Şirin Manolya Sak – Treffpunkt https://blogs.dw.com/treffpunkt Vier Kulturschaffende aus Deutschland und der Türkei schreiben über verschiedene Aspekte ihres kulturellen Umfelds Tue, 11 Dec 2012 09:23:30 +0000 de-DE hourly 1 Almancı! – Über Parallelwelten und Interessengruppen https://blogs.dw.com/treffpunkt/2012/10/26/almanci-uber-parallelwelten-und-interessengruppen/ Fri, 26 Oct 2012 07:36:06 +0000 http://blogs.dw.com/treffpunkt/?p=595 „Almancı“, so wurden türkische Gastarbeiter gemeint, die Ende der 1950er Jahre nach Deutschland kamen. Dieses Wort leitet sich aus dem türkischen Wort für Deutsch, also „alman“ ab und wurde insbesondere von den daheim gebliebenen Landsleuten benutzt.

Hört sich nett an, war aber nicht so gemeint: „Almancı“ umschrieb diejenigen, die aus anatolischen Dörfern kamen, wohlmöglich Analphabeten waren und sich im fernen „Almanya“ mit Drecksarbeit eine goldene Nase verdienten. Ein „Almancı“ zu sein, war in der Heimat Türkei zunächst alles andere als en vogue – höchstens gelobt, wenn deutsche Schokolade mitgebracht wurde.

Heute, einige Jahrzehnte und Generationen später, glänzt die andere Seite der Medaille: Deutschtürkisch zu sein ist eine Lebenseinstellung, ein Lifestyle!

„Almancı“ bedeutet eben nicht mehr zwischen zwei Kulturen kleben geblieben, bildungsfern und konservativ zu sein. „Almancı“ zu sein, riecht nach Erfolg!

Die zahlreichen und vielfältigen „Almancı“-Allstars nennen sich zum Beispiel Fatih Akın (Regisseur), Bülent Ceylan (Komiker) und Shermin Langhoff (Theaterintendantin). Diese Persönlichkeiten sind bundesweit bekannt, doch es lohnt sich an der Oberfläche zu kratzen. Insidern sind Künstler wie die Berliner Band Orientation, Schauspieler und Grimme-Preisträger Oktay Özdemir und der preisgekrönte Regisseur Neco Çelik ein Begriff.

Die deutschtürkische Kulturszene ist aktiv, kreativ und nicht nur bei der Zielgruppe selbst ein beliebter Makrokosmos, in dem man sich privat beheimatet fühlt.

Ob Freunde türkischer Musik, Berlin-Touristen oder einfach kulturell Interessierte – das Motto der Hauptstadt lautet „jung, cool, türkisch“. Und das kommt bei ganz unterschiedlichem Publikum an.

So erkennt auch die Wirtschaft mehr und mehr, welche Bedeutung der deutsch-türkischen Symbiose beigemessen werden muss. Die angeblich „nicht integrierten Parallelwelt“ ist mittlerweile Kernzielgruppe verschiedenster Unternehmen. „Ethno-Marketing“ wird das Werben einer bestimmten kulturellen Gruppe für ein Produkt genannt – Fachjargon eben.

So gibt es ein extra für türkischstämmige Deutsche kreiertes Mobilfunk-Angebot der großen E-Plus Gruppe, die unter dem Namen „Ay Yıldız“ (dt.: Halbmond) geführt wird. Der deutsche Traditionsautobauer Volkswagen startete schon vor Jahren die Werbekampagne „VW türkçe konuşuyor“ (VW spricht türkisch), mit der sie Verkaufsgespräche in den bundesweiten Filialen auf Türkisch anbieten. Das funktioniert natürlich nur mit türkischsprachigen Mitarbeitern.

Auch Marken aus der Türkei zählen immer mehr auf die Kaufkraft ihrer ehemaligen Landsleute, deren Kinder und deren Enkel. Türkische Produkte werden importiert, vermarktet und munden auch vielen Deutschen. Vielleicht ist Ihnen ja auch schon einmal aufgefallen, dass in einigen Ballungsräumen immer mehr Kneipen „Efes Pilsener“ und „Yeni Rakı“ anbieten.

Doch weg von der Kaufkraft der Deutschtürken und den damit entstehenden Wirtschaftszweigen, die viele Milliarden Euro jährlich in die Steuerkassen spülen, und zurück zur Kultur!

