Ostwand – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Die leidige Sache mit dem (Expeditions-) Geld https://blogs.dw.com/abenteuersport/sokolov-everest-kangshung/ Thu, 28 Mar 2013 14:57:50 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=20715

Blauschafe am Putha Hiunchuli

„Expeditionsgeld ist scheu wie ein Blauschaf im Himalaya“, könnte man in Abwandlung eines Ausspruchs des einstigen bayrischen Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß („Geld ist geil wie ein Bock, aber scheu wie ein Reh“) sagen. Nicht selten erweist sich die Suche nach Sponsoren als so stark überhängende Wand, dass Bergsteiger den Halt verlieren und hart auf dem Boden der finanziellen Tatsachen landen. Anfang des Jahres habe ich mir selbst die Zähne daran ausgebissen, Geldgeber für ein – wie mir alle unisono versicherten – äußerst interessantes Projekt zu finden. Material hätte ich haben können, Bares jedoch nicht. Schweren Herzens musste ich für die Expedition absagen. Auch Profis scheitern zuweilen beim Versuch, ein finanzielles Blauschaf einzufangen – wie jetzt die beiden russischen Bergsteiger, die eine neue Route in der Everest-Ostwand erschließen wollten. 

Erst zweimal durchstiegen 

Geplante Route durch die Everest-Ostwand

„Gleb Sokolov hat nicht genug Geld für sein Everest-Projekt auftreiben können und es deshalb auf nächstes Jahr verschoben“, heißt es auf der Internetseite russianclimb.com. Wie schade! Der 59-Jährige hatte sich zusammen mit seinem Landsmann Alexander Kirikov an der bisher erst zweimal durchstiegenen, über 3000 Meter hohen Kangshung-Flanke versuchen wollen: über eine neue Route im rechten Wandteil, im Alpinstil. 1983 waren die US-Amerikaner Carlos Buhler, Kim Momb und Louis Reichardt erstmals durch die technisch anspruchsvolle und stark lawinengefährdete Ostwand geklettert. 1988 gelang das auch dem Briten Stephen Venables als einzigem Mitglied seines Expeditionteams, über eine andere Route, ohne Flaschensauerstoff. Seitdem blieb die Kangshung-Flanke fast immer verwaist. 

Top-Tourenbuch 

Sokolov gehört zu den erfahrensten und besten Höhenbergsteigern Russlands. 2004 kletterte er auf neuer Route durch die Everest-Nordwand auf den Gipfel. 2007 gehörte Gleb zum russischen Team, das die Westwand des K 2 meisterte. Außerdem bestieg der Mann aus Nowosibirsk die Achttausender Lhotse, Makalu, Manaslu und Cho Oyu. Fast hätte es für ihn auch zu einem Piolet d’Or gereicht, dem Oscar der Bergsteiger. Im Jahr 2010 wurden Sokolov und Vitali Gorelik (der im Winter 2012 am K 2 starb) für ihre neue Route durch die Nordwand des 7439 Meter hohen Pik Pobeda nominiert, gewannen den Preis aber nicht. Ich drücke Gleb die Daumen, dass er im nächsten Jahr mehr Glück mit den Blauschafen hat.

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Miss Hawley: Keine Everest-Zirkusmätzchen https://blogs.dw.com/abenteuersport/miss-hawley-everest-jubilaeum/ Wed, 20 Mar 2013 15:52:52 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=20477

Miss Hawley (mit Ralf Dujmovits)

Möglicherweise habe ich es ein wenig übertrieben. Als ich Elizabeth Hawley um ihre Sicht auf den Mount Everest 60 Jahre nach der Erstbesteigung bitte, schreibt mir die legendäre Chronistin des Himalaya-Bergsteigens zurück: „Ihre Fragen scheinen den Mount Everest zu vermenschlichen, so sehe ich ihn aber keinesfalls.“ 89 Jahre hat die US-Amerikanerin bereits auf dem Buckel. Seit mehr als einem halben Jahrhundert dokumentiert Miss Hawley in der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu die Expeditionen zu den hohen Bergen des Himalaya. Ein ungeschriebenes Gesetz unter Bergsteigern lautet: Erst wenn Miss Hawley bestätigt hat, dass du am Gipfel warst, warst du auch wirklich oben.

Nicht mehr als ein riesiger Felsblock

Vor und nach jeder Expedition taucht sie persönlich oder jemand aus ihrem Recherche-Team im Hotel auf und fragt die Bergsteiger nach ihren Plänen und später, was daraus geworden ist. Auch wenn sie selbst nie einen hohen Berg bestiegen hat, kennt die in Chicago geborene Journalistin so viele Details der Achttausender, dass sie Hochstapler entlarven kann. So ist Miss Hawley auf ihre Art auch ein Teil der Everest-Geschichte geworden. Und doch ist der höchste Berg der Erde für sie nicht mehr „als ein riesiger Felsblock, annähernd geformt wie eine Pyramide, mit zahlreichen Eigenschaften, die für Bergsteiger tückisch sind (z.B. Wächten oder Gletscherspalten), wo ein plötzlicher Wetterumschwung immer möglich ist, das alles in extrem großer Höhe“. (Ihr könnt Miss Hawleys Äußerungen auf den beiden Everest-60-Pinnwänden auf der rechten Seite des Blogs nachlesen.)

Ultimative Herausforderung: Hufeisen-Route

Da der Mount Everest nur ein gewaltiger Berg sei, dem „Menschen eigentlich nichts anhaben können“, wünsche sie ihm selbst zum Jubiläum nichts. Doch die Chronistin des Himalaya-Bergsteigens plädiert für mehr Sportsgeist unter den Gipfelanwärtern. Sie müssten vorher besser überprüft werden, um „viele unfähige Männer und Frauen“ auszusortieren. Gar nichts übrig hat Miss Hawley für – so wörtlich – „Zirkusmätzchen“ auf dem Dach der Welt: „etwa ohne Kleidung oberhalb der Hüfte sechs Minuten am Gipfel zu stehen oder dort oben ein Streichinstrument zu spielen oder einen Golfball abzuschlagen“.
Stattdessen sollten sich die Bergsteiger an ungelösten Everest-Problemen versuchen, zum Beispiel an neuen Wegen durch die riesige Ostwand oder an der Hufeisen-Route, der laut Miss Hawley „ultimativen Herausforderung“: Immer über die Grate, über den Nuptse, zum Lhotse, dann über den Südsattel zum Everest-Gipfel und über den Westgrat zurück. Immer in großer Höhe, „ohne die Krücke Flaschensauerstoff“, versteht sich. Und auch die Bergsteigerinnen nimmt Miss Hawley in die Pflicht. Sie würde gerne mehr Pionierinnen sehen, schreibt die 89-Jährige. „Es wird Zeit, dass sie etwas Neues und anderes machen, das Männer noch nicht getan haben.“

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