Tash Rabat – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Halbfinal-Triumph mit Fortsetzung https://blogs.dw.com/abenteuersport/halbfinal-triumph-mit-fortsetzung/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/halbfinal-triumph-mit-fortsetzung/#comments Wed, 09 Jul 2014 15:16:23 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=26733 Jan und Ursel bekennen Farbe

Jan und Ursel bekennen Farbe

Ein perfekter Tag beginnt mit einer perfekten Nachricht. Eigentlich will ich direkt nach dem Wachwerden eine Satellitenverbindung aufbauen, um im Internet nachzusehen, wie die deutsche Fußball-Nationalmannschaft im WM-Halbfinale gegen Brasilien abgeschnitten hat. Schließlich war der Anstoß in Belo Horizonte in Kirgistan um 2 Uhr nachts und wir zählten zu dieser Zeit die Schäfchen. Doch ich komme nicht rechtzeitig aus dem Schlafsack, weil ich schlecht geschlafen habe. Vielleicht waren meine Gedanken doch bei der WM in Brasilien. Als ich die Jurte betrete, in der wir frühstücken, werde ich gleich mit der Frage empfangen, ob ich schon online war. Kleinlaut muss ich gestehen, dass ich verschlafen habe. Meinen Milchreis schlinge ich mehr in mich hinein, als dass ich ihn esse und verschwinde bald wieder in meine Schlafjurte. Als die Satellitenverbindung steht, traue ich meinen Augen nicht: 7:1 für Deutschland! 7:1? Unglaublich. Eine zweite Quelle, wieder 7:1. Als ich in die Frühstücksjurte zurückkehre, mache ich es ein bisschen spannend, indem ich eine Schlagzeile zitiere: „Das Wunder von Belo Horizonte“. Als ich das Ergebnis hinterherschicke und die Torschützen nenne, wird es laut in der Stille Kirgistans. „Das gibt es doch gar nicht!“ – „Wahnsinn!“ – „Und Klose hat jetzt auch noch den WM-Torrekord!“ Nur Churchy ist nicht begeistert: „Das wäre uns Österreichern nicht passiert. Das gehört sich nicht, den WM-Gastgeber mit 7:1 abzufertigen. Ein 4:0 hätte es auch getan. Respektlos!“ Viele Anhänger findet Churchy mit dieser Ansicht in der allgemeinen Euphorie nicht. 

Mit Badeschlappen auf den Berg

Auf 4120 Metern

Auf 4120 Metern

Nach dem Frühstück fahren wir mit dem Bus nach Tash Rabat. Wir brechen zu einer weiteren Wanderung auf. Ziel ist ein über 4000 Meter hoher Pass. Der Himmel präsentiert sich in WM-Laune: keine Wolke und blau, als hätte er den Wahnsinnserfolg der deutschen Mannschaft mitgefeiert. Heute begleitet uns Juri, der Chef unseres Jurtencamps. Ich komme mir mit meinen Wanderschuhen ziemlich „overdressed“ vor, als er schon bald seine Turnschuhe aus- und blaue Badeschlappen anzieht. Ich frage Juri, ob hier, in dieser traumhaften Almlandschaft, auch Kirgisen wandern gehen. „Nein, nur Trekkingtouristen aus dem Ausland“, erzählt er. „Meine Landsleute fahren mit dem Auto bis zur Karawanserei – und dann wird getanzt, getrunken und gefeiert. Die Russen machen das auch so.“ Seit zehn Jahren verbringt Juri die Sommer hier oben in seinem Camp. „Wir haben ausreichend Gäste, mir gefällt das.“ Den Rest des Jahres arbeitet er in einer Zuckerfabrik in seinem Heimatort nahe Bischkek – für einen Monatsverdienst von umgerechnet 120 Dollar. Im benachbarten Kasachstan könne er für die gleiche Arbeit 1000 Dollar verdienen, sagt Juri. „Aber ich fühle mich hier in Kirgistan wohl und bin lieber neun Monate lang bei meiner Frau, meiner Tochter und meinem Sohn.“

