Reintalangerhütte – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Zugspitze zugespitzt https://blogs.dw.com/abenteuersport/zugspitze-zugespitzt/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/zugspitze-zugespitzt/#comments Mon, 17 Sep 2018 15:13:55 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=41973

Unterwegs im oberen Reintal

Tief über seine etwas kurz montierten Wanderstöcke gebeugt, steigt er uns entgegen, etwas wacklig, aber doch recht zügig. Als wir auf einer Höhe sind, hebt er den Kopf, um zu grüßen. Ich schätze ihn auf 80 Jahre, wenn nicht sogar älter. Er lebe auf einem Bauerhof oberhalb der Partnachklamm, erzählt mir der Senior, an seiner Seite läuft ein Schäferhund. „Mal sehen, vielleicht steigen wir noch ein bisschen höher. Der Hund muss bewegt werden.“ Wir begegnen uns auf rund 1000 Metern, nicht weit vom Eingang des Oberen Reintals im Zugspitzgebiet entfernt.

Letzte Sonnenstrahlen am Partnach-Lido

Die Reintalangerhütte

Zum dritten Mal besteige ich die Zugspitze, den höchsten Berg Deutschlands, über den langen, aber landschaftlich sehr reizvollen Weg durch das Reintal. Immer wieder bin ich beeindruckt von der beeindruckenden Felskulisse auf beiden Seiten des Tals. Wir übernachten auf der 1369 Meter hohen Reintalangerhütte, genießen vorher jedoch noch bei einem Radler die letzten zwei Sonnenstunden des Tages am „Partnach-Lido“, dem Bach-„Strand“ direkt vor der Hütte. Die wurde bereits 1912 errichtet und hat sich den Charme einer alten Alpenvereinshütte bewahrt: sehr einfach, aber auch gemütlich.

Beim Eisklettern tödlich verunglückt

Eine Tragödie liegt jedoch in diesem Jahr wie ein Schatten über der Reintalangerhütte. Der Hüttenwirt verunglückte Anfang Juni beim Eisklettern tödlich. Ein Schwarz-Weiß-Bild mit einer Kerze davor erinnert an den 51-Jährigen. Seine Frau und Kinder wollen die Hütte im Sinne des Verstorbenen weiterführen.

„Daumen drücken!“

Das Küchenteam hat jede Menge zu tun. Das schöne Herbstwetter hat viele Zugspitz-Gipfelanwärter ins Reintal gelockt. Am Nebentisch liest eine Frau laut die Routenbeschreibung vor. Offenkundig will sie mit ihrem Mann und zwei Senioren – ich vermute, dass es sich um ihre oder seine Eltern handelt – ebenfalls den höchsten Berg Deutschlands erklimmen. Bereits um 20 Uhr verabschiedet sich das Quartett Richtung Schlafräume. „Daumen drücken!“, verkündet die Seniorin mit etwas skeptischem Tonfall zum Abschied.

Wer schnarcht, hat gewonnen

Letzter Schutthügel vor dem Anstieg zum Gipfel

Wir fühlen uns noch nicht müde genug und gönnen uns ein weiteres Bier. Gegen 22.30 Uhr schleichen wir uns ins gut belegte Matratzenlager. Dort wird bereits um die Wette geschnarcht. Einschlafen unmöglich. Ich nehme mir vor, beim nächsten Mal noch ein Bier mehr zu bestellen. Irgendwann nicke ich dann aber doch ein – bis 5.30 Uhr. Der erste Handywecker klingelt. Auch ich bin jetzt eigentlich wach, döse aber noch eine Stunde vor mich hin. Nach dem Frühstück brechen wir um 7.45 Uhr auf.

Wie ein Käfer auf dem Rücken

Was für ein herrlicher Gipfeltag! Keine Wolke trübt den Himmel. Zwei Stunden später erreichen wir die Knorrhütte auf 2051 Metern. Kurz davor überholen wir das Frühschläfer-Quartett. Der Senior stolpert, es gelingt ihm nur mit äußerster Mühe, im Geröll wieder auf die Beine zu kommen. Der geschätzt über 70-Jährige strampelt mit den Füßen – wie ein Käfer, der auf dem Rücken liegt. Keine gute Idee, diese Senioren mit auf die Zugspitze zu nehmen, denke ich mir. Eine Wanderung im Tal wäre sicher angemessener gewesen.

Stau wie am Hillary-Step

Nicht nur am Everest …

Ob dieses Quartett den höchsten Punkt erreicht hat, weiß ich nicht. Wir treffen die Vierergruppe auf unserem weiteren Weg jedenfalls nicht mehr. Über einen Kräfte zehrenden Schutthügel und einen kleinen versicherten Felssteig erreichen wir schließlich zur Mittagszeit das Gipfelhaus. Dort empfängt uns eine Menschenmenge wie beim Sommerschlussverkauf. Mit unseren Rucksäcken kommen wir in dem Gedränge kaum noch vorwärts.  In unseren verstaubten Bergschuhen wirken wir wie Exoten unter all den Bergbahn-Touristen, die Turnschuhe oder Sandalen tragen. Die letzten paar Meter von der Besucherplattform hinauf zum Gipfelkreuz schenken wir uns. An der Leiter staut es sich wie einst am Hillary-Step – als es die Felsstufe am Mount Everest noch gab. Was wohl der 80-Jährige, dem wir knapp 2000 Meter tiefer begegneten, zu dem Massenauflauf hier oben sagen würde? Vielleicht: „Der Hund muss bewegt werden.“

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Oben abgekommen https://blogs.dw.com/abenteuersport/oben-abgekommen/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/oben-abgekommen/#comments Thu, 20 Sep 2012 16:33:53 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=17011

Am Ende einer langen Reise

Der Stein von der tiefsten Stelle Deutschlands liegt jetzt auf der höchsten. Heute um 13.30 Uhr habe ich ihn am 2962 Meter hohen Gipfel der Zugspitze abgelegt – nachdem ich ihn ausschließlich mit fairen Mitteln, mit dem Fahrrad oder zu Fuß, quer durch Deutschland dorthin gebracht habe. Die Zugspitze hat  es uns nicht gerade leicht gemacht.

