Fastenzeit – ohne https://blogs.dw.com/ohne Fasten - drei DW-Reporter im Selbstversuch Tue, 29 Apr 2014 14:57:54 +0000 de-DE hourly 1 Klaus: Fastenerkenntnisse https://blogs.dw.com/ohne/2014/04/20/klaus-fastenerkenntnisse/ Sun, 20 Apr 2014 22:06:27 +0000 http://blogs.dw.com/ohne/?p=889 KlausAls Kind konnte ich den Ostersonntag kaum erwarten. Das Eiersuchen hatte eine magische Anziehungskraft. Schließlich stellte es eine deutlich intellektuellere Herausforderung dar als das Geschenkeauspacken an Heiligabend. Für meine Eltern war es eher eine sportliche Herausforderung, schließlich mussten sie extra früh aufstehen, um die Ostereier rechtzeitig  zu verstecken, bevor ich – im wehenden Pyjama – im Garten stand.

Meine Herausforderung heute morgen war masochistischer Natur: Wie lange würde ich den Moment hinauszögern können, bis zum ersten Mal endlich wieder ein Cappuccino meine Lippen berührt, Zucker zwischen meinen Zähnen knirscht und ein Steak über meine Zunge spaziert?

Und noch eine Herausforderung hatte ich mir gestellt: Heute, da dieser Moment gekommen war, wollte ich Erkenntnisse aus meiner langen Fastenzeit ziehen. Weise Botschaften für alle, die nach mir auf die Idee kommen, auf Kaffee, Fleisch, Zucker oder andere Dinge 40 Tage lang zu verzichten.

Punkt acht Uhr morgens stand ich in der Küche,  zugegebenermaßen etwas unschlüssig: Jetzt schon Kaffee aufsetzen? Und ihn dann allein trinken? Nein. Schließlich hatten wir Gäste zum Osterfrühstück eingeladen. Um zehn Uhr. Fastenerkenntnis Nummer eins an diesem Morgen: Nicht nur fasten sondern auch das Fasten brechen sollte man in Gemeinschaft. Es ist etwas Besonderes, das man feiern sollte.

Also erst einmal den Keller auf den Kopf stellen, um den Karton mit den Osternestern zu finden. Gefunden hat sie meine Frau, als ich nach einer halben Stunde immer noch dort unten wütete. Warum hatte mir mein früheres Eiersuchtalent beim heutigen Nestersuchen nicht geholfen? Aus diesem Vorfall leitete ich Fastenerkenntnis Nummer zwei ab:  Man sollte sich auf vergangene Erfolge besser nichts einbilden. Dass man die Kraft hat zu verzichten, muss man sich jeden Tag aufs Neue beweisen.

Als unsere Gäste schließlich um zehn Uhr eintrafen, war es so weit: Mein erster Schluck Kaffee, mein erster Löffel Zucker, mein erstes Salami-Brötchen… umwerfend!!! Und mir schwante Fastenerkenntnis Nummer drei: Langer Verzicht steigert den Genuss. Die Fastenzeit ist eben das: ein 40 Tage langer Verzicht. Und wenn der Genuss-Kick noch größer sein soll, stellt man am Ostersonntag nicht den Wecker, um gleich kurz nach Mitternacht das Fasten zu brechen, sondern zögert den Moment hinaus. Sich von der Sonne wecken lassen, aufstehen, unschlüssig in der Küche herumstehen, eine halbe Stunde lang Osternester suchen – oder was einem sonst so in den Sinn kommt. Und erst dann, mit ruhiger Hand und wachem Geist, das genießen, worauf man so lange verzichtet hat.

Der zweite Kaffee übrigens – das hätte ich mir eigentlich denken können – schmeckte nicht mehr  umwerfend wie der erste. Er schmeckte „nur“ gut. Wie er mir vor der Fastenzeit auch geschmeckt hatte. Ich trank sogar noch einen dritten Kaffee, später am Tag. Und auch der schmeckte nicht umwerfend. Fastenerkenntnis Nummer vier: Genuss lässt sich nicht mit der Menge steigern. Erst wenn man erneut Verzicht geübt hat, kann man auch erneut genießen.

