Dani Arnold – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Dani Arnold: „Ein bisschen Risiko darf sein“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/dani-arnold-ein-bisschen-risiko-darf-sein/ Mon, 08 Oct 2018 13:07:43 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=42205

Dani Arnold in Köln

Wieder einmal ist er eine Wand geradezu hinaufgesprintet. Im August durchkletterte der Schweizer Dani Arnold die Grandes-Jorasses-Nordwand solo und ohne Seilsicherung in der neuen Rekordzeit von 2:04 Stunden. Die Erstbegeher der Route über den Walker-Pfeiler um den Italiener Riccardo Cassin hatten dafür 1938 drei Tage benötigt. Auch in der Matterhorn-Nordwand hält der 34-Jährige seit drei Jahren die Bestzeit: 1:46 Stunden. Für seinen ersten Paukenschlag hatte Dani 2011 gesorgt, als er Ueli Stecks Rekord in der Eiger-Nordwand um 20 Minuten unterboten und den Gipfel nach 2:28 Stunden erreicht hatte. Steck hatte sich die Bestzeit 2015 zurückgeholt (2:22 Stunden).

Dani Arnold ist Bergführer und lebt mit seiner Frau Denise im Kanton Uri  im 4000-Seelen-Dorf Bürglen, in dem mehr als 200 Einwohner (kein Witz, er hat es mir gegenüber bestätigt) den Namen Arnold tragen. Ich habe Dani in meiner Heimatstadt Köln getroffen – vor seinem Auftritt als Hauptredner des Kölner-Alpintags.

Dani, wie gefällt dir die Bezeichnung „Usain Bolt der Alpen-Nordwände“?

Ich finde sie ein bisschen übertrieben. Ich bin sicher sehr schnell unterwegs, aber es gibt noch viele andere sehr, sehr gute Bergsteiger. Ich glaube, es stimmt einfach nicht, dass ich der beste bin.

Grandes-Jorasses-Nordwand

Aber vielleicht der schnellste. Du hältst schließlich an zwei der drei klassischen Nordwände in den Alpen den Geschwindigkeitsrekord. Kommst du, wenn du so schnell kletterst, auch manchmal in einen Rauschzustand, wie etwa beim Laufen, wenn irgendwann ein „Flow“ einsetzt und alles wie von selbst zu gehen scheint? 

Ja, so ein Gefühl gibt es schon. Ich fühle mich dann frei und leicht. Wenn zum Beispiel in der Eiger-Nordwand der Wasserfall-Kamin, das brüchige Band und der brüchige Riss kommen, dauert es normalerweise ewig, bis man dort durchgeklettert ist. Wenn man aber solo und auf Geschwindigkeit unterwegs ist, dann folgt einfach eine Stelle nach der anderen. Und man hat dann wirklich auch das Gefühl, es sei schnell.

Du bist im Sommer den Walker-Pfeiler an den Grandes Jorasses in zwei Stunden vier Minuten geklettert, 17 Minuten schneller als der vorherige Rekordinhaber Ueli Steck. Du bist komplett ohne Seil und Sicherung geklettert. Wieviel Risiko darf aus deiner Sicht sein?

Es geht nicht ohne Risiko, das ist ganz klar. Auf der anderen Seite war es mein Ziel, am Walker-Pfeiler auf jedes Sicherungsmaterial zu verzichten. Es sollten einfach nur der Berg und ich sein. Ich musste erst einmal herausfinden: Traue ich mich überhaupt? Ist es noch sicher? Ich habe mich dann für den Weg entschieden. Und ich habe nie das Gefühl gehabt, dass ich ein Riesen-Risiko eingegangen bin. Ich glaube, man kann nicht pauschal sagen, dass weniger Material gleich ein höheres Risiko bedeutet.

Dani Arnold: Weniger Material nicht gleich mehr Risiko

Wie hast du dich vorbereitet? Kanntest du jeden Kletterzug auf dieser Route?

Die Route ist 1200 Meter lang. Ich habe das Talent, dass ich mir sehr gut Stellen und Kletterbewegungen merken kann. Ich weiß zum Beispiel, wie im Rebuffat-Riss, einer der schwierigen Stellen dort, die Griffe aussehen, mit welcher Hand ich welchen Griff klettern muss. Dazu braucht man auch noch eine, ich sage mal, „rollende Planung“ und außerdem sehr viel Selbstvertrauen.

In der Wand

Du hast einmal gesagt, es gebe ein Recht auf Risiko. Wie hast du das gemeint?

Wenn man für etwas lebt, sich seriös darauf vorbereitet und sich dann in einen Gefahrenbereich begibt, wird das von der Gesellschaft nicht akzeptiert. Das finde ich nicht richtig. Schließlich geht man diese Dinge doch nicht einfach fahrlässig an, aus Unwissenheit oder Dummheit. Wenn man sich wirklich auf etwas vorbereitet und es seriös durchzieht, darf man auch ein bisschen Risiko eingehen, denn es lohnt sich zu hundert Prozent.

Dani Arnold: Das Recht auf Risiko

Wenn man sich deine Speedrekorde ansieht, stößt man immer wieder auf den Namen Ueli Steck, weil es seine Rekorde waren, die du gebrochen hast. Er ist im vergangenen Jahr am Nuptse mit 40 Jahren in den Tod gestürzt. War das für dich Warnung oder Mahnung?

Er hat genau das Gleiche gemacht wie ich jetzt. Und da denkt man natürlich sofort: Hej, das kann mir auch passieren. Ich glaube jeder Unfall – nicht nur von Ueli, sondern auch von anderen Bergsteigern – bleibt im Gehirn drin. Das bedeutet nicht, dass man nun einen komplett anderen Weg geht. Aber ich bin mir trotzdem sicher, dass ich jetzt nicht mehr so viel Risiko eingehe wie noch vor fünf oder zehn Jahren.

Dani kurz vor dem Ausstieg aus der Wand

Beim Klettern und Bergsteigen auf höchstem Niveau besteht immer die Gefahr, die Schraube eines Tages zu überdrehen. Hast du Schutzmechanismen dagegen?

Die Gefahr, dass man irgendwann einen Schritt zu weit geht, liegt auf der Hand. Das macht mir auch ein bisschen Angst, weil ich natürlich immer versuche, das Optimum zu erreichen und noch ein bisschen mehr. Um gegenzusteuern, gehe ich z.B. fischen oder ich verbringe einfach mal Zeit mit Freunden und Familie, wo wir das Thema Bergsteigen gar nicht ansprechen. Das hilft mir, aktiv ein bisschen davon wegzukommen. Es dreht sich sonst alles ums Bergsteigen und auch um dieses mehr, mehr, mehr. Ich muss dann andere Gedanken haben und es auch mal gut sein lassen.

