Reinhard Karl – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Vor 40 Jahren: Der erste Deutsche auf dem Everest https://blogs.dw.com/abenteuersport/vor-40-jahren-der-erste-deutsche-auf-dem-everest/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/vor-40-jahren-der-erste-deutsche-auf-dem-everest/#comments Fri, 11 May 2018 08:11:01 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=40647

Reinhard Karl (1946-1982)

An diesem Wochenende werden die ersten Gipfelerfolge der Frühjahrssaison am Mount Everest erwartet. So peilt der als Frühstarter bekannte Mingma Gyalje Sherpa, Expeditionsleiter und Chef des Veranstalters „Imagine“, mit seinen fünf chinesischen Kunden Sonntag als Gipfeltag an. Die Gruppe wollte heute nach Lager 3 auf 7200 Metern aufsteigen. Vor genau 40 Jahren stand der erste Deutsche auf dem 8850 Meter hohen Gipfel des Mount Everest. „Die letzten Schritte bewältigen Oswald und ich Arm in Arm. Wir sind oben. Wir fallen uns um den Hals. Es ist zwölf Uhr mittags. Wir sind am Ziel unserer Wünsche, kurz unter dem Himmel“, schrieb Reinhard Karl später in seinem Buch „Erlebnis Berg. Zeit zum Atmen“ über jenen Augenblick am 11. Mai 1978, als er zusammen mit dem Österreicher Oswald Oelz den höchsten Punkt erreichte. Die beiden gehörten zu einer von Wolfgang Nairz geleiteten österreichischen Expedition, drei Tage vorher war Reinhold Messner und Peter Habeler ihr historischer erster Aufstieg ohne Flaschensauerstoff gelungen. Karl und Oelz benutzten Atemmasken.

Oelz und Karl über die Momente auf dem Everest-Gipfel

Ein 68er als Bergsteiger

Das Bergsteigen ist Reinhard Karl nicht in die Wiege gelegt. 1946 wird er in Heidelberg geboren, in Nordbaden, fernab der Berge. Mit 14 Jahren beginnt Reinhard eine Lehre als Automechaniker, der „dreckigste und mieseste aller Traumjobs“, wie er später schreibt. Mit 17 macht er seine erste Klettertour. Das Bergsteigen am Wochenende wird zur Flucht vor dem ungeliebten Job. Als ihm der Inhaber der Autowerkstatt kündigt, beginnt Reinhard in Frankfurt zu studieren und gerät mitten in die 1968er-Studentenbewegung. Als Bergsteiger werden seine Touren extremer. Reinhard durchsteigt die Eiger-Nordwand, klettert an den Granitwänden des Yosemite-Nationalparks. 1977 eröffnet er mit Helmut Kiene am Fleischbank-Südostpfeiler im Wilden Kaiser die „Pumprisse“, eine bahnbrechende Kletterroute, die erste im siebten Schwierigkeitsgrad.

Traum erfüllt

Everest-Südseite

Reinhard hat sich inzwischen auch einen Namen als Bergfotograf gemacht. Für eine große deutsche Zeitschrift soll er im Frühjahr 1978 Fotos von der Everest-Expedition machen. Deshalb wird der damals 31-Jährige eingeladen. Karls bis dahin höchster Gipfel ist der 4810 Meter hohe Mont Blanc gewesen. Jetzt bietet sich ihm erstmals die Möglichkeit, sich an einem Achttausender zu versuchen, und dann gleich am höchsten aller Berge. „Für mich war die Chance am Anfang eins zu 1000, da hochzukommen“, schreibt Reinhard. „Ich war ja kein Expeditionsmitglied, ich war ja ein durch Zufall hergelaufener Preuße, der Fotos machen sollte.“ Doch Karl hat einen „Standard-Tagtraum“, wie er es nennt: „Den Everest ganz oben zu betreten. Dutzende Male habe ich so schon den Gipfel bestiegen. Allein, mit anderen, erschöpft, glücklich, im Sturm und bei Sonnenschein. Die Fotos, die ich von anderen Gipfelbesteigungen sah, haben sich zu meinem Besteigungs-Traumfilm vermehrt.“

Oswald Oelz über Reinhard Karl 1978 am Everest

Bei leichtem Schneetreiben brechen Reinhard und Oswald vom Südsattel aus auf. Das Thermometer zeigt 35 Grad minus, der Wind bläst mit 50 Stundenkilometern. Nach sechs Stunden erreichen die beiden den Gipfel. Zurück in Deutschland erhält Karl das „Silberne Lorbeerblatt“, die höchste Auszeichnung der Bundesrepublik für Sportler. Beim anschließenden Bankett sagt Reinhard zum damaligen Innenminister Gerhart Baum: „Wissen Sie, wenn ich nicht Bergsteiger geworden wäre, wäre ich vielleicht Terrorist geworden.“

