mehr Sportsgeist unter den Gipfelanwärtern. Sie müssten vorher besser überprüft werden, um „viele unfähige Männer und Frauen“ auszusortieren. Gar nichts übrig hat Miss Hawley für – so wörtlich – „Zirkusmätzchen“ auf dem Dach der Welt: „etwa ohne Kleidung oberhalb der Hüfte sechs Minuten am Gipfel zu stehen oder dort oben ein Streichinstrument zu spielen oder einen Golfball abzuschlagen“.
Stattdessen sollten sich die Bergsteiger an ungelösten Everest-Problemen versuchen, zum Beispiel an neuen Wegen durch die riesige Ostwand oder an der Hufeisen-Route, der laut Miss Hawley „ultimativen Herausforderung“: Immer über die Grate, über den Nuptse, zum Lhotse, dann über den Südsattel zum Everest-Gipfel und über den Westgrat zurück. Immer in großer Höhe, „ohne die Krücke Flaschensauerstoff“, versteht sich. Und auch die Bergsteigerinnen nimmt Miss Hawley in die Pflicht. Sie würde gerne mehr Pionierinnen sehen, schreibt die 89-Jährige. „Es wird Zeit, dass sie etwas Neues und anderes machen, das Männer noch nicht getan haben.“

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Miss Hawley: No circus antics on Everest https://blogs.dw.com/abenteuersport/miss-hawley-everest-english/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/miss-hawley-everest-english/#comments Wed, 20 Mar 2013 15:10:02 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=20539 Perhaps I have exaggerated. Following my request to send her comments on Mount Everest 60 years after the first ascent Elizabeth Hawley replied: „Your questions seem to anthropomorphize Everest, and I don’t see it that way at all.” The world’s preeminent chronicler of Himalayan mountaineering is already 89 years old. For more than half a century the Amercian, living in the Nepalese capital Kathmandu, has been documenting expeditions to high Himalayan mountains. It’s an unwritten law that you haven’t been on the summit until Miss Hawley has confirmed that you really have been on the top.

Only an enormous mass of rock

Miss Hawley (and Ralf Dujmovits)

Prior to and after expeditions she or one of her assistants visits the climbers at their hotel and asks them about their plans and afterwards about what happened. Although she herself has never climbed a high mountain the Chicago born journalist knows about so many details of the 8000ers that she is able to expose any liar. That way Miss Hawley has also been playing an important role in Everest history. Nevertheless she only sees Mount Everest „as an enormous mass of rock shaped roughly like a pyramid with numerous features that are treacherous for mountaineers. (e.g., cornices, crevasses) and possible sudden change in the weather, all at extremely high altitudes”. (You can read Miss Hawley’s complete statements on both Everest-60-pinboards on the right side of the blog.)

Ultimate challenge Horseshoe route

Miss Hawley doesn’t wish anything for the mountain itself, because „it is sufficiently formidable that no humans can harm it”. But the chronicler of Himalayan mountaineering calls for more sporting spirit. She would „wish much better vetting of the people who attempt to climb it, thus eliminating the many incompetent men and women”. Miss Hawley condemns „circus antics such as standing at the summit for six minutes with no clothing above the waist or playing a stringed instrument at the top or hitting a golf ball off the summit”. Instead, climbers should have a try at unsolved problems on Everest, e.g. climbing new routes on the vast east face or “by the ultimate challenge of a continuous traverse via the Horseshoe Route along only ridges”: up the west ridge of Nuptse then over Lhotse and South col to the summit of Everest and finally down the west ridge back to the starting point, „all at very high altitudes without the crutch of any bottled oxygen”. Miss Hawley “would also like to see many women pioneers”. Women had been catching up with men, but “it’s time for them to do something new and different that men have not yet done”.

