Brice – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Ziemlich weit rechts https://blogs.dw.com/abenteuersport/ziemlich-weit-rechts/ Wed, 08 Apr 2015 10:25:26 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=28885 Rechts die neue Route, links die von 2014 (© madisonmountaineering.com)

Rechts die neue Route, links die von 2014 (© madisonmountaineering.com)

Offenbar ist die neue Route durch den Khumbu-Eisbruch doch mehr als nur eine kleine Kurskorrektur. Die Bilder, die der US-Amerikaner Garrett Madison in seinem Blog veröffentlich hat, sprechen jedenfalls dafür. Mitglieder seines Teams von Madison Mountaineering waren mit dem Hubschrauber über den Eisbruch oberhalb des Everest-Basislagers geflogen und hatten sich aus der Luft angesehen, wo die so genannten „Icefall Doctors“ die Route für diese Frühjahrs-Saison eingerichtet haben. Danach führt sie – von unten gesehen – deutlich weiter rechts durch das Eislabyrinth als erwartet: Näher am Nuptse, weiter weg von der Everest-Westschulter, von der sich am 18. April letzten Jahres die Eislawine gelöst hatte, bei der 16 Nepalesen ums Leben gekommen waren. „Es scheint, als müssten die Bergsteiger wie zuvor mit gebrochenem Eis zurecht kommen, und vielleicht mit mehr senkrechten Leitern“, schreibt Garrett. An einer Stelle hätten die „Icefall Doctors“ vier Leitern zusammengebunden, um eine Eisstufe zu überwinden. In diesem Jahr hat der fünfmalige Everest-Besteiger und Filmemacher David Breashears aus den USA die acht Sherpas dabei beraten, einen möglichst sicheren Weg durch den Eisbruch zu finden.

Umweltschutzorganisation mit besonderer Aufgabe  

Gefährlicher Eisbruch

Gefährlicher Eisbruch

Die „Icefall Doctors“ richten die Route nicht nur ein, sondern sorgen auch dafür, dass sie die gesamte Saison über begehbar bleibt. Ohne ihre Arbeit wäre der Massenansturm am Everest nicht zu bewältigen. Ausgewählt und bezahlt werden diese Sherpas vom Sagarmatha Pollution Control Commitee (SPCC), einer Organisation, die sich ursprünglich nur um den Umweltschutz im Everest-Nationalpark kümmerte. Seit 2000 ist das SPCC im Auftrag der Regierung Nepals auch für die Route durch den Khumbu-Eisfall zuständig. Dafür kassiert das SPCC 600 US-Dollar je Expeditionsmitglied, ein inzwischen sehr wichtiger Bestandteil seiner Einkünfte.

Unverzichtbar, gefährdet, unterbezahlt

„Unglücklicherweise wird dieses Geld nicht dafür genutzt, um die ‚Icefall Doctors‘ angemessen zu bezahlen oder um es in Material für den Eisbruch zu stecken“, monierte der neuseeländische Expeditionsveranstalter Russell Brice im vergangenen Jahr.  Jene Sherpas, die das größte Risiko tragen, weil sie sich täglich im Gletscher bewegen müssen, verdienen umgerechnet rund 2000 Dollar pro Saison. Zum Vergleich: Climbing Sherpas können es inklusive Gipfelprämien und Trinkgelder auf 4000 bis 6000 Dollar bringen, jene, die mehrfach den höchsten Punkt erreichen, auf bis zu 10.000 Dollar. „Sherpa-Stars“ tragen in einer erfolgreichen Everest-Saison angeblich sogar 25.000 Dollar nach Hause.

Nachfrage nicht eingebrochen

Die Regierung in Kathmandu hat nach eigenen Angaben in diesem Jahr für 30 Expeditionen Permits ausgestellt, rund 300 ausländische Bergsteiger werden sich am höchsten Berg der Erde versuchen und von der nepalesischen Südseite her aufsteigen. Damit steht schon jetzt fest, dass der Everest-Markt in Nepal trotz des Lawinenunglücks vor einem Jahr und des darauf folgenden vorzeitigen Endes der Klettersaison 2014 nicht eingebrochen ist.