Schön und gut: „Almancıs“ von heute inszenieren ihr eigenes Theater, produzieren eigene Filme, organisieren Partys, Konzerte und Festivals – „Wo aber bleibt da die Integration?“, mögen kritische Buschkowskys und Sarrazins nun fragen.

Tja, und manche Fragen lassen sich eben am besten mit Gegenfragen beantworten: Wie wollen Sie autonome Linke dazu bringen sonntags Schweinsbraten zu essen und mit Mutti Wolfgang Petry zu hören, Herr Buschkowsky? Reden Sie bei diesen ‚Randgruppen‘ auch von ‚Integration‘? Dieser Gedankengang scheint für Sie absurd zu klingen, aber muss denn jeder etwas mit jedem zu tun haben? Müssen Schlagerfans mit türkischen Tangoliebhabern feiern?

Dies war zwar mehr als eine Gegenfrage, aber fest steht, dass von Parallelgesellschaften nur dann die Rede ist, wenn diese sich auf Grund ethnischer Wurzeln bilden. Ansonsten werden Strömungen, Trends und Szenen als Interessengemeinschaften bezeichnet. Ähnlich verhält es sich mit den ‚Ehrenmorden‘, die als ‚Familiendramen‘ betitelt werden, sofern es sich um einen nicht muslimischen Täter handelt. Es ist also Ansichtssache und ein großer Unterschied, ob man von ‚Parallelgesellschaften‘ spricht oder von ‚Interessengruppen‘. Jeder von uns fühlt sich doch einer Gruppe und dessen Traditionen verbunden – ob im Fußballverein, der Familie oder der Partei. Kulturelle Vorlieben, Prägungen und Interessen unterschiedlicher Gruppen sind nun mal nicht zu ‚integrieren‘, sondern sind Privatsache!

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Yakalarsam, muah muah! https://blogs.dw.com/treffpunkt/2012/10/21/yakalarsam-muah-muah/ Sun, 21 Oct 2012 16:09:53 +0000 http://blogs.dw.com/treffpunkt/?p=543 Schauspieler Atilla Oener

Schauspieler Atilla Oener

„Wenn ich dich kriege, dann knutsche ich dich!“, so könnte man den Titel des bekannten Songs „Yakalarsam, muah muah!“ des türkischen Superstars ‚Tarkan‘ übersetzen. Ein Song, der sogar deutschen Ohren geläufig ist. Genau wie dieses Lied bei Zeiten ein Ohrwurm war und ist, verhält es sich auch mit dem Thema Liebe. Immer wieder im Leben – ganz egal in welchem Alter man ist oder in welcher Lebensphase man sich gerade befindet – hat Amors Pfeil getroffen, drehen sich die Gedanken im Kreis und das Herz rutscht in die Hose. „Über was soll ich mich unterhalten?“, „Wie findet er/sie mich?“ und „Wodurch kann ich mich interessant machen?“ sind Fragen, die sich Schwärmende besonders vor dem ersten Date stellen.

„Yakalarsam, muah muah!“ … Ja, aber wie gewinnt man das Herz eines anderen? Wie funkt es wirklich? Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, widme ich meinen Blogbeitrag in dieser Woche, dem wohl schönsten und gleichzeitig unergründlichsten Thema, das es gibt: die Liebe.

Ich selbst nehme mir und Ihnen gleich im Vorfeld die Hoffnung auf ein allgemeingültiges Rezept für das erfolgreiche Anbändeln. Leider werden Sie auch in den nachfolgenden Zeilen vergeblich danach suchen. Trotzdem verspreche ich, Ihnen einige ganz neue Einblicke in die Kunst des Flirtens zu gewähren. Und zwar durch jemanden, der selbst „unwiderstehlich“ ist. Atilla Oener hat ein Händchen für das Flirten und ist selbst ernannter Frauenschwarm.

Atilla Oener, Schauspieler, kann ein Lied von heißen Verführungen und süßen Leidenschaften singen. Doch statt zu trällern, schrieb er lieber ein Buch: Sein Debüt „Unwiderstehlich“ erschien kürzlich im Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag und ist in Kapitel wie „Vulgäre Würde“ und „(K)ein erstes Mal“ unterteilt.