Schließlich fiel mir noch etwas auf: Ich hatte zwar meine Familie und auch unsere Freunde, die uns heute besuchten, wochenlang mit meinen Fastengeschichten die Ohren gefüllt. Aber als dann mein magischer Moment gekommen war, übten die gefärbten Ostereier auf alle weitaus mehr Magie aus als ich. Kurzum: Wenn ich nicht darauf hingewiesen hätte, dass ich mit diesem Schluck Cappuccino 40 Tage Fastenzeit beende, hätte es möglicherweise keiner gemerkt. Daher Fastenerkenntnis Nummer fünf: Nur wer selbst gefastet hat, kann beim Fastenbrechen wahrhaft tiefen Genuss empfinden.

In diesem Sinne: bis Aschermittwoch!

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Astrid: Verzicht ist normal https://blogs.dw.com/ohne/2014/04/11/astrid-verzicht-ist-normal/ Fri, 11 Apr 2014 06:15:21 +0000 http://blogs.dw.com/ohne/?p=753 IMG_8557Warum fastest Du eigentlich? Nur wegen des Blogs? Meine Kollegin Greta wollte es genau wissen. Und da spürte ich sie wieder, diese Scheu, die Wahrheit zu sagen. Schließlich ist ein Blog kein Beichtstuhl. Wie viel gebe ich von mir preis, ohne mich der Lächerlichkeit preiszugeben? Wie viel Wahrheit vertrage ich im Online-Modus?

Die ehrliche Antwort lautet: Weniger als ich dachte. Aber immerhin soviel ist sicher: Ich faste nicht allein für den Blog, nein. Doch ich räume ein: Ohne den Blog hätte ich nicht angefangen zu fasten. Schon lange hatte ich das Gefühl, dass ich ein Gläschen Wein zu viel trinke. Allein, es fehlte die Motivation, daran etwas zu ändern. Schließlich ist es sehr entspannend, den Tag mit einem Rotwein ausklingen zu lassen.

Der Blog brachte diese gemischten, aber verdrängten Gefühlen wieder zum Vorschein. Ich entschied, mich selbst unter Beobachtung zu stellen. Bislang betrachte ich das Ergebnis dieser alkoholischen Enthaltsamkeit als positiv. Ich leide nicht unter Entzugserscheinungen, und finde neuerdings sogar Gefallen an exotischen Fruchtsäften wie Maracuja und Rhabarber. Auch für blumige Teesorten wie „Arabische Nacht“ kann ich mich mittlerweile erwärmen.

Überschwängliche Glücksgefühle blieben allerdings bisher aus. Der vermeintlich starke Geist kostet seinen Triumph über das schwache Fleisch nicht aus. Vielmehr macht sich eine gewisse Normalität bemerkbar. Ich frage mich: Ist Verzicht überhaupt ein Verdienst? Schließlich gibt es so viele Menschen, die unfreiwillig Verzicht üben und darüber kein Wort verlieren. Weil sie krank sind und eine rigorose Diät einhalten müssen, weil sie nach einem Unfall im Rollstuhl sitzen oder weil sie schlicht kein Geld haben, um sich ihre Wünsche zu erfüllen, sondern ihr Leben von Armut und Entbehrungen gezeichnet ist. Verzicht gehört für sie zum Leben wie Krankheit und Tod. Er ist alltäglich und normal.

An dieser Stelle spüre ich, dass ich meiner Kollegin Greta noch eine zweite Antwort auf die Frage schuldig bin, warum ich faste. Ich möchte nämlich dabei das Gefühl überwinden, etwas besonderes zu tun. Die siebenwöchige Fastenzeit soll Verzicht für mich zur normalsten Sache der Welt machen, genauso wie dies für die Mehrheit der Menschheit der Fall ist. Natürlich trägt mein Verzicht nicht dazu bei, dass es weniger Leid und Armut auf dieser Welt gibt. Doch er hilft zumindest, Fasten als eine luxuriöse Übung wahrzunehmen und schafft neue Perspektiven. Kurz: Ich faste, weil Verzicht normal ist.