Versteinerungen am Gipfel

Märchenwiese

Märchenwiese

In seinen Badeschlappen ist er nicht langsamer als wir. Ich merke, dass ich die vergangene Nacht schlecht geschlafen habe. Ich muss schon ein wenig quälen, um zur Mittagszeit den 4020 Meter hohen Pass zu erreichen. „Wir nennen ihn Panorama-Pass“, sagt Juri. Der Grund liegt vor unseren Augen: im Tal der drittgrößte See des Landes, der Tschatyr Köl, dahinter die schneebedeckten Berge des Pamir. Auf dem Pass haben wir tatsächlich Handy-Empfang. Einige nutzen die Gelegenheit, kurz in der Heimat anzurufen oder Kurznachrichten zu schicken. Nach einer kurzen Pause besteigen wir noch einen benachbarten Hügel, 4120 Meter hoch. Churchy jodelt vor Freude: „Ist das schön hier!“ Am höchsten Punkt finden einige aus unserer Gruppe Felsbrocken mit maritimen Versteinerungen. Beim Abstieg zeigt uns Juri noch einen weiteren traumhaften Platz: einen kleinen Wasserfall in einem Mini-Canyon. Einfach nur schön. Bevor wir ganz ins Tal absteigen und unsere Akklimatisierungstour nach acht Stunden beenden, gönnen wir uns noch ein kurzes Sonnenbad auf einer Wiese. Einige nutzten die Pause, um ein kurzes Nickerchen zu machen. „Heute ist wirklich ein perfekter Tag“, schwärme ich. „Diese Wanderung – und nicht zu vergessen gleich am Morgen die Nachricht vom 7:1-Halbfinalsieg der deutschen Mannschaft!“ Churchy dreht sich um und kommentiert grinsend: „Bis eben war der Tag noch perfekter!“

P.S. Solltet ihr noch Schwierigkeiten mit den Namen der Expeditionsteilnehmern haben, findet ihr sie auf der rechten Blogseite (Das Team).

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Kleines Gipfelglück https://blogs.dw.com/abenteuersport/kleines-gipfelglueck/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/kleines-gipfelglueck/#comments Tue, 08 Jul 2014 14:37:49 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=26715 Auf 3850 Metern

Auf 3850 Metern

Zweimal waren wir schon oben. Heute haben wir die ersten beiden Gipfel bestiegen. Keine 7000er, keine 6000er, keine 5000er, keine 4000er, aber immerhin zwei 3000er. Okay, wir sind ja schon auf 3000 Meter gestartet, es war also keine große alpinistische Leistung. Und doch hatten wir schon einmal kurz dieses Gefühl, dass es nicht mehr höher geht und sich der Blick nach unten und in die Weite öffnet. Gipfelglück light. 

Unterschlupf für Karawanen

Karawanserei Tash Rabat

Karawanserei Tash Rabat

Die erste Nacht in der Jurte war für alle eine erholsame. Egal, wen ich morgens treffe, alle haben tief und fest geschlafen. Nun hatten wir auch alle ein Schlafdefizit, das es auszugleichen galt. Aber so ein rundes Kuppelzelt, das die Nomaden hier benutzen, ist auch wirklich sehr bequem: ausgelegt mit Teppichen, ausgestattet mit fünf Betten und einem Ofen in der Mitte. Letzteren mussten wir nicht anwerfen, am Abend zeigte das Thermometer fünf Grad plus. Nach dem Frühstück fahren wir mit dem Kleinbus talaufwärts zur alten Karawanserei Tash Rabat. Das Steingebäude stammt angeblich aus dem 15. Jahrhundert. Die einen Historiker vermuten, es sei einst ein buddhistischer Tempel gewesen, die anderen tippen auf ein christliches Kloster. Unbestritten ist, dass Händler, die auf der Seidenstraße reisten, hier Unterschlupf fanden.