Aufschlussreich beschreibt Oener in seinem Buch die Welt eines Charmeurs, der ganz genau weiß was Frauen wollen: „Ein Lächeln ist doch der Schlüssel zu jedem guten Flirt“, findet Atilla. „Die optische Erscheinung eines Menschen ist Geschmackssache, aber mit Freundlichkeit und einem Strahlen im Gesicht kann man eigentlich immer punkten. So wird angefangen zu baggern.“

Wie viele Mädels der Deutschtürke in seiner „Highscore-Zeit“ tatsächlich um den Verstand gebracht hat, hat er eigenen Aussagen zu Folge nicht mitgezählt. „Es geht schließlich nicht um Quantität sondern um Qualität!“ schmunzelt Atilla während unseres Gesprächs.

Komischerweise scheint jeder Kulturkreis eigenen Flirtcodices zu folgen. So stellt der junge Autor fest: „Bei deutschen Frauen habe ich in meiner wilden Zeit eine ganz andere Taktik angewendet als bei türkischen. Irgendwie muss man darauf eingehen. Dabei muss ich zugeben, dass ich rückblickend wohl mehr deutsche Freundinnen hatte als türkische.“ Atilla begründet seine kulturell differenzierten Flirterfolge mit seiner persönlichen Veranlagung. „Ich bin eher ein offener und direkter Mensch und gehe auch beim Flirten in die Offensive. Meiner Erfahrung nach kommt das bei deutschen Frauen super an.“ Türkische Frauen lassen sich nach Auffassung des Autors eher abschrecken, wenn der Mann mit der Tür ins Haus fällt.

Eins ist aber bei allen Frauen gleich: „Besonders bei schönen Frauen darf man am Anfang bloß nicht demonstrieren, wie sehr man ihr in Wirklichkeit schon verfallen ist. Attraktive Frauen ernten Tag für Tag Blicke und Komplimente von Männern. Davon muss man sich unterscheiden, wenn man der Traumfrau auffallen will“, weiß der Unwiderstehliche, zu berichten, der übrigens in festen Händen ist.

„Als ich meine Frau erobern wollte, habe ich erstmal gespielt. Dabei darf man sich natürlich nicht in die Karten schauen lassen und versuchen ein cooles ‚Pokerface‘ aufzusetzen. Etwas geduldig muss man schon sein, um beim Flirten Erfolg zu haben – das gilt für Männer und Frauen“, sagt er.

Und dann? Ja, dann… muah muah!

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Arabesk-Abend oder anatolisches Rock-Konzert? Wie Berliner Türken feiern. https://blogs.dw.com/treffpunkt/2012/10/16/arabesk-abend-oder-anatolisches-rock-konzert-wie-berliner-turken-feiern/ Tue, 16 Oct 2012 19:17:54 +0000 http://blogs.dw.com/treffpunkt/?p=487 Immer wieder stellen mir Leute die Frage: „Wo kann man denn so hingehen, wenn man mal so typisch türkisch abfeiern kann?“ „Ja, dann schleicht ihr euch am Besten in einen der zahlreichen Hochzeitssäle und schwingt die Hüften auf einer türkischen Hochzeit.“, antworte ich dann meistens und muss schmunzeln. Was heißt denn das überhaupt „typisch türkisch abfeiern“? Geht es dabei um türkische Musik? Wenn ja, welche? Oder geht es um die türkische Art zu feiern, was auch immer das heißen mag? Wo und wie Berliner Türken feiern ist ganz unterschiedlich, doch schon zu Anfang kann man etwas festhalten: Türkische Musik ist das A und O!

Um herauszufinden welche Attribute maßgeblich die Feierlaune junger Türken in Berlin beeinflussen, habe ich per soziales Netzwerk die Frage „Was ist das Wichtigste beim Feiern?“ gestellt. In der nicht repräsentativen Umfrage bei Facebook kam heraus, dass in der Altersgruppe der 15 – 35 jährigen Deutschtürken die orientalischen Dance-Songs die Feier ausmachen (siehe Abbildung). Türkische Musik geht eben durch Mark und Bein und muss regelmäßig betanzt werden – auf Partys, Konzerten, in Clubs und auf Festivals.