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Billi, die schreibende Bergsteigerin https://blogs.dw.com/abenteuersport/billi-bierling-everest/ Thu, 14 Mar 2013 16:00:50 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=20317

Billi Bierling

Sie ist viel mehr als nur rechte Hand. Häufig wird Barbara Bierling, die alle nur „Billi“ nennen, auf ihre Rolle als Assistentin der legendären Elizabeth Hawley reduziert, jener 89 Jahre alten US-Amerikanerin, die seit einem halben Jahrhundert das Bergsteigen an den Himalaya-Riesen dokumentiert. Dabei blickt Billi Bierling schon jetzt mit 45 Jahren auf ein ziemlich bewegtes Leben als Journalistin und Bergsteigerin zurück. Sie hat nicht nur für die Chronistin Miss Hawley gearbeitet, sondern auch für die Vereinten Nationen in der israelischen Hauptstadt Jerusalem und in Pakistans Kapitale Islamabad. Billie hat Expeditionen in Nepal geleitet und bis jetzt drei Achttausender bestiegen.

Dreimal mit, einmal ohne Maske

2009 stand die gebürtige Garmischerin auf dem Mount Everest. 2010 erreichte Billi als erste deutsche Bergsteigerin den Gipfel des Manaslu, 2011 den des Lhotse. Während sie bei diesen ersten drei Achttausender-Erfolgen jeweils mit Flaschensauerstoff unterwegs war, verzichtete Billi im Herbst 2011 am Manaslu erstmals auf die Atemmaske und erreichte erneut den Gipfel. Im vergangenen Herbst versuchte sie sich, wieder ohne Maske, am Makalu, musste jedoch auf 7900 Metern umkehren. 

Zu viele Blender 

Als schreibende Bergsteigerin liebäugelt Billi in diesem Frühjahr mit einem Aufstieg zum Fast-Achttausender Nuptse, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Everest. Als bergsteigende Schreiberin wird sie erneut aus dem Basislager zu Füßen des Khumbu-Eisbruchs berichten. „Es scheint immer mehr Menschen zu geben, die den höchsten Berg der Erde nur deswegen besteigen, um andere zu beeindrucken“, schreibt mir Billi, als ich sie um ihren Beitrag zum 60-Jahr-Jubiläum der Everest-Erstbesteigung bitte (unbedingt auf den beiden Pinnwänden auf der rechten Blogseite nachlesen!).

Ehrfurcht und Bescheidenheit

„Ich habe das Gefühl, dass es heutzutage einfach nicht mehr ausreicht, ‘nur‘ den Everest zu besteigen“, meint Billi. „Viele wollen der Erste, der Schnellste, der Schönste, der Jüngste etc. sein. Und wenn man das nicht ist, dann suchen sich viele Everest-Aspiranten in der Umgebung noch einen anderen Berg, den sie auch noch ‚einpacken‘ können.“ Da eine Auszeit für Chomolungma, die ‚Göttinmutter der Erde’, eher unrealistisch sei, wünscht Billi ihr, „dass diejenigen, die auf ihrem Gipfel stehen wollen, dies mit Ehrfurcht und Bescheidenheit tun, und ihr den Respekt zollen, den sie verdient“.

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Miss Hawley und ihre Helferin https://blogs.dw.com/abenteuersport/miss-hawley-und-ihre-helferin/ Sun, 23 Jan 2011 12:15:03 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport2/2011/01/23/miss-hawley-und-ihre-helferin/ Ihr blauer VW-Käfer hat das gleiche Baujahr wie meine Knochen: 1963. Nach wie vor fährt Elizabeth Hawley mit ihrem Auto aus längst vergangenen Tagen vor den Hotels in Kathmandu vor. Inzwischen sitzt die 87 Jahre alte US-Amerikanerin nicht mehr selbst am Steuer, sondern lässt sich chauffieren. Aber aufs Altenteil setzt sich Miss Hawley, wie sie von allen genannt wird, nicht. Sie ist die große Chronistin des Himalaya-Bergsteigens. Seit Jahrzehnten führt sie in Kathmandu Buch über die Expeditionen zu den in Nepal gelegenen höchsten Bergen der Welt.


