Berlin – Treffpunkt https://blogs.dw.com/treffpunkt Vier Kulturschaffende aus Deutschland und der Türkei schreiben über verschiedene Aspekte ihres kulturellen Umfelds Tue, 11 Dec 2012 09:23:30 +0000 de-DE hourly 1 Architektur und Geschichtsbewusstsein https://blogs.dw.com/treffpunkt/2012/10/25/architektur-und-geschichtsbewusstsein/ Thu, 25 Oct 2012 14:35:27 +0000 http://blogs.dw.com/treffpunkt/?p=611 Die historische Architektur einer Stadt offenbart viel über die Geschichte eines Landes. Das ist ein Fakt. Dies ist zumindest dann der Fall, wenn die historischen Bäder und Zisternen nicht durch Bürogebäude oder Parkhäuser verdeckt werden, wie das in Istanbuls historischem Stadtteil Eminönü geschehen ist. Dort wurden hunderte von historischen Gebäuden zugebaut.

Die Architektur der historischen Halbinsel von Istanbul, einzelne Gebäude oder Gebäudefassaden in verschiedenen Stadtteilen erinnern uns jedoch an eine weit zurückliegende Vergangenheit. Sie geben zumindest etwas Aufschluss über die Geschichte. Jedenfalls zeugt die Mehrheit der historischen Gebäude in Istanbul von der Pracht Herrschenden. Sie sind sichtbarer Ausdruck ihrer Macht. Es gibt allerdings keine Gebäude, die auf die Geschichte der Arbeiterbewegung oder andere oppositionelle Bewegungen hindeuten.

In dieser Hinsicht unterscheidet sich Berlin gravierend von Istanbul. Sobald man bestimmte Stadtteile von Berlin betritt, lässt sich allein durch die Architektur der Wohnhäuser vieles über die Vergangenheit der Stadt herausfinden. Über die Betrachtung dieser Wohnkomplexe kann der Besucher etwas über die lange und bewegte Arbeitergeschichte erfahren. Er kann sich vorstellen, welch harter Klassenkampf sich hier ereignete. All diese Hinweise lassen sich an der Architektur der Arbeiterviertel ablesen – insbesondere an den Massenwohnungen der Genossenschaften, die von Gewerkschaften oder Beamtenbündnissen verwaltet werden beziehungsweise von ihnen errichtet wurden.

Diese Gebäude in Berlin spiegeln das Ästhetikverständnis der Arbeiterklasse wider. Sie verbinden die soziale Ästhetik mit der manchmal auch futuristischen Vision des 20. Jahrhunderts. An den meisten Gebäuden befinden sich Inschriften oder Informationen über die damaligen Organisationen der jeweiligen Klassen- oder Oppositionsbewegungen.

Wenn man sich diese Gebäude anschaut, erinnert man sich an die damalige Solidarität unter den Klassen. An diesen Gebäuden lässt sich erkennen, welche Macht die Bewegung der Arbeiterklasse besaß und welche Errungenschaften gefeiert wurden.

Kann man bei uns in Istanbul solche Gebäude entdecken? Gibt es sie? Wann wurden sie erbaut? Wann wurden sie abgerissen? Der Betrachter sieht hier nichts anderes als die rein funktionalen sozialen Wohnungen, von denen eine geschmackloser ist als die andere. Statt besagter Gebäude gibt es zahlreiche neumodische, nebeneinander platzierte Wohnblöcke, die mit Bankkrediten finanziert werden. Diese Wohnungen sind Produkte einer Gesellschaft, die zerbröckelt und in der Personen vereinsamen. Wo sind denn die Errungenschaften der Arbeiterbewegung, die Ästhetik der Solidarität sichtbar? Ähnlich wie in Berlin könnte der Einfluss der Arbeiterbewegung oder der Opposition auch hier aussehen – mit einer Strahlkraft auf das alltägliche Leben.

Dann hätte der Arbeiterkampf weitreichende Errungenschaften gehabt und seine Gewinne kämen allen zugute. Die Architektur von Wohnhäusern für die Arbeiterklasse verschönert eine ganze Stadt, hinterlässt den kommenden Generationen Lebensräume, in denen die Zeichen der Zeit, der Respekt vor der Demokratie und eine gesamtgesellschaftliche Geschichtsbewusstsein vererbt werden. So wie in Berlin oder in Wien. So wie in vielen Städten Mitteleuropas.

