Gastfreundschaft – ohne https://blogs.dw.com/ohne Fasten - drei DW-Reporter im Selbstversuch Tue, 29 Apr 2014 14:57:54 +0000 de-DE hourly 1 Klaus: „Abstinentiam indic et labora!“ https://blogs.dw.com/ohne/2014/03/25/klaus-abstinentiam-indic-et-labora/ Tue, 25 Mar 2014 13:53:53 +0000 http://blogs.dw.com/ohne/?p=573 KlausDas ist jetzt keine meiner berüchtigten biblischen Keulen, hätte aber durchaus das Zeug dazu: „Übe Abstinenz und arbeite!“ So viel zu Astrids letztem Blog-Eintrag „Genuss ohne Reue“. Während sie an ihrem fastenbefreiten Sonntag pürierte Limonen in hochprozentigem Cachaça ertränkte, hielt ich tapfer an meinem Zucker-, Koffein- und Fleischverzicht fest und versenkte nur Forsythien in nährstoffreichem Humus.

Sicher keine Sonntagsaktivität nach alttestamentarischem Vorbild – hätte mich eher im Liegestuhl fläzen sollen, wie es sich am siebten Tag der Schöpfung geziemt. Aber ich hinkte eben dem Zeitplan hinterher: Mein Schöpfungsprozess war nach sechs Tagen noch nicht abgeschlossen.

Klar ist Gartenarbeit ein Ablenkungsmanöver, um nicht in Versuchung zu geraten. Wenn auch ein ziemlich schlechtes: Danach stehe ich mit noch lauter knurrendem Magen vor dem Kühlschrank.

Aber jetzt Fastenpausen einlegen? Mögen sie auch theologischen Segen haben – ich widerstehe der Versuchung! Rezepte wie Poulardenbrust in Mokka-Honig-Soße spare ich mir für die Zeit nach Ostern auf.

Bis dahin lauern die Versuchungen an jeder Straßenecke – oder auch an der eigenen Haustüre, wie Wolfgang so eindrücklich beschreibt. Was wiegt mehr: das eigene Fastenversprechen oder die Gastfreundschaft? In deinem Fall, lieber Wolfgang: Darf man einen aus Herzlichkeit angebotenen Keks ablehnen? Und ist es einem guten Freund zuzumuten, mit seinem Weinglas ein Wasserglas zu beprosten?

Ich höre schon den Radikalfaster in mir rufen: „Na, klar!“ Aber eigentlich muss man doch unterscheiden, ob dem Fastenbruch pure Genusssucht zugrunde liegt oder nicht. Sprich: Dient Gastfreundschaft als Ausrede? Dagegen spricht schon die Tatsache, dass dir, Wolfang, gleich die Hexameter und Pentameter Dietrich Bonhoeffers in den Sinn kamen, die deine Gedanken mit der Wucht von Glockenschlägen durcheinander wirbelten. Und dich wieder auf den Weg zur Freiheit brachten.

Und mich bald wieder auf den Weg in den Garten. Denn mein Schöpfungsprozess ist auch heute noch nicht abgeschlossen. Nach Feierabend rasselt der Rasenmäher mit den Klingen. Der Liegestuhl muss warten.

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Wolfgang: Vor der Freiheit kommt die Zucht https://blogs.dw.com/ohne/2014/03/25/wolfgang-mit-zucht-auf-den-weg-der-freiheit/ Tue, 25 Mar 2014 13:05:25 +0000 http://blogs.dw.com/ohne/?p=579 Wolfgang ThielmannLiebe Astrid, lieber Klaus,

Cocktailrezepte im Fastenblog sind auch für mich eine Premiere. Mal schauen, wie ich damit umgehe. Vielleicht sollten wir ein Fest zum Fastenbrechen veranstalten und sie dabei ausprobieren.

Ich musste in den letzten Tagen zweimal Güter abwägen. Am Ziel einer Reise bot mir eine Ordensfrau Kekse und Schokolade an. Und es stand eine Schale Oliven auf dem Tisch. Sie hat mich darauf hingewiesen, dass man auf Reisen nicht fasten muss. Ich habe versucht, einen Mittelweg zu wählen, und zwei Kekse gegessen. Um die Gastfreundschaft zu ehren. Sie selber blieb bei den Oliven. Und gestern abend um halb zehn, als ich aus der Redaktion nach Hause kam, stand ein spontaner Besucher vor der Tür, der mir einen Gefallen tun wollte. Ich bot ihm einen Wein an, weil ich wusste, dass er nicht fastet und dass er Wein mag. Hätte ich Wasser trinken sollen? Am liebsten hätte ich es getan. Aber es schien mir gastfreundlicher, ein Glas mit ihm zu teilen. Ein zwiespältiger Genuss. Jetzt steht eine angebrochene Flasche im Kühlschrank. Und ich weiß noch nicht, was ich heute abend tun soll: Schütte ich den Rest weg, um zu fasten? Oder genieße ich noch einmal, vielleicht halbherzig?

Da sind wir beim Thema der Freiheit und der Entscheidung. Sie haben sich klar gemacht, dass Sie sich frei zum Fasten entschieden haben. Und sich auf dem Weg gefragt, ob das eine gute, eine nützliche Entscheidung war. Jetzt, wo das Fasten nicht mehr so schwer fällt, kommt der Zweifel, wem es hilft, bis zum Ende durchzuhalten, wenn es keinen Kick mehr bringt. Und manchmal wächst die Unentschlossenheit.

Dietrich Bonhoeffer, der Märtyrer, hat Situationen wie diese gekannt und dazu ein – ziemlich unbekanntes – Gedicht über die „Stationen auf dem Weg zur Freiheit“ geschrieben (der Titel im Link ist leider verkürzt). Ich habe die erste Strophe auswendig gelernt, als ich mich zum Theologiestudium entschlossen hatte und darin meine Berufung sah, die ich durchhalten wollte. Was Bonhoeffer sagt, spiegelt sich im strengen Versmaß von Distichen, also Zweizeilern aus Hexameter und Pentameter. Sie verleihen den Gedanken die Wucht von Glockenschlägen. Für Bonhoeffer fängt der Weg zur Freiheit mit „Zucht“ an, wir würden sagen: mit der Beherrschung. Wer frei werden will, muss seinen Willen trainieren und über die Begierden des Augenblicks hinwegkommen.  Stefan erlebt das mit dem Nikotin-Entzug von uns allen am heftigsten und unmittelbarsten.

Aber wir haben uns alle auf den Weg zur Freiheit begeben. Darin liegt der Reiz, die Entscheidung durchzuhalten. Die Freiheit liegt – noch – vor uns.

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