Ein Fest der Sinne
Nachdem wir unsere Zelte im Basislager auf 4850 Metern abgebaut hatten und die Lasten auf die Träger verteilt worden waren, stiegen wir ins Tal ab. Die Wanderung hinunter war ein Fest der Sinne. Kein Wunder nach über vier Wochen Fels, Schnee und Eis. Wir bewunderten die Farbenpracht der Bergblumen, wir rochen das Kiefernholz, wir hörten das Plätschern der kleinen Bäche, und wir genossen die immer dickere Luft.
Endlose Moränen, märchenhafter Wald
Das Trekking erforderte Kondition. Vom Zeltplatz oberhalb Samas stiegen wir durch endlos erscheinende Gletschermoränen zum Larkya La auf, einem 5120 Meter hohen Pass. Leider versteckten sich auf dieser Etappe die Berge hinter Wolken. Entschädigt wurden wir am folgenden Tag. Unser Weg führte uns von der Hochalm Bimtang auf 3800 Metern hinunter nach Dharapani auf 2025 Metern. Die Sonne schien, wir wanderten durch einen märchenhaften Wald, immer mit dem Blick auf die Südseite des Manaslu.
Palmen und Bananen
In Dharapani trafen wir Ralfs Frau Gerlinde, die uns entgegengewandert war. Die letzten beiden Tage unseres Trekkings führten uns durch das wilde Tal des Flusses Marsyangdi, ständig auf und ab, über Hängebrücken, auf gut ausgetretenen Pfaden. Je tiefer wir kamen, desto heißer wurde es. Palmen und Bananenstauden säumten den Weg. Der Schweiß rann in Strömen, unsere Socken qualmten.
Die letzten Yetis
Straße verbarrikadiert
In Bhulbhule auf etwa 800 Metern fielen wir uns in die Arme – der aktive Teil unserer Expedition war beendet. Wir bestiegen einen klapprigen Bus und machten uns auf den gemütlichen Rückweg nach Kathmandu. Das jedenfalls dachten wir. Allerdings hatten wir die Rechnung ohne die streikfreudigen Nepalesen gemacht. Hinter der Stadt Besisahar hatten Aktivisten der Transportgewerkschaft die Straße verbarrikadiert. Sie wollten die Sanierung einer Brücke erzwingen. Die Folge: Alle raus aus dem Bus, anderthalb Stunden laufen und in einen anderen Bus umsteigen.
Die Ex-Yetis
Der Rest der Fahrt verlief ohne Zwischenfälle. Kathmandu empfing uns wie immer: stinkend, laut, pulsierend. Die Zivilisation hat uns wieder. Wir tauchen wieder ein in den Alltag – und träumen von den Bergen.
Empfang im Hotel in Kathmandu
P.S. Zum Schluss noch ein Dankeschön: an unsere Familien, die uns so lange entbehren mussten; an die Mitglieder des Expeditionsteams, ohne deren Offenheit dieser Blog nicht möglich gewesen wäre; an Ralf für seine Umsicht und großartige Arbeit – und nicht zuletzt an alle Leser und Hörer für die zahlreichen, wirklich motivierenden Kommentare. Auf Wiederlesen und Wiederhören.
]]>Riesen-Schwein gehabt
Als letzte Bergsteiger trafen heute Angelo und Jürgen hier ein. Sie hatten nach ihren Strapazen beim Abstieg eine weitere Nacht in Lager eins verbracht. Angelo war kurz vor Lager zwei in die Ausläufer einer Lawine geraten. „Plötzlich gab es einen Knall, und ich wurde weggerissen. Ich habe Schwimm-Bewegungen gemacht, so bin ich im Schnee oben geblieben.“ Angelo schätzt, dass er von der Lawine 50 bis 100 Meter hinuntergerissen wurde, ehe sie stehen blieb. Ein großer Kratzer am Kopf und ein blau angelaufener Arm – der Schweizer kam relativ glimpflich davon. „Du kriegst eine Riesenportion Schiss. Du sitzt da, und neben dir liegt ein Eisklotz von 80 mal 80 mal 20 Zentimetern. Wenn du den auf den Kopf kriegst, dann war es das. Ich habe Riesen-Schwein gehabt!“
Angelo zurück im Basislager
Lektion gelernt
Angelo entschloss sich zu einem Notbiwak, da er die Spur zurück nach Lager zwei im Dunkeln nicht mehr erkennen konnte.
Als ältester Teilnehmer hatte er zuvor den Gipfel erreicht: „Irgendwie hat das geklappt, dass ich meinen Fleischkloß da hinaufgebracht habe.“ Für Angelo war es der dritte, aber auch definitiv letzte Achttausender: „Wenn man absteigt, braucht es einfach das gewisse Mehr, das nur Profis haben. Daher müsste man sagen: Angelo, eigentlich gehörst du nicht an diesen Berg. Die Götter waren noch einmal gnädig. Ich habe meine Lektion gelernt.“
Immerhin über 8000 Metern
Jürgen gelangte bis rund 30 Meter unterhalb des Gipfels. „Dann musste ich wegen der fortgeschrittenen Stunde umdrehen. So ganz glücklich bin ich nicht, aber immerhin war ich zum dritten Mal über 8000 Metern.“ Während des Rückwegs habe er sich durchbeißen müssen. „Das war schon ziemlich einsam. Ich war froh, als ich das verbliebene Zelt in Lager drei sah. Eigentlich hatte ich mich schon darauf eingestellt, die Nacht dort allein zu verbringen. Umso mehr habe ich mich gefreut, dass Ralf auf mich wartete und wir am nächsten Tag gemeinsam abstiegen.“
Pasang am Gipfel
Leer im Kopf
Für Jürgen hat es nicht ganz bis zum Gipfel gereicht. Richard stand auf dem höchsten Punkt auf 8163 Metern. Für ihn war es der dritte Achttausender. Was ging ihm durch den Kopf? „Ich war leer. Ich musste mich voll konzentrieren, um keinen Fehltritt zu riskieren.“ Von der Aussicht auf die Achttausender Annapurna und Dhaulagiri habe er nichts mitbekommen. „Ich war schon auf den Abstieg fixiert. Ich wollte einfach nur sicher herunterkommen.“
Im Gegensatz zu Richard genoss Hiro die Aussicht vom Gipfel: „very nice view!“ Ansonsten aber habe er da oben „nothing“, nichts mehr denken können. Der Manaslu war Hiros neunter Achttausender und der sechste, den er gemeinsam mit Ralf bestieg.
Danke für die Spurarbeit
Peter, unser Expeditionsarzt, hat es jetzt immerhin schon auf drei Achttausender gebracht. Er genoss die Minuten auf dem höchsten Punkt. Peter bedankt sich: „Ohne die enorme Spurarbeit von Ralf, Hiro und unserem Hochträger Pasang hätte die Gruppe bei den schwierigen Schneeverhältnissen dort oben wohl nicht den höchsten Punkt erreicht.“
Für Josef lief am Gipfeltag einfach alles perfekt: „Ich hatte keine Probleme, weder mit der Höhe, noch gesundheitlich. Ich war einfach gut drauf.“
Auf dem Gipfelgrat
Fußbad in der Teetasse
Rolf gelangte bis auf eine Höhe von 8120 Metern. „Auch wenn die paar Meter bis zum Gipfel fehlen, für mich persönlich war ich oben.“ Rolf war die Zeit davon gelaufen, weil er auf Helmar gewartet hatte. Helmar musste auf rund 7700 Metern umdrehen, weil er Gefahr lief, sich schwere Erfrierungen an Fingern und Zehen zuzuziehen: „Der Gipfel war es mir einfach nicht wert, Gliedmaßen zu verlieren.“
Auf etwa gleicher Höhe wie Helmar musste auch Johannes umkehren – wegen eiskalter Zehen. Daran hatten auch Fußbäder in der Teetasse nichts ändern können: „Mehrmals hat das funktioniert. Ich habe jeweils eine halbe zusätzliche Stunde herausschinden können. Aber dann ging der warme Tee aus.“
Arbeit am Berg hat sich gelohnt
Sieben Teilnehmer auf dem Gipfel, zwei knapp darunter, alle wieder wohlbehalten zurück im Basislager. Expeditionsleiter Ralf zieht eine positive
Bilanz der Manaslu-Expedition: „Wir haben beim Abstieg erlebt, wie es ist, wenn jemand vermisst wird und man Angst um ihn haben muss. Es ist einfach schön, dass alle wieder sicher zurückgekehrt sind. Und dass mehr als die Hälfte der Gruppe auf dem Gipfel stand, ist für mich natürlich auch ein schöner Erfolg – nach all der Arbeit, die wir hier am Berg hatten.“
Die Zeit der Arbeit ist vorbei. Jetzt feiern wir eine erfolgreiche Expedition, viele tolle Erfahrungen und Eindrücke, und dass wir alle gesund heimkehren: vom Manaslu, dem Berg der Seele.