Vielleicht sind viele Studenten, Künstler oder Politiker, die in diese Wohnungen einziehen, deswegen so kritisch und oppositionell. Umgekehrt spiegelt sich im Bild der Wohnsitze bei uns in Istanbul – abgesehen von wenigen Ausnahmen – der egoistische Leichtsinn der Reichen und die Suche der mittleren oder unteren Klasse nach einer Bleibe wider.

Wir hatten in unserer Geschichte ebenso eine starke Arbeiterbewegung und eine linke Opposition, aber keiner dieser Generationen war es vergönnt, ihre Spuren so deutlich wie bei den Gebäuden in Berlin zu hinterlassen. Das linke Wohnverständnis und das linke Flurbuch beschränkte sich auf die „Übernachthäuser“ – Siedlungen mit primitiven Unterkünften am Rande einer Großstadt.

Zweifellos bin ich auch stolz auf die Süleymaniye Moschee oder auf die Sultan-Ahmet-Moschee. Stolz auf die Silhouette von Istanbul. Mein Haus in Istanbul mag ich auch. Aber wäre es denn nicht schön, Wohnungen mit dem Namen „Mustafa Suphi“ oder Straßen mit den Namen „Hikmet Kıvılcımlı“ zu haben? Das wäre nicht schlecht.

Istanbul wäre eine demokratischere Stadt, die Türkei ein demokratischeres Land.

Die Opposition wäre im alltäglichen Leben zu spüren. Sie könnte immer und immer wieder erinnert werden.

Die Straßen der Stadt würden eines der Realität angemesseneres Geschichtsbewusstsein verbreiten.

Unsere Städte wären ästhetischer.

Die prächtigen Gebäude, die Moscheen oder Paläste würden nicht zwischen den beiden Geschmacklosigkeiten, der Ästhetik des Reichtums und der Ästhetik der Armut, stehen.

Da die Stadtästhetik, das Stadtverständnis demokratischer wären, wären die unbezahlbaren Meisterwerke der Architektur auch nicht so sehr angegriffen.

Die Arbeiterbewegung hat einen großen Nutzen hinsichtlich der Stadtarchitektur.

Glücklicherweise arbeiten hierzulande die Arbeiter noch und sie organisieren sich. Vielleicht werden sie sogar eines Tages auch architektonische Einflüsse auf die Stadt haben. In der Zukunft.

 

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Dolmuş in Berlin https://blogs.dw.com/treffpunkt/2012/10/23/dolmus-in-berlin/ Tue, 23 Oct 2012 07:18:23 +0000 http://blogs.dw.com/treffpunkt/?p=571 Dolmuş - öffentliches Verkehrsmittel in Istanbul

Dolmuş – öffentliches Verkehrsmittel in Istanbul

Wenn Zeitdruck mir nicht aufnötigt, eines der zahllosen gelben „Taksis“ zu nehmen, fahre ich in Istanbul „Dolmuş“. Dolmuş heißt „gefüllt“ oder „voll“ und bezeichnet den Zustand, der erreicht sein muss, damit sich dieses einmalige öffentliche Verkehrsmittel in Bewegung setzt: Früher waren das alte amerikanische Straßenkreuzer, heute sind es Kleinbusse, die an ihrer Haltestelle warten, während ein Ordner das Fahrtziel ausruft.

Ist der Wagen voll, geht es los – zwar auf der festgelegten Route, aber dann ist dann alles möglich: Fahrgäste steigen auf freier Strecke aus und das Dolmuş hält, wo immer Fahrgäste es heranwinken.

Dolmuş - typische Istanbuler Kleinbusse

Dolmuş – typische Istanbuler Kleinbusse

Leider stehen viele dieser typischen Istanbul-Phänomene immer wieder mal zur Disposition, sind akut bedroht oder verschwinden ganz aus dem Stadtbild. Und so steht auch die Abschaffung des Dolmuş immer wieder mal auf der Agenda. Sogar die legendären „Schwäne Istanbuls“, die Bosporus-Dampfer, sollten einmal abgeschafft werden. Nach Protesten hat man ihre Zahl dann aber sogar erhöht und im Internet über das Design der neuen Dampfer abstimmen lassen.