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Astrid: Schluss mit dem Trott https://blogs.dw.com/ohne/2014/03/27/astrid-schluss-mit-dem-trott/ Thu, 27 Mar 2014 13:25:47 +0000 http://blogs.dw.com/ohne/?p=617 Astrid Prange De OliveiraEs gibt nur wenige Dinge, die ich aus dem Physikunterricht noch erinnere. Dazu gehört das Gesetz über die Trägheit der Masse. „Masse ist ein Maß für die Trägheit des Körpers“, lautet eine zentrale physikalische Erkenntnis. Was für ein Satz! Wenn ich ihn auf mich übertrüge, würde er lauten: „Trott ist ein Maß für die Trägheit des Geistes.“

Dieser Trott hat in meinem Leben eine ganz eigene Dialektik entfaltet. Ich habe sogar eine gewisse Vorliebe für ihn entwickelt. Schließlich schafft er Gewohnheiten, strukturiert den Tagesablauf, macht Verhalten vorhersehbar und avanciert so zum Kompass des Alltags. Doch irgendwann kippen genau diese positiven Eigenschaften bei mir ins Negative.

Ist dieser Trott nicht der Tod eines erfüllten Lebens? Ein Synonym für Langeweile und Spießertum? Es rumort in mir, und ich verspüre große Lust, alles durcheinanderzuwirbeln und noch einmal von vorne anzufangen. Neue Wohnung, neue Freunde, neues Land – nach meiner Erfahrung wohnt nicht nur jedem Anfang, sondern auch jedem Abschied ein besonderer Zauber inne.

Ein Gläschen Wein - nur noch zum Genuss!

Ein Gläschen Wein – nicht mehr aus Gewohnheit sondern nur noch aus purem Genuss!

Auch beim Genuss von Alkohol und Nikotin regiert am Schluss die Macht der Gewohnheit. So war ich am Anfang meines Berufslebens fest davon überzeugt, dass kreative Eingebungen für meine Artikel sich nur mit Hilfe des blauen Dunstes entfalten würden. Ein weltbewegender Kommentar ohne Zigarette? Ausgeschlossen! Eine geniale Schlagzeile für die Seite eins ohne Sekt oder Weinschorle? Undenkbar!

Doch der Trott kam durch die Hintertür. Die anscheinend stimulierende Zigarette oder das Phantasie beflügelnde Glas Wein verwandelten sich schleichend in gefährliche Gewohnheiten. Auch wenn ich mich anscheinend in guter kollegialer Gesellschaft befand – Kaffee, Zigaretten und Alkohol schufen ungeahnte Zwänge.

Gott sei Dank unterbrach meine Schwangerschaft diesen unsäglichen Genussmittel-Trott. Beim Schreiben von Artikeln komme ich mittlerweile seit 20 Jahren ohne blauen Dunst aus. Ich hoffe, dass mir die Fastenzeit dabei hilft, mich auch von feucht-fröhlichen Trinkgewohnheiten zu verabschieden.

Es ist Zeit für einen Alkohol-Aufstand! Schluss mit der Trägheit! Ich will keinen Alkohol mehr aus Gewohnheit trinken, sondern nur noch aus purem Genuss.

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Astrid: Abenteuer ohne Amaretto https://blogs.dw.com/ohne/2014/03/04/abenteuer-ohne-amaretto/ Tue, 04 Mar 2014 14:55:43 +0000 http://blogs.dw.com/ohne/?p=149 Astrid Prange De OliveiraIch gestehe: Ich wollte nicht fasten! Eigentlich. Schon beim Schreiben dieses Textes, mache ich im Geiste einen Sekt auf. Ich blicke wehmütig zurück und stoße auf den wundervollen Karneval an, der gerade ausgeklungen ist. Alaaf, es war schön, und es floss Alkohol!

Und nun soll alles vorbei sein – für ganze sieben Wochen? Nicht erst seit Aschermittwoch trage ich diese quälenden Gedanken mit mir herum. Schon beim Großeinkauf vor Weiberfastnacht verfolgten mich die Gedanken an die Fastenzeit. Sieben Wochen ohne Alkohol? Das ist noch lange hin, beruhigte ich mich selber und entschloss mich, NICHT heldenhaft am Weinregal vorbeizugehen. Zwei Flaschen Chardonnay und zwei Rotweine aus der Region, das muss schon sein. Ob ich das alles noch bis Aschermittwoch schaffe?

