Matthias Baumann – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Matthias Baumann (in Nepal): „Organisiertes Chaos“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/matthias-baumann-in-nepal-organisiertes-chaos/ Fri, 08 May 2015 09:53:37 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=29423 Matthias Baumann im Krankenhaus Dhulikhel

Matthias Baumann im Krankenhaus Dhulikhel

Er hat nicht gezögert. Kaum waren die ersten Berichte über das verheerende Erdbeben in Nepal eingelaufen, packte der deutsche Arzt und Bergsteiger Matthias Baumann seine Sachen. Der Unfallchirurg aus Tübingen flog ins Katastrophengebiet, um zu helfen. Über eine Woche lang arbeitete der 43-Jährige in einem Krankenhaus in der Bergstadt Dhulikhel, 25 Kilometer östlich von Kathmandu gelegen. Vor seiner Heimreise am Sonntag will er sich noch einmal ein Bild von der Lage in den Bergdörfern der Region machen und helfen, so gut er kann.

Matthias, du bist jetzt anderthalb Wochen in Nepal. Wie lange hast du täglich gearbeitet?

Wir haben morgens um acht Uhr mit einem Treffen aller leitenden Ärzte und Krankenschwestern angefangen. Dabei wurde besprochen, was im Krankenhaus aber auch in den Krankenstationen auf dem Land an Hilfe benötigt wird. Dann legten wir los. Vorgegebene Zeiten gab es nicht. Jeder hat so lange gearbeitet, wie er es geschafft hat. Ich war meistens bis zehn, elf Uhr abends in der Klinik.

Geduldig Wartende

Geduldig Wartende

Wie sah die Arbeit konkret aus?

Ich war die meiste Zeit über im Operationssaal. Wir haben vor allem Knochenbrüche an Armen und Beinen versorgt. Ab und zu habe ich auch in der Notaufnahme mit angepackt.

Woher kamen die Patienten?

Dhulikhel liegt eine Stunde Autofahrt östlich von Kathmandu, es ist es schon sehr hügelig. Die Stadt liegt an der Straße, die nach Tibet führt. Daher treffen hier vor allem die Patienten aus den östlichen Bergregionen ein. Für sie ist es die erste große Klinik Richtung Kathmandu.

Sind diese Menschen traumatisiert?

Ja, eindeutig. Bewundernswert ist jedoch, dass sie sich nicht beklagen. Sie haben ein unglaubliches Schicksal erlitten: Sie haben ihre Angehörigen verloren; sie haben einen langen Weg hinter sich, um ins Krankenhaus zu kommen; sie müssen auf dem Gang oder sogar im Freien schlafen und unter Umständen stundenlang vor dem Operationssaal warten, bis sie dran sind. Und doch gehen sie geduldig damit um und beklagen sich nicht über die Umstände. Schließlich ist es ja doch ein organisiertes Chaos, weil der Patientenstrom so groß ist.

[See image gallery at blogs.dw.com]

Ist die Lage außerhalb des Krankenhauses auch chaotisch?

Ich habe den Eindruck, dass man die Lage auf dem Land, vor allem in den Bergregionen, noch gar nicht im Griff hat. Unser Krankenhaus hat gerade zwei Tage lang die ganz abgelegenen Dörfer im Langtang-Gebiet mit Pendelflügen per Hubschrauber versorgt. Ich habe erschreckende Bilder gesehen. Diese Dörfer gibt es einfach nicht mehr. Aber auch diese Hilfe war ja nur punktuell. Ich denke, es gibt immer noch Dörfer, in denen seit dem Beben vor zwei Wochen noch niemand gewesen ist.

Werden aus diesen Gebieten noch Verletzte gebracht, oder nur noch Tote?

In den Bergdörfern wurden die meisten Leichen schnell verbrannt, um Seuchen vorzubeugen. Es treffen immer noch Verletzte aus den Bergdörfern ein, aber natürlich nicht mehr so viele wie anfangs.

Leben in Trümmern

Leben in Trümmern

Wie sehen die Menschen in Nepal ihre Zukunft?

Jemand hat mir kürzlich gesagt: Nepal wurde um 20 Jahre zurückgeworfen. Ich war auch mehrfach außerhalb der Stadt unterwegs. Es ist unglaublich, was dort alles kaputt gegangen ist. Ich denke, es wird auf jeden Fall Jahre dauern, das Land wieder aufzubauen. Auf der einen Seite spürt man den großen Zusammenhalt der Nepalesen. Auf der anderen Seite sind sie alle traumatisiert. Gestern sagte mir jemand: „We suffer!“ Wir leiden.

