Patagonien – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Frauen-Power in Patagonien https://blogs.dw.com/abenteuersport/frauen-power-in-patagonien/ Thu, 03 Mar 2016 11:11:51 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=32029 Papert und Smith-Gobat auf dem Gipfel des Torre Central

Papert und Smith-Gobat auf dem Gipfel des Torre Central

Den Sportkletterschuh am einen Fuß, am anderen einen Schuh mit Steigeisen – das sollte sich Ines Papert patentieren lassen. Die deutsche Topkletterin kreierte die eigenwillige Technik kürzlich in einer schwierigen Passage in der Ostwand des 2800 Meter hohen Torre Central in Patagonien. „Die Seillänge lies mir keine andere Wahl“, berichtet Ines. „Eine für mich völlig unbekannte Technik, deren Namen ich vielleicht prägen könnte: ‚hochgepapert‘?“ Sie habe sich wirklich mit allen Mitteln die extrem schwierige Route „Riders on the Storm“ hinaufgekämpft, sagt Ines: „Ich nutzte meine Eisgeräte nicht nur zum Klettern, sondern auch als Zwischensicherung.“ Zusammen mit der 36 Jahre alten Neuseeländerin Mayan Smith-Gobat gelang der 41-Jährigen an dem Granitturm die erst fünfte Begehung der Route, die 1991 von den deutschen Kletterlegenden Wolfgang Güllich, Kurt Albert, Bernd Arnold, Norbert Bätz und Peter Dittrich eröffnet worden war. 

Extreme Herausforderung

Mayan in der Wand

Mayan: „Neue Erfahrung“

Zusammen mit den beiden Frauen kletterte der Fotograf und Bergführer Thomas Senf. Der 34 Jahre alte gebürtige Leipziger lebt und arbeitet seit 15 Jahren in der Schweiz. Das Team hatte sich vorgenommen, die extrem schwierige Route durch die 1300 Meter hohe Wand erstmals frei zu klettern. Daran waren Güllich und Co. ebenso wie alle anderen Kletterer später gescheitert. Auch Ines und Mayan bissen sich letztlich an dieser Aufgabe die Zähne aus. Immerhin hätten sie zwei Seillängen „befreit“ und bei fünf weiteren kletterbare Varianten ausgemacht, berichten die beiden. Dass es nicht mehr wurde, verhinderte das berüchtigte „Patagonien-Wetter“ mit Schnee, Regen oder Sturm. Eine extreme Herausforderung in einer extremen Route, sagt Mayan: „Nicht selten klemmten die Finger, die Hand oder gar der ganze Körper in einem vereisten Riss, was auch für mich eine neue Erfahrung darstellte“, sagt Mayan.

Schrecksekunde in der Nacht

Frauen-Power: Ines (l.) und Mayan

Frauen-Power: Ines (l.) und Mayan

Ein seltenes Schönwetterfenster gleich zu Beginn ihrer Expedition nutzten Papert, Smith-Gobat und Senf, um die Route bis zum Gipfel zu durchsteigen. Ines spricht von einem „magischen“ Moment auf dem höchsten Punkt: „Wir fallen uns in die Arme und sind sprachlos. Kein Wind ist spürbar. Keine Wolke trübt den Himmel. Für einen Moment sind wir die glücklichsten Menschen auf dieser Erde.“ Aber es gab auch andere Momente. So krachte in der Nacht nach dem Gipfelerfolg ein kühlschrankgroßer Felsbrocken aus der Wand ins Tal. Ein Stein traf das Portaledge der Kletterinnen und zerriss das Zelt in zwei Hälften. Ines und Mayam kamen mit dem Schrecken davon.

Hochpapern ohne Papert

„Ich hatte reichlich Glück in dieser Wand. So reizvoll es erscheint wiederzukommen, um das Projekt zu vollenden, aber ich habe mich dagegen entschieden“, sagt Ines. Mayan hat die erste freie Begehung der extrem schwierigen Route noch nicht abgeschrieben. Sie will zum Torre Central zurückkehren, um sich, falls nötig, auch „hochzupapern“.

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Patagonisches https://blogs.dw.com/abenteuersport/patagonisches/ Mon, 24 Feb 2014 16:58:19 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=25361 Traumberge Patagoniens: Fitz Roy (l.) und Cerro Torre (r.)