Dani Arnold: Es auch mal gut sein lassen

In der breiten Öffentlichkeit bist du vor allem wegen deiner Speedaufstiege bekannt. Dabei bist du ja ein kompletter Kletterer. Du gehörst z.B. zu den Wintererstbesteigern des Cerro Egger in Patagonien, du warst mit den Huber-Brüdern auf Expedition im Karakorum. Stört es dich, dass man dich öffentlich häufig auf das Geschwindigkeitsklettern reduziert?

Es stört mich schon ein bisschen. Auf der anderen Seite kann ich durch das Speedklettern jetzt vom Bergsteigen leben, weil es ausreichend Vorträge und Sponsoren gibt. Von daher ist es schon wichtig. Wenn ich an einem Abend einen 90-Minuten-Vortrag halte, nutze ich die Bekanntheit über das Speedklettern, um auch meine Herzensgeschichten zu erzählen, wie zum Beispiel über das Mixed-Klettern in Schottland, diese ganz, ganz schweren Klettereien.

Dani Arnold (3.v.r.) 2015 mit Thomas und Alexander Huber, ihrem pakistanischer Begleiter Rasool, Mario Walder und Seppi Dabringer (v.r.)

Wirst du in den nächsten Jahren wieder auf große Expeditionen gehen?

Ganz bestimmt. Schwierigkeitstechnisch und auch in Sachen Geschwindigkeit wird es nicht unendlich lange so weitergehen. Da werden dann diese Geschichten an neuen Bergen in unbekannten Regionen aufkommen. Mit den Huber-Brüdern habe ich wirklich zwei Super-Leute gefunden, mit denen ich super gerne unterwegs bin. Das ist mir fast wichtiger, als wenn jemand extrem stark ist. Man muss eine gute Zeit zusammen haben. Und das haben wir.

Wäre auch mal ein Achttausender für dich interessant?

Bestimmt. Bis jetzt hatte ich noch nie ein Bedürfnis, dort hochzusteigen, aber so langsam kommt es. Ich möchte gerne mal erleben, wie es sich anfühlt.

Hast du ein Traumziel, einen Berg, zu dem du unbedingt noch hin willst?

Eigentlich nicht. Die Eiger-Nordwand z.B. war für mich nicht dieses eine große Ziel. Ich habe viele, viele Ideen. Wenn es dann in der Vorbereitung konkreter wird, fokussiert man sich auf einen Berg. Und dann wird dieser plötzlich mein Berg, und es gibt keinen anderen mehr.

Beim Eisklettern in den Helmcken Falls in Kanada

Du hast die drei großen Alpen-Nordwände solo und in großer Geschwindigkeit bestiegen, damit hat sich ein Kreis geschlossen – es sei denn, du willst dir den Eiger-Rekord wieder zurückholen. Machst du jetzt einen Haken hinter das Speedklettern?

Mit dem Rekord in der Grandes-Jorasses-Nordwand hat sich das schon ein bisschen erledigt. Mit größter Wahrscheinlichkeit werde ich nicht mehr an den Eiger zurückgehen. Ich möchte mir das Ganze aber offen lassen. Im Moment habe ich tatsächlich kein konkretes Speedprojekt, aber das kann sich bei mir schlagartig ändern. Ich glaube, ich habe damit noch nicht ganz abgeschlossen.

Wann werden wir dich wieder auf großer Expedition erleben?

Im Winter möchte ich Richtung Russland oder China zum Eisklettern aufbrechen. Ich war noch nie im Hochwinter dort. Ich möchte auch die Menschen in diesen extrem kalten Regionen treffen. Das fasziniert mich auch. Es gibt sicher kalte Finger dort! (lacht)

Kannst du auch ganz normal bergsteigen, ohne Hintergedanken an eine krasse Route?

Ja. Es gibt diese Tage, an denen ich keine Ambitionen habe und es einfach nur genießen kann. Ich liebe halt immer noch dieses Draußen-sein.

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Alexander Huber: „Klimawandel ist krass spürbar“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/alexander-huber-klimawandel-ist-krass-spuerbar/ Sat, 02 Sep 2017 15:50:09 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=37379

Ogre II und I (r.), dazwischen die erreichte Scharte

Drei Versuche, dann war Schluss. Wie berichtet, brachen Alexander Huber, der Schweizer Dani Arnold sowie die beiden Osttiroler Mario Walder und Christian Zenz ihre Expedition am 7285 Meter hohen Ogre I in Pakistan ab und kehrten heim. Sie hatten den Gipfel des überhaupt erst dreimal bestiegenen Bergs über den noch nie gemeisterten Ostpfeiler erreichen wollen. Ich habe mit Alexander, dem mit 48 Jahren jüngeren der beiden Huberbuam, über die gescheiterte Expedition gesprochen.

Alexander, du hast auf Facebook geschrieben, ihr hättet kapiert, was euch der Berg sagen wollte. Wie lautete diese Botschaft?

Wir sind dreimal in Richtung Berg aufgebrochen, haben dreimal mit maximalem Risikomanagement die Dinge in Schach halten können, sind beim letzten Mal auch bis zum Einstieg gelangt. Aber wir haben jedes Mal gemerkt, dass wir zeitlich extrem knapp dran waren. Es gab nur ein ganz kurzes Fenster, in dem wir uns sicher am Berg bewegen konnten. Dann musst du voll Stoff unterwegs sein, um zeitig aus der Gefahrenzone heraus zu kommen. Das haben wir dreimal gemacht, und es ist es auch gutgegangen. Aber irgendwann läuft es mal nicht so gut, und dann steht man mitten in diesem extrem gefährlichen Gelände und kommt nicht mehr heraus.

Dazu kam, dass wir so einen schlechten Schnee hatten. Wir haben im Wasserschnee gekämpft, auf 6100 Metern, und das mitten in der Nacht! Das waren brutale Verhältnisse. Das ist ganz klar dem Klimawandel geschuldet. Besser Finger weg davon, wenn man überleben will.

Alexander Huber

Fiel die Entscheidung abzubrechen einstimmig?

Absolut einstimmig. Für jeden von uns war klar, dass wir unter solchen Verhältnissen nicht einmal den Hauch einer Chance haben, überhaupt in die Nähe des Gipfels zu kommen. Und wenn ich weiß, dass ich eh nicht hinaufkomme, weil der Schnee so was von bescheiden ist, dann ist es besser, es irgendwann gut sein zu lassen. Wir haben ja auch die Schneefelder oben gesehen. Da war ein Großteil des Schneefeldes blank, das heißt, dort war ein Lawinenstreifen abgegangen. Es sorgt natürlich auch nicht für die positivste Einstellung, wenn man sieht, dass die Schneeverhältnisse oben immer noch problematisch und sehr gefährlich sind.

Klimawandel hinterlässt Spuren

Du hast den Klimawandel angesprochen. Es war in diesem Jahr im Karakorum wieder extrem warm. Wäre es aus deiner Sicht eine Alternative, zu einem späteren Zeitpunkt anzureisen?

