Rettungsflüge – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Neue Richtlinien für Hubschrauber-Rettung in Nepals Bergen https://blogs.dw.com/abenteuersport/neue-richtlinien-fuer-hubschrauber-rettung-in-nepals-bergen/ Mon, 03 Sep 2018 13:28:01 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=41919

Rettungsflug am Everest

Ein Komitee soll es richten. Seit Freitag gelten in Nepal neue Richtlinien für die Hubschrauberrettung, mit denen die Regierung künftig Versicherungsbetrug mit „Schummel-Rettungsflügen“ verhindern will. Ein „Touristen-Such-und-Rettungskomitee“ soll alle Rettungsaktionen überwachen. In dem Komitee sind neben dem Gesundheits- und Heimatministerium auch der nepalesische Bergsteiger-Verband (NMA), die Rettungsorganisation „Himalayan Rescue Association“ (HRA), die Zivilluftfahrtbehörde Nepals (CAAN) und die für die Touristen zuständige Polizei vertreten. Hubschrauber-Unternehmen, Expeditions- und Trekkingagenturen, Krankenhäuser und Versicherungsunternehmen sind ab sofort verpflichtet, alle Details über Rettungsflüge und medizinische Versorgung sowie Versicherungsrechnungen zeitnah vorzulegen, damit das Komitee sie prüfen kann. Bei Unregelmäßigkeiten soll das Komitee auch dafür zuständig sein, die schwarzen Schafe der Branche zu bestrafen.

Keine Mittelsmänner mehr

Die Regierung ließ ihren ursprünglichen Plan fallen, die Rettungsaktionen künftig komplett in die Hände  einer Polizeieinheit im Tourismusministerium zu legen. Nun werden die Veranstalter von Expeditionen und Trekkingreisen in die Pflicht genommen. Sie sollen alles Nötige in die Wege leiten, um ihren Kunden im Notfall zu retten. An Bord des Rettungshubschraubers sollen nur noch der Patient und ein Helfer oder Guide genommen werden. Die Krankenhäuser sollen der betroffenen Agentur einen Kostenvoranschlag für die Behandlung des Kunden machen. Mittelsmänner zwischen Versicherungen und Tourismusagenturen werden vollständig aus dem Rettungswesen verbannt.

CAAN soll Kosten für Rettungsflüge deckeln

Rückflug mit dem Hubschrauber

Nach der Frühjahrs-Klettersaison war ein massiver Versicherungsbetrug bei vermeintlichen Rettungsflügen aufgedeckt worden. Immer wieder sollen Guides Bergsteiger und Trekkingtouristen schon beim kleinsten Unwohlsein gedrängt haben, in einen Rettungshubschrauber zu steigen und sich zur Behandlung zurück nach Kathmandu zurückfliegen zu lassen. Diese Flüge wurden den Versicherungen dann – oft völlig überteuert – in Rechnung gestellt. Eine Untersuchungskommission des nepalesischen Tourismusministeriums benannte namentlich elf Unternehmen aus der Hubschrauber- und Trekkingbranche sowie vier Krankenhäuser in Kathmandu, die Versicherungen betrogen haben sollen. Es dürfte aber nur die Spitze des Eisbergs sein.

Die Kommission fand heraus, dass einzelne Bergführer auch Backpulver ins Essen ihrer Kunden gemischt hatten, damit diese Durchfall bekamen und sich vom Rettungshubschrauber ausfliegen ließen. Zudem waren Helikopter mit angeblich kranken Bergsteigern und Trekkingtouristen vollgepackt worden, anschließend hatten die Versicherungen dann für mehrere Einzelflüge zahlen sollen. Allein in den ersten fünf Monaten des Jahres waren laut Regierung mehr als 1300 Hubschrauberrettungen gemeldet worden.

Die Versicherungen hatten damit gedroht, künftig keine Rettungsflüge in Nepal mehr zu decken, falls die Regierung nicht einschreite. Sie forderten, die Kosten zu deckeln: auf 4000 Dollar pro Flug. Die Zivilluftfahrtbehörde CAAN soll jetzt eine Kostenobergrenze festlegen, abhängig von Flugstunden, Entfernung und Rettungshöhe.

Tier mit vier Hinterbeinen

Ob ausgerechnet ein Komitee der Weisheit letzter Schluss ist, um das Problem in den Griff zu bekommen? Ich bin skeptisch. Komitees neigen in der Regel nicht unbedingt dazu, schnell und effektiv zu arbeiten – oder wie der britische Schriftsteller John le Carré (in seinem Spionageroman „Dame, König, As, Spion“) schrieb: „Ein Komitee ist ein Tier mit vier Hinterbeinen.“

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Kampfansage gegen Schummel-Rettungsflüge in Nepal https://blogs.dw.com/abenteuersport/kampfansage-gegen-schummel-rettungsfluege-in-nepal/ Sun, 26 Aug 2018 13:29:30 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=41855

Rettungshubschrauber am Everest-Basislager

Die Luft wird dünner für jene, die sich in Nepal mit Schummel-Rettungsflügen eine goldene Nase verdienen. Nach Informationen der in Kathmandu erscheinenden Zeitung „The Himalayan Times“ haben internationale Versicherungsunternehmen ein Ultimatum bis zum 1. September gesetzt, um den illegalen Machenschaften ein Ende zu setzen. Andernfalls wollen sie die Kosten für Helikopter-Rettungsflüge nicht mehr decken. Die Regierung Nepals plant, eine Polizei-Einheit im Tourismusministerium einzurichten, die allein über die Rettungseinsätze entscheiden soll.