Und die Tische und Stühle vor den Kneipen des Istanbuler Stadtteils Beyoğlu sind fast völlig verschwunden, die ehemals belebten Gassen leergeräumt. Als ich nach den Jahren, die ich in meiner Kindheit und Jugend in Istanbul verbracht hatte, zum Studieren nach Berlin kam, vermisste ich dort genau dieses Leben unter freiem Himmel, das so typisch für Istanbul war. Das Leben in Berlin fand ‚Drinnen‘ statt. In meiner Studentenkneipe diskutierte man an einem warmen Sommerabend sogar, ob man die Kneipentür öffnen solle oder nicht … sie blieb geschlossen.

Heute stellt in Berlin jede Würstchenbude ein paar Bänke auf den Gehweg und die Stadt ist Ort einer gastronomischen Freiluftkultur. Diese sommerliche Lebensfreude haben wir von unseren Italien-, Spanien-…  und Türkeireisen mitgebracht – nach nunmehr über einem halben Jahrhundert fröhlichen und friedlichen Reisens in Europa.

Vieles aber, was Istanbul von anderen Metropolen abhebt, verschwindet nach und nach – so werden zum Beispiel auch die fliegenden Händler immer weniger … Dabei ist Istanbul nicht nur Topkapi-Palast, Hagia Sophia und Großer Basar, so wenig wie man Berlin nur auf Brandenburger Tor, Museumsinsel und KaDeWE zu reduzieren kann. Städte erhalten ihr Gesicht gerade auch durch die unterschiedlichen Farben ihrer Alltagskultur.

Aber „Stadt“ ist ein Prozess permanenter Veränderung, in dem auch immer wieder Neues entstehen kann – und wenn es nur eine Ausnahme ist: Nach einem langen Abendessen bei Freunden in Berlin ging ich runter an die Straße, um ein Taxi anzuhalten. Aus Istanbuler Gewohnheit hatte ich mir keines rufen lassen. Nach langem Warten an der nächtlich leeren Straße hielt neben mir ein Taxi. Die gelbe Lampe auf dem Dach und das Taximeter waren ausgeschaltet, auf dem Beifahrersitz saß bereits ein Passagier.

Dolmuş in Istanbul

Dolmuş in Istanbul

„Ich setze den Fahrgast weiter vorne ab, aber sie können ja schon einsteigen“, bot der Fahrer an. Als wir später alleine weiterfuhren, nannte er mir einen recht günstigen Festpreis – unter der Bedingung, dass er weitere Fahrgäste mitnehmen dürfe. Dann erläuterte er mir sein Geschäftsmodell: „Statt nachts irgendwo lange rumzustehen bis jemand kommt, sammle ich unterwegs und an den Haltestellen die Leute ein – für ein paar Euro oder so … Die haben nämlich keinen Nerv zu warten, bis irgendwann ein Nachtbus kommt.“

„Ich glaube, sie haben hier in Berlin das Dolmuş erfunden“, war meine verblüffte Reaktion und statt zu fragen, was das sei, war seine Antwort: „Nee, das hab ich in Istanbul gesehen.“

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Vom Mitgefühl und der Liebe im Straßenverkehr https://blogs.dw.com/treffpunkt/2012/10/21/vom-mitgefuhl-und-der-liebe-im-strasenverkehr/ https://blogs.dw.com/treffpunkt/2012/10/21/vom-mitgefuhl-und-der-liebe-im-strasenverkehr/#comments Sun, 21 Oct 2012 07:28:06 +0000 http://blogs.dw.com/treffpunkt/?p=521 Einen Tag vor meiner Abreise nach Istanbul sitzen ein Freund und ich in einem Café in der Berliner Oranienstraße und schauen dem Regen zu. In Istanbul war es zu dieser Zeit schon 30 Grad warm. Durch die Fenster beobachten wir die Autos auf den nassen Straßen. Alles fährt und bewegt sich gleichmäßig in einem ruhigen Fluss. Plötzlich gerät der Verkehr ins Stocken. Ein Kleinwagen hat mitten auf der Straße gehalten und hinter ihm staut sich der Verkehr. Vor dem Kleinwagen ist alles frei. Warum hält er? Aus Liebe!