Ich habe es vor zwei Jahren am Latok erlebt, im letzten Jahr in Grönland und jetzt wieder: Der Klimawandel ist derart krass spürbar, dass es fast weh tut. Wie in den Alpen wird sich auch im Karakorum das Bergsteigen verändern müssen. Wahrscheinlich wird man sich in Zukunft an einem leichten Siebentausender akklimatisieren und dann gegen Ende August für nur zwei, drei Wochen an so einen schwierigen Berg wie den Ogre gehen. Das ist das einzige Szenario, das ich mir derzeit denken kann, damit du an einem solchen gefährlichen Berg schlagkräftig unterwegs sein kannst. So werde ich es sicher das nächste Mal angehen.

Wird es also einen dritten Versuch am Ogre geben?

Das kann gut sein. Ich habe diesen Berg schon 1993, damals mit Traunsteiner Freunden, erstmals als Ziel ins Auge gefasst. Wir haben uns dann aber kurzfristig für den Latok II entschieden, wo ich dann 1997 mit Thomas hingefahren bin [Mit Toni Gutsch und dem US-Amerikaner Conrad Anker gelang ihnen die erste Durchsteigung der Latok II-Westwand]. 1999 haben wir dann den Ogre I probiert [Mit Gutsch und Jan Mersch versuchten sie vergeblich, über den Südpfeiler auf den Gipfel zu steigen]. Damit hat überhaupt mein Denken an das Bergsteigen und Klettern an den ganz großen Bergen angefangen. Deswegen ist der Ogre irgendwie ein bisschen in mir verankert. Wenn es passt, werde ich noch einmal dorthin aufbrechen. Aber wenn, dann sicher mit einer völlig veränderten Taktik.

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Ogre nach Nachtfahrplan https://blogs.dw.com/abenteuersport/ogre-nach-nachtfahrplan/ Wed, 30 Aug 2017 19:55:37 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=37335

Ogre-Ostpfeiler

Kaum etwas war möglich in diesem Sommer am Ogre I. „Das Wetter zeigte sich grundsätzlich eher von der schlechten Seite“, schreibt Alexander Huber auf Facebook über seine Expedition zu dem 7285 Meter hohen Berg in Pakistan. Die Bedingungen waren grenzwertig. „Wenig Altschnee vom Winter und viel Neuschnee vom Frühsommer im Schneedeckenaufbau. Dazu die generell hohen Temperaturen. Macht in der Summe jede Menge Faulschnee (Schneematsch).“ Der 48-Jährige, der jüngere der Huberbuam, hatte in diesem Sommer mit den beiden Osttirolern Mario Walder und Christian Zenz sowie dem Schweizer Dani Arnold den Gipfel über den noch nie durchstiegenen Ostpfeiler erreichen wollen. Schon vor der Abreise hatte Alexander den Ogre I mir gegenüber als „einen der exklusivsten Gipfel unserer Erde“ bezeichnet, „einen der schwierigsten Punkte, die man erreichen kann“. Das sollte sich bestätigen: Bergsteigen war nur nach Nacht-Fahrplan möglich.

Endstation am Einstieg zum Pfeiler

Gefährlicher Aufstieg zur Scharte

„Bei den drei Aufstiegen bis hin zur Scharte zwischen Ogre I und Ogre II hatten wir viel Energie aufzuwenden, die objektiven Risiken beherrschbar zu halten“, berichtet Alexander. „Seracs, kollabierende Wechten, Stein- und Nassschneelawinen, die ersten schon um sechs Uhr morgens, ließen uns wenig Spielraum: Jede Aktivität hatte zwischen 24 Uhr und 5 Uhr stattzufinden, dann hieß es im Zelt 19 Stunden bis zum nächsten Einsatz in der folgenden Nacht zu warten.“ Der Plan, nur nachts unterwegs zu sein, „funktionierte leider auch nur halbwegs“, schreibt Dani Arnold auf seiner Homepage. „Denn es dauerte schon einige Stunden, bis der Schnee hart wurde in der Nacht und bis zum Sonnenaufgang blieb uns nur wenig Zeit zum Klettern.“ Schließlich fiel die Entscheidung: Endstation für den „Nachtzug“ am Einstieg zum Ostpfeiler – „weit weg von der Möglichkeit, unter diesen Bedingungen auch nur in die Nähe des Gipfels zu kommen“, so Alexander Huber. „Wir sind bereit, sehr viel für einen Berg zu geben. Energie, Motivation, Leidensbereitschaft, Herzblut und Risiko. Wenn es aber hoffnungslos ist, reift schnell die Erkenntnis, dass es Zeit ist, ‚Nein‘ zu sagen.“

Erst dreimal bestiegen

Damit bleibt es weiter bei nur drei Besteigungen des Ogre I. Die erste gelang am 13. Juli 1977, also vor 40 Jahren, den Briten Chris Bonington und Doug Scott. Der Abstieg wurde zum Drama mit glücklichem Ausgang: Scott brach sich beide Knöchel, Bonington zwei Rippen. Dennoch erreichten beide, unterstützt von den anderen Teammitgliedern, eine Woche nach dem Gipfelerfolg das Basislager. Eine der großen Überlebensgeschichten an den höchsten Bergen der Welt. 2001 schafften Alexanders Bruder Thomas und die beiden Schweizern Urs Stoecker und Iwan Wolf die zweite Besteigung des Bergs, 2012 die US-Amerikaner Kyle Dempster und Hayden Kennedy die dritte.

Gefahr ernst genommen

Nichts zu holen

Für Alexander Huber war es der zweite gescheiterte Versuch am Ogre I. 1999 hatte er sich mit seinem Bruder Thomas sowie Toni Gutsch und Jan Mersch vergeblich am Südpfeiler versucht. Die Entscheidung, erneut umzukehren, sei alles andere als leicht gefallen, räumt Alexander ein: „Aber ich denke, dass wir verstanden haben, was der Berg uns mitteilen wollte. Und es gibt ihn ja noch länger, den Berg!“ Auch Dani Arnold trägt das Scheitern am Ogre mit Fassung. „Klar bin ich jetzt enttäuscht“, schreibt der 33-Jährige. „Ich bin aber überzeugt, dass zu oft eingegangenes, objektives Risiko einmal nicht mehr gut ausgeht. Abgesehen davon finde ich es auch dumm, etwas Absehbares nicht ernst zu nehmen.“

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Alexander Huber: „Der Ogre ist kein Menschenfresser“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/alexander-huber-der-ogre-ist-kein-menschenfresser/ Sat, 24 Jun 2017 11:02:09 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=36771

Alexander Huber

Der Ogre wirkt auf die „Huberbuam“ wie der Gesang der Sirenen in der griechischen Mythologie: Die beiden deutschen Topkletterer können sich dem Ruf dieses faszinierenden Granitriesen kaum entziehen. Immer wieder in ihren langen Karrieren sind Alexander und Thomas Huber zum Ogre-Massiv im Karakorum oder den nahe gelegenen Gipfeln der Latok-Gruppe aufgebrochen. 1999 scheiterten sie gemeinsam beim Versuch, den 7285 Meter hohen Ogre I zu besteigen. 2001 schaffte Thomas mit den beiden Schweizern Urs Stoecker und Iwan Wolf die zweite Besteigung des Bergs. Die erste war am 13. Juli 1977, also vor fast 40 Jahren, den Briten Chris Bonington und Doug Scott gelungen. Der Abstieg wurde zum Drama mit glücklichem Ausgang: Scott brach sich beide Knöchel, Bonington zwei Rippen. Dennoch erreichten beide, unterstützt von den anderen Teammitgliedern, eine Woche nach dem Gipfelerfolg das Basislager. Eine der großen Überlebensgeschichten an den höchsten Bergen der Welt.