Haben die Nepalesen Angst davor, vergessen zu werden, wenn die Erdbeben-Katastrophe aus den Hauptnachrichten-Sendungen verschwindet?

Ab und zu höre ich das. Aber Nepal ist nicht nur wegen seiner schönen Berge, sondern vor allem wegen seiner Menschen in der ganzen Welt beliebt. Im Erdbebengebiet sind unglaublich viele internationale Hilfsorganisationen im Einsatz, an einigen Stellen fast schon zu viele. Und auch Privatpersonen sind hergekommen, die helfen wollen. Ich glaube nicht, dass die Nepalesen vergessen werden.

P.S. Matthias Baumann hat eine Spendenaktion für die Erdbebenopfer in Nepal gestartet. Hier ist die Kontoverbindung: Himalayan Project e.V., Kreissparkasse Biberach, IBAN: DE82 6545 0070 0007 8203 31, SWIFT-BIC:  SBCRDE66, Kennwort: „Erdbeben Opfer“.

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Everest-Saison in Tibet beendet https://blogs.dw.com/abenteuersport/everest-saison-in-tibet-beendet/ Wed, 29 Apr 2015 14:29:49 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=29283 Die Nordseite des Mount Everest

Die Nordseite des Mount Everest

Eines möchte ich vorausschicken. Angesichts des Leids in Nepal nach dem Erdbeben vom vergangenen Samstag – inzwischen wurden mehr als 5000 Tote und 10.000 Verletzte gezählt – ist das, was auf der tibetischen Nordseite des Mount Everest geschieht, eher belanglos. Doch ich berichte eben auch über die Folgen der schrecklichen Tragödie für die Bergsteiger in der Region – und in Tibet halten sich noch mehrere hundert auf, darunter auch viele Sherpas aus Nepal. Alle machen sich jetzt auf den Heimweg. Egal, ob sie wollen oder nicht, sie müssen. „Es ist offiziell: Der Everest ist für diese Saison geschlossen“, schreibt Expeditionsleiter Dominik Müller, Chef des deutschen Veranstalters Amical Alpin, aus dem „Chinese Basecamp“ auf der Nordseite des Mount Everest. Müller hatte bereits gestern seine Expedition abgebrochen, einen Tag vor dem entscheidenden Treffen der Expeditionsleiter mit Vertretern des chinesisch-tibetischen Bergsteiger-Verbands CTMA im Basislager auf 5150 Meter Höhe.

Straße nach Nepal gesperrt

Andere Bergsteiger bestätigen, dass die chinesischen Behörden alle weiteren Aktivitäten am höchsten Berg der Erde und auch den anderen Bergen Tibets untersagt hätten. „Träume sind gerade geplatzt“, schreibt der österreichische Bergsteiger Alois Fuchs in seinem Internet-Tagebuch. „Es wird angenommen, dass sich die Erdbebentätigkeit Richtung Mount Everest (Tingri) verschiebt und noch nicht abgeschlossen ist. Die Gefahr von Steinschlag und Lawinen kann niemand genau abschätzen, und deshalb wurden alle Berge in dieser Gegend gesperrt. Das bedeutet für uns: Mount Everest gestrichen, Gepäck sammeln, Flüge umbuchen und im BC (Basislager) auf die Kollegen warten, welche sich noch im ABC (Vorgeschobenes Basislager) befinden.“ Dort hält sich derzeit auch noch Ralf Dujmovits auf, der erfolgreichste deutsche Höhenbergsteiger. Auch Ralf werde jetzt seine Sachen packen, bestätigt sein Büro in Deutschland. Nach Angaben von Adrian Ballinger, Chef des US-Veranstalters Alpenglow Expeditions, ist die Straße von Tibet nach Nepal gesperrt. Sein Team wird deshalb wie viele andere auch über die tibetische Hauptstadt Lhasa ausreisen.