Tod in der Eislawine

Nepalesische Seite des Cho Oyu

1979 besteigt Karl mit dem Gasherbrum II seinen zweiten Achttausender. Dann reißt seine Erfolgsserie. Reinhard scheitert am Cerro Torre in Patagonien, muss am Nanga Parbat aufgeben und auch der K 2 hält ihn auf Distanz. Beim Versuch, den Cho Oyu über die Südwand zu besteigen, stirbt Karl am 19. Mai 1982 im Zelt auf 6700 Metern Höhe in einer Eislawine. Ein Eisbrocken hat den 35-Jährigen im Gesicht getroffen.

Reinhard Karls letztes Interview am Cho Oyu 1982

Wirklich oben bist du niemals

Bis heute genießen Reinhard Karls Schriften und Bilder Kultstatus – auch seine Worte über die Momente auf dem Dach der Welt: „Wir machen Gipfelfotos für das Familienalbum: Ich, der Gipfelsieger. Ich, der Übermensch. Ich, das atemlose Wesen. Ich der Reinhard auf einem Schneehaufen. Langsam kommen mir die Kälte, der Wind und meine Erschöpfung zu Bewusstsein. Langsam kommt nach der Freude die Traurigkeit, ein Gefühl der Leere: Eine Utopie ist Wirklichkeit geworden. Ich ahne, dass auch der Everest nur ein Vorgipfel ist, den wirklichen Gipfel werde ich nie erreichen.“

P.S. Ich empfehle euch die Reinhard-Karl-Biographie von Tom Dauer: „Ein Leben ohne Wenn und Aber“. Die dort beiliegende CD (mit einem Radio-Feature und O-Tönen von Karl) habe ich vor 16 Jahren verzapft.

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Vor 35 Jahren: Reinhard Karl auf dem Everest https://blogs.dw.com/abenteuersport/vor-35-jahren-reinhard-karl-auf-dem-everest/ Sat, 11 May 2013 12:44:47 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=21615

Reinhard Karl (1946-1982)

„Die letzten Schritte bewältigen Oswald und ich Arm in Arm. Wir sind oben. Wir fallen uns um den Hals. Es ist zwölf Uhr mittags. Wir sind am Ziel unserer Wünsche, kurz unter dem Himmel.“ Das schreibt Reinhard Karl später in seinem Buch „Erlebnis Berg. Zeit zum Atmen“ über jenen Augenblick am 11. Mai 1978, als er zusammen mit dem Österreicher Oswald Oelz den 8850 Meter hohen Gipfel des Mount Everest erreicht. Die beiden gehören zu einer von Wolfgang Nairz geleiteten österreichischen Expedition, drei Tage vorher ist Reinhold Messner und Peter Habeler ihr historischer erster Aufstieg ohne Flaschensauerstoff gelungen. Karl und Oelz benutzen Atemmasken. Reinhard ist der erste Deutsche, der auf dem Dach der Welt steht.

Oelz und Karl über die Momente auf dem Everest-Gipfel

Ein 68er als Bergsteiger

Das Bergsteigen ist Reinhard Karl nicht in die Wiege gelegt. 1946 wird er in Heidelberg geboren, in der Pfalz, fernab der Berge. Mit 14 Jahren beginnt Reinhard eine Lehre als Automechaniker, der „dreckigste und mieseste aller Traumjobs“, wie er später schreibt. Mit 17 macht er seine erste Klettertour. Das Bergsteigen am Wochenende wird zur Flucht vor dem ungeliebten Job. Als ihm der Inhaber der Autowerkstatt kündigt, beginnt Reinhard in Frankfurt zu studieren und gerät mitten in die 1968er-Studentenbewegung. Als Bergsteiger werden seine Touren extremer. Reinhard durchsteigt die Eiger-Nordwand, klettert an den Granitwänden des Yosemite-Nationalparks. 1977 eröffnet er mit Helmut Kiene am Fleischbank-Südostpfeiler im Wilden Kaiser die „Pumprisse“, eine bahnbrechende Kletterroute, die erste im siebten Schwierigkeitsgrad.