Mit Freunden ist es einfacher

Gestern ist Alexander Huber zum Ogre aufgebrochen. Zu seinem Team gehören die beiden Osttiroler Mario Walder und Christian Zenz sowie der Schweizer Dani Arnold. Mit Dani (und Thomas Senf)  hatte Alexander im vergangenen März eine neue Route durch die Matterhorn-Nordwand eröffnet, mit Mario und Christian war ihm im Sommer 2016 am Ritterknecht in Ostgrönland eine Erstbegehung geglückt. „Man greift gerne auf Partner zurück, die man kennt“, sagt Alexander Huber. Seine drei Gefährten seien nicht nur gute, kompetente Bergsteiger, sondern auch Freunde. „Man muss ja doch viel Zeit gemeinsam verbringen, oft Momente mit Anspannung durchleben. Umso mehr die menschliche Chemie passt, umso besser ist es.“ Ich habe mit dem 48-Jährigen, dem jüngeren der Huberbuam, vor seiner Abreise nach Pakistan über die Expedition gesprochen.

Alexander, es zieht euch zum Ogre, einem Siebentausender im Karakorum. Was genau habt ihr vor?

Ogre I (l.) und Ogre II, Ostpfeiler führt vom Sattel links aufwärts

Wir würden gerne den Ostpfeiler erklettern. Diese Route wurde bis heute noch nicht begangen. (Mehrere Versuche über die Ostseite scheiterten, so drehte ein spanisches Team 1992  im Schneesturm auf einer Höhe von 6500 Metern um.) Aber es ist weniger die Idee, an diesem Berg eine Erstbegehung zu kreieren, sondern überhaupt den Gipfel zu erreichen. Es ist einer der exklusivsten Gipfel unserer Erde, einer der schwierigsten Punkte, die man erreichen kann. Thomas hat ja 2001 die Zweitbesteigung des Ogre realisiert, seitdem gab es nur eine weitere Besteigung (2012 durch die US-Amerikaner Kyle Dempster und Hayden Kennedy). Daran sieht man: Es ist kein einfacher Gipfel, aber genau deswegen wollen wir hin.

Nur drei Besteigungen. Und es mangelte ja nicht an Versuchen, es gab weit über 20 Expeditionen an diesem Berg. Was macht ihn so schwierig?

Der Ogre ist einfach ein unheimlich komplexer Berg mit vielen objektiven Gefahren, durch die Seracs, die sich praktisch auf allen Seiten befinden. Deswegen ist auch der Ostpfeiler unser Ziel, weil er aus meiner Sicht frei von objektiven Gefahren ist. Aus der Ferne eingeschätzt, glaube ich, dass wir über diesen Weg allen Seracs aus dem Weg gehen können. Wie es sich dann in der Realität verhält, werden wir sehen. Aber ich hoffe, dass wir damit den maximal sicheren Weg zum Gipfel des Ogre erkunden und realisieren.

Alexander Huber: Ein unheimlich komplexer Berg

Ogre heißt übersetzt „Menschenfresser“. Trägt dieser Berg seinen Namen zu Recht?

Die Ogre-Erstbesteiger Bonington (l.) und Scott (im April 2015)

Das kann man eigentlich nicht sagen. Es gab zwar einen Unfall, bei dem ein Bergsteiger ums Leben gekommen ist. (Bei einer deutschen Expedition, die sich 1993 am Ogre-Südpfeiler versuchte, stürzte der Schweizer Philipp Groebke tödlich ab.) Aber er ist sicher nicht der Menschenfresser an sich. Dafür ist er als Berg einfach viel zu anspruchsvoll. Das heißt, die Bergsteiger, die sich vornehmen, einen Ogre zu besteigen, sind allesamt kompetente, starke Bergsteiger, die genau wissen, was sie tun. Gefährlich wird das Bergsteigen ja meist immer dann, wenn inkompetente Leute versuchen, einen Gipfel zu erreichen. Das Musterbeispiel dafür im Himalaya ist sicher der Mount Everest. Dort wird auch in der Zukunft noch viel gestorben werden, weil viele Leute den Berg besteigen wollen, ohne die Kompetenz zu haben. Insofern hat der Ogre seinen Namen nicht verdient. Er ist kein Menschenfresser.

Aber eigentlich ist das ja auch nicht sein ursprünglicher Name, sondern Baintha Brakk. Baintha ist eine Wiese am Rande des Biafo-Gletschers, von der aus der höchste Punkt des Bergs als dominanter Gipfel zu sehen ist. Brakk heißt Spitze. Es ist also die Spitze, die man von der Wiese Baintha aus sieht. Ich bin ja sowieso der Meinung, man sollte zu ursprünglichen Namen der Berge zurückkehren. Der Mount McKinley ist der Denali, der Mount Everest von der tibetischen Seite aus der Chomolungma, von der nepalesischen die Sagarmatha, der K 2 der Chogori, und der Ogre ist an sich der Baintha Brakk.

Alexander Huber: Ogre ist kein Menschenfresser

Alex, Mario und Dani (v.l.) 2015 auf dem Gipfel des Sechstausenders Panmah Kangri

Die letzten Sommer im Karakorum waren sehr warm. Das führte dazu, dass viele Expeditionen scheiterten. Welches Wetter eröffnet euch eine reelle Chance am Ogre?

Wenn wir das gleiche Schicksal wie vor zwei Jahren  (damals waren die Huber-Brüder mit Mario Walder und Dani Arnold in der Latok-Gruppe unterwegs) haben, als die Null-Grad-Grenze über mehrere Wochen bei 6500 Meter und höher lag, werden wir auch in diesem Jahr Probleme bekommen. Ich denke, das Bergsteigen wird sich in der Zukunft aufgrund des Klimawandels ohnehin verändern. Die Bergsteiger müssen sich darauf einstellen. Wenn die Null-Grad-Grenze weiter so massiv ansteigt, werden wir beizeiten auf die Herbst- oder Frühjahrssaison ausweichen müssen. Ich habe jetzt trotzdem noch einmal die Sommersaison gewählt, weil ich der Überzeugung bin, dass es auf dem Weg zum Gipfel des Ogre eminent wichtig ist, dass man gerade in Gipfelnähe nicht die tiefen Temperaturen hat. Vielleicht haben wir das Glück, dass diesmal die Verhältnisse passen. Das Wetter ist schwer zu interpretieren. Aber das sind eben die Herausforderungen, denen man sich heute stellen muss.