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Fall für eine Psycho-Expedition https://blogs.dw.com/abenteuersport/fall-fur-eine-psycho-expedition/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/fall-fur-eine-psycho-expedition/#comments Mon, 04 Jun 2012 10:53:00 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=15105 Der Everest ist ein Serienmörder. Wow, dachte ich, als ich diese Formulierung auf einer kanadischen Internetseite entdeckte. Ein Serienmörder, obwohl er schon seit Jahren regelmäßig in (Fixseil-) Fesseln gelegt wird? Die Unschuldsvermutung gilt offenbar nicht für Berge: Zehn tote Bergsteiger in einer Frühjahrssaison am Mount Everest, davon sechs an einem Tag – ein medialer Aufschrei ging um die Welt. Ich beschließe, meinen Freund Chomolungma einmal wieder auf seinem Handy anzuläuten und mich nach seinem Befinden zu erkundigen.

Namasté, Chomo, hier ist Stefan! Wie geht es dir, Serienmörder?

Ich gebe keine Interviews mehr. Auch dir nicht.

War doch nur ein Scherz, alter Kumpel. Seit wann bist du denn so zart besaitet?

(brüllt) Liest du keine Zeitung? Wie würdest du dich fühlen, wenn dein Ruf komplett ruiniert ist?

Ruhig Blut, Chomo! In der Regel wurde doch nicht dir der Schwarze Peter zugeschoben.

(Schluchzt) Aber irgendetwas bleibt doch immer hängen.  

So deprimiert habe ich dich aber lange mich mehr erlebt.

Es war der blanke Horror. Über 500 Maskenmänner sind auf meiner Glatze herumgetanzt, 300 an einem einzigen Wochenende. 80 Prozent Dilettanten, die auf ihren Steigeisen getorkelt sind wie Topmodel-Kandidatinnen bei ihrer High-Heel-Premiere. Mir schmerzt es jetzt noch in den Flanken. Einseitige Belastung. Kennst du keinen guten Physio?

Keinen, der auf überbeanspruchte Berge spezialisiert ist. Aber mir scheint, du hast eher einen Psychotherapeuten nötig.

Einen? An mir könnte sich derzeit eine ganze Psycho-Expedition abarbeiten.

Fühlst du dich schuldig?

Nicht die Bohne. Ich kann doch nichts dafür, dass es auch hier weniger schneit, dass Eistürme einbrechen oder sich Steinschlag löst. Klimawandel ist Chefsache. Ich bin doch nur ein einfacher Berg.

Ich dachte eher an die toten Bergsteiger. 

Du kannst mir wirklich glauben, dass es mir für die Jungs und Mädels leid tut. Aber muss ich mir diesen Bergschuh anziehen? Für die Staus am Hillary-Step bin ich doch nicht verantwortlich. Und auch nicht dafür, dass sich Pseudobergsteiger in den Kopf gesetzt haben, mich zu erklimmen. Ein für alle Mal: I c h   b i n   u n s c h u l d i g! 
Ist ja gut! Immerhin waren in dieser Saison aber auch ein paar echte Profis bei dir zu Besuch.

Wenige. Aber ich habe mich ehrlich gefreut, als Ueli und sein Partner Tenzing ‚oben ohne‘ oben auftauchten. Doch dann kam die sauerstofftrunkene Flaschen-Armada. (Schluchzt) Einige meiner Freunde unter den Profis haben mir wegen des Trubels den Rücken gekehrt. Ralf hat endgültig die Nase von mir voll. Und auch Simone hat das Weite gesucht, als ihm klar wurde, dass er im Verkehrschaos stecken bleiben würde. „Unglaublich, es war wie in einem Vergnügungspark!“ Das waren seine Worte.

Hoffst du denn, dass die Expeditionsveranstalter aus den Ereignissen in diesem Jahr Lehren ziehen?

Glaubst du an den Weihnachtsmann? Die wollen 2013 nicht nur eine, sondern zwei Routen durch die Lhotse-Flanke zu legen. Angeblich, um Staus zu verhindern. Ha, ha! Dann werden noch hundert Dilettanten mehr aufsteigen. 

Der Neuseeländer Russell Brice hat in diesem Jahr doch schon die Reißleine gezogen und seine Expedition wegen zu großer Risiken für seine Kunden abgebrochen.

Und dann standen 500 andere auf dem Gipfel. Wollen wir wetten, dass Russell im nächsten Jahr wieder hier ist und sich dann anders entscheidet?

Chomo, ich wette nicht.

Schade! Ich könnte Ablenkung gebrauchen.

Schlafe dich erst mal richtig aus!

Ich habe Schlafstörungen.

Gönne dir etwas Schönes!

Alle hübschen Frauen sind abgereist.

Dann schreie deine Wut heraus!

Auf mich hört doch eh niemand. (Schluchzt) Muss ich denn erst zum Amokläufer werden?

