Luther – ohne https://blogs.dw.com/ohne Fasten - drei DW-Reporter im Selbstversuch Tue, 29 Apr 2014 14:57:54 +0000 de-DE hourly 1 Wolfgang: Verkürzt Fasten das Fegefeuer? https://blogs.dw.com/ohne/2014/04/13/wolfgang-verkuerzt-fasten-das-fegefeuer/ Sun, 13 Apr 2014 04:38:35 +0000 http://blogs.dw.com/ohne/?p=779 Wolfgang ThielmannLiebe Mitfastende,

wir fangen an, Resümee zu ziehen und unsere Absichten und unseren Ertrag zu definieren. Wir beginnen zu spüren, dass uns ein Gewinn an Freiheit winkt. Weil sich das Maß verschoben hat, ist aus Genuss Gewohnheit geworden.  Durch den Verzicht wird das deutlich. Wir können das Maß neu justieren. Graduell wie Astrid und Klaus oder radikal wie Stefan.

Dabei sollen wir uns nicht besser fühlen, sagt Astrid. Verzicht ist normal. Denn vielen bleibt nichts anderes übrig. Also ist Fasten auch ein Akt der Solidarität mit anderen, die zum Verzicht gezwungen sind. Das entspricht dem Tweet von Papst Franziskus am 31. März: „Die Fastenzeit ist die Zeit zum Kurswechsel, um gegen das Böse und das Elend anzugehen.“

Es hat mich auch an die Sätze erinnert, die Jesus in Matthäus 6 zum Fasten gesagt hat: Keine nach Anerkennung fischende Leichenbittermiene. Normalität. Und ein bisschen preußische Pflichterfüllung. Auch die geht auf ein Wort zurück, das Jesus seinen Jüngern sagte: „Wenn ihr getan habt, was euch aufgetragen ist, dann sagt: Wir sind unnütze Knechte; wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren.“ Das Maß bewahren, nicht zu viel Wind um die eigene Leistung machen.

Kann man trotzdem das Ende feiern? Den wieder gewonnenen Genuss? Oder die Freiheit, wie Stefan? Oder noch mehr?

Der Katechismus der katholischen Kirche bestätigt unsere Erfahrung. Die Fastentage tragen dazu bei, sagt er, „dass wir uns die Herrschaft über unsere Triebe und die Freiheit des Herzens erringen.“ Er stellt Jesus in der Wüste als Vorbild der Fastenden hin. Seinen Gehorsam gegenüber seiner Berufung. Seine Standhaftigkeit gegen das Angebot der Macht und des Einflusses. Dreimal wehrt er sich gegen Angebote und Argumente des Teufels. Dann zieht der Teufel sich zurück, und beim Evangelisten Matthäus heißt es: Engel kamen und dienten ihm. Im katholischen Katechismus folgt der Satz: „Durch die vierzigtägige Fastenzeit vereint sich die Kirche jedes Jahr mit dem Mysterium Jesu in der Wüste“. Braucht man zum Fasten die Kirche? Gewinnt es dadurch an Tiefe?

Noch weiter geht der zweithöchste Jurist im Bistum Eichstätt, Alexander Pytlik, der sich auch als Internetpfarrer betätigt. In einer Predigt zum Fastensonntag erinnert er an die katholische Ablasslehre: Durch Fasten, Beten und durch andere fromme Übungen wie den Besuch bestimmter Kirchen können Katholiken sich selber oder anderen die Zeit im Fegefeuer verkürzen oder ganz ersparen. Denn dann genießen sie sozusagen ihre persönliche Rendite des Kirchenschatzes, der aus den Verdiensten Jesu und der Heiligen besteht und aus dem die Kirche austeilen kann.

Das ist konfessionell vermintes Gelände. Luthers 95 Thesen richten sich genau gegen den Ablass. Protestanten lehnen wenige Lehren so strikt ab wie diese. Doch sie gehört zur katholischen Kirche. Und die Ablasslehre stellt uns eine interessante Frage: Gefallen wir Gott mit Fasten, kommen wir ihm näher, unabhängig davon, ob wir das empfinden oder nicht? Und macht es also die Welt ein bisschen besser, auch wenn das niemand wahrnimmt?