Ihr habt ja 2014 schon einmal eine Expedition nach Pakistan wegen der brisanten politischen Lage abgesagt. Fährst du wieder mit einem mulmigen Gefühl dorthin?

Leider kann man heute in Pakistan nicht mehr so reisen wie vor 20 Jahren. Ich habe Pakistan noch zu einer Zeit kennenlernen dürfen, wo es diese Division in westliche Welt und muslimische, arabische Welt nicht gab. Damals konnte man sich frei in diesem Land bewegen. Wenn man heute über das freie Land reist, kann man sich nie sicher sein, dass es nicht doch zu Anschlägen kommt, gerade auf Touristen. Deswegen gibt es auch keinen Tourismus mehr in Pakistan. Die Leute, die heute noch in das Land reisen, sind ausschließlich Bergsteiger, die ein ganz konkretes Ziel haben. Wenn wir dorthin reisen, sind wir wirklich undercover unterwegs, das heißt wir sind nicht sichtbar.

Alexander Huber: In Pakistan undercover unterwegs

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Ueli Steck holt sich Eiger-Rekord zurück https://blogs.dw.com/abenteuersport/ueli-steck-holt-sich-eiger-rekord-zurueck/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/ueli-steck-holt-sich-eiger-rekord-zurueck/#comments Sat, 21 Nov 2015 19:06:03 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=31289 Ueli auf dem Gipfel (die Zeit steht oben)

Ueli auf dem Gipfel (die Zeit steht oben)

Während ich mir die Fußsohlen beim „Power-Pilgern für Nepal“ wundgelaufen habe, ist Ueli Steck leichten Fußes durch die Eiger-Nordwand förmlich gerannt (s. Video unten). „Speedy Ueli“ kletterte im Alleingang die Heckmair-Route, also den Weg der Erstbegeher 1938, in nur zwei Stunden und 22 Minuten. Damit holte sich der 39 Jahre alte Topkletterer aus der Schweiz den Geschwindigkeitsrekord in der legendären 1800 Meter hohen Wand zurück, den ihm 2011 sein Landsmann Dani Arnold mit einer Zeit von 2:28 Stunden entrissen hatte. 2008 hatte Steck die Wand in 2:47 Stunden durchklettert. „Die Bedingungen waren gut, ich fühlte mich wohl, ich hatte einfach einen richtig guten Tag“, sagte Ueli nach seinem Parforceritt durch die Wand.

Bald unter zwei Stunden?

Hinterher blieb der Rekordhalter bescheiden. „Klettern ist kein Wettbewerb. Es gibt so viele Faktoren, die eine Rolle spielen: die Verhältnisse am Berg, die Temperatur, das Wetter“, sagte Ueli. „Da sind die sechs Minuten, die ich schneller als Dani war, nichts. Das war kein großer Schritt.“ Steck rechnet damit, dass die Eiger-Nordwand sehr bald in unter zwei Stunden geklettert wird: „Ich denke, das ist bei guten Bedingungen möglich. Aber der Sportler muss dafür eine Menge Risiko eingehen.“ Das klingt fast, als wäre er selbst nicht bereit, so viel zu riskieren. Doch bei Ueli weiß man nie.

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Thomas Huber: „Ausgeliefert wie nie“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/thomas-huber-ausgeliefert-wie-nie/ Fri, 02 Oct 2015 15:45:29 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=30609 Thomas Huber am Choktoi-Gletscher, dahinter die Latok 1- Nordwand (l.) und der Ogre (r.)

Thomas Huber am Choktoi-Gletscher, dahinter die Latok I- Nordwand (l.) und der Ogre (r.)

Es war ein heißer, aber aus Sicht der Bergsteiger eher mauer Sommer im Karakorum: Die meisten Expeditionen verließen Pakistan ohne Gipfelerfolg. Auch die „Huberbuam“ Thomas und Alexander, der Schweizer Dani Arnold und der Österreicher Mario Walder kehrten mit leeren Händen zurück, dafür aber lebendig und am Stück – was nach ihren Erlebnissen an der Latok-Gruppe nicht selbstverständlich war. Thomas, mit 48 Jahren der ältere der Huberbrüder, hat mir die Geschichte erzählt.

Thomas, ihr wolltet eigentlich in diesem Sommer die noch nicht durchstiegene Nordwand des 7145 Meter hohen Granitriesen Latok I im Karakorum angehen. Doch dazu ist es gar nicht erst gekommen. Warum?

Wir haben die Nordwand nur von weitem betrachtet und ziemlich bald festgestellt, dass die Wand unter diesen Bedingungen unmöglich ist. Es wäre möglich gewesen, den Nordgrat zu machen. Aber dazu ist es auch nicht gekommen, weil wir im Vorfeld schon von einem Berg so gebeutelt wurden, dass uns Motivation und Mut verlassen haben, noch einmal an die absolute Grenze zu gehen.

Latok III mit Serac und Pfeiler (s. Pfeil)

Latok III mit Serac und Pfeiler (s. Pfeil)

Welcher Berg war das, der euch so gebeutelt hat?

Es ging schon damit los, dass relativ viel Schnee im Karakorum lag. Rund anderthalb Meter, als wir in unser Basislager kamen. Gleichzeitig war es sehr, sehr warm. Das hat zu Nassschnee-Lawinen geführt. Wir haben uns erst vergeblich an einem 6000 Meter hohen Akklimatisierungsberg versucht. Wir wechselten dann zum Latok III, um uns für den Latok I zu akklimatisieren. Der Latok III ist knapp 7000 Meter hoch. Wir haben uns einen sicheren Weg über den Südpfeiler gesucht. In Lager 1 auf 5600 Metern wurden wir dann nachts von einer Eislawine überrascht. Sie schlug zwar 500 Meter von unseren Zelten entfernt auf, aber die Druckwelle hat uns von unserem Zeltplatz regelrecht weggeblasen. Kurz vor dem Abgrund sind wir mit unseren Zelten liegen geblieben. Wir waren alle kreidebleich. Auch Dani Arnold, der schon viel erlebt hat, sagte, dass es in seinem Leben noch nie so knapp gewesen sei. Wir haben anschließend die Zelte einen Meter tief eingegraben und fixiert. Der Serac hat in der Nacht „gekalbt“, es gab drei weitere Eislawinen. Am Morgen haben wir dann den riesigen Eiskegel unter unseren Zelten gesehen und nur noch gesagt: „Wir steigen ab. Nichts wie raus hier!“ Wir haben einen Rucksack verloren, mit allem Drum und Dran. Wir wurden also auch gezwungen, den Abstieg fortzusetzen.