Traum erfüllt

Everest-Südseite

Reinhard hat sich inzwischen auch einen Namen als Bergfotograf gemacht. Für eine große deutsche Zeitschrift soll er im Frühjahr 1978 Fotos von der Everest-Expedition machen. Deshalb wird der damals 31-Jährige eingeladen. Karls bis dahin höchster Gipfel ist der 4810 Meter hohe Mont Blanc gewesen. Jetzt bietet sich ihm erstmals die Möglichkeit, sich an einem Achttausender zu versuchen, und dann gleich am höchsten aller Berge. „Für mich war die Chance am Anfang eins zu 1000, da hochzukommen“, schreibt Reinhard. „Ich war ja kein Expeditionsmitglied, ich war ja ein durch Zufall hergelaufener Preuße, der Fotos machen sollte.“ Doch Karl hat einen „Standard-Tagtraum“, wie er es nennt: „Den Everest ganz oben zu betreten. Dutzende Male habe ich so schon den Gipfel bestiegen. Allein, mit anderen, erschöpft, glücklich, im Sturm und bei Sonnenschein. Die Fotos, die ich von anderen Gipfelbesteigungen sah, haben sich zu meinem Besteigungs-Traumfilm vermehrt.“

Oswald Oelz über Reinhard Karl 1978 am Everest

Bei leichtem Schneetreiben brechen Reinhard und Oswald vom Südsattel aus auf. Das Thermometer zeigt 35 Grad minus, der Wind bläst mit 50 Stundenkilometern. Nach sechs Stunden erreichen die beiden den Gipfel. Zurück in Deutschland erhält Karl das „Silberne Lorbeerblatt“, die höchste Auszeichnung der Bundesrepublik für Sportler. Beim anschließenden Bankett sagt Reinhard zum damaligen Innenminister Gerhart Baum: „Wissen Sie, wenn ich nicht Bergsteiger geworden wäre, wäre ich vielleicht Terrorist geworden.“

Tod in der Eislawine

Cho Oyu

1979 besteigt Karl mit dem Gasherbrum II seinen zweiten Achttausender. Dann reißt seine Erfolgsserie. Reinhard scheitert am Cerro Torre in Patagonien, muss am Nanga Parbat aufgeben und auch der K 2 hält ihn auf Distanz. Beim Versuch, den Cho Oyu über die Südwand zu besteigen, stirbt Karl am 19. Mai 1982 im Zelt auf 6700 Metern Höhe in einer Eislawine. Ein Eisbrocken hat den 35-Jährigen im Gesicht getroffen.

Reinhard Karls letztes Interview am Cho Oyu 1982

Wirklich oben bist du niemals

Bis heute genießen Reinhard Karls Schriften und Bilder Kultstatus – auch seine Worte über die Momente auf dem Dach der Welt: „Wir machen Gipfelfotos für das Familienalbum: Ich, der Gipfelsieger. Ich, der Übermensch. Ich, das atemlose Wesen. Ich der Reinhard auf einem Schneehaufen. Langsam kommen mir die Kälte, der Wind und meine Erschöpfung zu Bewusstsein. Langsam kommt nach der Freude die Traurigkeit, ein Gefühl der Leere: Eine Utopie ist Wirklichkeit geworden. Ich ahne, dass auch der Everest nur ein Vorgipfel ist, den wirklichen Gipfel werde ich nie erreichen.“

P.S. Ich empfehle euch die Reinhard-Karl-Biographie von Tom Dauer: „Ein Leben ohne Wenn und Aber“. Die dort beiliegende CD (mit einem Radio-Feature und O-Tönen von Karl) habe ich vor elf Jahren verzapft.

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Vor 30 Jahren: Reinhard Karl stirbt am Cho Oyu https://blogs.dw.com/abenteuersport/vor-uber-30-jahren-reinhard-karl-stirbt-am-cho-oyu/ Thu, 14 Jun 2012 15:19:02 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=15343

Reinhard Karl (1946-1982)

Peinlich. Da ist mir doch vor lauter Everest am 19. Mai der 30. Todestag Reinhards Karls durchgeflutscht. Ich könnte natürlich einfach darüber hinweggehen. Doch dieser Mann hat es wirklich verdient, dass man sich seiner erinnert. Kaum einer hat der Alpinliteratur und der Bergfotografie in so kurzer Zeit so viele Impulse gegeben wie Reinhard Karl. Nach wie vor gehört er im deutschen Sprachraum zu den meistzitierten Bergsteigern.

