Solobegehung – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Hansjörg Auer nach seinem Solo-Erfolg in Pakistan: „Der Teufel schläft nie“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/hansjoerg-auer-nach-seinem-solo-erfolg-in-pakistan-der-teufel-schlaeft-nie/ Wed, 25 Jul 2018 10:30:25 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=41523

Hansjörg Auer in der Westwand des Lupghar Sar West

„Es war schon sehr, sehr lässig und intensiv“, erzählt mir Hansjörg Auer. Nach seinem erfolgreichen Soloprojekt im Hunza-Gebiet im Norden Pakistans ist der österreichische Top-Bergsteiger wieder zurück im heimischen Ötztal. Wie berichtet, hatte der 34-Jährige erstmals die rund 1000 Meter hohe Westwand des selten versuchten 7157 Meter hohen Lupghar Sar West durchklettert – und das im Alleingang. Zunächst stieg Hansjörg vom Basislager zu einem Biwakplatz am Wandfuß auf etwa 6200 Metern auf. Von dort brach er am 7. Juli um fünf Uhr morgens auf und kletterte in sechseinhalb Stunden bis auf den Gipfel. Um 20 Uhr war Auer wieder zurück im Basislager.

Hansjörg, du hast im Vorfeld gesagt, du wolltest wissen, wie es ist, allein in der Wand eines sehr hohen Bergs. Wie war es denn?

Lupghar Sar in Nordpakistan

Seit unserer Erstbesteigung des 7400 Meter hohen Kunyang Chhish East 2013 habe ich mir diese Frage immer wieder gestellt. Ich habe gewartet, bis der richtige Moment gekommen war. In diesem Jahr war es so weit. Es hat sich sehr, sehr gut angefühlt. Es war natürlich ganz anders als im Team. Man ist viel fokussierter, man fühlt sich auch stärker, wie abgerichtet auf ein Ziel. Insgesamt gesehen ist es weniger emotional, als ich es normalerweise gewohnt bin. Aber wenn es dann doch emotional wird, ist es viel intensiver, weil man alleine ist und den starken Drang hat, es irgendwie zu schaffen.  

Worin bestand für dich die besondere Herausforderung, alleine durch diese Wand zu klettern?

Es ging nicht so sehr darum, eine schwierige Route zu klettern, sondern wirklich um das Alleine-sein. Man ist in der Höhe generell sehr exponiert. Das wird noch multipliziert, wenn man alleine unterwegs ist und keinen Freund oder Kletterpartner quasi als Back-up hat. Es ist auch mental schwieriger. Wenn du mal eine schlechte Phase hast und zweifelst, ist da keiner, der dich auffängt und motiviert. Man muss es selbst hinkriegen.

Selfie aus dem Biwakzelt

Gab es denn Momente, in den du gezweifelt hast?

Klar gab es die. Als ich am Abend im Biwak lag, habe ich mich schon gefragt, ob ich es schaffe. Dann sagte ich mir, dass ich schon so viele Soloprojekte hinter mir habe. Das hat geholfen. Außerdem bin ich jetzt schon bald Mitte 30 und habe viel Erfahrung. Auch das hilft natürlich.

Hattest du dir die Route im Vorfeld exakt ausgeguckt?

Ich hatte zwei Linien im linken Wandteil im Kopf. Ich wartete dann auf meine innere Stimme. Schließlich entschied ich mich für ein eisiges Couloir und mehrere Eisfelder hinauf zum Nordwestgrat, den ich auf etwa 6900 Metern erreichte. Über den Grat stieg ich dann zum Gipfel.

Wie sehr warst du am Limit?

Blick in die Tiefe

Es lief relativ flüssig. Ich hatte eigentlich noch ein zweites Biwak im Aufstieg geplant. Aber ich kam relativ schnell voran. Auf 6700 Metern fand ich,  dass der Gipfel nicht mehr so weit entfernt sei und liebäugelte damit, direkt hinaufzuklettern. Schon im Vorfeld hatte ich gedacht, dass man die Wand eigentlich nonstop klettern könnte. Weil das Wetter aber nicht so beständig war und ich fürchtete, dass mich unter Umständen am Grat ein Schneesturm erwischen könnte, habe ich das Zelt mitgenommen. Aber dann deponierte ich meinen Rucksack auf 6900 Metern und kletterte die letzten 250 Höhenmeter zum Gipfel ohne Material hinauf.