Unangenehme Fragen. Unangenehme Gedankenspiele. Warum sieben Wochen ganz ohne Alkohol? Warum so eine Radikalkur? Reicht nicht einfach nur sieben Wochen ohne Baileys oder ohne Amaretto? Dann könnte ich ganz ohne schlechtes Gewissen, jeden Abend ein Glas Wein trinken und stünde trotzdem gut da.

Stünde. Gerade ertappe ich mich dabei, wie ich versuche, mich selbst zu überlisten. Warum bin ich bloß so einfach zu durchschauen? Verzichten, ja bitte, aber lieb gewonnene Gewohnheiten aufgeben, nein danke – zugegeben, diese Argumentation ist alles andere als raffiniert. Nach außen gebe ich mich offen, immer bereit zu Veränderungen, selbstkritisch. Nach innen hingegen huldige ich der profanen Routine. Bloß keine Abenteuer! Es lebe der schöne Schein. Möge alles so bleiben wie es ist, Amen.

Kann es sein, dass da eine gewisse Unzufriedenheit durchschimmert? Warum habe ich eingewilligt, zu fasten, obwohl ich es nicht wollte? Ich hatte immerhin zwei Tage Bedenkzeit. Beim Schreiben dieser Zeilen erahne ich es: Ich will es wissen. Ich will mich selbst herausfordern, mich befreien von Routine und Alltagstrott. Ich faste nicht für Gott, sondern für mich selbst. Ich suche nach Schwestern und Brüdern im Geiste, nach neuen Erfahrungen, die mich meinen Mitmenschen näher bringen. Fasten alaaf! Vor meinem nächsten Großeinkauf gehe ich übrigens in den Teeladen.

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Stefan: Mein „Tag X“ https://blogs.dw.com/ohne/2014/03/03/stefan-mein-tag-x/ Mon, 03 Mar 2014 14:01:36 +0000 http://blogs.dw.com/ohne/?p=109 Stefan Dege, DW-RADIO/Deutsches Programm, Zeitgeschehen, 19.07.2007„Mit dem Rauchen aufzuhören, ist das einfachste, was ich je getan habe. Ich muss es wissen, ich habe es tausend Mal gemacht.“ Kennen Sie das Zitat von Mark Twain? Auf mich trifft es zu.

Meine Raucherkarriere reicht zurück bis in die Jugend. Schon als 14jähriger Schüler habe ich – natürlich heimlich – den ersten Glimmstengel gepafft. Heute bin ich 52, hinter mir liegen mindestens fünf Versuche, das Rauchen zu lassen. Einmal habe ich es sechs Jahre lang geschafft. Dann kam der Rückfall. Es gilt wohl: Einmal süchtig, immer süchtig!

Allmählich nervt der Husten. Rauchgeruch sitzt in Klamotten und Haaren. Der Atem riecht wie ein Aschenbecher. Das Schlimmste aber ist: Permanent halte ich nach der nächsten Zigarettenquelle Ausschau, die ich dann, wenn der Zigarettenvorrat zur Neige geht, wie ein Lemming ansteuere – an jedem Tag der Woche, 365 mal im Jahr. Und es kostet viel Geld. Kurzum: Ich bin ein Sklave meiner Sucht. Jetzt reicht’s!

Heute ist mein „Tag X“. An diesem Aschermittwoch proklamiere ich meinen „Raucherfrühling“.  Ich starte einen neuen Versuch. Im Deutsche Welle-Blog „ohne!“ werde ich beschreiben, wie mir geschieht. Ist das Selbstentblößung? Ich glaube nicht. Mein Motto lautet: „Tue Gutes und rede darüber!“ Wer meine Blog-Einträge in den nächsten sieben Wochen liest, wer einen Kommentar verfasst, ein Bild schickt oder ein Video (ob aufmunternd oder nicht), der sei hiermit mein Verbündeter im Kampf gegen das Nikotinmonster. In Astrid und Klaus habe ich ja schon zwei Gleichgesinnte gefunden…

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