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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Vor 25 Jahren: Schwarzer Sommer am K 2

Heute vor einem Vierteljahrhundert, am 4. August 1986, erreichte Kurt Diemberger mit seiner Seilgefährtin Julie Tullis den Gipfel des K 2. „Einen Tag zu spät. Um den hat sich alles gedreht. Dadurch sind wir Gefangene eines fürchterlichen Sturms geworden“, erzählte mir der Österreicher, als wir uns im Sommer 2004 am Concordia-Platz, der Gletscher-Kreuzung in Sichtweite des K 2 trafen (einen Auszug unseres Gesprächs von damals könnt ihr unter dem Artikel hören). „Aus unserer Gruppe von sieben haben nur zwei überlebt. Und auch Julie ist dort oben geblieben.“


Trügerische Schönheit

Haushoch überm Everest

Es war ein verhängnisvoller Sommer am zweithöchsten Berg der Erde. Insgesamt 13 Bergsteiger starben 2006 bei ihren Versuchen, den höchsten Punkt auf 8611 Metern zu erreichen: abgestürzt, in Gletscherspalten, von Lawinen verschüttet, vom Steinschlag getroffen, an der Höhenkrankheit oder an Erschöpfung. Es war fast, als habe sich der K 2 gegen den Massenansturm wehren wollen. Mehrere Expeditionen gingen gleichzeitig den „König der Achttausender“ an: US-Amerikaner, Franzosen, Polen, Österreicher, Engländer und Italiener. Es handelte sich keineswegs um zahlende Kunden kommerzieller Expeditionen, sondern um erfahrene Alpinisten.
Der Berg schlug zu, gnadenlos. „Der K 2 ist halt in seiner Schwierigkeit noch haushoch überm Everest“, meinte Kurt, als wir uns vor sieben Jahren trafen. Wir waren damals zeitgleich über den Karakorum-Highway Richtung Nordpakistan gebraust – und hatten im selben Hotel offenbar beide die verdorbenen Eier gegessen und dafür mit einem schlimmen Durchfall bezahlt. Kinderkram verglichen mit dem, was Kurt 1986 erlebt hatte.

Dritter Anlauf

Der einzige noch lebende Erstbesteiger gleich zweier Achttausender (Broad Peak 1957, Dhaulagiri 1960) war zum dritten Mal am K 2 unterwegs, wieder gemeinsam mit der Britin Julie Tullis, mit der er seit Jahren „das höchste Filmteam der Welt“ bildete. „Der K 2 war unser Traumberg geworden“, sagt Kurt. 1983 hatten die beiden versucht, den Bergriesen auf der chinesischen Seite über den Nordsporn zu besteigen (wie derzeit Gerlinde Kaltenbrunner und Ralf Dujmovits). Auf rund 8000 Metern hatten sie wegen einer Schlechtwetterfront umkehren müssen. Drei Jahre später, diesmal auf der pakistanischen Seite des K 2, schienen die Karten für Diemberger und Tullis zunächst günstiger.

Das Glück währt kurz

3. August 1986: Perfektes Wetter. Wie gemacht für einen Gipfeltag, denken sich die beiden. Doch es kommt ganz anders. „Es war eine richtige Kettenreaktion“, erinnert sich Kurt. Eine Eislawine hat mehrere Zelte verschüttet. Im höchsten Lager auf rund 8000 Metern sind plötzlich zu wenige Schlafplätze für alle Gipfelanwärter verfügbar. Es wird diskutiert, gestritten. Keiner ist bereit, noch einmal abzusteigen. Kurt und Julie verschieben schweren Herzens ihren Gipfelversuch um 24 Stunden. Ein verlorener Tag, der sie geradewegs in die Tragödie führt. Am frühen Abend des 4. August erreicht das Duo den Gipfel. „Die Freude! Das Glück! Wir halten uns umschlungen. Für einen Augenblick der Ewigkeit gehört uns der K 2“, schreibt Kurt in seinem Buch „K 2 – Traum und Schicksal“. Die Euphorie währt nur kurz. Nebel zieht auf.

Nur zwei kommen durch

Mit viel Glück überleben die beiden einen Sturz und anschließend eine Nacht im Notbiwak. Als sie am nächsten Morgen das höchste Lager erreichen, hocken dort noch immer fünf weitere Bergsteiger in den Zelten. Ein Schneesturm mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 150 Stundenkilometern bricht los. Tagelang fesselt er die Bergsteiger ans enge Lager. An einen Abstieg ist nicht zu denken. Julie stirbt an Erschöpfung. Die anderen sind völlig entkräftet, als sich am 10. August endlich die Chance bietet abzusteigen. Der Brite Alan Rouse ist unfähig, das Zelt zu verlassen. Die Österreicher Alfred Imitzer und Hannes Wieser sowie die Polin Dobroslawa Miodowicz-Wolf sterben beim Abstieg. Lediglich Diemberger und der Österreicher Willi Bauer erreichen – mit schweren Erfrierungen – das Basislager.


Kurt Diemberger (l. der legendäre pakistanische Hochträger „Little Karim“ Balti)

Trauma am Traumberg

Kurt mussten nach der Expedition an der rechten Hand mehrere Fingerglieder amputiert werden. Schlimmer aber war für ihn das Trauma, seine langjährige Seilpartnerin Julie am gemeinsamen Traumberg K 2 verloren zu haben. „Ich habe jahrelang gebraucht, um darüber hinwegzukommen“, erzählte mir Kurt 2004 am Concordiaplatz. Seine Leidenschaft für die Berge wurde durch die Tragödie 1986 jedoch nicht beendet. Auch mit heute 79 Jahren geht Diemberger noch zum Bergsteigen. Für das Frühjahr 2012 hat er sich den Sechstausender Tupungato in den Anden zwischen Argentinien und Chile vorgenommen.

Kurt Diemberger über die Katastrophe von 1986

Datum

4. August 2011 | 6:45

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