Die Route durch die Wand war technisch gesehen natürlich nicht so schwierig wie Routen, die man im Team klettern kann. Der Grat war exponiert, mit sehr brüchigem Fels, sodass ich aufpassen musste. Beim Abstieg habe ich mehr sehr viel Zeit gelassen. Am Bergschrund ist eine Schneebrücke gebrochen, und ich bin 50 Meter abgerutscht. Es ist nichts passiert, weil der Schnee weich war. Schlussendlich ist alles gut gegangen.

Was nimmst du von diesem Soloprojekt in Pakistan mit? Wirst du künftig wieder im Team unterwegs sein? Oder hast du jetzt Blut geleckt und denkst: In dieser Form – allein in großer Höhe kletternd – ist für mich noch mehr drin?

Auf dem Gipfel

Natürlich habe ich in Sachen Soloklettern immer viele Projekte im Kopf. Für mich ist es jedoch wichtig, dass der richtige Moment kommt und ich mir keinen Druck mache. Deshalb kann ich im Augenblick dazu noch gar nichts sagen. Nur so viel: Den technischen Linien in großer Höhe werde ich treu bleiben. Es ist natürlich auch im Team sehr herausfordernd, auf sehr hohen Berge neue Routen zu klettern, weil man in einer Seilschaft technisch sehr viel mehr ans Limit gehen kann.

Generell ist es nicht einfach für die Familie und die Freunde, wenn ich allein losziehe. Diesmal hat mir vor der Expedition niemand gesagt, dass es eine schlechte Idee sei. Noch kurz vor meiner Abreise hat mich Simon Anthamatten (Schweizer Bergsteiger, mit dem Hansjörg und sein Bruder Matthias Auer 2013 den Kunyang Chhish East erstbestiegen hatte) angerufen und mich in meiner Vision bestärkt. Das war sehr angenehm. Es wäre ungemein schwieriger, wenn alle sagen würden: „He, was machst du für einen Scheiß?“

Hansjörg Auer

Legst du jetzt erst mal die Füße hoch?

Letzte Woche fühlte ich mich schon sehr müde. Es dauert halt, bis man sich erholt hat – auch im Kopf. Aber jetzt gehe ich wieder in den Alpen klettern. Ich habe zum Beispiel noch vor, eine neue Route in der Marmolata-Südwand zu erschließen. Für mich reicht eine Expedition in großer Höhe pro Jahr aus. Ich denke mir, der Teufel schläft nie. Du willst natürlich nie mit dem aufhören, was du gerne machst. Aber um das Risiko zu minimieren, sollte man mehr auf Qualität als Quantität setzen.

P.S.: Allen, die noch eine tolle Bergsteiger-Lektüre für laue Sommerabende suchen, kann ich Hansjörgs vor seiner Expedition erschienenes Buch „Südwand“ ans Herz legen – in dem er sehr offen und ehrlich über gute und auch schlechte Tage seiner Kletterkarriere berichtet.

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Ueli Stecks großer Annapurna-Coup https://blogs.dw.com/abenteuersport/ueli-steck-grosser-annapurna-coup/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/ueli-steck-grosser-annapurna-coup/#comments Tue, 15 Oct 2013 09:50:07 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=23743

In der Südwand

Jetzt ist es heraus: Ueli Steck hat wirklich die Annapurna-Südwand solo durchstiegen und damit ein weiteres Glanzstück abgeliefert. Nur 28 Stunden brauchte der Topbergsteiger aus der Schweiz für Auf- und Abstieg. Während einige schon vom „Aufstieg des Jahrzehnts“ schwärmen, hält Ueli den Ball flach: „Ich hatte Glück, war gut vorbereitet und hatte die Bedingungen des Jahrhunderts!“ Es war die erste Solobegehung der stark lawinengefährdeten Wand direkt zum Hauptgipfel hinauf. Der Slowene Tomaz Humar war 2007 im Alleingang am östlichen Rand der Wand zum niedrigeren Ostgipfel aufgestiegen. Steck vollendete jetzt die Route, die 1992 von Pierre Beghin and Jean-Christophe Lafaille bis auf eine Höhe von 7400 Metern eröffnet worden war. Dort hatten die beiden Franzosen wegen schlechten Wetters umkehren müssen, Beghin war auf 7200 Metern in den Tod gestürzt. Wie schon bei seiner Solodurchsteigung der Shishapangma-Südwand 2011 ergab sich relativ spontan Stecks Beschluss, allein durch die Annapurna-Südwand zu klettern. „Don Bowie, mein Partner, hat am Bergschrund entschieden, nicht einzusteigen“, schreibt Ueli auf seiner Homepage. „Er meinte, es sei ihm technisch zu anspruchsvoll, um seilfrei zu klettern. Das ist die Grundvoraussetzung für eine solche Route. Ich bin vom Bergschrund alleine weiter geklettert.“