Denn in dem Wagen ganz vorne küssen sich ein junger Mann und eine junge Frau aus der Türkei. Fast könnte man annehmen, dass sie gerade Sex haben. Die Fahrer aus den hinteren Autos tun nichts. Keiner hupt. Keiner schreit aus dem Autofenster. Sie warten. Sie warten, bis die Erregung abnimmt. Vielleicht hört der Regen nicht so schnell auf, aber die Lust wird wohl vergehen. Sie warten. Das junge Paar gibt sich dem Moment der Liebe hin, sie huldigen der Liebe. Hier halten Autofahrer für die Liebe an. Da wir sonst nichts anderes zu tun haben, zählen mein Freund und ich die Minuten. Es sind bereits mehr als fünf Minuten vergangen. Mittlerweile ist der junge Mann aus dem Kleinwagen ausgestiegen, doch das Auto bewegt sich immer noch nicht und der Stau wird immer länger. Als der junge Mann merkt, dass sie nicht weiterfährt, kommt er zurück und beugt sich mit dem halben Körper durch das Fenster ins Auto und schmeißt sich wieder an ihre Lippen. Dann kommt er wieder zum Vorschein, dreht sich um und entfernt sich. Auch der Kleinwagen bewegt sich endlich. Lust und Aufregung vor unserem Café kommen wieder zur Ruhe. Alle Autos setzen sich nun in Bewegung und der Verkehr läuft sofort normal weiter. Es regnet immer noch.

Ich frage mich, wie Autofahrer in der Türkei auf eine ähnliche Situation reagieren würden. Dazu fällt mir ein „typisch türkisches Fahrverhalten“ ein. Um voranzukommen würden sie sofort versuchen den Kleinwagen zu umfahren Die meisten Autofahrer in der Türkei riskieren alles, um andere Autos zu überholen, und mindesten einen Wagenabstand Vorsprung zu bekommen. Dadurch gefährden sie sich nicht nur selbst, sondern auch die anderen Fahrer. Und wozu das Ganze? An der nächsten Brücke, der nächsten Ampel, Stau oder Mautstelle, stehen sie doch alle wieder nebeneinander.

Dieses gefährliche Verhalten der Fahrer im Straßenverkehr ähnelt der Einstellung vieler Bürger zu ihrem Land. Ohne Rücksicht auf Andere, ohne Solidarität mit den eigenen Landsleuten oder Mitmenschen, beutet jeder Jeden aus. Man nutzt die Situation oder die Umstände aus wo man nur kann. Man denkt an den eigenen Vorteil ohne nur einen einzigen Gedanken an die Zukunft zu verschwenden.

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Arabesk-Abend oder anatolisches Rock-Konzert? Wie Berliner Türken feiern. https://blogs.dw.com/treffpunkt/2012/10/16/arabesk-abend-oder-anatolisches-rock-konzert-wie-berliner-turken-feiern/ Tue, 16 Oct 2012 19:17:54 +0000 http://blogs.dw.com/treffpunkt/?p=487 Immer wieder stellen mir Leute die Frage: „Wo kann man denn so hingehen, wenn man mal so typisch türkisch abfeiern kann?“ „Ja, dann schleicht ihr euch am Besten in einen der zahlreichen Hochzeitssäle und schwingt die Hüften auf einer türkischen Hochzeit.“, antworte ich dann meistens und muss schmunzeln. Was heißt denn das überhaupt „typisch türkisch abfeiern“? Geht es dabei um türkische Musik? Wenn ja, welche? Oder geht es um die türkische Art zu feiern, was auch immer das heißen mag? Wo und wie Berliner Türken feiern ist ganz unterschiedlich, doch schon zu Anfang kann man etwas festhalten: Türkische Musik ist das A und O!

Um herauszufinden welche Attribute maßgeblich die Feierlaune junger Türken in Berlin beeinflussen, habe ich per soziales Netzwerk die Frage „Was ist das Wichtigste beim Feiern?“ gestellt. In der nicht repräsentativen Umfrage bei Facebook kam heraus, dass in der Altersgruppe der 15 – 35 jährigen Deutschtürken die orientalischen Dance-Songs die Feier ausmachen (siehe Abbildung). Türkische Musik geht eben durch Mark und Bein und muss regelmäßig betanzt werden – auf Partys, Konzerten, in Clubs und auf Festivals.