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Astrid: Fasten für Gott? Nein danke! https://blogs.dw.com/ohne/2014/03/17/astrid-fasten-fuer-gott-nein-danke/ https://blogs.dw.com/ohne/2014/03/17/astrid-fasten-fuer-gott-nein-danke/#comments Mon, 17 Mar 2014 10:17:16 +0000 http://blogs.dw.com/ohne/?p=483 Astrid Prange De OliveiraBei so viel Pietät meiner Kollegen muss ich doch mal dagegenhalten. Ob ich Gott näher komme, hängt nicht von meiner Fähigkeit zum Verzicht ab, davon bin ich fest überzeugt. Ich muss Gott gegenüber nichts beweisen, das hat uns schon Luther klargemacht. Der Glaube an den unsichtbaren Schöpfer, an den Geist, auf den wir vertrauen, obwohl wir nie ganz sicher sind, ob es ihn auch wirklich gibt, dieser Glaube allein ist für mich schon eine große Herausforderung.

Mit anderen Worten: Fasten für Gott? Nein danke! Mit Sätzen wie „Denen, die Gott lieben, muss auch ihr Betrüben lauter Zucker sein“ kann ich schwer etwas anfangen, auch wenn sie in Bachs wunderbar schwebender Mottet „Jesu, meine Freude“ vorkommen.

Beim Fasten begegnen wir uns selber, hat Wolfgang geschrieben, das habe ich nun am zweiten Fastensonntag erneut erfahren. Es ist ein merkwürdiges Ritual, das sich da Bahn bricht. Zunächst freue ich mich eine Woche lang auf Sonntag und das damit verbundene Fastenbrechen. Ich freue mich auf ein Glas Wein oder einen kühlen Baileys.

Doch wenn es dann endlich soweit ist und ich mich nach einer Woche Abstinenz mit einem Glas Wein belohnen will, dann breitet sich Leere statt Lust  aus. Letzte Woche habe ich trotzig an meinem Chardonnay genippt, er wollte einfach nicht munden. Diesen Sonntag habe ich mir einen Ingwertee nach dem anderen aufgebrüht, um meine Grippe auszukurieren.

Angesichts dieses im wahrsten Sinne des Wortes ernüchternden Szenarios schwindet meine Hoffnung, dass es am nächsten Sonntag besser wird. Brauche ich die fastenfreien Sonntage nur als psychologische Stütze, um wieder eine Woche durchzuhalten? Oder funktioniert Genuss auf Knopfdruck schlicht und ergreifend nicht?

Am besten wäre es wohl gewesen, ich hätte einfach am Samstagabend mein Fasten gebrochen. Ich hätte dann gemeinsam mit Freunden und Bekannten anstoßen können. Aber nein, auch auf dieser Geburtstagsfeier wollte ich mir mal wieder meine Stärke beweisen. Um nicht in Versuchung zu kommen, habe ich sofort angeboten, auf dem Rückweg nach Hause zu fahren, und mir damit selbst Fesseln angelegt.

Je länger ich darüber nachdenke, desto unsinniger erscheint mir dieses Verhalten im Nachhinein. Mein Bekannter hätte sich sicher gefreut, mit mir anzustoßen. Und mir hätte ein Glas Wein oder Sekt in fröhlicher Runde sicher besser gemundet als am Sonntag einsam auf dem Sofa.

Daher hier mein persönliches Plädoyer für pragmatisches Fasten! Verzicht in Maßen, mit einer persönlich-flexiben Leidensgrenze. Ich will mir nichts mehr beweisen, weder vor mir noch vor Gott. Doch trotz aller Kritik am gottgefälligen Verzicht bin ich jedoch dankbar für die Erfahrung, dass mir der Alkoholverzicht bis jetzt leichter fällt, als ich angenommen hatte.

Ausgerechnet beim Schreiben dieser Zeilen habe ich mich übrigens an einen historischen Ausspruch des brasilianischen Dichters und Diplomaten Vinicius de Moraes erinnert. Der scharfsinnige Literat, der gemeinsam mit dem Komponisten Antonio Carlos Jobim den Bossa-Nova-Hit „Girl from Ipanema“ schrieb, war dem Alkohol bekanntermaßen nicht abgeneigt. Seine unverblümte Liebeserklärung an Hochprozentiges lautete: “Whiskey ist der beste Freund des Menschen. Er ist ein Hund in der Flasche.“

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