Mount Temple – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Ein Sturz, der vieles änderte https://blogs.dw.com/abenteuersport/ein-sturz-der-vieles-anderte/ Fri, 05 Nov 2010 18:51:03 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport2/2010/11/05/ein-sturz-der-vieles-anderte/ Selten habe ich so viele verblüffte Menschen auf einem Fleck erlebt. Der Vortragssaal im Brixener Forum war gestern abend bis auf den letzten Platz gefüllt, als Steve House die Bühne betrat. Reinhold Messner adelte House einmal mit dem Lob, er sei der „derzeit beste Höhenbergsteiger der Welt“. 2005 hatte der US-Amerikaner mit seinem Landsmann Vince Anderson die Rupalwand am Achttausender Nanga Parbat, die mächtigste Fels- und Eiswand der Welt, erstmals im Alpinstil durchstiegen, also ohne Atemmaske, Fixseile und Hochlager.

Ein Mensch ist mehr als nur ein Bergsteiger

Die Besucher seines Vortrags beim International Mountain Summit erwarteten spektakuläre Bilder und Erzählungen von dieser und anderen extremen Expeditionen zu den höchsten Bergen der Welt.


Steve House, locker, aber alles andere als oberflächlich

Stattdessen forderte Steve House die Zuschauer auf, sich ein paar Minuten lang Gedanken darüber zu machen, ob man einen Menschen wirklich nur darüber definieren sollte, welche Leistungen er als Bergsteiger gebracht habe. Es folgte, während Steve schwieg, auf der Leinwand eine Auflistung von etwa 25 seiner bahnbrechenden Kletterpartien in den letzten 15 Jahren, begleitet nur von einigen wenigen Bildern.

Geteilte Meinung

Ausführlich schilderte Steve anschließend, wie er bei seinem Sturz am Mount Temple im vergangenen März dem Tod gerade eben so von der Schippe gesprungen war. Dieser Unfall habe sein Leben geändert, sagte Steve. Er wolle künftig mehr Wert auf die Beziehungen zu seinen Mitmenschen legen und sein Wissen über das Klettern an die nächste Generation weitergeben. Nach einer Stunde beendete House seinen Vortrag – ohne viele Worte über seine spektakulären Touren vor dem Sturz verloren zu haben.
Die Meinung im Publikum war geteilt. Die einen fanden es toll, wie offen Steve über seine Gedanken und Gefühle gesprochen hatte. Die anderen waren enttäuscht, weil sie sich um die erwartete akustische und optische Reise zu den Bergriesen des Himalaya und Karakorum betrogen fühlten.


Steve (2.v.l.) bei der Wanderung zum Astjoch

Vielleicht ein bisschen weniger intensiv

„Ich habe keine Anerkennung des Publikums finden oder Applaus ernten wollen“, erzählt mir Steve House heute bei unserer Wanderung im Pustertal zum Astjoch, einem 2194 Meter hohen Aussichtsberg mit einem beeindruckenden 360-Grad-Panorama. „In den letzten 15 Jahren habe ich mein Leben dem Klettern verschrieben. Aber meine Einstellung hat sich jetzt eben gewandelt. Und so wird es in den nächsten Jahren vielleicht ein bisschen weniger intensiv zugehen.“ Wir reden über seinen Sturz im Frühjahr, bei dem er dem Tod so nahe war, über den Verlust vieler Freunde, die in den Bergen ums Leben gekommen sind, und über seine Pläne für die Zukunft. (Diese Geschichte erzähle ich euch später.)


Dass Steve und Stefan mal einen Berg gemeinsam besteigen würden …

Zu 80 Prozent wiederhergestellt

Dass wir überhaupt gemeinsam auf einen kleinen Berg wie das Astjoch steigen können, grenzt fast schon an ein Wunder. Steves Brustkorb glich nach dem Unfall einem Trümmerfeld, die Lunge war kollabiert. „Ich bin jetzt bei 80 Prozent“, sagt der 40-Jährige, der inzwischen auch wieder geklettert ist. Die Ärzte haben ihm Hoffnung gemacht, dass er zwölf Monate nach seinem Sturz wieder vollständig hergestellt sein werde. Physisch. Und psychisch? Steve ist ein anderer als früher. Und er hat gestern in Brixen sicher nicht zum letzten Mal verblüffte Zuhörer zurückgelassen.