Klar, in der Umfrage auf meiner Facebook-Seite mit knapp 6.000 Usern wurden noch andere Attribute für die perfekte Sause genannt: So sind für feierwütige Türken, nach der türkischen Musik, eine angesagte Location und ein nobles Ambiente wichtig. Ein junger User kommentierte, dass „Bunnys“, also Mädels, eine ebenso wesentliche Rolle beim Amüsieren spielen – erscheint logisch bei der oben genannten Altersgruppe. Es ist im türkischen Nachtleben auch nicht unüblich, dass männliche Besucher ohne weibliche nicht an den Türstehern vorbeikommen. Ein ausgewogenes Frau-Mann-Verhältnis belegt inoffiziell, dass es sich um ein gehobenes Event handelt. Die jungen Männer, die vor der Tür bleiben müssen, sehen das sicher anders…

Doch obwohl türkische Musik eine ganze Generation durch das Nachtleben stürzen lässt, sind nicht alle Partys mit türkischer Musik ein Besuchermagnet.

Was ist es also, was sich auf den Plattentellern drehen muss? Welche Beats müssen durch die Boxen rauschen und damit die jungen Deutschtürken elektrisieren?

„Das kommt ganz drauf an!“, weiß Djane İpek, die die türkische Partymeute rund um den Globus einheizt. „Deutschtürken haben ja keinen homogenen Geschmack.“

Die mehrfach ausgezeichnete DJane trifft den Nerv der Leute und bringt die Partys zum Kochen. „Die Deutschtürken sind genauso vielfältig wie alle anderen und weinen sich den einen Tag bei einer Arabesk-Veranstaltung die Augen aus dem Kopf und besuchen ein paar Tage später ein türkisches Rock-Konzert.“ Die Berlinerin genießt die bunte Musikwelt und bietet ihrem Publikum ihren eigens kreierten „Berlinİstan“-Sound. Ihre akustischen Darbietungen tragen immer İpekçioğlus beliebte Note, unterscheiden sich aber je nach Publikum, Anlass und Location.

„Das ist genau das, was ich an meinem Job und meinem deutschtürkischen Publikum so liebe“, schwärmt die DJane. „Auf einer Elektro-Minimal-Techno-Party gehen alle völlig verrückt auf der Tanzfläche ab, während Hip-Hop-Partys werden regelmäßig Revolutionen angezettelt und dann gibt es noch die legendären „Gayhane“-Partys im Berliner SO36, bei denen die Leute bei Belly-Musik oder kurdischem Halay total ausflippen.“

Fazit ist, dass „typisch türkisches Feiern“ kaum zu definieren ist. „Typisch türkisch“ gibt es nicht, außer die Lust am Feiern…

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„Aşkım ja, du siehst voll schlecker aus!“ https://blogs.dw.com/treffpunkt/2012/10/02/askim-ja-du-siehst-voll-schlecker-aus/ Tue, 02 Oct 2012 08:24:47 +0000 http://blogs.dw.com/treffpunkt/?p=395 Sprechen Sie Kiezdeutsch? Wissen Sie welche Begriffe und Gesten wichtig sind? Was? Sie haben keine Ahnung und sprechen nur Hochdeutsch? Dann sind Sie entweder aus einem Kaff oder gehören der Generation 40 plus an. Entschuldigen Sie, aber laut anerkannten Sprachwissenschaftlern ist Kiezdeutsch eine Entwicklung, die eine lebendige und dynamische Sprache wie Deutsch ausmacht.

„Ey Alter, ich weiß wo dein Haus wohnt!“ und „Was guckst du?“ – sind typische Sätze, die man mit Migranten-Kindern auf Großstadt-Hinterhöfen verbindet. Sie wurden unzählige Male parodiert, belächelt und durch den Kakao gezogen. Doch: „Kiezdeutsch ist die deutsche Sprache der Gegenwart!“, davon ist die Professorin Heike Wiese an der Universität Potsdam überzeugt. „Die Jugendsprache von heute ist grammatikalisch korrekt integriert. Es gibt daran nichts zu beanstanden, ganz im Gegenteil.“ Die Autorin von „Kiezdeutsch: ein neuer Dialekt entsteht“, stellt sich gegen alle Klischees: „Es ist ein Vorurteil, dass Kiezdeutsch kein richtiges Deutsch ist. Nur tote Sprachen entwickeln sich nicht und hierzulande hat sich die Sprache dahingehend verändert, dass nicht nur auf Bayerisch oder Sächsisch gesprochen wird, sondern auch auf ‚Kanaksprak’“, sagt sie.