Zu wenig Operationsmaterial

Matthias Baumann bestätigt, dass die Straßenverbindung zwischen beiden Ländern erneut unterbrochen sei. „Es hat neue Erdrutsche gegeben, einige Regionen sind abgeschnitten“, berichtet mir der deutsche Arzt und Bergsteiger telefonisch aus Nepal. Der Unfallchirurg hilft in einem Krankenhaus vor den Toren Kathmandus. „Wir operieren vor allem Arm- und Beinbrüche, auch Rückenbrüche.“ Es fehle an OP-Materialien wie Platten, Nägeln und Schrauben. Er versuche jetzt, Nachschub aus Deutschland zu organisieren. „Wir haben hier so viele Brüche, da ginge jedem Krankenhaus auf der Welt das Material aus.“ Matthias schläft im Zelt. „Das machen hier sehr viele Menschen.“ Er habe bereits am ersten Tag seines Aufenthalts drei Nachbeben gezählt. Die Versorgung der Erdbebenopfer in Kathmandu sei nach seiner Einschätzung „ganz ordentlich, aber in viele Bergregionen ist man noch gar nicht vorgedrungen. Es gibt viel zu wenige Hubschrauber.“ Jene Helikopter, die bei der gestern abgeschlossenen Rettungsaktion am Mount Everest im Einsatz waren, werden also dringend benötigt. Am Dienstagabend wurde gemeldet, dass in der Region Langtang eine Matschlawine abgegangen sei, mindestens 250 Menschen würden vermisst.

Erst wenn die Hubschrauber frei sind

Obwohl sich viele Bergsteiger auf den Heimweg gemacht haben, ist die Saison auf der nepalesischen Seite des Mount Everest offiziell noch nicht beendet – trotz des schlimmen Lawinenunglücks nach dem Beben. „Unser Team wird in den nächsten Tagen im Basislager bleiben und dann entscheiden, ob wir weitermachen oder nicht“, schreibt etwa Russell Brice, Leiter des neuseeländischen Veranstalters Himalayan Experience. Er habe sich heute am Flughafen von Kathmandu mit Vertretern des Nepalesischen Bergsteigerverbands NMA und dem Tourismusminister getroffen. „Er erlaubte uns, Material nach Lager eins zu fliegen – aber erst, wenn die Hubschrauber nicht mehr für Rettungseinsätze benötigt werden. Das sehen wir natürlich ganz genauso.“

P.S.: Matthias Baumann sagte mir, dass sich auf seiner Facebook-Seite der Fehlerteufel eingeschlichen habe. Die richtige Kontoverbindung seiner Hilfsaktion für die Erdbebenopfer in Nepal sei jene, die auf seiner Homepage  stehe: Himalayan Project e.V., Kreissparkasse Biberach, IBAN DE82 6545 0070 0007 8203 31, BIC: SBCRDE66, Kennwort: „Erdbeben Opfer“.

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Baumann: „Familien der Everest-Lawinenopfer brauchen Hilfe“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/baumann-everest-jahrestag-lawine/ Sat, 18 Apr 2015 15:03:04 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=29021 Baumann bei der Familie des Lawinenopfers Chhiring Sherpa

Baumann bei der Familie des Lawinenopfers Chhiring Sherpa

Das Bergsteigen am Mount Everest ruhte an diesem Samstag. Die mehr als 300 westlichen Bergsteiger und ebenso viele Sherpas gedachten im Basislager auf 5300 Metern der 16 Nepalesen, die vor genau einem Jahr bei einer Lawine im Khumbu-Eisbruch ums Leben gekommen waren. Es war das schlimmste Lawinenunglück in der Geschichte des Everest. Der deutsche Bergsteiger und Arzt Matthias Baumann hatte die Tragödie im Basislager miterlebt. Später besuchte er die Familien der Opfer und startete eine Hilfsaktion für sie. Im März reiste der 43 Jahre alte Unfallchirurg aus Tübingen erneut nach Nepal. Er verteilte Geld an die Familien der Opfer und brachte finanzielle Patenschaften auf den Weg, mit denen die Schulbildung der betroffenen Kinder gesichert wird.

Matthias, du warst vor einem Jahr im Basislager des Mount Everest, als die Lawine im Khumbu-Eisbruch abging und hast als Arzt die Verletzten mit erstversorgt. Verfolgt dich dieser 18. April 2014 auch heute noch?

In den vergangenen Tagen und natürlich besonders heute am Jahrestag habe ich immer wieder daran gedacht. Es verfolgt mich nicht traumatisch, weil ich auch in meinem Beruf mit Leid konfrontiert bin. Aber es bewegt mich emotional, zum einen vor dem Hintergrund meiner eigenen Leidenschaft fürs Bergsteigen, zum anderen weil es sich bei den Opfern der Lawine um Sherpas handelte, die ich ohnehin besonders mag.