Das Panorama wollte ich euch nicht vorenthalten

Steve House über seinen Vortrag in Brixen

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Der schmale Grat https://blogs.dw.com/abenteuersport/der-schmale-grat/ Fri, 16 Apr 2010 14:14:01 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport2/2010/04/16/der-schmale-grat/ Spitzenkletterer bewegen sich auf einem schmalen Grat. Die Liste der Bergabenteurer, die ihre Leidenschaft mit dem Leben bezahlt haben, ist lang. Und um ein Haar wäre sie um einen weiteren prominenten Namen länger geworden.


Mount Temple im Banff-Nationalpark

Ende März in der Nordwand des 3547 Meter hohen Mount Temple in den kanadischen Rockies: Ein Stück Fels, das Steve House als Griff genutzt hat, bricht aus der Wand. Der 39 Jahre alte Kletterer aus den USA fällt. 25 Meter tiefer landet er auf einem kleinen schneebedeckten Vorsprung. Nach einem Notruf seines Kletterpartners wird House kurze Zeit später von einem kanadischen Rettungsteam aus der Wand geholt und ins Krankenhaus gebracht. Die Diagnose der Ärzte: fünf gebrochene Rippen, zwei davon doppelt, der rechte Lungenflügel zusammengeklappt, zwei kleinere Brüche an der Hüfte, fünf kleinere an den Wirbeln. „Klingt schlimmer als es ist. Mein Zustand ist hundert Prozent stabil“, schreibt House einige Tage später im Internetportal Facebook.

Bloß nicht auf dem Normalweg

Steve House ist nicht irgendwer. Reinhold Messner nennt ihn den „derzeit besten Höhenbergsteiger der Welt“ – und das nicht ohne Grund. Am 8125 Meter hohen Nanga Parbat in Pakistan kletterte House 2005 gemeinsam mit Vince Anderson in nur sechs Tagen durch die viereinhalb Kilometer hohe Rupalwand – und das im Alpinstil: ohne Fixseile, ohne Hochlager, ohne Atemmaske, mit nur einem Schlafsack für zwei und Powerriegeln als Verpflegung. Als Steve House eine Woche nach dem Aufbruch ins Basislager zurückkehrte, wog er zehn Kilo weniger. „Je einfacher du Dinge machst, desto reichhaltiger wird die Erfahrung“, lautet das Credo des US-Kletterers. Für ihre Leistung am Nanga Parbat wurden House und Anderson mit dem Piolet d’Or, dem Golden Eispickel, ausgezeichnet, so etwas wie dem Oscar der Profibergsteiger. Den erhielt er auch für seinen Alleingang am 6942 Meter hohen K 7 in Pakistan, natürlich über eine neue Route. Denn Normalwege sind nichts für House.


Der K 2 wartet

Eigentlich wollte Steve sich in diesem Jahr am sogenannten Sichel-Couloir in der Westwand des K 2 versuchen, des mit 8611 Meter hohen zweithöchsten Bergs der Erde. Diese äußerst schwierige Route wurde erst zwei Mal angegangen, beide Male von Wojciech Kurtyka, einem der exzellenten polnischen Bergsteiger der 1970er und 80er Jahre, beide Male vergeblich. „Wir rannten einfach davon“, schreibt Kurtyka über einen seiner gescheiterten Versuche. Steve House wird sein neues Projekt nach dem Sturz in Kanada wahrscheinlich erst einmal verschieben müssen. „Ich habe noch starke Schmerzen“, schreibt House aus seinem Heimatort Terrebonne im US-Bundesstaat Oregon. Doch früher oder später wird der Spitzenkletterer sicher zurückkehren, auf den schmalen Grat.

P.S. Im August erscheint übrigens im Piper-Malik-Verlag die deutsche Ausgabe seines preisgekrönten Buchs „Beyond the mountain“.

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