P.S.: Der Manaslu-Blog ist damit noch nicht ganz beendet. Ich melde mich noch einmal in einigen Tagen aus Kathmandu. Dort schließt sich der Kreis.
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Danke für das glückliche Ende!
Mit dem Schlimmsten gerechnet
Erst die Sorge um Jürgen. Als es dunkel wird, ist der 47-Jährige noch nicht von seinem Gipfelversuch nach Lager drei auf 7300 Metern zurückgekehrt. Ursprünglich hatte das Lager längst abgebaut sein sollen. Jetzt wartet Expeditionsleiter Ralf im Zelt auf Jürgen. „Ich bin noch einmal ein Stück aufgestiegen, um das erste große Schneefeld einsehen zu können. Keine Spur von Jürgen.“
Ralf klingt, als rechne er mit dem Schlimmsten. Er hat Schnee geschmolzen, um Jürgen sofort nach seiner Ankunft viel trinken zu lassen – wenn er noch in dieser Nacht den Weg zum Lager findet. „Wenn er morgen früh immer noch nicht aufgetaucht ist, werde ich ihm entgegensteigen.“
Immer langsamer und kraftloser
Um 21.15 Uhr krächzt das Funkgerät. „Hallo, Stefan, hier Ralf, kommen! Jürgen ist gerade hier eingetroffen. Es geht ihm den Umständen entsprechend gut. Er trinkt fleißig. Wir werden morgen früh gemeinsam absteigen.“
Ralf erzählt, dass Jürgen sich an die vereinbarte Umkehrzeit gehalten hat, dann aber immer langsamer und kraftloser wurde. 19 Stunden nach seinem Aufbruch schleppte er sich zurück nach Lager drei.
Was für eine Freude! Doch sie währt nur kurz. Denn aus Lager zwei gibt es eine neue Hiobsbotschaft.
Suche nach Angelo
„Wir haben auch einen Vermissten: Angelo!“, sagt Rolf. „Ich bin mir sicher, dass er am Depotplatz für unsere Schneeschuhe, etwa 200 Meter über dem Lager, noch hinter mir war. Aber jetzt fehlt von ihm jede Spur.“ Ein Suchtrupp hat sich in die Dunkelheit aufgemacht, um Angelo ausfindig zu machen. Ist er möglicherweise in eine Gletscherspalte gestürzt? Die Funkgeräte bleiben eingeschaltet.
batterie-intensiver Dauerbetrieb
Keine Spur
Um 22.30 Uhr meldet sich Rolf erneut aus Lager zwei. Er ist deprimiert. „Die Suchmannschaft ist zurück. Sie haben Angelo nicht gefunden. Im Augenblick können wir nichts mehr für ihn tun. Wir steigen bei Tagesanbruch wieder auf.“
Hier unten im Basislager versuche ich zu schlafen, vergeblich. Die Sorge um Angelo lässt mich nicht zur Ruhe kommen.
6 Uhr. Noch immer kein Lebenszeichen des Schweizers. „Vier aus unserer Gruppe werden jetzt noch einmal zum Schneeschuh-Depot aufsteigen“, kündigt Rolf an. Mit dem Fernglas verfolgen Sitaram und ich das Geschehen am Berg.
„Angelo ist okay!“
6.30 Uhr. Gerade bin ich ins Gemeinschaftszelt gegangen, um mir einen Tee zu holen, da ruft Sitaram von draußen: „Stefan-dai, Stefan-dai, there is someone walking down to camp two.“ Und tatsächlich, dort bewegt sich jemand langsam, aber stetig auf die Zelte zu. Das muss Angelo sein. Wie versuchen, Funkkontakt zu Lager zwei aufzunehmen, doch die Bergsteiger haben die Geräte ausgeschaltet. Aber offenbar haben auch sie jetzt Angelo entdeckt. Zwei Bergsteiger gehen ihm entgegen. Wenig später meldet sich Peter: „Basislager kommen, Angelo …..“ Die nächsten Worte gehen im Rauschen unter. Dann die ersehnte Nachricht: „Angelo ist okay, Angelo ist okay!“ Wir jubeln, klatschen uns ab.
Ralf und Jürgen auf dem Weg nach Lager zwei
Flucht vor der Lawine
Gegen 8 Uhr beginnen die Bergsteiger aus Lager zwei abzusteigen. Beim nächsten Funkkontakt erfahren wir von Rolf, dass auch Angelo zur Gruppe gehört. „Er ist sehr müde und kommt kaum mit.“ Expeditionsleiter Ralf fragt, wo Angelo die vergangene Nacht verbracht habe. „Kurz vor Lager zwei ging in unserer Nähe eine Lawine mit Eisschlag ab“, berichtet Rolf. „Angelo hat beschlossen, sich zu verkrümeln. Unter dem Ãœberzelt, im Biwaksack hat er dann irgendwo dort die Nacht verbracht.“
Ralf steigt derweil mit dem entkräfteten Jürgen Richtung Lager zwei. „Es geht sehr, sehr langsam vorwärts. Aber wir sind zusammen, und er wird es schon schaffen.“
Glimpflich ausgegangen
Um 11 Uhr, beim nächsten Funkkontakt, haben die beiden fast Lager zwei erreicht. „Ich habe die Stelle gefunden, an der Angelo biwakiert hat“, sagt Ralf, „direkt neben dem Lawinenkegel. Er hat seine Schneeschuhe dort stehen lassen.“ Angelos Gruppe nähert sich bereits Lager eins. „Wir sind alle ziemlich kaputt“, stellt Rolf fest.
Mark schaltet sich zu. Er ist heute früh vom Basislager nach Lager eins aufgestiegen, um beim Abbau zu helfen: „Ich bin heilfroh, dass alles so glimpflich ausgegangen ist.“ „Ich auch“, antwortet Ralf. Wir alle.
Die ersten Gipfelstürmer zurück im Basislager: Richard und Peter
Das ist der sogenannte „Pinnacle“, ein eigenständiger Gipfel des Manaslu-Massivs. Der 8163 Meter hohe Hauptgipfel liegt dahinter.
6.45 Uhr Ich schalte – eine Viertelstunde vor der vereinbarten Zeit – das Walkie-Talkie ein. Ein gleichmäßiges Rauschen erklingt. Das Warten beginnt.