P.S. Juchu! Mein Blog hat es bei der Publikumswahl zum „Online-Star 2012“ (Kategorie „Bester Private-Blog“) unter die Top Ten geschafft. Tausend und einen Dank für eure Stimmen, ihr Lieben! Jetzt wird es richtig ernst. Die Hauptwahl (hier geht es zur Startseite) dauert bis zum 6. Juli. Die Abstimmung beginnt wieder bei Null. Also stimmt bitte noch einmal für den Blog (jetzt braucht ihr ihn nur noch in der genannten Kategorie anzuklicken). Vielleicht gewinnt ihr ja nebenbei auch noch die Reise nach Rom. Und flüster, flüster: bitte weitersagen! 
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Russells offene Worte https://blogs.dw.com/abenteuersport/offene-worte/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/offene-worte/#comments Thu, 10 May 2012 15:25:24 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=14435

Gefährlicher Khumbu-Eisbruch

Eingepackt und weg! Der Neuseeländer Russell Brice, der wohl erfahrenste Veranstalter von Expeditionen zum Mount Everest, hat seine Zelte am höchsten Berg der Erde abgebrochen. „Die Gefahr liegt deutlich über dem, was ich verantworten kann“, sagt der 59 Jahre alte Chef des Veranstalters Himalayan Experience, der seit 1974 Expeditionen in den Himalaya führt. Schon zu Beginn der Saison hätten die Sherpas erklärt, dass es im Basislager zu warm sei. „Sie arbeiteten in T-Shirts.“ Inzwischen hätten sich dort kleine Seen gebildet.

Zu lange in der Gefahrenzone

Die hohen Temperaturen, so Brice, hätten vor allem die Gefahr im Khumbu-Eisbruch erhöht. „Die Sherpas berichteten immer wieder, das ‚Popcorn-Gebiet’ (eine gefährliche Zone unterhalb brüchiger Eistürme, so genannter Seracs) sei in diesem Jahr aktiver.“ 2011 seien die Trümmer vom Westgrat noch in eine tiefe Spalte zwischen dem Gletscher und dem Berg gefallen. In diesem Jahr sei der Bergschrund jedoch gefüllt. „Es gibt keinen Schutz.“ Russell hat die Zeiten seiner Expeditionsmitglieder gestoppt, die sie brauchten, um die gefährliche Zone zu durchqueren. Sein schnellster Bergführer, Adrian Ballinger, benötigte 22 Minuten, die Sherpas mit ihren schweren Lasten eine halbe Stunde und die meisten zahlenden Kunden zwischen 45 Minuten und einer Stunde. „Meiner Meinung nach ist das viel zu lang bei einem so hohen Risiko. Und wenn ich sehe, dass rund 50 Bergsteiger unterhalb der Wand unterwegs sind, wird mir Angst und Bange.“

„Die Brocken werden wieder fliegen“

Steinschlag in der Lhotse-Flanke (vorne), Lawinengefahr am Nuptse (hinten)

Auch weiter oben am Berg müssen die Everest-Anwärter laut Brice kaum kalkulierbare Risiken eingehen. Zwei seiner Kunden und ein Bergführer wären um ein Haar in eine ungewöhnlich große Eislawine geraten, die sich vom Nuptse gelöst habe. In der Lhotse-Flanke seien mehrere Bergsteiger durch Steinschlag verletzt worden. „Einige warme Tage mehr, dazu starke Windböen, dann werden wir die Felsbrocken wieder fliegen sehen.“ Zu viel des Schlechten, findet Russell. Der Neuseeländer verweist auch auf die Springflut am Fluss Seti im Annapurna-Gebiet, nach der inzwischen 27 Tote geborgen wurden und mehr als 40 Menschen immer noch vermisst werden. „Es gibt einfach zu viele Anzeichen, dass in dieser Saison das Wetter nicht passt.“

Vorbeigelaufen

1988 hatte Brice mit dem Briten Harry Taylor die so genannten „Three Pinnacles“ , drei Felsspitzen auf dem Everest-Nordostgrat, erstmals in Serie bestiegen. 2006 war der Neuseeländer als Expeditionsleiter auf der tibetischen Nordseite des Bergs heftig kritisiert worden, weil seine Kunden auf dem Gipfelgrat am sterbenden Briten David Sharp vorbeigelaufen waren. Per Funk hatte Russell einem Teammitglied gesagt: „Kumpel, du kannst nichts machen. Er hat dort x Stunden ohne Sauerstoff gelegen. Er ist definitiv tot. Das Problem ist, dass es auf 8500 Metern extrem schwer ist, selbst am Leben zu bleiben. Lass ihn allein und sorge dafür, dass die anderen weiterleben!“

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