Die Morgensonne scheint in mein Zimmer und die Vögel zwitschern. Zwei Monate habe ich jetzt Ferien von der Sprachschule, wo ich arbeite. Kaum zu glauben, dass die Zeit für den letzten Blog-Eintrag schon gekommen ist. Ich habe noch so viele Gedanken, die ich gerne mit den Usern teilen würde.
Ich mache jetzt abends mit dem Fahrrad oft Touren außerhalb der Stadt. Das ist eine gute Gelegenheit auszuspannen nach einem vollen Jahr. Dabei erweitere ich auch meine Fotografiekenntnisse. Auf dem Weg denke ich viel über die enormen Unterschiede zwischen städtischen und ländlichen Regionen hier in Russland nach und über die verschiedenen Mentalitäten ihrer Einwohner. Es ist etwas schwierig zu erklären und nachzuvollziehen, dass viele Russen gerne außerhalb der Städte wohnen würden und dort gerne ein schönes Haus hätten. Die Leute vom Dorf finden dagegen mehr Gefallen an der Idee in der Stadt zu arbeiten (oder wenigstens ihre Kinder dort zur Schule zu schicken). Gut, das liegt natürlich an der finanziellen Aufteilung zwischen Stadt und Land, aber wir sollten dafür sorgen, dass diese Aufteilung weniger extrem ist.
In den Dörfern wird bereits die Infrastruktur modernisiert und man bietet Programme an, die junge Lehrer anregen sollen, in Dorfschulen zu unterrichten, etwa indem sie einige Monate mehr Geld bekommen und ihnen eine Unterkunft zur Verfügung gestellt wird. Aber abgesehen von solchen Bemühungen müssen wir die Leute auch dafür interessieren, im Ausland zu studieren. Wenn meine Schüler an den Punkt kommen, darüber nachzudenken, bin ich immer froh, im Gespräch mit ihnen festzustellen, dass fast alle von ihnen global denken.
Was sind meine Erwartungen für die Zukunft? Wie ich schon zu Beginn des Blogs sagte, ich bin eine Person, die Veränderung liebt. Ich würde gerne etwas Neues ausprobieren – nicht als Hobby, sondern als Job. Zurzeit arbeite ich mit einigen Freunden an einem Internetprojekt, das Leute ermutigen soll, weniger Zeit damit zu verschwenden, ständig online zu sein. So wie Kathrin erwähnte, kann das Internet großartig sein, um etwas zu lernen, aber es bietet auch viel Ablenkung vom Wesentlichen. Ich denke, so wie sich die Technologie weiter entwickeln wird, wird es zwangsläufig mehr in Richtung „Edutainment“ (die Kombination von Bildung und Unterhaltung) in diesem Bereich gehen.
Als wir mit dem Blog begonnen haben, hätte ich nie gedacht, dass es so interessant sein würde. Ich habe Eindrücke von Bildungssystemen in anderen Ländern bekommen, habe meine Mit-Blogger besser kennengelernt und wurde immer wieder inspiriert von dem, was sie diskutiert haben. Es ist schade, dass es Weltregionen gibt, in denen gewisse Leute verhindern, dass die Stimmen ihrer Bürger gehört werden (so wie in Hellgurds Fall). Dennoch: Die Jugend ist eine enorme Kraft, um Veränderungen zu bewirken. Ich hoffe, es wird die Möglichkeit geben mit Hellgurd, Maria, Emmy und Kathrin bei anderen Projekten zusammen zu arbeiten. Warum nicht in einem eigenen Projekt von uns?
]]>Der Blog ist vielleicht abgeschlossen, aber das gilt definitiv nicht für das Thema, über das wir gesprochen haben. Dass sich beim Deutsche Welle Global Media Forum an die 2000 Teilnehmer aus über 100 Ländern zusammengefunden haben, um über Bildung und Kultur zu diskutieren, zeigt mir, dass die Diskussionen auf einer anderen Ebene gerade erst begonnen haben. Für mich, die ich auch beruflich mit Medien und Bildung zu tun habe, war es interessant, auf welche Weise die 500 Fachleute (darunter auch Blogger) sowie Geschäftsleute, Akademiker und ganz einfache Bürger, ihre Ideen und Erfahrungen ausgetauscht haben.