8.07 Uhr Ein Knistern in der Leitung. Ich stürze aus dem Zelt. Nichts. Fehlalarm? Funkloch?
9.15 Uhr Ralf meldet sich erstmals per Funk. „Pasang, Hiro und ich haben gerade den Vorgipfel erreicht. Vor uns liegt ein Sattel. Dahinter sieht es noch einmal ziemlich grimmig aus. Ein überwächteter Grat, zum Schluss noch ein bisschen Felskletterei. Ich denke, für die Bastelei werden wir sicher noch eine Dreiviertelstunde brauchen.“ Ich frage nach den anderen. „Ich sehe hinter mir einige aufsteigen. Richard, Josef, …. bei den anderen kann ich nicht erkennen, wer es ist. Vor einer Stunde haben zwei umgedreht.“ Ralf will sich später wieder melden. Das Funkgerät bleibt auf Empfang.
Warten auf weitere Meldungen
Gipfelerfolg!
10.34 Uhr “Hallo, hier ist der Peter!“ Das Funkgerät knistert, er ist schwer zu verstehen. „Ralf sitzt gerade auf dem Gipfel zwischen einem Felsblock und muss sich mit beiden Händen festhalten.“ Ich frage Peter, wo er sich befindet. „Ich sitze ein paar Meter unterhalb des Gipfels. Von dort aus muss man sich an einem Schneegrat entlang krallen. Sonst macht es keinen Unterschied.“
Und wer ist noch dort oben? „Josef, Richard, Hiro, Pasang und die beiden Österreicher Oliver und Peter.“ Andere seien noch im Aufstieg. Er könne aber nicht sagen, wer. Will Peter auch noch die letzten Meter zum höchsten Punkt hinaufklettern? „Mal sehen, ob mich Ralf lässt. Es ist recht schwierig.“
Marc und ich gratulieren den ersten acht Bergsteigern am Gipfel des Manaslu zu ihrem Erfolg.
Zur Feier des Tages zeigt sich einer, der bisher nur Spuren hinterlassen hatte.
Sieben aus der Gruppe am höchsten Punkt
11.00 Uhr Ralf meldet sich wieder. „Es hat ein bisschen gedauert, ich musste alle einzeln auf den Gipfel herauf sichern.“ Der Expeditionsleiter zählt auf, wer aus der Gruppe den höchsten Punkt auf 8163 Metern erreicht hat: „Hiro, Richard, Peter, Angelo, Josef, Pasang und ich.“ Ich frage nach den anderen: „Es kann sein, dass Jürgen noch kommt“, antwortet Ralf, „ich werde ihm aber wahrscheinlich sagen müssen, dass er umdreht. Ich schaue mal, wie weit er noch hat, wenn ich ihn treffe. Aber ich bin nicht sehr optimistisch.“
Das Wetter scheint zu halten. „Wir haben eine stabile Oberkante der Wolkendecke“, erklärt Ralf, „ich glaube nicht, dass das Wetter allzu früh kippt.“ Die Sicht sei immer noch perfekt.
Der Expeditionsleiter will jetzt nach Lager drei auf 7300 Metern absteigen.
Rolf und Jürgen noch unterwegs
15.00 Uhr Ralf meldet sich aus Lager drei. „Ich glaube, ich habe dir heute morgen nicht gesagt, dass auch Rolf noch auf dem Weg zum Gipfel war. Rolf und Jürgen sind die einzigen, die noch nicht nach Lager drei zurückgekehrt sind.“ Ich frage den Expeditionsleiter, ob er beiden eine feste Umkehrzeit mit auf den Weg gegeben hat. Ralf antwortet: „Ich habe ihnen gesagt, wenn sie nicht bis 13.30 Uhr am Gipfel sind, sollen sie umdrehen. Aber wir brauchen uns wirklich keine Sorgen zu machen. Wir haben hier oben fantastisches Wetter.“ Er rechne gegen 17 Uhr mit der Rückkehr der beiden. „Ich werde so lange hier bleiben, bis die beiden angekommen sind. Die anderen steigen bereits nach Lager zwei ab.“ Ich frage nach Helmar, Johannes und Karma. „Helmar ging es nicht optimal, er hat sich seinen Daumen leicht angefroren. Johannes und Karma hatten eiskalte Füße. Sie sind umgekehrt.“
Warten auf Jürgen
18.00 Uhr Ralf hält sich immer noch in Lager drei auf. „Alle Bergsteiger bis auf Jürgen sind nach Lager zwei abgestiegen. Ich habe mich jetzt im letzten hier verbliebenen Zelt eingerichtet und hoffe, dass Jürgen bald hier ankommt.“ Rolf sei fast am Gipfel gewesen, Jürgen nicht. „Auf dem Rückweg hat Rolf ihn überholt“, sagt Ralf, „Jürgen war ziemlich langsam.“ Der Expeditionsleiter bereitet sich auf Jürgens Ankunft in Lager drei vor. „Ich habe jede Menge Flüssigkeit gekocht, damit er viel zu trinken hat. Ich hoffe ganz einfach, dass Jürgen bald hier eintrifft. Und dann bringe ich ihn morgen irgendwie herunter.“
19.00 Uhr Der Funkkontakt wird immer schwieriger. Wahrscheinlich erhalte ich erst morgen neue Informationen. Sollte ich vorher etwas erfahren, melde ich mich.
Jürgen in Lager drei!
21.15 Uhr Ralf funkt aus Lager drei: „Gerade eben ist Jürgen hier angekommen. Es geht ihm gut. Wir steigen morgen ab.“ Gott sei Dank!
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Heute seltener Blick auf die Aufstiegsroute, Ausschnitt siehe unten
Den Stöpsel herausgezogen
Marc und ich sitzen nach dem Frühstück im Gemeinschaftszelt und warten auf den ersten Funkkontakt mit Expeditionsleiter Ralf. Marc erzählt, wie es für ihn war, gestern auf 6300 Metern umdrehen zu müssen. „Es kam wieder schlagartig, als hätte jemand den Stöpsel herausgezogen. Atemnot, Herzjagen, mir wurde übel. Ich konnte nur vier, fünf Schritte gehen, dann rang ich wieder nach Luft.“
Diese Erfahrung hatte der 51-Jährige vor knapp zwei Wochen fast in gleicher Höhe schon einmal gemacht. Damals hatte er sich nach Lager zwei durchgekämpft. „Natürlich habe ich auch diesmal hin und her überlegt. Aber was hätte es gebracht, wenn ich oben ausgepumpt angekommen wäre. Hätte ich mich wirklich so weit erholen können, dass ich am nächsten Tag weiter hätte aufsteigen können?“
Schließlich signalisierte Marc seinem Zeltkumpan Angelo, dass er umdrehen wolle. Damit war für ihn das Kapitel Manaslu beendet – und auch das Kapitel Achttausender-Bergsteigen: „Als ich gestern umkehrte, habe ich erst gedacht: Das darf nicht wahr sein, dieser wahnsinnig schöne Berg! Aber meinem Körper sind offensichtlich Grenzen gesetzt. Das ist einfach so, und das habe ich zu akzeptieren.“
Ja, wo laufen sie denn?
Steile Stelle, schlechte Sicht
Um neun Uhr krächzt das Funkgerät. Ralf ist kurz angebunden. „Das Wetter ist nicht so, wie wir uns das vorgestellt haben. Schlechte Sicht. Wir sind außerdem an einer steilen Stelle. Lass uns in zwei Stunden wieder Kontakt aufnehmen.“
Der Blick aus dem Gemeinschaftszelt bleibt in dichten Wolken hängen. Hat sich das Schönwetter-Fenster nach zwei Tagen etwa schon wieder geschlossen? Das wäre fatal. „Der Wetterbericht sagte für heute kleinere Störungen vorher“, beruhigt mich Marc.