Traumberge: Fitz Roy (l.) und Cerro Torre (r.)

Es gibt noch einige weiße Flecken auf meiner Wunsch-Weltkarte. Patagonien gehört dazu. Die Granitberge dort zählen nicht zu den höchsten, aber gewiss zu den schönsten Bergen der Welt. Jahr für Jahr ziehen sie Top-Kletterer aus aller Herren Länder an – und schicken sie häufig wieder unverrichteter Dinge heim. An kaum einem anderen Ort ist das Wetter so wechselhaft und unberechenbar wie in den Bergen am Südzipfel Südamerikas. Aus Patagonien erreichten uns zuletzt eine gute und eine traurige Nachricht.

Wahnsinnstraverse

Tommy Caldwell am Nordpfeiler des Fitz Roy

Tommy Caldwell am Nordpfeiler des Fitz Roy

Für Begeisterungsstürme in der Kletterszene sorgten Alex Honnold und Tommy Caldwell. Die beiden US-Amerikaner durchstiegen erstmals die so genannte „Fitz-Traverse“. Sie überschritten die komplette Gipfelgruppe um den Fitz Roy. Für die mehr als fünf Kilometer lange Kletterstrecke über sieben Gipfel und teilweise messerscharfe Grate benötigten die beiden fünf Tage. Für den 28 Jahre alten Honnold, der bisher vor allem mit Speed-Begehungen und Free-Solos, sprich ungesicherten Klettereien, für Furore gesorgt hatte, war es das erste Projekt in Patagonien – und dann gleich so ein Paukenschlag. Der 35 Jahre alte Tommy Caldwell hat sich vor allem mit Freikletter-Touren  an den legendären Granitwänden des Yosemite Valley einen Namen gemacht. Was ihn antreibt, hat Tommy einmal sehr einprägsam beschrieben: „I don’t know what’s wrong with me, but I love this shit.” (Ich weiß nicht, was mir fehlt, aber ich liebe diesen Scheiß.)

Chad Kellogg von Felsbrocken erschlagen

Chad Kellogg (1971-2014)

Chad Kellogg (1971-2014)

Zum Verhängnis ist der Fitz Roy einem anderen Topkletterer aus den USA geworden. Chad Kellogg starb, als er im Abstieg von einem Felsbrocken getroffen wurde. Er wurde nur 42 Jahre alt. Chad hatte in den letzten Jahren vor allem an den hohen Bergen Nepals seine Spuren hinterlassen. Mit seinem Landsmann David Gottlieb gelang ihm 2011 die Erstbesteigung des 6625 Meter hohen Pangbuk Ri. Dreimal versuchte Kellogg vergeblich, am Mount Everest  den Geschwindigkeitsrekord ohne Flaschensauerstoff zu brechen. Nach seinem letzten, auf 8300 Meter Höhe gescheiterten Versuch im Frühjahr 2013 schrieb Chad: „Letzten Endes bedeutet Leben, für jeden Moment zu leben. In diesem Sinne bereue ich nichts, weil jeder Moment ein Geschenk ist.“ R.I.P.

P.S. Ich weiß, ich bin mit dieser Geschichte ein bisschen spät dran, bitte aber um Nachsicht. Die Winterspiele in Sotschi ließen mir wenig Zeit ;-).

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Mr. Nordwand https://blogs.dw.com/abenteuersport/mr-nordwand/ Wed, 22 Feb 2012 15:20:38 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=13235

Robert Jasper

Robert Jasper hat eine Schwäche für Nordwände. „Ich möchte dort neue Maßstäbe setzen“, sagt der 43 Jahre alte deutsche Extrembergsteiger. Das hat er längst getan. Bereits 1991 durchstieg er die drei klassischen Alpen-Nordwände (Eiger, Matterhorn, Grande Jorasses) solo, auf schwierigen Routen und dabei äußerst schnell. In diesen Wänden vollendete er im Oktober vergangenen Jahres eine weitere spektakuläre Trilogie: „Ich wollte das Freiklettern (Anm.: Haken, Klemmkeile und Seil werden nur zur Sicherung, nicht zur Fortbewegung genutzt) in die großen Nordwände übertragen“, erläutert Robert sein Projekt, das ihn fast ein Jahrzehnt lang beschäftigt hat. Mit den Schweizern Markus Stofer (2003 Grandes Jorasses) und Roger Schaeli (2010 Eiger, 2011 Matterhorn) gelangen ihm die ersten freien Begehungen schwierigster Routen. Zwischendurch habe er manchmal am Erfolg gezweifelt, räumt Jasper ein. „Die Wände sind in der direkten Linie wirklich gefährlich.“

Eiger-Nordwand ausgelutscht?