Ihr habt doch schon viele enge Situationen erlebt. Und trotzdem hat es euch den letzten Nerv geraubt?

Wir haben schon viel erlebt, aber so ausgeliefert waren wir noch nie. Das war eine neue Erfahrung in unserem Kletterleben. So krass haben wir es noch nie erlebt.

Links oben der Serac, von dem die Eislawinen abgingen

Links oben der Serac, von dem die Eislawinen abgingen

Ging es allen vier Kletterern so?

Ja. Wir saßen im Basislager und haben das Ganze Revue passieren lassen. Wir waren froh, dass wir überlebt hatten. Aber dann kam es auch zu Diskussionen. Als die Temperaturen zwar nicht sanken, aber das Wetter wahnsinnig gut war, sagte ich: „Wir müssen vielleicht unsere Zelte in einer Eishöhle vergraben und immer nachts klettern. Dann haben wir vielleicht eine Chance, den Latok III zu besteigen.“ Aber Alexander, Dani und Mario waren dagegen. Es war klar, die Teamentscheidung steht über allem.

Wir versuchten uns dann ein weiteres Mal an dem Akklimatisierungsberg, scheiterten aber wieder, weil es einfach zu warm war. Ich habe dann vorgeschlagen, das Material herunter zu holen und zum Latok I-Nordgrat zu wechseln, weil ich ihn für sicherer hielt. Das wurde aber auch wieder abgelehnt. Am Ende war es dann so, dass die Wettervorhersage so schlecht war, dass wir die Expedition zwei Wochen früher abgebrochen haben. Ich habe alleine das Material von Lager 1 geborgen. Alexander, Dani und Mario konnten ihr Bergsteiger-Herz noch mit einem kleinen Gipfel erfreuen. Sie schafften im dritten Anlauf den Akklimatisierungsberg und nannten diesen vermutlich noch unbestiegenen Berg Panmah Kangri.

Latok I

Latok I

Hattet ihr den Latok I eigentlich schon abgehakt, als ihr die Lawine am Latok III erlebtet?

Die Latok I-Nordwand hatten wir recht schnell abgehakt, weil wir sahen, dass sie unmöglich war. Wir haben uns auch mit den Slowenen um Luka (Lindic – die Slowenen gaben an der Nordwand ebenfalls auf) ausgetauscht. Die sprachen von der „suicide line“, der Selbstmordlinie. Ständig donnerten Steinsalven und Eislawinen herunter. Auf einer der beiden möglichen Linien zu klettern, wäre ein Todeskommando gewesen. Wir sind Bergsteiger, weil wir das Leben lieben und nicht, weil wir tote Helden sein wollen. Der Nordgrat wäre aus meiner Sicht machbar gewesen, weil er später von der Sonne beschienen wurde. Aber da gab es eine 3:1-Teamentscheidung gegen mich. Ich war ein bisschen unzufrieden, aber am Ende auch dankbar und glücklich, dass wir überlebt haben. Wir sind als Freunde zurückgekehrt, und damit war es ganz okay.

Ist das Projekt Latok I damit für dich gestorben?

In diesem Stil definitiv. Aber diese Wand kannst du nicht vergessen. Wenn du einmal darunter gestanden hast, überlegst du als Bergsteiger schon: Wie es möglich, diese Unmöglichkeit machbar zu machen? Ich habe gewisse Ideen, darüber muss ich aber noch ein bisschen länger brüten. Sag niemals nie! Es könnte sein, dass ich noch einmal dorthin zurückkehre.

Überlebt!

Überlebt!

Alexander hat drei Kinder, du ebenfalls. Bremst euch das in Extremsituationen wie jetzt am Latok III?

Ich bin ja schon lange Familienvater, deshalb kann ich nicht sagen, dass es eine bremsende Wirkung hat. Ich kenne diese Situation seit 16 Jahren. Am Berg ist die Familie nicht mehr präsent, wenn es läuft. Sie ist erst dann wieder präsent, wenn die Gefahr unmittelbar vor dir liegt. Ich glaube definitiv, dass du dann durch die Kinder eher lebensbejahend unterwegs bist, statt einfach zu sagen: „Geht schon! Es wird schon nichts passieren.“ Ich denke, ich sage schon früher Nein. Wenn dann so etwas passiert wie am Latok III, kann ich das hinterher sehr rational bewerten. So ein Serac kann eben zusammenbrechen. Immer wenn du in die Berge gehst oder egal, wohin sonst, ist das Leben an sich schon lebensbedrohlich. Wenn man sich der Gefahr aber wirklich bewusst ist, glaube ich, kann man auch in einer Extremsituation sicher unterwegs sein.

Das komplette Team

Das komplette Team

Im vergangenen Jahr habt ihr eure Latok I-Expedition kurz vor dem Abflug abgeblasen – wegen der unsicheren Lage in Pakistan. Wie habt ihr das Land diesmal erlebt?

Ich habe Pakistan sehr schön erlebt, in Anführungszeichen komplett unspektakulär. Klar, man muss sich an die bewaffneten Polizisten gewöhnen, an jeder Ecke steht jemand mit einer Kalaschnikow. Aber wir waren immer sicher unterwegs, auch wenn wir zweimal über den Karakorum-Highway gefahren sind. Ich kann eigentlich nur jedem, der eine gute Reiseagentur hat, raten: Fahrt nach Pakistan! Es ist ein unglaublich schönes Reiseland, speziell im Karakorum, für mich eines der schönsten Länder der Welt. Leider wird Pakistan oft zu Unrecht von den Medien als Terrorland bezeichnet. Terror gibt es mittlerweile überall auf der Welt. Man muss sich richtig verhalten, den richtigen Ort und Weg wählen. Dann kann man auch in Pakistan sehr sicher unterwegs sein.

Ohne mulmiges Gefühl?

Diesmal nicht. Und ich bin mir sicher, dass ich es auch beim nächsten Mal nicht haben werde. Ich glaube, das pakistanische Militär macht sehr gute Arbeit und hat die Lage relativ gut im Griff.