Elf Uhr, immer noch keine Sicht auf die Aufstiegsroute. Ralf klingt jetzt am Walkie-Talkie deutlich optimistischer. Er meldet sich aus einer Höhe von etwa 7200 Metern. „Es geht zwar ein bisschen zäh voran, aber wir haben jetzt wenigstens strahlenden Sonnenschein. Wir wechseln uns mit dem Spuren ab.“ Ralf hat alle Bergsteiger im Blick, er schätzt, dass den ersten und den letzten rund 100 Höhenmeter trennen.
Da sind sie!
Eine halbe Stunde später reißt die Wolkendecke über dem Basislager für wenige Minuten auf. Ich blicke hinauf – und tatsächlich: da bewegt sich eine Linie kleiner schwarzer Punkte auf den Grat zu, der das Gipfelplateau des Manaslu begrenzt. Kein Zweifel, das sind Ralf und die anderen Bergsteiger. Ich rufe Marc, der sich in sein Zelt zurückgezogen hat. Es bleibt ihm gerade so viel Zeit, die Bergsteiger auszumachen, da schiebt sich bereits wieder eine Wolke ins Blickfeld.
Entdeckt, für einen kurzen Augenblick
Wer ist Günter?
Warten auf den nächsten Funkkontakt. Um 13.30 Uhr ist es soweit. Ralf meldet sich aus Lager drei auf rund 7300 Metern. „Bis auf Angelo und Günter sind alle hier oben angekommen“, sagt der Expeditionsleiter. Wer ist Günter? „Sonne und kurze Schneeschauern wechseln sich ab“, fährt Ralf fort, „es weht kaum Wind.“ Ich frage nach der Temperatur. „Zu warm für den Daunenanzug.“ Und wer, hake ich nach, ist dieser Günter, der noch nicht angekommen ist? „Lass uns um 15 Uhr noch einmal funken“, antwortet Ralf, „wir bauen gerade unsere Zelte auf.“ Der ominöse Günter wird wohl Jürgen sein, mutmaßen Marc und ich. Zwei Stunden zuvor waren Angelo und Jürgen laut Ralf am Ende der Kette aufgestiegen.
Beim nächsten Kontakt bestätigt sich unsere Vermutung. Alle sind nun wohlbehalten in Lager drei eingetroffen und bereiten sich auf den Gipfeltag vor. Um zwei Uhr nachts wollen sie aufbrechen, bei dann hoffentlich wieder besserem Wetter. Daumen drücken!
Tag zwei des Gipfelversuchs: Und wieder scheint morgens die Sonne am fast wolkenlosen Himmel. Lediglich unten im Tal ballen sich ein paar Haufenwolken. Hier oben auf 4850 Metern, immerhin Mont Blanc-Höhe, ist es so warm, dass ich im T-Shirt auf einem Plastikstuhl im Freien sitze. Gemeinsam mit unserem Koch Sitaram beobachte ich mit dem Fernglas, wie die Bergsteiger unseres Teams von Lager eins auf 5680 Metern nach Lager zwei auf 6750 Metern aufsteigen. Kleine schwarze Punkte auf der weißen Leinwand des Manaslu-Gletschers.
Fantastisches Wetter mit Affenhitze
Zur vereinbarten Funkzeit um 9 Uhr meldet sich Expeditionsleiter Ralf. Eine Stunde trennt ihn noch von Lager zwei. „Wir müssen mit den Schneeschuhen durch etwa 20 Zentimeter Pulverschnee eine Spur ziehen. Kein Problem.“ Und das Wetter, die große Unbekannte der vergangenen Wochen? „Fantastisch“, sagt Ralf, „klare Sicht, völlig windstill, aber eine Affenhitze!“ Der Expeditionsleiter hofft, dass die anderen Bergsteiger Anschluss halten und nicht in die Mittagshitze hineinlaufen.
Aufstieg nach Lager zwei in der Totalen, Ausschnitt siehe unten
Aufgebrochen waren sie um 5 Uhr früh gemeinsam. Mit der Zeit aber hatten sich, je nach Aufstiegstempo, kleine Gruppen gebildet.
Fast alle oben, Marc dreht um
12 Uhr mittags. Im Basislager sind inzwischen die Wolken aus dem Tal eingetroffen. Wir können die Aufstiegsroute wegen den Nebels nicht mehr einsehen. Aber es bleibt warm – und das Geräusch Schnee auf Zeltplane, das uns in den vergangenen Wochen fast täglich begleitete, fehlt. „Hier oben ist jetzt angenehm“, funkt Ralf aus Lager zwei. „Es ist bedeckt, die Sonne drückt ein wenig durch die Wolkendecke. Eigentlich perfekt!“ Auch die anderen Bergsteiger haben inzwischen das Tagesziel erreicht – bis auf Marc.
Schwarze Bergsteiger-Punkte auf weißer Gletscher-Leinwand
Ralf geht – mit dem Walkie-Talkie in der Hand – bis an den Schneevorsprung, von dem aus er weit in die Bergflanke hinunterblicken kann. „Ich sehe Marc nicht. Die anderen sagten auch, er habe umgedreht. Wir können also ziemlich sicher sein, dass Marc nach Lager eins zurückgekehrt ist.“
Marc sicher im Basislager zurück
Bis zur nächsten Funkzeit um 15 Uhr ist es zur Gewissheit geworden. „Ich habe gesehen“, sagt Ralf, „wie er unten in Lager eins herumgewerkelt hat.“ Es geht Marc also gut – wir atmen auf. Um 17.15 Uhr erreicht er das Basislager – müde, aber gesund. Herzrasen und Atemnot hätten ihn auf 6300 Metern zur Umkehr gezwungen, so Marc: „Ich bin halt kein 8000-Meter-Mann.“ Muss er ja auch nicht, oder?
Die anderen Bergsteiger werden am Freitag früh aufstehen. Um 4.30 Uhr, mit dem ersten Tageslicht, will Expeditionsleiter Ralf nach Lager drei auf 7450 Metern aufbrechen – zur vorletzten Etappe auf dem Weg zum Gipfel des Manaslu.
P.S. Aus dem Dorf Sama erreicht uns die Nachricht, dass Joachim dort seine Frau und ihre beiden Begleiterinnen getroffen hat und sie jetzt gemeinsam das Trekking talwärts antreten. Viel Spaß dabei! Wir folgen nächste Woche.
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Der „Berg der Seele“ begrüßte sie mit einem strahlenden Lächeln. Einige Schönwetterwolken verloren sich im Tal. Hier oben aber Kaiserwetter – als wollte der Manaslu den Bergsteigern mit auf den Weg geben: „Traut euch nur! Nutzt die Chance, die ich euch biete!“
Glänzen in den Augen
Nach dreieinhalb Wochen Basislager habe ich gelernt, den Wetterprognosen zu misstrauen. Und doch: ich will einfach glauben, dass die Vorhersage einiger stabiler Tage auch wirklich eintrifft. Die Bergsteiger haben es sich verdient, von Höhentiefs oder anderen meteorologischen Phänomenen verschont zu bleiben und wenigstens eine reelle Gipfelchance zu erhalten. Hat der Manaslu das Glänzen in ihren Augen gesehen, als Expeditionsleiter Ralf zum Aufbruch blies? Hoffentlich.