Miss Hawley mit Ralf Dujmovits

Verrückte Bergsteiger

„Sie kann viele Bergsteiger nicht verstehen. Sie sagt dann immer: They are all mad (Sie sind alle verrückt)!“, erzählt Billi Bierling (Unser Gespräch beim International Mountain Summit im vergangenen November in Brixen könnt ihr unter dem Artikel nachhören). Die 43 Jahre alte deutsche Journalistin lebt seit Jahren in Kathmandu und unterstützt Miss Hawley, indem sie in ihrem Auftrag die Bergsteiger vor und nach den Expeditionen befragt. „Ich fühle mich fast geehrt, dass ich mit Miss Hawley zusammenarbeiten kann. Sie gehört zu einer Generation, die ausstirbt.“ Schließlich sei die US-Amerikanerin bereits in den 1950er Jahren nach Nepal gekommen, in der Pionierzeit des Bergsteigens an den Achttausendern.

Keine Schiedsrichterin

Miss Hawley genießt unter den Extrembergsteigern höchste Autorität. Stuft sie in ihrer Chronik „Himalayan Database“ einen Gipfelerfolg als „disputed“, also umstritten ein, haftet der Expedition ein ernsthafter Makel an. „Sie ist aber keine Schiedsrichterin, nur Historikerin und Archivarin“, stellt Billi klar. „Sie kann nicht entscheiden, ob eine Miss Oh auf dem Kangchendzönga war oder nicht. Aber sie hinterfragt und stöbert nach.“ Die Besteigung des dritthöchsten Bergs der Erde durch Oh Eun Sun im Jahr 2009 stufte die alte Dame als „disputed“ ein. Dieses Urteil kann nicht einfach beiseite gewischt werden. Nach Miss Hawleys Beurteilung gilt es in der Szene als zumindest fragwürdig, ob die Südkoreanerin wirklich die erste Frau war, die auf allen 14 Achttausendern stand, oder ob diese Ehre nicht der Baskin Edurne Pasaban gebührt.

Bergsteiger-Lügen haben kurze Beine

Kurioserweise hat Miss Hawley selbst nie einen hohen Berg bestiegen. Aber sie verfügt über sehr viel Menschenkenntnis und ein profundes Hintergrundwissen. Als ich sie 2005 in Kathmandu traf, erzählte sie mir von einem Koreaner, den sie fragte, was er auf dem Gipfel des Dhaulagiri vorgefunden habe. Der Bergsteiger erzählte von einem Aluminiumpfahl – und schon war er ertappt. Denn dieser Stab steht auf einem Vorgipfel des Achttausenders. „Lügen haben kurze Beine. Das gilt auch fürs Bergsteigen“, sagt Billi Bierling.


Billi Bierling

Eine von ihnen

Im Gegensatz zu Miss Hawley hat sie bereits zwei Achttausender bestiegen: 2009 mit einer kommerziellen Expedition den Mount Everest und 2010 den Manaslu. „Das hilft mir ungemein“, erzählt Billi. Man könne ihr nicht mehr so schnell ein X für ein U verkaufen. Außerdem werde sie mehr respektiert. „Ich merke schon, dass die Leute denken: Das ist ja nicht nur die Verrückte, die mit dem Fahrrad durch Kathmandu streift und die Leute interviewt, sondern sie war selbst da oben.“

Keine zweite Miss Hawley

In diesem Jahr will Billi den Lhotse besteigen. Damit riskiert sie, mit Miss Hawley genauso aneinanderzugeraten wie bei ihrer Besteigung des Manaslu. „Ich dachte, sie schmeißt mich raus. Sie war stinksauer, dass ich gegangen bin. Sie will mich 365 Tage in Kathmandu haben.“ Doch dazu ist Billi nicht bereit. „Ich glaube, wenn Miss Hawley mal nicht mehr ist, wird ein Stück Himalaya-Geschichte sterben. Ich werde bestimmt irgendwie involviert bleiben. Aber ich werde bestimmt keine zweite Miss Hawley werden.“

Interview mit Billi Bierling

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