Du hast insgesamt 100.000 Euro für die Familien der Lawinenopfer gesammelt und warst gerade in Nepal, um das gespendete Geld zu verteilen. Wie geht es den Familien heute?

Ich habe den Eindruck, dass sie sich ein bisschen stabilisiert haben, aber noch nicht komplett. Als ich vorbeikam, sind die meisten Frauen der Lawinenopfer in Tränen ausgebrochen. Das war im letzten Jahr nicht der Fall. Da standen sie vielleicht noch unter Schock, oder sie wollten vor ihren Kindern Stärke zeigen. Diesmal war es viel emotionaler.

Treffen mit Sherpa-Familien in Kathmandu

Treffen mit Sherpa-Familien in Kathmandu

Die Familien haben ihren Ernährer verloren. Kommen sie überhaupt über die Runden?

Es ist schwierig. Wie immer in so einem Fall in Nepal, müssen andere Angehörige helfen. Die Frauen haben dort oben in der Bergregion keine Chance, Geld zu verdienen. In Kathmandu geht das ein bisschen besser. Die nepalesische Regierung hat die Soforthilfe für die Familien von 400 auf 5000 US-Dollar aufgestockt und das Geld auch ausgeliefert. Einige Expeditionsveranstalter, bei denen die Lawinenopfer beschäftigt waren, z.B. Alpine Ascents International, haben ebenfalls Geld gegeben. Die Familien sind also nicht komplett auf sich alleine gestellt, aber ich habe den Eindruck, dass sie sehr auf die Hilfe angewiesen sind.

Ich habe im Khumbu auch einer Sherpa-Familie eine Geldspende zukommen lassen, deren Ernährer 2012 ums Leben gekommen war [Namgyal Tshering Sherpa starb bei einem Spaltensturz nahe Lager 1]. Dessen Familie hat nur die damals übliche Soforthilfe von 400 Dollar erhalten, sonst nichts. Das war schon brutal. Die Lawinenkatastrophe vom letzten Jahr hat immerhin ein wenig Aufmerksamkeit auf die Familien der Everest-Opfer gelenkt.

Hattest du das Gefühl, dass sich innerhalb der Sherpa-Gemeinschaft die Atmosphäre durch das Unglück verändert hat?

Definitiv. Es gab ja diese unterschiedlichen Gruppierungen unter den Sherpas. Das hat man bei dem tätlichen Angriff gegen Simone Moro und Ueli Steck 2013 gesehen. Und auch im letzten Jahr habe ich selbst erlebt, wie aggressiv eine kleine Gruppe von Sherpas aufgetreten ist, während die Mehrheit eigentlich gerne weitergemacht hätte. Ich habe den Eindruck, dass die Sherpas durch das Lawinenunglück wieder ein Stück weit zusammengerückt sind. Es hat sich eine kleine positive Wirkung ergeben, auch wenn längst nicht alle Forderungen der Sherpas erfüllt wurden.

Südseite des Mount Everest

Südseite des Mount Everest

Derzeit halten sich wieder mehr als 300 ausländische Bergsteiger im Basislager auf der nepalesischen Seite des Everest auf. Herrscht wieder „business as usual“?

Ich bin der Meinung, dass man die Zahl der Bergsteiger eigentlich reduzieren müsste. Aber das ist ein zweischneidiges Schwert. Andererseits hängen eben auch so viele Verdienstmöglichkeiten für die lokale Bevölkerung daran. Deshalb herrscht dort wieder weitgehend „business as usual“, bis auf die Tatsache, dass die Permits 1000 Dollar teurer sind [Die Besteigungsgenehmigung kostet jetzt 11.000 Dollar pro Person, unabhängig von der Anzahl der Expeditionsmitglieder] und die Mehreinnahmen in einen Hilfsfond fließen sollen. Außerdem wurde die Route durch den Eisbruch ein Stück weit verlegt. Aber ansonsten ist alles gleich geblieben.

Die Regierung hat beschlossen, dass die Permits von 2014 bis 2019 gültig bleiben, also auch deines. Juckt es dich, den Everest noch einmal zu versuchen?