Nehmen wir zum Beispiel Marc. Vor zwei Tagen noch sagte der 51 Jahre alte Theatermeister, er habe erkannt, dass er kein 8000-Meter-Mann sei. Sein Gepäck wollte er aus den Hochlagern holen und dem Manaslu den Rücken kehren. Jetzt sieht Marc dem Berg ins Gesicht. Hat sich das 8000-Meter-Gen doch noch durchgesetzt? „Nein“, sagt Marc, „aber diese Chance lasse ich mir jetzt doch nicht nehmen. Dass dieser Versuch noch zustande kommt, freut mich ungemein.“
Ãœben in Bescheidenheit
Vielleicht war der erste, früh gescheiterte Gipfelversuch auch nötig, um diese Freude zu wecken. Sicher, auch beim ersten Anlauf waren sie zu allem entschlossen. Doch dieser Versuch war gewissermaßen gebucht. Jetzt empfinden die Bergsteiger die plötzliche zweite Chance als Geschenk, das – wettertechnisch gesehen – vom Himmel fiel. „Diese Situation gefällt mir hundertprozentig gut“, meint Jürgen. „Ich fühle mich körperlich und mental fit. Ob es bis zum Gipfel reicht, weiß ich nicht. Da übe ich mich in Bescheidenheit.“ Eine Einstellung, die dem Manaslu gefallen dürfte. Die Bewohner des Dorfes Sama zu Füßen des Achttausenders glauben, dass Bergsteiger am Manaslu nur eine Chance haben, wenn sie sich dem Berg mit Respekt und Demut nähern.
Ungewissheit gehört zum Abenteuer
Auch für Ralf, unseren Expeditionsleiter, ist dieser zweite Gipfelversuch trotz all seiner Erfahrung aus 25 Jahren im Himalaya ein weiteres Abenteuer. „Ich spüre wieder dieses Kribbeln, das ich als Bergsteiger auch brauche.“ Dazu kommt noch diese verbleibende Spur Ungewissheit in Sachen Wetter. „Wenn sich diese Ungewissheit ganz in Luft auflösen würde, wäre ein Stück des Abenteuers Achttausender-Bergsteigen verloren. Gewissheit werden wir erst haben, wenn wir am Gipfel stehen und das Wetter gehalten hat.“
Die noch verbliebenen 13 Bergsteiger des Teams, inklusive der beiden Sherpas Pasang und Karma, erreichten Lager eins auf 5680 Metern am Vormittag bei immer noch strahlendem Sonnenschein. Am Samstag wollen sie auf dem Gipfel stehen – wenn der Manaslu sie lässt.
P.S. Für alle, die sich gestern beim Ansehen des letzten Fotos gefragt haben, warum es wohl bald Yak-Steak geben sollte, hier die Auflösung: Ralf hatte Nachschub an Lebensmitteln geordert, unter anderem ein halbes Yak. Nach dem Genuss der Steaks am Abend – „very well done“, sprich kauintensiv – wurde mit großer Ausdauer und unter fortwährendem Gelächter die Frage diskutiert, wie alt wohl dieses halbe Yak war. Eine geschäftstüchtige Tibeterin hatte Ralf das Fleisch für 8000 Rupies, gut 70 Euro, verkauft. Das Geld quittierte sie per Fingerabdruck.
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Gipfelkonferenz
Jubel bricht aus. Mit der plötzlichen zweiten Chance hatte vor wenigen Stunden noch niemand gerechnet. Ralf vertraut den Vorhersagen des Österreichers Charly Gabl: „Er hat uns über Jahre hin gut beraten. Zum Teil hat er uns halbe Tage guten Wetters rausgefischt, an denen wir als einziges Team irgendwo auf dem Gipfel standen. Charly hat ein gutes Gefühl, hat uns geraten, den Samstag ins Auge zu fassen. Lasst uns alle Energie in diesen zweiten Versuch legen!“
Warterei hat ein Ende
Helmar kann es kaum erwarten, zum 8163 Meter hohen Gipfel des Manaslu aufzubrechen: „Ich bin heilfroh, dass es losgeht. Diese Warterei im Basislager zermürbt einen nur.“ Auch Rolf spricht von „Erlösung“. Er hoffe, dass die guten Wetterprognosen jetzt auch einträfen.
Jürgen steht das Glück ins Gesicht geschrieben. Er grinst von einem zum anderen Ohr. „Für mich war es ein Wechselbad der Gefühle. Gestern war ich richtig gefrustet. Ich hatte überhaupt keine Lust mehr, hier zu bleiben. Und jetzt diese Wendung. Ich bin total glücklich!“
Hallo, Halo!
“Super, Super!“
Auch Marc hätte nie und nimmer gedacht, dass er nach dem gescheiterten ersten Gipfelversuch so schnell eine zweite Chance erhalten würde. Eigentlich hatte er nur noch seine sieben Sachen aus den Hochlagern holen und dann abreisen wollen: „Eben haben wir noch Pläne ausgearbeitet, wie es für mich mit dem Trekking losgeht. Und dass es jetzt so kommt, super, super!“
Tschüss, Joachim
Nicht dabei sein wird Joachim. Er baute am Vormittag sein Zelt im Basislager ab und stieg nach Sama hinunter. Dort hat er sich mit seiner Frau und zwei Freundinnen zum gemeinsamen Trekking verabredet.
Die Wanderung talwärts wartet auch auf die Bergsteiger, die morgen zu ihrem zweiten und definitiv letzten Gipfelversuch aufbrechen. Danach werden die Hochlager, dann das Basislager abgebaut. Für Dienstag kommender Woche sind die Träger bestellt.
Jetzt aber gilt die volle Konzentration der Bergsteiger erst einmal dem Gipfel des Manaslu.
Bald gibt es Yak-Steak
“Kein 8000-Meter-Mann“
Hätte, wäre, wenn – das alles zählt jetzt nicht mehr. Nun ist wieder Warten angesagt, Warten auf die zweite Chance. Marc ist es leid, ständig im Zelt zu sitzen und zu hören, wie es auf die Plane schneit. „Mir ist klar geworden, dass ich kein 8000-Meter-Mann bin.“ Dieses lange Warten auf den Tag X falle ihm unheimlich schwer. „Wir sind jetzt vier Wochen in Nepal und wie wenige Tage waren wir wirklich am Berg unterwegs! Das steht für mich in keiner Relation“. Und doch, sollte Expeditionsleiter Ralf zum schnellen Aufbruch blasen, wäre auch Marc dabei, würde noch einmal nach der Chance greifen.
Zeit für den Hausputz
Drama am Dhaulagiri
Nach einem frühzeitigen Beginn des zweiten Gipfelversuchs sieht es derzeit aber eher nicht aus. Der Wetterbericht sagt für Donnerstag stärkeren Schneefall voraus. Sollte die Wetterfrösche diesmal Recht behalten, säße das Team unter Umständen wieder in Lager eins oder zwei fest, in lawinenträchtigem Gebiet. Wie gefährlich das sein kann, zeigte sich gestern am Achttausender Dhaulagiri, nicht weit entfernt vom Manaslu. Dort riss eine Lawine mehrere Zelte an einem Lagerplatz mit, der als sicher galt. Zwei Spanier erstickten unter den Schneemassen. Ralf Ehefrau Gerlinde, die den Dhaulagiri besteigen wollte, zeltete ebenfalls am Unglücksort. Sie konnte sich mit Glück aus der Lawine befreien und blieb unverletzt.
Die Zeit drängt
Wie geht es nun am Manaslu weiter? Das Team steckt in der Zeitfalle. Sollte der zweite und voraussichtlich letzte Gipfelversuch zu spät beginnen, müssten die Bergsteiger auf die geplante Trekkingtour zurück verzichten und mit dem Hubschrauber nach Kathmandu zurückkehren – natürlich verbunden mit zusätzlichen Kosten. Und was würde geschehen, wenn sich der Helikopter verspätet? Zu Hause warten Familien – und Arbeitgeber.