Einzige Chance in der Nacht

Uelis Route

Es habe zwar ein recht starker Wind geweht, insgesamt aber sei das Wetter gut gewesen. Das, so Ueli, habe ihm geholfen, sich  „ziemlich schnell auf das  Klettern zu fokussieren. Es ging einmal mehr fast alles wie von selbst.“ Auf 6100 Metern holte sich der 37-Jährige Zelt und Kocher, die er und Don zuvor bei einem Akklimatisierungsanstieg in der Wand deponiert hatten. 400 Meter höher baute Steck das Zelt in einer geschützten Eisspalte auf, aß, trank, und wartete darauf, dass die Sonne unterging. „Es wurde schnell dunkel und ruhig. Das war meine Chance“, schreibt Ueli. „Ich war mir sicher, dass am Morgen der Wind wieder aufdreht.  Daher war die einzige Möglichkeit während der Nacht den Gipfel zu erreichen. Die Headwall (oberer Wandteil) war mit einer fast durchgehenden Firn/Eislinie durchzogen. Somit sollte es möglich sein, in der Nacht den Weg zu finden.“ Nach einer Stunde im Zelt sei er wieder aufgebrochen. „Die Steilheit war erstaunlicherweise nicht wirklich senkrecht, nur ein paar Aufschwünge waren senkrecht. Ideales Solo-Gelände also. Solange ich so klettern kann, bin ich extrem effizient. Das hatte ich die ganze Zeit im Hinterkopf.  Die dünne Luft auf 7000 Meter ist noch nicht wirklich ‚Todeszone‘. In dieser Höhe kann man sich noch recht gut vorwärts bewegen. Einzig die Kälte war etwas mühsam.“

Nur ein Daunenhandschuh

Im Fels

Ueli kletterte dort oben nur noch mit einem Daunenhandschuh, die andere Hand war lediglich mit einem dünnen Fingerhandschuh geschützt.  „Den Daunenhandschuh habe ich wahlweise links oder rechts getragen, je nach Kälte der jeweiligen Hand“, berichtet Steck.  Beim Versuch, den oberen Wandteil zu fotografieren, hatte ihn Stunden zuvor eine Ladung Schnee aus der Wand (Spindrift) erwischt. Ein Daunenhandschuh und die Kamera waren in der Tiefe verschwunden.D

Fünf Minuten auf dem Gipfel

Der obere Wandteil sei ihm kürzer vorgekommen, als er gedacht habe, „schwierig zu sagen wie viele Seillängen, da ich kein Seil benutzt habe.“ Nach dem Ausstieg auf den Gipfelgrat sei es nur noch ein Wettlauf gegen den Wind gewesen, meint Ueli. Schließlich erreichte der Schweizer den höchsten Punkt auf 8091 Metern. „Es war Nacht, der Himmel voller Sterne, als vor mir der Grat wieder herunterging. Ich habe mit meinem Höhenmesser alles genau überprüft, den Grat verfolgt, und ich wusste, ich war auf dem höchsten Punkt.“ Er habe nur fünf Minuten auf dem Gipfel verweilt. „ Ich war immer noch voll unter Spannung. Mein Ziel war es, unten am Bergschrund wieder anzukommen!“

„Inneres Feuer brennt wieder“

Erst als ihm auf dem Gletscher seine Expeditionsgefährten entgegenkamen, sei die Spannung von ihm abgefallen, sagt Ueli. „Es ist sensationell! Ich habe es geschafft, alles ist vorbei.“ Nach dem Schockerlebnis im Frühjahr am Mount Everest scheint Ueli wieder seinen Frieden mit dem Himalaya gemacht zu haben. „Mein inneres Feuer brennt wieder. Nach dem Everest war es fast erloschen. Nun ist es erneut voll aufgeflammt. Das macht mich glücklich und ich denke, ich beginne, den Spaß am Leben wiederzufinden.“ Chapeau, Ueli!

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