Steigung – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Steigung und Risiko gemäßigt https://blogs.dw.com/abenteuersport/steigung-und-risiko-gemasigt/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/steigung-und-risiko-gemasigt/#comments Tue, 27 Sep 2011 14:38:14 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=10501

Geplante Lager-Kette

Ich falle immer wieder darauf herein. „30 Prozent Steigung, wow!“, denke ich und male mir einen Winkel von 30 Grad aus. Quatsch! Eine 30-prozentige Steigung bedeutet, dass es auf 100 Metern in der Horizontale 30 Meter in die Höhe geht. Das entspricht aber nur einem Winkel von 16,7 Grad. Eine 100-prozentige Steigung heißt demzufolge 45 Grad aufwärts. Keine Angst, ihr seid nicht im Lexikon der populären Irrtümer gelandet. Ich will nur, dass ihr nachvollziehen könnt, wie steil oder nicht steil unsere Route auf den Putha Hiunchuli ist, die ich euch jetzt vorstellen werde.

Ausgezeichneter Kompromiss

„Ab einer Höhe von 21.000 Fuß (Anm. entspricht 6400 Metern) führt die Nordost-Wand, ein nur gemäßigt ansteigendes, riesiges Schnee- und Eisplateau, zum 23.750 Fuß (7238 Meter; nach heutiger genauer Messung 7246 Meter) hohen Gipfel.“ So beschrieb der Erstbesteiger des Putha Hiunchuli, Jimmy Roberts, den Weg zum höchsten Punkt. Für den Engländer, der eher ein Höhenwanderer als ein Kletterer war, gab die sanft ansteigende Route 1954 den Ausschlag zugunsten dieses Bergs. Eigentlich hatte Roberts den schwerer zugänglichen, 7751 Meter hohen Dhaulagiri II besteigen wollen. Der Putha Hiunchuli war – so der Pionier – „ein ausgezeichneter Kompromiss“.

Erst akklimatisieren

Wir werden der Route der Erstbesteiger durch die Nordost-Wand folgen. Das Basislager liegt auf etwa 4900 Metern. Dort fließt ein kleiner Gletscherbach entlang. Für Wasser ist also gesorgt. Geplant sind drei Hochlager auf etwa 5400 (Lager I), 6200 (II) und 6600 Metern (III). Im Idealfall steigen wir in einem ersten Vorstoß zum Lagerplatz I auf, richten ihn ein und kehren dann ins Basislager zurück. Beim zweiten Aufstieg übernachten wir in Lager I, richten den Platz für Lager II ein und steigen wieder ganz hinunter. Das dient der Akklimatisierung. Schließlich wird auf 7000 Metern der Sauerstoff nur noch mit 40 Prozent des Drucks in die Lungen gepresst wie auf Meereshöhe. Anders gesagt: die Luft ist verdammt dünn.

Sollten wir unsere Gipfelchance erhalten, werden wir in Lager I und II übernachten und dann zu Lager III aufsteigen. Dort verbringen wir nur die Nacht vor dem Gipfeltag. Bei der Rückkehr vom höchsten Punkt oder von wo auch immer bauen wir die Zelte ab und steigen direkt bis Lager II durch, am folgenden Tag bis ins Basislager.

Wenig Spalten

Die maximale Steigung der Route liegt bei etwa 35 Grad. Das entspricht 70 Prozent, was – wie wir gelernt haben – dramatischer klingt als es ist. Der gemäßigte Anstieg der Route sorgt dafür, dass die Lawinengefahr eher gering ausfällt – vorausgesetzt, es schneit nicht aus Kübeln. Aber in diesem Fall wäre ein Aufstieg ebenso ausgeschlossen wie bei starkem Wind.

Und wo wir schon einmal bei den Gefahren sind: Das Risiko, in einer Gletscherspalte zu verschwinden, erscheint überschaubar.

Expeditionsleiter Herbert Wolf zu den Risiken

Marc Faber, der im vergangenen Jahr den Gipfel erreichte, erzählte mir, er habe bei seinem Aufstieg keine einzige tiefe Spalte gesehen. Dennoch: Vorsicht ist nicht nur die Mutter der Porzellankiste, sondern auch der Vater des zerbrechlichen Bergsteiger-Lebens.

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