Joachim fühlt sich in einer Zwickmühle gefangen. Einerseits würde er gerne ein zweites Mal Richtung Gipfel aufbrechen. Andererseits erwartet er am Mittwoch im Dorf Sama seine Frau, die mit zwei Freundinnen dorthin wandert, um mit ihm gemeinsam talwärts zu trekken. „Ich möchte natürlich die innere Spannung aufrechterhalten“, sagt Joachim, „aber wenn mein Zeitrahmen gesprengt wird, verzichte ich auf den Gipfel. Das wäre zwar traurig, aber auf das Trekking mit meiner Frau freue ich mich genauso.“
“Wegen dieses Gipfels bin ich hier!“
Johannes, mit 24 Jahren der Jüngste im Team, plädiert dafür, auf gute Verhältnisse für einen zweiten Gipfelversuch zu warten: „Ich kann doch jetzt nicht einfach zusammenpacken und nach Hause fahren. Eine Chance müssten wir doch noch haben.“
Diese Zuversicht verbindet den jüngsten mit dem ältesten Bergsteiger. Angelo sitzt unter einem improvisierten kleinen Sonnenschirm und liest. „Der erste gescheiterte Gipfelversuch hat mir weh getan, mich aber nicht gebrochen. Gebrochen wäre ich erst, wenn wir unverrichteter Dinge abziehen müssten. Doch ich vertraue voll und ganz auf Ralfs Erfahrung. Er ist hier der Profi.“
Ohne mit der Wimper zu zucken, würde der 55-Jährige auf die geplante Trekkingtour talwärts verzichten. Angelo blickt Richtung Manaslu: „Wegen dieses Gipfels bin ich doch hier, oder?“
Es klingt paradox: Höhentief. Aber genau dieses Wetterphänomen war schuld, dass der erste Gipfelversuch am Manaslu scheiterte. „So schlecht war der Wetterbericht gar nicht“, sagt Expeditionsleiter Ralf nach seiner Rückkehr ins Basislager. „Dieses Tief hat sich plötzlich in der Höhe entwickelt und sehr viel Schnee gebracht hat. Das war im Vorfeld nicht abzusehen.“ Wir lernen: das Höhentief an sich ist böse, weil hinterhältig. Und wir freuen uns, irgendwann im Tal das Tiefenhoch kennenzulernen.
Keine Lust auf Selbstmordkommando
Fast 24 Stunden hatte es ohne Unterbrechung geschneit. Auch in Lager zwei auf 6750 Metern türmte sich der Neuschnee rund 60 Zentimeter hoch. Expeditionsleiter Ralf, Hiro und die beiden Sherpas Pasang und Karma mussten ihren ursprünglichen Plan aufgeben, hinauf nach Lager drei Fixseile anzubringen. „Das wäre ein Selbstmordkommando gewesen“, sagt Ralf. „Genau dort, wo wir aufsteigen wollten, löste sich ein Schneebrett, das 400 Meter talwärts raste.“
Hiro und Ralf sicher zurück
Schneebretter losgetreten
Ralf beschloss, durch die neuschneeträchtigen Flanken abzusteigen. Auch das war gefährlich genug. Die vier Bergsteiger nutzten jetzt die Seile, die sie eigentlich oberhalb von Lager zwei anbringen wollten, um sich im Abstieg gegenseitig zu sichern – immer im Bewusstsein, jederzeit die Neuschneemassen lostreten zu können: „Ich habe vier mittlere und ein großes Schneebrett abgetreten“, so Ralf, „es war schon sehr spannend, diese Hänge abzusteigen.“
“Lawinensurfen“ nur in Notlagen!
Liebe Kinder, damit hier keine Missverständnisse aufkommen: Das „Surfen auf der Lawine“ ist brandgefährlich. Das lasst ihr mal schön sein. Selbst erfahrene Bergsteiger wie Ralf, die seit Jahrzehnten im Himalaya unterwegs sind, gehen dieses Risiko nur ein, wenn sie müssen. „Man tastet sich an die Abrisskante des Schneebretts heran. Mit der Zeit entwickelt man ein Gefühl dafür, wo sich das Brett lösen wird. Blind in so einen Steilhang zu rennen, wäre fatal.“
Mit einer großen Portion Erfahrung und sicher auch ein klein wenig Glück schafften die vier Bergsteiger den Abstieg durch die lawinenträchtigen Schneeflanken hinunter nach Lager eins und dann zurück ins Basislager.
Vom Rückschlag erholen
Dort wurden Ralf, Hiro, Pasang und Karma bereits von den anderen Teammitgliedern erwartet, die natürlich neugierig waren, was das Höhentief in Lager zwei und darüber angerichtet hatte.
Für die nächsten Tage ist der Wetterbericht – auch ohne Höhentiefs – nicht sehr vielversprechend. Ralf empfiehlt den Bergsteigern, jetzt nicht den Kopf in den Schnee zu stecken und geduldig zu bleiben: „Jetzt müssen wir uns erst einmal Zeit lassen, uns von dem Rückschlag erholen und dann mit neu geschöpften Kräften wieder aufbrechen.“
Glücklichsein
P.S. Herzlichen Glückwunsch aus dem Manaslu-Basislager an alle Mütter!
]]>4.00 Uhr Vereinbarte Funkzeit. Richard meldet sich aus Lager eins. „Ich habe aus dem Zelt geschaut. 40 Zentimeter Neuschnee. Da können wir doch unmöglich nach Lager zwei aufsteigen.“ Von dort schaltet sich Expeditionsleiter Ralf zu. „Hier hat es nicht ganz so viel geschneit. Ich kann sogar den Mond sehen. Vielleicht steigt ihr einfach mal ein Stück auf und schaut, wie die Verhältnisse sind.“ Ralf will mit Hiro um fünf Uhr aufbrechen, um Fixseile hinauf nach Lager drei zu legen. Richard, Rolf und Marc vereinbaren, gegen 5.45 Uhr aufzubrechen, um sich im Hellen ein Bild davon zu machen, wie lawinengefährdet die lange Schneeflanke hinauf nach Lager zwei ist.
7.00 Uhr Erneuter Funkkontakt. „Wir drehen um“, sagt Ralf. „Hier hat es doch erheblich mehr geschneit, als wir gedacht haben. Hiro und ich sind bis zu den Knien eingesunken. Außerdem ist die Sicht schlecht. Das macht keinen Sinn.“
Peter sagt, dass die Gruppe auf dem Weg hinauf nach Lager zwei gut vorankomme. Der Neuschnee in der Spur halte sich in Grenzen.
8.00 Uhr Peter meldet sich wieder per Walkie-Talkie: „Die Gruppe hat sich entschieden, weiter nach Lager zwei aufzusteigen.“ Ralf ist skeptisch: „Ich bin eher dafür, dass Ihr umdreht.“ Er gibt zu bedenken, dass es inzwischen heftig schneie. „Ich schätze, ihr braucht noch mindestens sieben Stunden bis Lager zwei. Ihr würdet völlig durchnässt hier ankommen. Und morgen dann der anstrengende Aufstieg nach Lager drei!“ Ralf macht eine Pause, dann: „Ich lege mein Veto ein. Ich bin für Absteigen.“ Peter akzeptiert die Entscheidung des Expeditionsleiters: „Dafür bist du doch da. Wenn du sagst, es macht keinen Sinn, dann ist es für uns alle sinnlos.“
9.00 Uhr Nächster Funkkontakt. Peter aus Lager eins: „Wir packen zusammen und steigen dann ins Basislager ab.“ Ralf und Hiro wollen dagegen in Lager zwei bleiben. „Es hat zu stürmen begonnen“, sagt Ralf. „Ich hoffe, dass der Neuschnee weggeblasen wird und wir dann morgen die Fixseile nach Lager drei hinauf legen können.“
11.00 Uhr Die Bergsteiger treffen wohlbehalten, aber enttäuscht im Basislager ein. „Ich habe mich richtig heiß auf diese Tage gemacht“, klagt Richard. „Der Wetterbericht verspricht relativ gute Verhältnisse, und wir versaufen da oben im Schnee. Das kotzt mich an.“
Jürgen hat sich nach dem Umdrehen sogar Gedanken über den Sinn des gesamten Unternehmens Manaslu gemacht: „Was hätte ich mit der ganzen Zeit anfangen können, die ich hier investiert habe? Glücklicherweise haben wir noch Zeit und ich hoffe auf einen zweiten Versuch. Wir haben noch eine Chance an diesem Berg.“
Marc sagt während des Mittagessens wenig. Dann aber platzt es aus ihm heraus: „ Ich wollte unbedingt da hoch. Wenn es nach mir ginge, würde ich jetzt zusammenpacken und nach Hause fahren. Aber bis heute Abend hat sich diese Stimmung sicher wieder gelegt.“
Zum Essen trinken übrigens fast alle Bergsteiger eine Dose Bier und ziehen sich anschließend zurück – zum Frustschlaf, während es draußen weiter schneit.