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Matterhorn: „Zum Klettern okay, aber nicht sehr speziell“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/matterhorn-zum-klettern-okay-aber-nicht-sehr-speziell/ Mon, 13 Jul 2015 06:00:17 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=30025 Dani Arnold

Dani Arnold

Das Matterhorn war sein erster Viertausender. Dani Arnold war 18 Jahre alt, als er 2002 erstmals den Vorzeigeberg seines Heimatlands von der Hörnlihütte aus über die Normalroute bestieg. Heute gehört der 31-Jährige zu den besten Kletterer der Schweiz. Seitdem stand er „vielleicht acht Mal oben“ auf dem Matterhorn, schreibt mir Dani aus Pakistan, wo er mit den Huber-Brüdern und dem Österreicher Mario Walder derzeit versucht, erstmals die Nordwand des Siebentausenders Latok I zu durchsteigen. Für Furore sorgte Arnold bisher vor allem mit seinen Speedrekorden. Seit 2011 hält er den Rekord an der Eiger-Nordwand, die er über die Route der Erstbegeher in zwei Stunden und 28 Minuten durchstieg. Damit war Dani 20 Minuten schneller als der bisherige Rekordhalter Ueli Steck. Im April brach er auch Stecks Geschwindigkeitsrekord am Matterhorn: In einer Stunde und 46 Minuten kletterte Arnold durch die Nordwand, zehn Minuten schneller als Ueli im Jahr 2009. Das Matterhorn, 150 Jahre nach der Erstbesteigung, aus der Sicht eines Profi-Bergsteigers:

Dani, weltweit gilt das Matterhorn als Sinnbild für die Schweiz. Wie siehst du diesen Berg? Oder anders gefragt, was bedeutet er dir?

Es ist einer der schönsten Berge, von der Form her. Zum Klettern ist er okay, aber nicht sehr speziell. Der Fels ist auch nicht immer ganz fest.

Vor 150 Jahren wurde das Matterhorn erstmals durch die Seilschaft des Briten Edward Whymper bestiegen. Wie hoch war die sportliche Leistung, wenn man die damalige Ausrüstung berücksichtigt und bedenkt, dass die Gruppe ins Ungewisse stieg?

Es war natürlich eine beeindruckende Leistung! Respekt. 

Die Erstbesteigung endete tragisch: Vier Bergsteiger stürzten in den Tod. Hat dieses Unglück den Mythos Matterhorn mitbegründet?

Dani nach seinem Speedrekord auf dem Gipfel des Matterhorns

Dani nach seinem Speedrekord auf dem Gipfel

Ich denke schon. Meist sind Tragödien und Unglücke der Grund, dass die Berge diesen Mythos bekommen. Ist eigentlich übel, dass immer etwas passieren muss, bis die Öffentlichkeit Notiz nimmt.

Das Matterhorn ist ein kommerzieller Berg, rund 3000 Gipfelanwärter versuchen sich alljährlich an ihm. Teilt das Matterhorn das Schicksal anderer Prestigeberge wie Mont Blanc oder auch Mount Everest, an denen sich viele tummeln, die wegen mangelnder Fähigkeiten als Bergsteiger dort eigentlich nicht hingehören oder ist er dafür technisch zu schwierig?

Er gehört schon zu dieser Kategorie von bekannten Bergen, die viele Leute wegen des Namens anziehen. Dazu gehören schon auch viele Kletterer, die dort eigentlich nichts zu suchen haben.

Kein Jahr vergeht ohne tödliche Unfälle am Matterhorn. Würde es Sinn machen, die Zahl der Besteigungen zu beschränken?

Nein, das Wichtigste ist, dass das Bergsteigen frei bleibt. Das heißt, jeder kann dort klettern, wo er will. Dies ist ein Riesenprivileg. Jeder muss aber auch selber die Konsequenzen tragen.

Ist das Matterhorn, vor allem natürlich die Nordwand, nach wie vor ein Klassiker, der in der Vita eines Profibergsteigers nicht fehlen darf?

Jeder sollte die Wand geklettert haben. Jedoch muss man das schon relativieren. Die Nordwand ist eine klassische Tour, die viele Leute klettern können. Für uns (Profibergsteiger) ist sie aber eher einfach, verglichen mit jetzigen Projekten. Sonst hätte sich ja der Alpinismus seit der Erstdurchsteigung der Matterhorn-Nordwand nicht weiter entwickelt. 😉

Du hast im April einen neuen Speedrekord in der Nordwand aufgestellt, als du für die Route der Erstbegeher Franz und Toni Schmid (1931) nur eine Stunde und 46 Minuten gebraucht hast und damit zehn Minuten schneller warst als Ueli Steck. Warst du bei diesem Solo am Limit oder geht es noch schneller?

Die Schmid-Route durch die Matterhorn-Nordwand

Die Schmid-Route durch die Matterhorn-Nordwand

Es geht immer schneller. 🙂 Nein, es muss schon viel zusammenpassen. Ich muss fit genug sein. Die Verhältnisse müssen okay sein. Die Psyche muss stimmen, und ich muss motiviert sein. Meine Kletterzeit war zwar kurz, jedoch schon anstrengend. 😉

2010 und 2011 eröffnete der Italiener Herve Barmasse in der Südwand des Matterhorns noch zwei neue Routen. Doch solche Aktionen sind selten geworden. Ist das Matterhorn bergsteigerisch ausgereizt, sprich: Ist so gut wie alles gemacht, was machbar ist?

Das glaube ich nicht. Es ist schon so, dass die offensichtlichen Linien gemacht sind. Aber es gibt noch viel Platz. Viele denken, dass man nur noch im Himalaya etwas erleben kann. Und das stimmt nicht.

Wenn du dem Matterhorn etwas zum 150. Geburtstag der Erstbesteigung wünschen dürftest, was wäre das?

Ich habe eigentlich noch nie überlegt, was man einem Berg schenken kann. 🙂

P.S.: Damit endet meine kleine Serie zum 150-Jahr-Jubiläum der Matterhorn-Erstbesteigung.

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Huberbuam wollen Nordwand des Latok I meistern https://blogs.dw.com/abenteuersport/huberbuam-wollen-nordwand-des-latok-i-meistern/ Tue, 23 Jun 2015 15:21:59 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=30005 Thomas und Alexander Huber, Dani Arnold, ihr pakistanischer Begleiter Rasool, Mario Walder, Seppi Dabringer (v.r.)

Thomas und Alexander Huber, Dani Arnold, ihr pakistanischer Begleiter Rasool, Mario Walder, Seppi Dabringer (v.r.)

Und ewig lockt der Latok I. An kaum einem anderen Siebentausender haben sich so viele Topkletterer die Zähne ausgebissen wie an dem 7145 Meter hohen Granitriesen im Karakorum. Die Erstbesteigung des höchsten der vier Latok-Gipfel liegt 36 Jahre zurück. Sie gelang am 19. Juli 1979 den Japanern Tsuneo Shigehiro, Sin’e Matsumi und Yu Watanabe. Sie waren von Süden aus über einen Pfeiler zum Ostgrat und von dort zum höchsten Punkt gestiegen. Berühmter, weil berüchtigter sind der noch unbezwungene Nordgrat – und die ebenfalls noch nicht durchstiegene Nordwand. An der versuchen sich in diesem Sommer die „Huberbuam“, Alexander und Thomas Huber.