Nicht praktikabel

Lakpa Norbu Sherpa (r.) und Maurizio Folini

Lakpa Norbu Sherpa, der seit 2003 als Basecamp-Manager der Himalayan Rescue Association (HRA) die Rettung am Mount Everest koordiniert, ist skeptisch. „Polizisten sind doch keine Spezialisten dafür“, sagt mir der 37-Jährige, der 2012 in der Schweiz als Hubschrauber-Retter ausgebildet wurde. Ähnlich äußert sich Maurizio Folini: „Die Lösung ist nicht praktikabel. Die Polizei hat doch keine Ahnung von Rettung im Gebirge.“ Der 53 Jahre alte Hubschrauberpilot aus Italien ist ein Pionier für Rettungsflüge an den Achttausendern Nepals. Seit 2011 fliegt Folini regelmäßig Einsätze an den höchsten Bergen der Welt, 2013 gelang ihm am Mount Everest die bis dato höchste Hubschrauberrettung aller Zeiten, als er einen nepalesischen Bergsteiger aus 7800 Metern am langen Seil talwärts beförderte.

Spitze des Eisbergs

Er habe mehrfach darauf hingewiesen, dass viele der in den letzten Jahren in Nepal deklarierten Rettungsflüge in Wirklichkeit gar keine gewesen seien, erzählt mir Maurizio: „Aber als Pilot hast du da wenig Einfluss. Im vergangenen Frühjahr habe ich solche Flüge verweigert. Ich bin nur noch geflogen, wenn ich auch wirkliche Patienten an Bord hatte.“ Eine Untersuchungskommission des nepalesischen Tourismusministeriums hat inzwischen elf Unternehmen aus der Hubschrauber- und Trekkingbranche sowie vier Krankenhäuser in Kathmandu namentlich benannt, die Versicherungen betrogen haben sollen. Es dürfte aber nur die Spitze des Eisbergs sein.

Backpulver ins Essen gemischt

Rettungsflug am Everest

Bergtouristen sollen schon bei leichtem Unwohlsein dazu gedrängt worden sein, in den Rettungshubschrauber zu steigen. Die Kommission berichtet sogar von einzelnen Fällen, in denen lokale Guides Backpulver als Abführmittel ins Essen gemischt hätten, um bei ihren Kunden Durchfall zu provozieren und sie dann zu überreden, per Rettungsflug nach Kathmandu zurückzukehren. Hubschrauber seien mit mehreren Kranken vollgepackt worden, heißt es. Die Unternehmen hätten dann jedoch mit den Versicherungen der jeweiligen Patienten Einzelflüge abgerechnet.

Dreifache Rechnung

Folini weist darauf hin, dass die meisten der „Fake-Rettungsflüge“, wie er sie nennt, auf den Trekkingrouten starten, etwa in Gorak Shep, der letzten bewohnten Siedlung vor dem Everest-Basislager, oder im Gokyo-Tal, einem beliebten Trekkingziel nahe dem höchsten Berg der Erde. „Die Trekkingtouristen oder Bergsteiger werden von den Agenturen beeinflusst“, sagt Maurizio Folini. „Das Geschäft macht die Agentur, die eine bis zu dreifache Rechnung ausstellt, 12.000 statt 4.000 Dollar pro Rettung.“ Auch einige Krankenhäuser in Kathmandu, so Maurizio, hätten „dreckige Finger“. Viele der höhenkranken Patienten, die direkt in die Hauptstadt geflogen würden, könnten genauso gut in der Klinik in Lhukla behandelt werden, dem Eingangstor zum Everest-Gebiet.

Nur Hälfte der Hubschrauber nötig

Maurizio im Cockpit

Laut der Regierungskommission wurden in den ersten fünf Monaten 2018 insgesamt mehr als 1300 Hubschrauberrettungen gemeldet, für die Versicherungen seien Kosten von mehr als 6,5 Millionen Dollar entstanden. „Das größte Geschäft für die Hubschraubergesellschaften ist die Fake-Rettung“, sagt Folini. Er schlägt eine Art „Filter“ vor, um das Problem in den Griff zu bekommen: „Wir bräuchten einen Checkpoint, wie wir ihn im Everest-Basislager mit der HRA schon haben. Ein Arzt müsste bestätigen, dass der Hubschraubertransport wirklich nötig ist.“ Würden die Schummel-Rettungsflüge wegfallen, käme man mit der Hälfte der Hubschrauber aus, glaubt Maurizio: „Das wäre auch gut für den Tourismus im Everest-Gebiet. Es wird dort viel zu viel geflogen. Du kannst im Khumbu ja kaum noch wandern, ohne von Fluglärm gestört zu werden.“

Missstände auch in den Alpen

Folini warnt jedoch davor, das Problem nur durch die westliche Brille zu sehen. „Auch bei uns in den Alpen ist nicht alles toll“, sagt Maurizio und verweist auf Prestigeberge wie den Mont Blanc oder das Matterhorn, an denen deutlich mehr los sei als am Everest und an denen z.B. das Fäkalienproblem ungelöst sei: „Am Mont Blanc landet der Abfall aus den Toiletten häufig auf dem Gletscher. Und versuche mal, das Matterhorn zu besteigen, ohne in einen Haufen zu treten!“ Auch in den Alpen sei nicht jeder Hubschrauberflug eine „saubere Rettung“, sagt der erfahrene Pilot, der seit 1993 mehr als 14.000 Flugstunden absolviert hat. „Rettung ist immer auch Business. Wie können wir mit dem Finger auf ein armes Land wie Nepal zeigen, wenn wir unsere Probleme zu Hause selbst nicht in den Griff bekommen?“

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