Sechs Uhr morgens. Zehn Bergsteiger brechen vom Basislager in 4850 Meter Höhe zu ihrem Gipfelversuch am Achttausender Manaslu auf. In den nächsten Tagen arbeiten sie sich immer näher an den höchsten Punkt heran. Heute Lager eins, 5680 Meter; am Samstag Lager zwei, 6750 Meter; am Sonntag Lager drei, 7450 Meter und dann am Montag hoffentlich der Gipfel, 8163 Meter hoch.
Was geht in den Köpfen der Bergsteiger vor? Findet sich dort nur noch blanke Entschlossenheit, oder ist auch Platz für Angst?
Angst ausblenden, Bremse im Kopf
„Man muss die Angst ausblenden“, sagt Richard. „Zu Hause warten auf mich meine Frau und mein dreieinhalb Monate alter Sohn. Im Basislager denke ich an sie, so oft ich Zeit habe. Am Berg aber muss ich den Kopf frei haben, um konzentriert zur Sache gehen zu können.“
Helmar will das Wort Angst gar nicht erst in den Mund nehmen.
Der 46-Jährige redet lieber von „Risiko-Chancen-Abschätzung“, räumt allerdings ein, dass er als zweifacher Familienvater vorsichtiger geworden sei: „Ich würde jetzt sicher nicht mehr Risiken eingehen, die ich vor 20 Jahren eingegangen bin. Da habe ich schon so eine kleine Bremse im Kopf.“
Berge in Wolken, Wolkenberge
Angst vor geistigen Aussetzern
Angelo ist mit 55 Jahren der älteste im Team. Der Manaslu soll sein dritter und letzter Achttausender werden. Ja, sagt der Schweizer, er habe Angst, „dass ich einen Fehlgriff mache, oder dass ich geistig weggetreten oder einfach nur benebelt bin.“ Bei seinen ersten beiden Achttausender-Besteigungen habe er bis zum Gipfel keine Angst gehabt. Der Abstieg aber zum letzten Lager sei wie im Film abgelaufen, rein mechanisch, er könne sich gar nicht mehr daran erinnern. „Das ist gefährlich. In solchen Situationen unterlaufen einem Fehler.“ Angelo hat mit Marc verabredet, besonders beim Abstieg gegenseitig aufeinander aufzupassen.
Von großer Macht getragen
Für Marc wäre Angst ein Grund, auf den Gipfel zu verzichten: „Ich bin zum ersten Mal an einem so hohen Berg. Wenn ich merke, dass es mir nicht gut geht oder dass ich Angst bekomme, werde ich umkehren.“
Daran will Jürgen noch gar nicht denken. Angst spiele für ihn keine Rolle. „Ich bin Christ. Ich weiß mich von einer großen Macht getragen.“ Außerdem helfe ihm, dass seine Familie an ihn denke. „Deshalb läuft für mich der Gipfelversuch in einer ganz großen inneren Ruhe ab.“
Gemeinsam unterwegs
Achtung, Spalte!
Ob mit oder ohne Angst – Richard, Helmar, Angelo, Marc, Jürgen und die anderen steigen aufwärts, dem Gipfel des Manaslu entgegen. Mittags melden sich alle wohlbehalten aus Lager eins. Expeditionsleiter Ralf funkt aus Lager zwei, dass sich dort, wo vor einigen Tagen die Zelte standen, eine große Gletscherspalte geöffnet habe. Ein Eisturm werde wohl bald abbrechen. Gut, dass das Team beim ersten Besuch auf 6750 Metern die Zelte wieder abgebaut und an einem sicheren Platz deponiert hatte.
]]>Bahnsteig-Gefühle. Noch wenige Minuten bis zur Einfahrt des Zuges, der mich an einen anderen Ort bringen soll. Ich bin unruhig. Kommt der Zug pünktlich? Sitzt jemand auf meinem reservierten Platz? Werde ich mein Ziel zum geplanten Zeitpunkt erreichen? Gegen den Mann rechts neben mir bin ich, obwohl nervös, die Ruhe selbst. Er läuft von rechts nach links, scheint schon auf der Reise zu sein, obwohl er noch auf dem Bahnsteig steht. Ganz anders der Reisende links von mir. Er ist in seine Zeitung vertieft. Nichts, aber auch gar nichts bringt ihn aus der Ruhe. Erst als der Zug einfährt, faltet er langsam seine Zeitung zusammen und steigt ein.
“Wir alle können den Gipfel erreichen!“
Auch die Bergsteiger am Manaslu stehen gewissermaßen auf dem Bahnsteig. Morgen brechen sie zum Gipfelversuch auf. Am Montag wollen sie den höchsten Punkt auf 8163 Metern erreichen, sich einen Traum erfüllen.
Gestern abend hat Expeditionsleiter Ralf dem Team noch einmal die Taktik erläutert, hat allen mit auf den Weg gegeben, was sie einpacken, was sie beachten sollen. Und hat Optimismus verbreitet: „Ich bin überzeugt, dass wir alle den Gipfel erreichen können.“ Heute früh ist Ralf mit Hiro und den beiden Sherpas Pasang und Karma ins Lager eins aufgestiegen, um mit einem Tag Vorsprung noch weitere Fixseile zu legen.
Johannes und Josef lüften
Bloß nichts vergessen
Zurückgelassen hat er die Bergsteiger mit ihren Bahnsteig-Gefühlen. Angelo zum Beispiel hat feinsäuberlich alle Gerätschaften, die er in seinen Rucksack packen will, in seinem Zelt ausgelegt: „Ich kontrolliere alles dreimal durch, damit ich nichts vergesse. Die wichtigsten Sachen wie Stirnlampe oder Sonnencreme habe ich doppelt dabei, vier Paare Handschuhe, sechs Paare Socken! Ein kleines Ding vergessen, und dann ist es da oben schon aus.“
“Hoffentlich wird alles gut.“
Auch Marc wirkt eher nachdenklich. Nachvollziehbar, hat er sich doch vor einigen Tagen trotz Magenproblemen und Atemnot nach Lager zwei auf 6750 Metern regelrecht hinaufquälen müssen: „Ich bin ziemlich nervös und aufgeregt. Nach der Erfahrung zuletzt beschäftigen mich auch gewisse Ängste. Hoffentlich wird alles gut.“
Jürgen imprägniert
Ganz relaxt
Natürlich gibt es im Team auch den Typ Zeitungsleser auf dem Bahnsteig. Jürgen etwa schreibt in aller Ruhe im Gemeinschaftszelt Postkarten. „Ich bin eigentlich ganz relaxt. Die wichtigsten Sachen liegen sowieso schon in Lager zwei. Jetzt lasse ich alles auf mich zukommen und freue mich, dass es losgeht.“
Auch Helmar und Rolf wirken entspannt. Sie haben sich aus dem Gemeinschaftszelt Plastikstühle geholt und genießen im Freien die ersten Sonnenstrahlen seit Tagen.
Endlich geht es los!