Nur aufgeschoben

Schon im vergangenen Jahr hatten die Extrembergsteiger-Brüder aus Deutschland die Nordwand angehen wollen. „Das Projekt ist bereits relativ oft von richtig guten Alpinisten versucht worden. Bisher hat sich die Wand vehement gewehrt“, sagte mir damals Alexander. „Wir brauchen jede Menge Glück, um dort Erfolg zu haben. Aber meine Güte, wenn man es nicht versucht, dann kann man es nicht schaffen.“ Kurz vor der geplanten Abreise bliesen die beiden Bergsteiger wegen der unsicheren Lage in Pakistan die Expedition jedoch ab. Nicht aufgehoben, nur aufgeschoben.

Starkes Team

Nordwand des Latok I

Nordwand des Latok I

Heute brach das Team der Huberbuam aus der Stadt Skardu in Baltistan auf, Richtung Latok I, wo sie am Mittwoch oder Donnerstag eintreffen dürften. Zur Mannschaft gehören der österreichische Kameramann Seppi Dabringer sowie der 37 Jahre alte Mario Walder aus Österreich und der 31 Jahre alte Dani Arnold aus der Schweiz. Mario war schon mehrfach mit den Huber-Brüdern unterwegs. So gelang es dem Kletterer aus Osttirol mit Thomas und Alex 2009, die legendäre Route „Eternal Flame“ am 6251 Meter hohen Nameless Tower im Karakorum erstmals Rotpunkt, also sturzfrei in einem Zug frei zu klettern. Dani sorgte zuletzt vor allem mit seinen Speed-Kletterrekorden für Aufsehen. Mit Thomas Huber (sowie Stephan Siegrist und Matias Villavicencio) schaffte er 2013 die erst dritte Winterbegehung des legendären, 3128 Meter hohen Cerro Torre in Patagonien.  Ein starkes Team also, das sich die Nordwand des Latok I vorgenommen hat.

Nächster Coup am Choktoi-Gletscher?

Der 48 Jahre alte Thomas und der 46 Jahre alte Alexander Huber haben in ihrer langen Karriere bereits mehrfach ihre Zelte auf dem Choktoi-Gletscher im Norden Pakistans aufgeschlagen. So gelang es den Brüdern 1997 (außerdem im Team: Landsmann Toni Gutsch und der US-Amerikaner Conrad Anker) erstmals, die über 2000 Meter hohe Westwand des Latok II zu durchsteigen – ein Meilenstein im Big-Wall-Klettern.  2001 schaffte Thomas (mit den Schweizern Urs Stöcker und Iwan Wolf) die zweite Besteigung des extrem schwierigen 7285 Meter hohen Ogre, eines Nachbarberges der Latoks. Seit der Erstbesteigung durch die Briten Chris Bonington und Doug Scott 1977 waren bis dahin alle Ogre-Expeditionen gescheitert. Vielleicht gelingt den Huberbuam ja jetzt ihr nächster Coup in der Gegend – in der Nordwand des Latok I.

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Neuer Speed-Rekord am Matterhorn https://blogs.dw.com/abenteuersport/neuer-speed-rekord-am-matterhorn/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/neuer-speed-rekord-am-matterhorn/#comments Thu, 30 Apr 2015 10:53:00 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=29291 Dani Arnold am 22. April in der Matterhorn Nordwand

Dani Arnold am 22. April in der Matterhorn Nordwand

Die Erdbebenkatastrophe in Nepal überschattet derzeit alles. Dennoch will ich euch eine bergsteigerische Topleistung nicht vorenthalten, die der Schweizer Daniel Arnold vor acht Tagen in der Matterhorn-Nordwand gebracht hat. Dani  durchstieg die Wand auf der so genannten „Schmid-Route“ (der Route der Erstbegeher Franz und Toni Schmid aus München im Sommer 1931) im Alleingang, ohne Sicherung, in nur einer Stunde und 46 Minuten. Der 31-Jährige war damit zehn Minuten schneller als der bisherige Rekordhalter, sein Landsmann Ueli Steck im Jahr 2009. „Zu Beginn fühlte ich mich gar nicht gut. Es wurde mir fast schlecht und ich überlegte aufzugeben“, sagt Dani. Dann aber habe er seinen Rhythmus gefunden. „Ich war nicht mega schnell, das einzige was zählt, ist der Rhythmus.“

Arnold: Es geht noch schneller

Schon 2011 hatte Arnold in der Eiger-Nordwand eine neue Bestzeit aufgestellt (zwei Stunden, 28 Minuten) und damit auch dort den damaligen Rekordhalter Steck um 20 Minuten unterboten. Fast auf den Tag vier Jahre später folgte jetzt sein nächster Husarenritt am Matterhorn. „Es zeigt mir, dass ich den letzten Jahren vieles richtig gemacht habe. Das ist für mich das Wchtigste an diesem Ereignis“, sagt Dani. Die Bedingungen in der Wand seien nicht perfekt gewesen, das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht: “Es würde wahrscheinlich noch schneller gehen.“ Am Matterhorn wird in diesem Jahr mit vielen Veranstaltungen der Erstbesteigung vor 150 Jahren gedacht.

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Mystisches Eisklettern https://blogs.dw.com/abenteuersport/mystisches-eisklettern/ Wed, 11 Dec 2013 10:00:18 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=24693 Weil er die Berge liebt, hat Thomas Senf vor zwölf Jahren seine deutsche Heimat verlassen. Seit 2001 lebt der Leipziger in Interlaken in der Schweiz, zu Füßen von Eiger, Mönch und Jungfrau. Der 32 Jahre alte Bergführer hat als Alpinist auch schon an den Bergen der Welt seine Spuren hinterlassen. So gelang Thomas 2010 zusammen mit den Schweizern Stefan Siegrist und Dani Arnold die erste Winterbesteigung des legendären Granitturms Torre Egger in Patagonien. Im November eröffnete Senf – wie berichtet – mit Ines Papert eine neue Route durch die Nordwand des 6719 Meter hohen Likhu Chuli I in Nepal. Die Erstbesteigung des Sechstausenders mit der deutschen Topkletterin blieb Thomas verwehrt, weil er mit ersten Anzeichen von Erfrierungen an Fingern und Zehen im obersten Lager bleiben musste.

Nachts im Eisfall

Dass Thomas Senf nicht nur ein erstklassiger Bergsteiger, sondern auch ein ausgezeichneter Fotograf ist, zeigen Bilder, die der Bergausrüster Mammut jetzt zur Verfügung gestellt hat. Entstanden sind sie Anfang des Jahres am Eidfjord im Norden Norwegens, der für seine bis zu 500 Meter hohen Eisfälle berühmt ist. Dort hat Thomas mehrere Kletterer, darunter seine Kletterpartner vom Torre Egger, Arnold und Sigrist, beim nächtlichen Eisklettern fotografiert. Ausgeleuchtet wurde die Szenerie mit farbigen Leuchtfackeln und Scheinwerfern. Die tollen Bilder, die fast märchenhaft wirken, will ich euch nicht vorenthalten. Seht selbst!

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