Über Bildung zu schreiben hat mir die Gelegenheit gegeben, über meine eigene Bildung und die anderer nachzudenken. Bildung ist ein sehr wichtiges Thema, das auch in Bezug auf Gesundheit, Klimawandel, Sicherheit oder Ökonomie eine große Rolle spielt. Das haben wir im Blog viel diskutiert und besonders auch das Gender-Thema. Das wird wohl immer ein heikles Thema bleiben. Auch die Rolle von Regierungen, Organisationen oder Privatpersonen im Kampf um Chancengleichheit beim Zugang zu Bildung haben wir angesprochen. Ich habe es genossen, dazu etwas von anderen zu lesen, mit ihnen in den Dialog zu treten und dabei auch noch etwas zu lernen.
Ich glaube daran, dass man für die ganze Bildungsproblematik Lösungen finden wird, die dann auch Bestand haben, und dass nicht alles nur Gerede ist, wo sich Leute beklagen oder etwas vorschlagen, das am Ende dann nicht verwirklicht wird. Ich interessiere mich für Informations- und Kommunikationstechnologien und wie man sie zu diesem Zweck einsetzen kann. Ich habe das Gefühl, dass mich Bildungsthemen jetzt regelrecht anspringen, sei es in der Zeitung, bei Diskussionen mit Freunden oder in den Fernsehnachrichten. Alles scheint – dank dieses Blogs – etwas mit Bildung zu tun zu haben.
Nun, für diesen Blog heißt es auf Wiedersehen sagen. Ich hoffe aber, dass die Diskussion online und offline weiter geht. Mit meinem Medientraining für Jugendliche in den Elendsvierteln werde ich auf jeden Fall weiter machen. Sie können Formate für eine Mischung aus Bildung und Unterhaltung entwickeln. Ich habe auch vor, im Bereich Medien und Entwicklung noch meinen Doktor zu machen. Vielleicht werde ich dann ja wieder über die Forschung, über Bildung und Medien bloggen.
]]>Als ich Pavels letzten Eintrag gelesen habe und auch den, wo er den Wert von Abschlüssen diskutiert, habe ich auch darüber nachgedacht, was es bringt, eine andere Sprache zu lernen. Es geht nicht nur um die Grammatik und Vokabeln oder um die Fähigkeit von einer Sprache in die andere zu übersetzen. Ich finde, der Wert liegt darin, dass man lernt, seine Ideen innerhalb einer anderen Kultur auszudrücken. die andere Kultur jeweils mit anderen Augen zu sehen und gemeinsam die Sichtweisen zu erweitern. Beim Global Media Forum habe ich viele Leute getroffen, die ein gutes Beispiel für das sind, was ich meine.
Simon war so jemand. Wir trafen uns zufällig an einem Tisch und haben uns gegenseitig vorgestellt. Als ich ihm erzählt habe, dass ich aus Buenos Aires komme, sagte er, dass er schon dort gewesen sei und die Stadt sehr schön fände und dass er auch Spanisch sprechen könne. Als ich ihn nach seinem beruflichen Hintergrund fragte, erzählte er mir von einer Initiative die sich „Vensenya“ nennt, ein Name der aus zwei spanischen Wörtern zusammengesetzt ist: „vencer“, was so viel heißt wie erobern, besiegen oder „mit etwas brechen“, und „ensenar“, was „lehren“ bedeutet. Das Wort „vencer“ ist sehr bedeutungsvoll für spanische Muttersprachler, besonders in Lateinamerika, bezogen auf die Geschichte mit all den politischen Kämpfen und Schlachten.
Die Initiative Vensenya durchbricht die Schranken in unseren Köpfen in der Annäherung zur Bildung. Das Konzept, das die Macher entwickelt haben, ist sofort ersichtlich: Man soll eine Idee schnell erfassen. Das ist mehr als nur eine andere Sprache zu sprechen. Es zeigt, wie man das Verständnis für eine andere Kultur in Sprache ausdrücken kann und auch sich selbst sinnvoll in eine andere Kultur einbringt.
Im internationalen Dialog merkt man, dass die Sorgen der Menschen oft die gleichen sind. Bildung ist ein Thema in allen Ländern. Was unterschiedlich ist, ist der soziale Kontext und der historische Weg, den jede Nation hinter sich hat.
Mit diesem Eintrag habe ich glaube ich schon all die Gründe genannt, warum ich so gerne bei diesem Blog mitgemacht habe. Einerseits war es oft ein hartes Ringen, den sozialen Kontext und die kulturellen Besonderheiten meiner Heimat richtig darzustellen. Andererseits war aber genau das eine Genugtuung für mich.