Reif für den Trockenraum

Regenwolken im Oberreintal

Als wir am Mittwoch vom Skisprung-Stadion Garmisch-Partenkirchen aufbrechen, gießt es in Strömen. Noch nie habe ich in der Partnachklamm so viel Wasser von den Felswänden rieseln sehen. Die erste unfreiwillige Dusche für mich und meine Begleiter. Das sind mein Sohn Jan und seine Freunde Felix und Justus. Als wir den weiten Weg ins Reintal hinein wandern, lässt der Regen vorübergehend ein wenig nach, doch es nieselt beständig weiter. Trotz wetterfester Bekleidung arbeitet sich die Nässe langsam nach innen durch. Als wir nach vierstündigem Aufstieg die Reintalangerhütte auf 1369 Metern erreichen, werden wir dort mit den Worten empfangen: „Ihr seht aus, als solltet ihr erst einmal in den Trockenraum gehen.“ Dort lassen wir die nassen Klamotten und Wanderschuhe zurück.

Ochsenblut

Matratzenlager

Das Matratzenlager in der 100 Jahre alten, urigen Hütte ist kaum belegt. Wir können uns ausbreiten. Außer uns übernachten hier noch etwa ein Dutzend Wanderer. Am Abend bestellen zwei Mainzer nach dem Essen „Ochsenblut“. Weder das Hüttenpersonal noch die anderen Gäste haben davon jemals gehört. “Das ist Rotwein mit Cola“, klären uns die beiden auf. Ein kollektiver Aufschrei des Abscheus hallt durch die Gaststube. „Das schmeckt wirklich gut“, beharren die Mainzer, die aber niemanden dazu bewegen können, davon zu kosten. Wir ziehen uns früh ins Lager zurück, um am Gipfeltag ausgeschlafen zu sein. Zwei Stunden später unterbrechen die Mainzer unsere Ruhe, indem sie die Beleuchtung einschalten und belustigt feststellen: „Ach, guck mal, da schlafen ja noch andere.“ Wieder einmal bestätigt sich eine alte Hüttenregel: Wenn du im Matratzenlager gut schlafen willst, musst du am meisten trinken und als letzter kommen.

Volle Konzentration

Gratwanderung

Um 6.30 Uhr werden wir mit einem schönen, auf einem Akkordeon gespielten Walzer und einem anschließenden Weckruf aus dem Schlaf geholt. Das hat Tradition in der Reintalangerhütte. Eine gute Stunde später treten wir ins Freie. Kaum zu glauben, aber der Himmel ist fast wolkenlos. Nach dem gestrigen Dauerregen hätten wir das kaum für möglich gehalten. Petrus meint es offenbar gut mit uns. 1600 Höhenmeter trennen uns noch vom Gipfel. Wir gewinnen an Höhe. Auf dem Zugspitzplatt sind fünf bis zehn Zentimeter Neuschnee gefallen. Wir steigen auf einem weißen Teppich auf. Bald erscheint der Gipfel zum Greifen nah, doch noch wartet ein mit Drahtseilen gesicherter Steig auf uns. Und der hat es in sich. Die Sonne hat nämlich inzwischen dafür gesorgt, dass der Neuschnee zu schmelzen begonnen hat. Kleine Bäche ergießen sich über die Felsen. An anderen Stellen liegt noch Schneematsch auf den Tritten. Unsere ganze Konzentration ist gefordert. Ein Ausrutscher könnte fatale Folgen haben. Wir nehmen auch diese letzte Hürde und stehen plötzlich auf der Metalltreppe, die zum Zugspitzhaus führt. Ein fast absurdes Ende einer Bergtour.

Seid fair zum Berg!

Platz mit Aussicht

Dort oben tummeln sich wegen der heute fast perfekten Fernsicht von bis zu 150 Kilometern mehrere hundert Touristen. Fast alle sind mit Seil- oder Zahnradbahn auf Deutschlands höchsten Berg gekommen. Auf den eigentlich höchsten Punkt traut sich kaum jemand, weil die Stelle recht ausgesetzt ist. So stehen wir wenig später alleine unter dem vergoldeten Gipfelkreuz. Ich ziehe den den Stein aus der Tasche, der vor anderthalb Wochen noch an der tiefsten Stelle Deutschlands in Neuenfeld-Sachsenbande nahe Itzehoe gelegen hat. Ich suche einen schönen Platz für ihn aus, mit einem beeindruckenden Panorama rundherum – sieht man vom Zugspitzhaus und seiner Besucherterrasse ab.

Damit endet meine Aktion „Fair zum Berg“. Mein Anliegen aber bleibt bestehen: Seid bitte fair zu den Bergen! Tretet ihnen mit Respekt und Demut gegenüber! Und tut etwas für den Klimaschutz!

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