Die Sprachforscherin schreibt in ihrem Buch ausführlich über Kiezdeutsch, welches für sie Kompetenz belegt, statt Defizite darstellt. Bei „Kanaksprak“ handelt es sich ihrer Auffassung nach nicht um irgendein Kauderwelsch von bildungsfernen Migranten-Kindern.

Auch Aslı Özarslan, Initiatorin der Videoinstallation „Kanaksprak bist du“, weiß um die Mannigfaltigkeit der Jugendsprache. Die Deutschtürkin setzt sich für die Anerkennung der Jugendsprache ein und zeigte während der Berliner Sprachwoche eine Videoinstallation zu dem Thema. „Ich wollte mal die Gelegenheit nutzen, Sprachbarrieren zu brechen“, sagt die Filmemacherin. „Die bürgerlichen Besucher haben hier, in der Friedrichstraße, ein paar Tage Zeit einen Eindruck von dem Dialekt zu gewinnen“, sagt Özarslan.

Das geschieht in dem Spot anhand von Lektionen, die von unterschiedlichen Jugendlichen erklärt werden. Die Videoinstallation ist quasi ein Crash-Kurs für „Kanaksprak“.

Um jedoch nicht nur über die Jugendlichen und ihre Sprache zu sprechen, sondern auch mit ihnen selbst, haben sie sich bei mir vor Ort zu Wort gemeldet.

„Das was man so im Fernsehen, in den Medien hört – also so was wie von ‚Erkan und Stefan‘ – ist nicht das wahre Kiezdeutsch. Das ist eine Kunstsprache. Wir sagen gar nicht Sachen wie ‚Ey, ich weiß wo dein Haus wohnt!‘, oder so etwas. Bei uns hört sich das ganz anders an“, meint einer der 19 jährigen Protagonisten des Videos. „In Wirklichkeit geht es in unserer Alltagssprache viel um Bewertungen wie ‚Vallah, du bist King!‘ oder ‚Moruk, du siehst echt Bombe aus!'“

Anders ist es, wenn ernsthaft geflirtet wird. Auf meine Frage, wie eine Traumfrau auf Kiezdeutsch angebaggert wird, läuft der Abiturient rot an. „Ich würde meiner Traumfrau kein Kompliment auf Kananksprak machen. Kommt doch nicht gut rüber. Klingen würde es aber ungefähr so: Aşkım ja, du siehst voll schlecker aus!“

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„Alter, hast du Döner in der Waffel?“ https://blogs.dw.com/treffpunkt/2012/09/25/alter-hast-du-doner-in-der-waffel/ https://blogs.dw.com/treffpunkt/2012/09/25/alter-hast-du-doner-in-der-waffel/#comments Tue, 25 Sep 2012 08:44:38 +0000 http://blogs.dw.com/treffpunkt/?p=297 „Integrierte Currywurst“, Halal-Energy-Drinks und Obst-Döner à la carte – so sieht die deutsch-türkische Küche in Berlin aus. Aber mal ganz langsam zum Mitdenken: „Integrierte Currywurst“, Halal-Energy-Drinks und Obst-Döner? Wenn man sich diese Formulierungen, im wahrsten Sinne des Wortes, auf der Zunge zergehen lässt, scheinen die kulinarischen Genüsse der Deutschtürken skurril.

Abseits vom klischeebehafteten Menü, aus Döner und Ayran, stehen hinter diesen merkwürdigen Beschreibungen, innovative Ideen von jungen Gastronomen. Sie wissen genau, was ihrer Zielgruppe schmeckt, denn sie selbst sind ein Teil von ihr: junge Deutschtürken mit Lust auf schmackhafte Trends.

Dabei spielt eine Besonderheit eine entscheidende Rolle und zwar der ausschließliche Genuss von Halal-Produkten. So wirbt ein Getränkehersteller zum Beispiel für einen nach islamischen Vorschriften zubereiteten Energy-Drink, der entgegen vergleichbarer Produkte gelatinefrei sein soll.

Auch in den interreligiösen Stadtteilen der Hauptstadt wie Kreuzberg, Wedding oder Neukölln, haben sich die Imbissbuden den neuen Gegebenheiten angepasst: Auf die junge muslimische Kundschaft eingestellt, werden hier Currywürste aus Rind- statt aus Schweinefleisch vertrieben – eben integrierte Currywurst. So zum Beispiel bei „Cem’s Burger House“ am Kottbusser Tor.