Klar, in der Umfrage auf meiner Facebook-Seite mit knapp 6.000 Usern wurden noch andere Attribute für die perfekte Sause genannt: So sind für feierwütige Türken, nach der türkischen Musik, eine angesagte Location und ein nobles Ambiente wichtig. Ein junger User kommentierte, dass „Bunnys“, also Mädels, eine ebenso wesentliche Rolle beim Amüsieren spielen – erscheint logisch bei der oben genannten Altersgruppe. Es ist im türkischen Nachtleben auch nicht unüblich, dass männliche Besucher ohne weibliche nicht an den Türstehern vorbeikommen. Ein ausgewogenes Frau-Mann-Verhältnis belegt inoffiziell, dass es sich um ein gehobenes Event handelt. Die jungen Männer, die vor der Tür bleiben müssen, sehen das sicher anders…

Doch obwohl türkische Musik eine ganze Generation durch das Nachtleben stürzen lässt, sind nicht alle Partys mit türkischer Musik ein Besuchermagnet.

Was ist es also, was sich auf den Plattentellern drehen muss? Welche Beats müssen durch die Boxen rauschen und damit die jungen Deutschtürken elektrisieren?

„Das kommt ganz drauf an!“, weiß Djane İpek, die die türkische Partymeute rund um den Globus einheizt. „Deutschtürken haben ja keinen homogenen Geschmack.“

Die mehrfach ausgezeichnete DJane trifft den Nerv der Leute und bringt die Partys zum Kochen. „Die Deutschtürken sind genauso vielfältig wie alle anderen und weinen sich den einen Tag bei einer Arabesk-Veranstaltung die Augen aus dem Kopf und besuchen ein paar Tage später ein türkisches Rock-Konzert.“ Die Berlinerin genießt die bunte Musikwelt und bietet ihrem Publikum ihren eigens kreierten „Berlinİstan“-Sound. Ihre akustischen Darbietungen tragen immer İpekçioğlus beliebte Note, unterscheiden sich aber je nach Publikum, Anlass und Location.

„Das ist genau das, was ich an meinem Job und meinem deutschtürkischen Publikum so liebe“, schwärmt die DJane. „Auf einer Elektro-Minimal-Techno-Party gehen alle völlig verrückt auf der Tanzfläche ab, während Hip-Hop-Partys werden regelmäßig Revolutionen angezettelt und dann gibt es noch die legendären „Gayhane“-Partys im Berliner SO36, bei denen die Leute bei Belly-Musik oder kurdischem Halay total ausflippen.“

Fazit ist, dass „typisch türkisches Feiern“ kaum zu definieren ist. „Typisch türkisch“ gibt es nicht, außer die Lust am Feiern…

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„Alter, hast du Döner in der Waffel?“ https://blogs.dw.com/treffpunkt/2012/09/25/alter-hast-du-doner-in-der-waffel/ https://blogs.dw.com/treffpunkt/2012/09/25/alter-hast-du-doner-in-der-waffel/#comments Tue, 25 Sep 2012 08:44:38 +0000 http://blogs.dw.com/treffpunkt/?p=297 „Integrierte Currywurst“, Halal-Energy-Drinks und Obst-Döner à la carte – so sieht die deutsch-türkische Küche in Berlin aus. Aber mal ganz langsam zum Mitdenken: „Integrierte Currywurst“, Halal-Energy-Drinks und Obst-Döner? Wenn man sich diese Formulierungen, im wahrsten Sinne des Wortes, auf der Zunge zergehen lässt, scheinen die kulinarischen Genüsse der Deutschtürken skurril.

Abseits vom klischeebehafteten Menü, aus Döner und Ayran, stehen hinter diesen merkwürdigen Beschreibungen, innovative Ideen von jungen Gastronomen. Sie wissen genau, was ihrer Zielgruppe schmeckt, denn sie selbst sind ein Teil von ihr: junge Deutschtürken mit Lust auf schmackhafte Trends.

Dabei spielt eine Besonderheit eine entscheidende Rolle und zwar der ausschließliche Genuss von Halal-Produkten. So wirbt ein Getränkehersteller zum Beispiel für einen nach islamischen Vorschriften zubereiteten Energy-Drink, der entgegen vergleichbarer Produkte gelatinefrei sein soll.

Auch in den interreligiösen Stadtteilen der Hauptstadt wie Kreuzberg, Wedding oder Neukölln, haben sich die Imbissbuden den neuen Gegebenheiten angepasst: Auf die junge muslimische Kundschaft eingestellt, werden hier Currywürste aus Rind- statt aus Schweinefleisch vertrieben – eben integrierte Currywurst. So zum Beispiel bei „Cem’s Burger House“ am Kottbusser Tor.