Träume verschwinden nicht, auch nicht die Leidenschaft für das Bergsteigen. Bei mir hat es dieses Jahr nicht geklappt, weil ich den Job gewechselt habe. Ich hatte eher auf die Nordseite geschaut, weil dort so viele deutsche Höhenbergsteiger unterwegs sind. Das hätte mich auch als Mediziner interessiert, weil viele von ihnen ohne Flaschensauerstoff aufsteigen wollen. Ganz ehrlich, ich wäre super gerne dabei gewesen.

Matthias Baumann  im Khumbu-Eisbruch (2014)

Matthias Baumann im Khumbu-Eisbruch (2014)

Würdest du mit einem anderen Gefühl zum Mount Everest zurückkehren?

Ich war den Sherpas schon immer nahe. Aber nach den Erfahrungen von 2014 habe ich noch mehr Respekt vor ihnen und ihrer Leistung. Sie sind für mich die Helden am Everest.

Bei vielen anderen Bergsteigern am Everest scheint dieser Respekt noch unterentwickelt zu sein.

Das glaube ich auch. Viele sehen die Sherpas als Hilfsarbeiter. Dabei sind sie teilweise viel bessere Bergsteiger als die Masse der westlichen Gipfelanwärter. Das macht es doch viel interessanter, wenn du gemeinsam mit ihnen unterwegs bist. Ich respektiere sie auf Augenhöhe, und das merken sie. Sie erzählen sie mir viel über ihre Kultur, und wir haben viel Spaß zusammen. Das ist für mich eine echte Bereicherung. Respekt ist manchmal fast mehr wert als Geld.

P.S. Matthias Baumann sammelt weiter Geld für Sherpa-Familien, die von Bergunfällen betroffen sind: Himalayan Project e.V., Kreissparkasse Biberach, IBAN DE45 6545 0070 0007 0581 89, BIC  SBCRDE66, Kennwort: „Sherpa Lawinenopfer“

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Deutscher Arzt will Sherpa-Familien langfristig helfen https://blogs.dw.com/abenteuersport/deutscher-arzt-will-sherpa-familien-langfristig-helfen/ Wed, 14 May 2014 13:57:03 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=26083 Matthias Baumann im Khumbu-Eisbruch

Matthias Baumann im Khumbu-Eisbruch

Der 18. April hat vieles verändert: am Mount Everest, im Leben der Familien der 16 Lawinenopfer – und auch für Matthias Baumann. Der 42 Jahre alte Unfallchirurg aus Esslingen war als Expeditionsarzt im Team der argentinischen Zwillingsbrüder Damian und Willie (Guillermo) Benegas und wollte eigentlich im zweiten Anlauf den Everest über die nepalesische Südseite besteigen. Sein erster Versuch war 2011 auf der tibetischen Nordseite auf 8600 Metern durch ein Missgeschick gescheitert: Als er am Second Step, der Schlüsselstelle der Normalroute, die Sauerstoffflasche wechseln wollte, stellte Matthias fest, dass sein Sherpa statt einer vollen einen leere Flasche eingepackt hatte.

Drei Jahre später stieg Baumann durch den Khumbu-Eisbruch, einen Tag vor dem Lawinenunglück. „Ich wusste, dass seit vier, fünf Jahren Lawinen von der Westschulter abgehen. Die Seracs hängen schon sehr bedrohlich da oben“, erzählt mir Matthias. Auch wenn der Spaß am Klettern schließlich die Oberhand gewonnen habe, sei der Respekt geblieben. „Ich habe immer nach oben zu den Seracs geschaut.“ Am Tag danach wurde der Khumbu-Eisbruch für 16 nepalesische Bergsteiger zur tödlichen Falle. Der deutsche Arzt kümmerte sich mit anderen Medizinern um die Verletzten, die ins Basislager gebracht wurden. Nach dem Ende der Expedition besuchte Matthias fast alle Familien der ums Leben gekommenen Nepalesen – und startete für sie eine Spendenaktion.

Ärzteteam versorgt die Verletzten

Ärzteteam versorgt die Verletzten

„Matthias, du warst zum Zeitpunkt des Unglücks im Basislager. Wie hast du die Lawine erlebt?