Doch, zurück zu unserem guten alten Klassiker: dem Döner!

Es muss an dieser Stelle einmal festgehalten werden: Der Dönerverkauf in Deutschland bringt mehr Umsatz als McDonald’s, Burger King und Kentucky Fried Chicken zusammen. Mit dem Döner floriert ein ganzer Wirtschaftszweig – vom Dönerhersteller bis -verkäufer, hin zu Verpackungsfirmen und dem weitreichenden Gastronomiebedarf.

So fand 2012 zum dritten Mal, am 22. und 23. September, die „DÖGA“ in Berlin statt; eine Fachmesse für alle, die Döner lieben oder Geld mit ihm verdienen. Das diesjährige Motto lautet „Der Döner hebt ab“ und beschreibt damit die Erfolgsgeschichte der deutsch-türkischen Fleischkreation.

Warum in aller Welt leidet also das Image des Döners? War es das Gammelfleisch, die Sarrazin-Debatte oder gar die schrecklichen Morde der NSU, die in den Medien als „Dönermorde“ die Runde machten? Wahrscheinlich sind so einige Schlagzeilen dafür verantwortlich, dass die würzige Fleischtasche negativ in Verruf geraten ist. Nach meinen Erfahrungen, gehen zumindest viele Deutsche davon aus.

Wenn ich mich mit ihnen – und das ist sehr oft vorgekommen – über Vorurteile gegenüber Türken, Döner und der Sendung „DÖNERstag“ unterhalte, die ich ein Jahr lang im Radio moderiert habe, begegnete mir immer dieselbe Einschätzung:  „Deine türkischen Hörer fühlen sich doch bestimmt auf den Schlips getreten, wenn du sie jeden Donnerstag mit ‚Happy DÖNERstag‘ begrüßt, oder?“ Der Döner scheint durch die deutsche Kulturbrille meist im Zusammenhang mit Murat, Ali und Ayşe gesehen, die sich durch das billige Fast Food den Magen verderben.

„Happy DÖNERstag“

Grund zum Schämen gibt es jedenfalls nicht. Während sich vielleicht die deutschtürkische Generation 50 plus noch auf den Döner reduziert fühlt, ist das Döner-Essen an DÖNERstagen in Berlin Kult. Mittlerweile beobachte ich immer wieder junge Deutschtürken, die sich vor dem ersten Biss in das deftige Teil ‚happy DÖNERstag‘, statt ‚guten Appetit‘ wünschen.

Diesen wundersamen Wertewandel des Döners macht sich auch Ulvi Topcuoğlu (25) zugute, der mit seinem 23-jährigen Bruder Murat seit Kurzem Deutschlands ersten Obst-Döner Laden in Kreuzberg betreibt. In gemütlichem Ambiente in der Adalbertstraße gibt es alles, was Naschkatzen begehren: Süße Waffeln gefüllt mit frischen Erdbeeren, darüber Karamell- oder Schokosoße, bunte Streusel und wahlweise Raffaello, Oreo-Kekse oder zerkleinerte Snickers.

Alles zusammengeklappt ergibt die „Wonder Waffel“, und so nennt sich auch das Lokal.  Klar, Insider bestellen den „Obst-Döner“, hört sich nämlich cooler an. „Wir wollten ein wenig mit dem türkischen Klischee spielen, auch wenn unsere ‚Wonder Waffel‘ nichts mit dem eigentlichen Döner zu tun hat“, sagt Ulvi Topcuoğlu. und zieht Bilanz: „Die Leute rennen uns die Bude ein, in Kürze werden wir nach Neukölln expandieren.“

Bei dem schlechten Image des Döners scheint bei jungen Türken die Devise „Humor ist, wenn man trotzdem lacht“ zu lauten. Schon längst bedeutet die türkische Küche in Berlin nicht mehr nur Döner mit Ayran – auch wenn das allein schon ganz schön stolz machen kann. Die türkische Küche hat viel mehr zu bieten und trifft die Geschmäcker aller Nationen, ohne dabei die eigenen Ansprüche und Traditionen zu ignorieren. Wenn Hong Xung mit einem Börek in der U-Bahn sitzt und freundlich „Servus“ sagt, weiß man, dass Liebe nicht nur durch den Magen geht, sondern sogar gegen die Sarrazins in diesem Land das leckerste Argument ist. Deutschtürkische Küche mundet!

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