Neugieriger Adler

König der Lüfte

König der Lüfte

Die Landschaft erinnert ein wenig ans Allgäu. Die Berghänge sind steppenartig begrünt. Darüber erheben sich Hügel und Felsspitzen, die an der 4000-Meter-Grenze kratzen. Ideales Gelände für eine Akklimatisierungstour. In gemächlichem Tempo steigen wir gut 500 Meter hoch und „machen“ unseren ersten Gipfel. Ein namenloser, mein Höhenmesser zeigt 3540 Meter. Der Blick weitet sich bis hin zu den schneebedeckten Bergen des Pamir. Nach einer gemütlichen Mittagsrast steigen wir wieder zur Bergschulter ab. Kaum sind wir aufgebrochen, wandert unser Blick plötzlich in den Himmel. Direkt über uns kreist majestätisch ein Adler. Bergsteiger wie uns dürfte der König der Lüfte hier relativ selten sehen, wenn überhaupt. Auf der anderen Seite der Schulter steigen wir wieder bergauf, zu unserem zweiten Gipfel, 3850 Meter hoch. Dort oben weht ein recht ordentlicher Wind. Zeit, ins Tal abzusteigen. Nach sechs Stunden erreichen wir wieder unser Jurten-Camp. Die Beine fühlen sich gut an, wesentlich lockerer als noch am Morgen. Frei gelaufen. Und kein Kopfweh, das ist ein gutes Zeichen.

P.S. Natürlich drücken wir der deutschen Fußball-Nationalmannschaft heute Im WM-Halbfinale die Daumen – im Schlaf. 😉

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Schüttelkur https://blogs.dw.com/abenteuersport/schuettelkur/ Tue, 08 Jul 2014 11:43:19 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=26695 Montag Berg IJetzt weiß ich, wie sich der Martini von James Bond fühlt: Geschüttelt, nicht gerührt! Mein Mageninhalt hat sich in einen schlechten Cocktail verwandelt. Seit etwa drei Stunden holpern wir mit unserem Kleinbus über eine Straße, die keine ist, weil sie sich erst im Bau befindet. Ein Schlagloch nach dem anderen sorgt für einen Schlag nach dem anderen in die Magengrube. Wir flüchten uns in Galgenhumor. „Hier gibt es so viele Friedhöfe“, sagt Ursula, als wir wieder einmal einen solchen passieren. „Wahrscheinlich sterben die hier alle so früh.“ Ich ergänze: „Ja, den Schütteltod.“ Dabei hat Shenia, eine Mitarbeiterin der lokalen Trekking-Agentur in Bischkek, doch vor der Abfahrt noch gesagt: „Die Straße bis Tash Rabat ist eigentlich ganz in Ordnung.“

Zwischen Luxusauto und Gebäck-Verkauf

Anfangs halten wir das glatt für eine Untertreibung. Auf dem ersten Drittel der 490 Kilometer langen Strecke von der kirgisischen Hauptstadt bis zu unserem Etappenziel präsentiert sich die Straße in einem nahezu perfekten Zustand. „Ich wäre froh, wenn wir solche Straßen bei uns in Köln hätten“, bemerke ich noch. Wir machen Rast an einem kleinen Obst- und Gemüsemarkt. Eine Gebäck-Verkäuferin spricht uns in gutem Englisch an. Woher wir kommen, wohin wir wollen, welchen Beruf wir haben. Ich frage sie, wo sie die Sprache gelernt hat. „Ich habe in Bischkek Englisch studiert, unterrichte hier auch Kinder, kann davon aber nicht leben“, antwortet die junge Frau. Während der jetzt laufenden Sommerurlaubs-Saison verdiene sie drei Monate lang für sich und ihre beiden Töchter Geld mit dem Verkauf ihrer Backwaren. Welch ein Kontrast zur Hauptstadt, die gerade mal zwei Stunden hinter uns liegt! Deutsche Autos der gehobenen Preisklasse gehören dort zum Straßenbild. „Hier fahren Leute Karossen, die 60.000 Euro kosten“, erzählt Shenia. „Autos sind ein Statussymbol. Dabei ist Kirgistan eigentlich ein armes Land.“