Ich lag morgens im Zelt und war schon wach. Dann gab es plötzlich dieses unglaublich laute Geräusch. Ich schaute heraus und sah noch den Schneestaub, der über dem ganzen Khumbu-Eisfall niederging. Ich stand schnell auf. Es herrschte eine gespenstische Ruhe im Basislager. Ich weckte unseren Expeditionsleiter (Damian Benegas) und sagte zu ihm: ‚Es ist eine große Lawine abgegangen. Zu dieser Zeit sind viele Bergsteiger unterwegs. Da muss etwas passiert sein!‘ Er stand sofort auf. Wir vereinbarten, dass ich unten bleibe, um Patienten zu empfangen. Er stieg dann Richtung Unfallstelle auf.

Matthias Baumann über die Lawine im Khumbu-Eisbruch

Rettungshubschrauber über dem Khumbu-Eisbruch

Rettungshubschrauber über dem Khumbu-Eisbruch

Wie gut hat die Rettungsaktion funktioniert?

Dafür, dass es nicht organisiert war, funktionierte es gut.  Leute mit Erfahrung in der Rettung, wie eben Damian Benegas oder Michael Horst von „Alpine Ascents International“, stiegen auf. Die Sherpas, die schon oberhalb waren, kehrten um und kamen zur Unfallstelle. Sie führten die Leichtverletzten durch den Khumbu-Eisfall herunter. Ich habe unten die Ärzte zusammengetrommelt. Es war ein internationales Team. Zwei Ärzte sind ja permanent vor Ort stationiert, im Zelt der Himalayan Rescue Association.

Du hast als Arzt Erste Hilfe geleistet. Hast du nur als Mediziner funktioniert oder hat dich Ganze auch erschüttert?

Es hat mich sehr erschüttert. Wenn sich so ein Unglück in der Umgebung ereignet, in der man selbst als Sportler oder Bergsteiger unterwegs ist, ist das nicht mehr so leicht zu trennen wie in der Klinik. Aber natürlich funktioniert man erst einmal. Wir haben die Patienten ganz ordentlich versorgt, obwohl wir Ärzte uns alle nicht kannten.

Nach dem Ende der Expedition hast du noch viele Familien der bei der Lawine ums Leben gekommenen Sherpas besucht. Was hat dich dazu motiviert?

Ich stieg bewusst alleine vom Basislager ab, ich wollte das Ganze verarbeiten. Ich dachte, vielleicht kann ich eine Familie besuchen. Doch noch bevor ich die erste Familie erreichte, dachte ich mir: Nein, du musst alle besuchen! Es war einfach eine spontane Idee. Ich hatte auch noch nie ein Hilfsprojekt gestartet. Es war sehr traurig, sehr bewegend, aber irgendwo auch gut, dass ich helfen konnte. Ich war bei allen Familien der erste, der vorbei kam.

Auf dem Weg zur Familie eines Lawinenopfers

Auf dem Weg zur Familie eines Lawinenopfers

Wie viele Familien hast du besucht?

14 der 16 Familien. Zwei konnte ich nicht besuchen, weil sie im Solu (Gebiet unterhalb der Khumbu-Region) und damit zu weit entfernt wohnten. Das habe ich zeitlich nicht mehr geschafft.

Die Angehörigen waren doch sicher noch traumatisiert?

Sie waren sehr traumatisiert. Sie hatten gerade ihren toten Vater oder Ehemann verbrannt. In den meisten Häusern waren noch Mönche anwesend und haben Pujas (buddhistische Zeremonien) abgehalten, in sehr unterschiedlicher Form. Bei den weit abgelegenen Häusern waren es nur vier, fünf Mönche, in Kathmandu 150. Die Frauen wirkten auf mich im ersten Moment sehr stark, sie zeigten nicht sehr viele Emotionen. Aber am Ende, als ich eine kleine Spende überreichte und mich verabschiedete, weinten die meisten doch.

Matthias Baumann:Traumatisierte Familien der Lawinenopfer

Wie haben sie auf dich als Bergsteiger aus dem Westen, der sein Mitgefühl ausdrücken will, reagiert?

Es war keine Aggressivität und auch kein Vorwurf zu spüren. Die meisten waren sehr dankbar, dass jemand vorbei kam und zeigte, dass er an sie denkt. Sie wohnen alle sehr weit abgelegen. Ich hatte den Eindruck, dass sie ein bisschen enttäuscht waren, dass überhaupt niemand von diesen vielen, vielen Bergsteigern und Expeditionsleitern nach ihnen schaute.

Die Familien haben nicht nur einen geliebten Menschen, sondern auch ihren Ernährer verloren. Was bedeutet das konkret für sie? Wie geht es für sie weiter?