Richard dagegen ist kaum noch zu halten. „Ich muss mich jetzt einfach bewegen“, verkündet er. „Dabei gehe ich dann in Gedanken noch einmal alles durch. Ich freue mich riesig, dass es losgeht. Ich bin jetzt richtig heiß.“ Sagt es und entschwindet Richtung Manaslu-Gletscher. Bahnsteig-Gefühle.
]]>Hiro, unser Japaner im Manaslu-Team ist Spitzenreiter in Sachen Hightech:„Satellitentelefon, Modem, Laptop, elektrische Zahnbürste, elektrischer Rasierer.“ Hiro lacht, dabei war ihm vor einigen Tagen gar nicht zum Spaßen zumute. Sein Laptop hatte sich verabschiedet. Ein Virus aus dem Internet legte den Computer lahm. Seitdem schickt Hiro nur noch per Satellitentelefon seine Berichte nach Japan, wo sie als Hörstücke auf seinen Blog gestellt werden.
Das ist die Kehrseite der Informationstechnologie, die inzwischen auch im Himalaya Einzug gehalten hat.
Wir verschicken und empfangen Emails, laden uns die Wetterberichte aus dem Internet, füttern diesen Blog mit Texten, Fotos und Radiobeiträgen, telefonieren per Satellitenhandy. Das funktioniert natürlich nicht ohne Strom.
I-Pod im Basislager
Das Basislager wird komplett mit Sonnenenergie versorgt. Die beiden etwa anderthalb Meter langen Solarpaneelen liefern je 40 Watt Strom. Damit werden zwei Batterien geladen, die etwa die Kapazität mittelgroßer Autobatterien haben. Das muss reichen, für alle Hightech-Geräte im Basislager. „Inzwischen bringt fast jedes Expeditionsmitglied einen I-Pod oder Mp3-Player mit, um Musik abspielen zu können“, sagt Expeditionsleiter Ralf. Die Akkus dieser Geräte müssen ebenso geladen werden wie jene der digitalen Fotoapparate,
Kameras, GPS-Geräte oder der erwähnten elektrischen Zahnbürsten und Rasierer. Außerdem werden das Gemeinschafts- und das Küchenzelt elektrisch beleuchtet.
Kein ideales Wetter für Solarstrom
Da es in den vergangenen Tagen häufig schneite und sich die Sonne selten blicken ließ, gab es mehrfach Engpässe in der Stromversorgung. Energiemanagement ist gefragt. Der geplante gemeinsame Film-Abend muss dann eben verschoben werden.
Nichts für Herzschrittmacher
Dennoch – in den vergangenen Jahren hat sich die Technik auch im Hochgebirge revolutionär weiterentwickelt. Ralf erinnert sich an seine Expedition zum Achttausender K 2 im Jahr 1994: „Damals war das Satellitentelefon 30 Kilogramm schwer. Ein fingerdickes Kabel führte zur Antenne. Da floss ein Strom von zehn Ampere. Ein Bergsteiger mit Herzschrittmacher hätte nicht neben der Antenne stehen dürfen!“
Heute telefonieren wir im Basislager mit einem Satellitenhandy und überspielen Daten mit einem Modem, das kaum größer als ein Buch ist – und das in mehrfacher ISDN-Geschwindigkeit.
Satellitentelefonieren gegen Heimweh
Die Bergsteiger genießen es, per Email oder Telefon Kontakt zur Familie zu halten. „Wenn man sechs bis acht Wochen unterwegs ist, kommt irgendwann das Heimweh“, sagt Rolf. „Dann will man eine vertraute Stimme hören. Es ist einfach schön, überall mit dem Satellitenhandy telefonieren zu können, ob hier im Basislager oder in den Hochlagern.“
Die Technik entwickelt sich in atemberaubendem Tempo. Wie lange wird es wohl noch dauern, bis in den Basislagern der Expeditionen im Himalaya die Kerosinkocher durch solarstrom-gespeiste Elektroherde ersetzt werden? Ralf ist eher skeptisch: „Elektroherde werden auch weiterhin mehr Strom fressen, als unsere Solaranlagen hergeben.“
Aber hätte Ralf vor 15 Jahren gedacht, dass man auf 4850 Metern Emails verschicken und sich einen Computer-Virus einhandeln kann?
Miss Basecamp – garantiert ohne High Tech
Heute soll eine Entscheidung über den ersten Gipfelversuch fallen. Eine gute Stunde lang studiert Ralf die Wind-, Feuchtigkeits- und Temperaturdiagramme. Keiner im Gemeinschaftszelt wagt es während dieser Zeit, den Expeditionsleiter zu stören. Für einen Laien sind die Kurven und Balken ein Buch mit sieben Siegeln. Ralf aber ist nach 25 Jahren Himalaya-Erfahrung selbst fast zum Wetterfrosch geworden.
Wenig Wind, wenig Schnee
Die anderen Bergsteiger warten gespannt. Dann die ersehnten Worte: „Wir peilen Montag als Gipfeltag an. Ich steige mit den Sherpas bereits am Donnerstag auf, um unterhalb von Lager drei noch Fixseile zu legen. Ihr folgt dann einen Tag später.“
Für Mittwoch und Donnerstag dieser Woche wird schönes Wetter erwartet. „Das ist wichtig“, erklärt Ralf, „damit sich der Schnee setzen kann, der in den vergangenen Tagen gefallen ist.“
Früher Wetterbericht vom Flughafen Kathmandu
Für das kommende Wochenende sagen die Schweizer Wetterforscher starken Wind voraus. Am Montag aber soll der Wind nur noch mit fünf bis zehn Stundenkilometern blasen. „Das ist fast nichts“, urteilt Ralf. Auch der Schneefall soll am Montag nachlassen.
Ein fast perfekter Gipfeltag – sollten die Wetterprognosen zutreffen. „Früher waren die Vorhersagen wachsweich“, erinnert sich Ralf. „Da hatten wir nur den Wetterbericht vom Flughafen Kathmandu.“ Inzwischen aber würden mehrere Wetter-Modelle miteinander verrechnet. „Damit haben wir eine ziemlich hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Prognose auch wirklich eintrifft.“
Lichtblick
“Muttertag wäre schöner gewesen“
Die Bergsteiger wirken erleichtert. Das Warten hat ein Ende, endlich können sie sich auf einen Termin konzentrieren. „Es war einfach unangenehm, hier im Basislager herumzuhängen, ohne zu wissen, wie es weiterging“, sagt Angelo. Jetzt hätten alle einen moralischen Fixpunkt. „Muttertag wäre zwar schöner gewesen, aber das Wetter will es eben einen Tag später.“
Johannes glaubt noch nicht so recht an den geplanten Gipfeltag. „Was ist, wenn es oben mehr schneit als erwartet? Ich bin sehr skeptisch.“
Für Angelo wäre es auch kein Beinbruch, wenn der Gipfeltag wegen neuer Wetterprognosen noch verschoben werden müsste. „Ich gehe seit 30 Jahren auf Expeditionen und habe dabei gelernt, dass ich mit allem rechnen muss. Aber wir versuchen es jetzt einfach, und das ist gut.“
Nervöse Japaner gingen aufeinander los
Hiro hat 1996 bei einer japanischen Expedition am Achttausender K 2 in Pakistan erlebt, was geschieht, wenn der Zeitplan für einen Gipfelversuch zu lange auf sich warten lässt. „Die Bergsteiger wurden nervös. Einige sind sogar aufeinander losgegangen.“ Ein fester Gipfeltermin erhöhe ganz einfach die Konzentration des Teams.
Angelo, Mark und Joachim sind für einen Tag in das Dorf Sama abgestiegen.
„Ich freue mich darauf, wieder einmal Kinder, Wiesen, Blumen und Bäche zu sehen“, sagt Joachim. „Und dann geht es mit voller Motivation los!“