Gemüse und Tiere im Garten

 

Mittagessen im Privathaus

Mittagessen im Privathaus

Shenia spricht ausgezeichnet Deutsch. Ein Jahr lang hat sie als Au Pair in der Pfalz gelebt. Jetzt kommen ihr die Sprachkenntnisse aus Deutschland zugute, wenn sie Bergsteiger und andere Touristen durch ihr Heimatland begleitet. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion habe Kirgistan zwar die Freiheit gewonnen, sagt Shenia. „Aber wirtschaftlich haben wir fast bei Null angefangen und arbeiten uns jetzt erst langsam hoch.“ Von den fünf Millionen Kirgisen leben mehr als eine Million in Bischkek. Hier gibt es Arbeitsplätze, auf dem Land sind sie dagegen Mangelware.

Mittags essen wir in einem kleinen Dorf, bei einer Familie, die einen „Tante-Emma-Laden“ betreibt und im Innenhof für uns einen langen Tisch mit allerhand Köstlichkeiten vorbereitet hat. Die meisten Zutaten wachsen im großen Gemüsegarten hinter dem Haus. Dort laufen auch ein paar Hühner herum, in einem Stall blöken Schafe. „Jeder versucht, das anzubauen, was er zum Leben braucht oder aber Vieh zu halten“, erklärt Shenia. Diese Familie macht beides, hat es also schon zu bescheidenem Wohlstand gebracht.

Im Schnitt Recht gehabt

 

Nahe Tash Rabat

Nahe Tash Rabat

Je weiter wir uns von der Hauptstadt entfernen, desto karger wird die Landschaft. Die kleinen Ortschaften werden durch vereinzelte Ansammlungen runder Nomadenzelte, so genannter „Jurten“, abgelöst. Ab und zu treffen wir auf Reiter, die eine Herde Kühe oder Pferde auf der Straße vor sich her treiben. Plötzlich endet der Asphalt. Eine neue Passstraße wird gebaut, die Route ist schon bis ganz hinauf auf eine Höhe von 3000 Meter planiert. Mehr oder weniger jedenfalls. Schlaglöcher gibt es noch reichlich. Anatoli, der unseren Bus steuert, kann nicht mehr schneller als 20 bis 30 Stundenkilometer fahren. Trotzdem werden wir nach rechts und links geschleudert oder hopsen Richtung Decke. Nach rund drei Stunden endet unsere Rüttelkur genauso abrupt wie sie begonnen hat. Auf dem letzten Drittel der Strecke nach Tash Rabat ist die Straße wieder so perfekt wie zu Beginn der Etappe. Nur sehr langsam beruhigt sich mein Magen. Ich erinnere an Shenias Prognose, die Straße sei „eigentlich in Ordnung“. Eigentlich! Das hätte uns zu denken geben sollen. „Am Anfang und Ende war die Straße ja gut, nur in der Mitte schlecht“, bilanziert Eva-Maria lächelnd. „Also hatte Shenia doch im Durchschnitt recht.“

Im Schnitt ziemlich gerädert, erreichen wir endlich nach zehn Stunden eine Ansammlung einiger Jurten nahe der alten Karawanserei Tash Rabat auf knapp 3000 Metern. In diesem abgelegenen Zeltlager und auf den Bergen ringsherum werden wir uns jetzt zwei Tage lang akklimatisieren. Bevor wir uns dann wieder durchschütteln lassen. Richtung China.

P.S. Sorry, ich war gestern zu müde, um noch das Satellitensystem in Gang zu setzen. Deshalb mit etwas Verspätung. 😉

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