]]>Das ist der letzte Blogeintrag für mich. In den zwei Monaten, in denen wir fünf unseren Blog geführt haben, habe ich viel über Bildung in anderen Staaten erfahren – und mich auch mit dem deutschen System intensiver auseinandergesetzt.
Was mir auffällt bei allen Diskussionen über Bildungssysteme ist: Oft wird die Leistung des Systems nur darin gesehen und bewertet, ob Schüler, Schülerinnen und Studierende höhere Abschlüsse und bessere Noten erhalten und sie so (scheinbar) besser auf das Berufsleben vorbereitet sind. Aber es gibt eine andere Sache, die das Bildungssystem unglaublich wertvoll für eine Gesellschaft macht. Und die hat mit dem Gespräch zu tun, das ich mit meiner Freundin Katharina geführt habe: Insbesondere Kindergärten und Schulen bieten die wahnsinnig wichtige Chance, eine Gesellschaft näher zusammenzubringen. Diese Chance wird in Deutschland nicht ausreichend genutzt. Im Gegenteil: Unser – in vielen Bundesländern noch dreigliedriges – Schulsystem spaltet die Gesellschaft.
In meiner Grundschulzeit in einem Dorf hatte ich noch Kontakt zu allen Gleichaltrigen. Der ging dann in meiner Gymnasialzeit verloren. Erst mit 17 kam ich wieder mit denjenigen zusammen, die ich auf dem Gymnasium aus den Augen verloren hatte und die mittlerweile ihren Hauptschul- oder Realschulabschluss hatten. Denn in unserem Dorf wird das Kerbefest (ein traditionelles Volksfest) immer von den 18-Jährigen organisiert. So trafen wir uns dann also alle wieder. In vielen Städten gibt es solche Feste nicht, die Menschen unterschiedlicher Schichten zusammenführen, denn auch Wohngebiete und Vereine sind oft nach sozialen Schichten unterteilt. Die Schule wäre also der einzige Ort, der diesem sozialen Auseinanderbrechen unserer Gesellschaft entgegenwirken könnte.
Das wird auch von Politikern oft nicht bedacht. In Rheinland-Pfalz haben sie die Hauptschule, in der Schüler mit einem schlechten Notendurchschnitt landeten, abgeschafft. Das lief mit wenig Widerstand. Das Gymnasium, das zur Hochschulreife führt, ließen sie unangetastet. Schließlich empfinden Gymnasiasten und deren Eltern ihre Schule nicht als Makel, sondern als Auszeichnung oder gar als Statussymbol. Dabei verlieren auch Gymnasiasten viel an sozialen Lernmöglichkeiten in ihren ausgesiebten Klassen. Der Bezug zu anderen Lebenswirklichkeiten in ihrem Land kann schnell verloren gehen. Doch, verständlicherweise, stört es Eltern nicht, so lange ihre Kinder hier die Voraussetzungen für bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt bekommen. Sie denken, in diesem geschützten Umfeld fiele ihren Kindern das Lernen leichter. Ergebnisse von Untersuchungen, die das Gegenteil zeigen, haben hier weniger Argumentationskraft als Gefühle. Deshalb organisierten in Hamburg auch viele Eltern Proteste, als das Gymnasium dort abgeschafft werden sollte. Und FDP-Politiker plakatierten im NRW-Wahlkampf stolz: „Gymnasium erhalten!“
Ist es also Wahltaktik, dass Politiker das Gymnasium oft unangetastet lassen? An Gymnasien sind schließlich die Kinder der politisch aktivsten Menschen. In den sozial benachteiligten Schichten, deren Kinder es oft nicht an das Gymnasium schaffen, gibt es sehr wenige, die Demonstrationen oder Unterschriftenaktionen organisieren oder vor einer Kamera ihren Standpunkt überzeugend argumentieren würden. Diese Menschen gehen auch viel seltener wählen als Bessergebildete und Besserverdienende.
Ich wünsche mir, dass trotzdem überzeugte Politiker in Zukunft das Gymnasium nicht mehr als unantastbar ansehen. Dass sie sich für eine Reform einsetzen, die tatsächlich für mehr Chancengerechtigkeit und einen besseren Zusammenhalt in der Gesellschaft steht. Schließlich haben wir in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern sehr viele finanzielle Ressourcen. Sollte es da nicht möglich sein, meinem Traum näher zu kommen?
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