Von einem Eisbrocken erschlagen

19. Mai 1982, fünf Uhr früh, am Achttausender Cho Oyu in Nepal: Reinhard Karl und der Österreicher Wolfgang Nairz wachen in ihrem Zelt auf 6700 Metern auf. Karl wirft den Kocher an, um Schnee zu schmelzen und kriecht in den Schlafsack zurück. Nairz erinnert sich: „Wenig später war plötzlich ein Rauschen. Reinhard sagt noch: ‚Was ist das?’ Und unmittelbar darauf, im nächsten Moment war ein Krachen. Wir waren völlig zugedeckt von einer Eislawine. Ich habe noch nach Reinhard gerufen, habe keine Antwort bekommen.“ Nairz überlebt schwer verletzt. Reinhard Karl ist tot. Ein Eisbrocken hat den 35-Jährigen mitten ins Gesicht getroffen. Die anderen Expeditionsmitglieder bestatten ihn im Schlafsack in einer Gletscherspalte.

Wolfgang Nairz über Reinhard Karls Tod in der Eislawine

Flucht vor dem „miesesten aller Traumjobs“

Das Bergsteigen ist Reinhard Karl nicht in die Wiege gelegt. 1946 wird er in Heidelberg geboren, in der Pfalz, fernab der Berge. Mit 14 Jahren beginnt Reinhard eine Lehre als Automechaniker, der „dreckigste und mieseste aller Traumjobs“, wie er später schreibt. Mit 17 macht er seine erste Klettertour. Das Bergsteigen am Wochenende wird zur Flucht vor dem ungeliebten Job. Als ihm der Inhaber der Autowerkstatt kündigt, beginnt Reinhard in Frankfurt zu studieren und gerät mitten in die 1968er-Studentenbewegung. Als Bergsteiger werden seine Touren extremer. Reinhard durchsteigt die Eiger-Nordwand, klettert an den Granitwänden des Yosemite-Nationalparks. 1977 eröffnet er mit Helmut Kiene am Fleischbank-Südostpfeiler im Wilden Kaiser die „Pumprisse“, eine bahnbrechende Kletterroute, die erste im siebten Schwierigkeitsgrad.

Der erste Deutsche auf dem Everest

Südseite des Cho Oyu - dort starb Reinhard Karl

Inzwischen hält sich Reinhard Karl mit dem Verkauf seiner Bergfotografien finanziell über Wasser. Der Autodidakt spielt mit Lichteffekten und ungewöhnlichen Perspektiven. „Bewusstes Sehen ermöglicht bewusstes Erleben“, schreibt Reinhard. Eine große deutsche Zeitschrift beauftragt ihn 1978, als Fotograf die erste Besteigung des Mount Everest ohne Atemmaske zu dokumentieren. „Da kam dieser linke, deutsche Student und hat gestänkert, provoziert, mit ganz kleinen spitzen Bemerkungen ganz genau dort angesetzt, wo jemand wirklich empfindlich war“, erzählt der Österreicher Oswald Oelz. Die beiden bilden eine Seilschaft und erreichen am 11. Mai 1978 (drei Tage nach Reinhold Messner und Peter Habeler) den Gipfel des Mount Everest – mit Flaschensauerstoff. Reinhard Karl ist der erste Deutsche auf dem höchsten Berg der Erde. „Ich ahne, dass auch der Everest nur ein Vorgipfel ist, den wirklichen Gipfel werde ich nie erreichen.“

Oswald Oelz über Reinhard Karl 1978 am Everest

Unantastbar wie der Regenbogen

1979 besteigt Karl mit dem Gasherbrum II seinen zweiten Achttausender. Dann reißt seine Erfolgsserie. Reinhard scheitert am Cerro Torre in Patagonien, muss am Nanga Parbat aufgeben und auch der K 2 hält ihn auf Distanz. Vor seiner Abreise zum Cho Oyu 1982 verfasst Reinhard Karl einen Essay mit dem Titel „Unterwegs nach Hause. Er klingt fast wie sein eigener Nachruf: „Ich habe nicht nach rechts und nach links noch zurück geschaut. Das war die Jagd nach den schwierigsten Kletterrouten und nach den höchsten Bergen. Danach gab ich’s auf. Das was ich suchte, war so unantastbar wie der Regenbogen.“

Reinhard Karls letztes Interview am Cho Oyu 1982

P.S. Reinhard Karls Buch „Erlebnis Berg: Zeit zum Atmen“ sollte jeder Bergfreund gelesen haben. Ich empfehle euch auch die Reinhard-Karl-Biographie von Tom Dauer: „Ein Leben ohne Wenn und Aber“. Die dort beiliegende CD (mit einem Radio-Feature und O-Tönen von Karl) habe ich vor zehn Jahren verzapft.

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