Robert in der Eiger-Nordwand

Vor allem die Eigernordwand hat es Robert angetan – nicht nur, weil er sie bei gutem Wetter von seinem Heimatort Schopfheim im Südschwarzwald aus sehen kann. Mehr als ein Dutzend Mal hat er sie bereits durchklettert. „Es ist einfach die größte Wand in den Alpen,  man wird in ihr als Bergsteiger komplett gefordert“, antwortet Jasper, als ich ihn frage, ob die Eiger-Nordwand nicht ausgelutscht sei (das Gespräch könnt ihr unten nachhören). „Dann könnte man auch sagen, ein Stadion ist ausgelutscht. Am Ende kommt es doch darauf an, was dort geleistet wird. Auch am Eiger kann man noch ganz neue Routen klettern.“ Eine der schwierigsten in der Wand („Symphonie de liberté“) eröffnete Robert 1999 mit seiner Frau. In Daniela, erzählt der Kletterer, habe er „die extreme, perfekte Partnerin“ gefunden.

Familienverträglich

Die beiden haben zwei Kinder: Amelie und Stefan. Dennoch gehen Robert und Daniela auch weiterhin in den Alpen zusammen auf Bergtouren. „Ganz ohne Klettern, da würde unser Leben einfach nicht mehr stimmen“, findet Robert. „Man muss es eben familienverträglich machen, wenn man gemeinsam unterwegs ist.“ Dieses Kriterium ist bei langen Expeditionen nicht erfüllt, deshalb muss der Extrembergsteiger dann auf seine Frau verzichten. Immer wieder zieht es ihn nach Südamerika – nach Patagonien oder Feuerland. Dort, sagt Robert, könne er Abenteuer nach seinem Geschmack erleben: „Wenn ich auf einen Berg steige, auf dem noch nie jemand war oder über den es keine Informationen gibt. Wenn ich noch nicht weiß, wohin mich der Weg führt. Wenn ich mich auf mein inneres Gespür verlassen muss.“

Mehr der Kletterer

Hoch über Feuerland

Seit Robert 2007 am Cho Oyu nur mit viel Glück eine Lawine überlebte, hat er die höchsten Berge der Welt erst einmal ad acta gelegt. „Es ist auch toll, auf einen Achttausender zu steigen“, sagt Robert, „aber ich bin einfach mehr der Kletterer. Schwierige Routen frei zu klettern oder Expeditionen in unentdeckte Regionen reizen mich mehr.“ Jasper vergleicht das Bergsteigen mit der Leichtathletik. „8000er-Bergsteigen ist wie Marathon, Bouldern wie der 100-Meter-Sprint, und dazwischen gibt es noch viele andere Disziplinen. Ich finde es schön, dass sich jeder seine eigene heraussuchen kann.“

Muss auf die Berge hoch

Robert bezeichnet sich als „Bergsteiger aus Leidenschaft“. Und für eine Passion müsse man sich auch schinden können: „Gerade bei meinen Expeditionen mit Stefan Glowacz in Patagonien (Anm.: 2005 gelang beiden nach mehrfachem Anlauf eine schwierige Route durch die Nordwand des Cerro Murrallón.) habe ich gelernt, dass ich an großen Zielen auch wirklich lange dranbleiben und durch Mühe und Schweiß gehen muss. Irgendwann, wenn ich hartnäckig genug bin, schaffe ich es.“ Andere Menschen, sagt Robert, könnten ähnliche Glücksgefühle auch beim Wandern im Schwarzwald oder den Alpen erleben. „Aber ich bin der Extrembergsteiger und muss einfach auf die Berge hoch.“

Interview mit Extrembergsteiger Robert Jasper

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