Doch, zurück zu unserem guten alten Klassiker: dem Döner!

Es muss an dieser Stelle einmal festgehalten werden: Der Dönerverkauf in Deutschland bringt mehr Umsatz als McDonald’s, Burger King und Kentucky Fried Chicken zusammen. Mit dem Döner floriert ein ganzer Wirtschaftszweig – vom Dönerhersteller bis -verkäufer, hin zu Verpackungsfirmen und dem weitreichenden Gastronomiebedarf.

So fand 2012 zum dritten Mal, am 22. und 23. September, die „DÖGA“ in Berlin statt; eine Fachmesse für alle, die Döner lieben oder Geld mit ihm verdienen. Das diesjährige Motto lautet „Der Döner hebt ab“ und beschreibt damit die Erfolgsgeschichte der deutsch-türkischen Fleischkreation.

Warum in aller Welt leidet also das Image des Döners? War es das Gammelfleisch, die Sarrazin-Debatte oder gar die schrecklichen Morde der NSU, die in den Medien als „Dönermorde“ die Runde machten? Wahrscheinlich sind so einige Schlagzeilen dafür verantwortlich, dass die würzige Fleischtasche negativ in Verruf geraten ist. Nach meinen Erfahrungen, gehen zumindest viele Deutsche davon aus.

Wenn ich mich mit ihnen – und das ist sehr oft vorgekommen – über Vorurteile gegenüber Türken, Döner und der Sendung „DÖNERstag“ unterhalte, die ich ein Jahr lang im Radio moderiert habe, begegnete mir immer dieselbe Einschätzung:  „Deine türkischen Hörer fühlen sich doch bestimmt auf den Schlips getreten, wenn du sie jeden Donnerstag mit ‚Happy DÖNERstag‘ begrüßt, oder?“ Der Döner scheint durch die deutsche Kulturbrille meist im Zusammenhang mit Murat, Ali und Ayşe gesehen, die sich durch das billige Fast Food den Magen verderben.

„Happy DÖNERstag“

Grund zum Schämen gibt es jedenfalls nicht. Während sich vielleicht die deutschtürkische Generation 50 plus noch auf den Döner reduziert fühlt, ist das Döner-Essen an DÖNERstagen in Berlin Kult. Mittlerweile beobachte ich immer wieder junge Deutschtürken, die sich vor dem ersten Biss in das deftige Teil ‚happy DÖNERstag‘, statt ‚guten Appetit‘ wünschen.

Diesen wundersamen Wertewandel des Döners macht sich auch Ulvi Topcuoğlu (25) zugute, der mit seinem 23-jährigen Bruder Murat seit Kurzem Deutschlands ersten Obst-Döner Laden in Kreuzberg betreibt. In gemütlichem Ambiente in der Adalbertstraße gibt es alles, was Naschkatzen begehren: Süße Waffeln gefüllt mit frischen Erdbeeren, darüber Karamell- oder Schokosoße, bunte Streusel und wahlweise Raffaello, Oreo-Kekse oder zerkleinerte Snickers.

Alles zusammengeklappt ergibt die „Wonder Waffel“, und so nennt sich auch das Lokal.  Klar, Insider bestellen den „Obst-Döner“, hört sich nämlich cooler an. „Wir wollten ein wenig mit dem türkischen Klischee spielen, auch wenn unsere ‚Wonder Waffel‘ nichts mit dem eigentlichen Döner zu tun hat“, sagt Ulvi Topcuoğlu. und zieht Bilanz: „Die Leute rennen uns die Bude ein, in Kürze werden wir nach Neukölln expandieren.“

Bei dem schlechten Image des Döners scheint bei jungen Türken die Devise „Humor ist, wenn man trotzdem lacht“ zu lauten. Schon längst bedeutet die türkische Küche in Berlin nicht mehr nur Döner mit Ayran – auch wenn das allein schon ganz schön stolz machen kann. Die türkische Küche hat viel mehr zu bieten und trifft die Geschmäcker aller Nationen, ohne dabei die eigenen Ansprüche und Traditionen zu ignorieren. Wenn Hong Xung mit einem Börek in der U-Bahn sitzt und freundlich „Servus“ sagt, weiß man, dass Liebe nicht nur durch den Magen geht, sondern sogar gegen die Sarrazins in diesem Land das leckerste Argument ist. Deutschtürkische Küche mundet!

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