Das ist ein sehr schwieriger Weg. In den Sherpa-Familien sorgt der Mann für die Finanzen, die Frauen sind zu Hause und betreuen die Kinder. In Nepal ist es für eine Frau, die schon Kinder hat, schwierig oder sogar fast unmöglich, einen anderen Mann zu finden. In der Regel müssen die Angehörigen und Nachbarn helfen. In einer Familie, die ich besucht habe, besitzt die Frau einige Yaks und hat deshalb ein kleines Einkommen. Aber das ist nicht mit dem Gehalt eines Everest-Sherpas vergleichbar, der 5000 bis 6000 US-Dollar pro Saison bekommt.

Matthias Baumann:Schwieriger Weg für Sherpa-Familien

Matthias mit einer der betroffenen Sherpa-Familien

Matthias mit einer der betroffenen Sherpa-Familien

Viele der Sherpa-Familien sind kinderreich. Hatten die Kinder überhaupt schon realisiert, was passiert war?

Das hängt natürlich vom Alter ab. In Kathmandu habe ich eine Tochter eines Verunglückten getroffen, die schon 19 Jahre alt war. Sie hat die Tragödie natürlich voll wahrgenommen und fühlt sich jetzt in der Verantwortung, für die Mutter und die Großeltern zu sorgen. Ich habe eine andere Familie besucht, da war das Kind erst einen Monat alt. Der Vater hatte es nur einmal gesehen. Und in einer Familie nördlich von Thame (kleiner Ort im Khumbu-Gebiet), Richtung Nangpa La (Pass zwischen Nepal und Tibet), waren die Kinder zwischen vier und zwölf Jahre alt. Die zwölfjährige Tochter hat uns vier Stunden talabwärts aus Richtung Namche Bazaar (Hauptort des Khumbu) abgeholt und zu dem Haus geführt. Bei ihr hatte ich den Eindruck, dass sie noch nicht realisiert hat, was das Unglück für ihre Familie bedeutet.

Du hast eine Hilfsaktion für die Familien gestartet. Waren deine Besuche der Auslöser, dass du gesagt hast, ich kann jetzt nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, ich muss etwas tun?

Ja, das war die Motivation. Ich bin erst einmal bei den Familien vorbeigegangen, um erste Spenden abzugeben. Das größere Projekt hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht geplant. Aber je mehr Familien ich besuchte, desto größer wurde der Wunsch, das Ganze auszubauen, um auch langfristig helfen zu können.

Hast du das Gefühl, dass die Hilfe der Regierung nicht ausreicht?

Es sah ja erst so aus, als wollten die offiziellen Stellen nur 400 US-Dollar pro Familie geben. Da gab es Proteste. Ich denke, das Unglück hat international für so viel Aufsehen gesorgt, dass die nepalesische Regierung nachziehen muss. Ich hoffe vor allem, dass sie ein bisschen mehr für die Kinder machen wird.

Wie stellst du bei deinem Projekt sicher, dass das Geld auch wirklich bei den Familien ankommt?

Ich kenne seit 20 Jahren Pemba Sherpa, der für „Asian Trekking“ arbeitet und dort einer der Hauptverantwortlichen im Khumbu-Gebiet ist. Wir haben zusammen in Chamonix einen internationalen Bergführerkurs besucht. Seitdem haben wir Kontakt, ich habe ihn schon oft besucht. Ich kann ihm hundertprozentig vertrauen. Die Familien sollen mir aber auch bestätigen, was sie bekommen haben und wer das Geld überbracht hat.

Es ist viel diskutiert worden, ob es eine gute Idee war, die Saison am Everest zu beenden. Wie siehst du das, als jemand, der vor Ort war, als die Tragödie geschah und der auch die Familien der Opfer besucht hat?

Ich denke, es war richtig, die Saison zu beenden. Es war nachher viel zu viel Unruhe im Basislager. Natürlich haben 500 Bergsteiger 500 Träume. Aber diese Träume sind nicht vergleichbar mit dem, was den Familien passiert ist. Da muss man eindeutig seine persönlichen Träume zurückstellen. Ich denke, es wäre nicht gut ausgegangen, wenn man weitergegangen wäre, mit Sherpas, die eigentlich nicht mehr hochsteigen wollten. Es gab manche, die weitermachen wollten, aber die Masse war inhomogen. Man muss ja auch zusammenarbeiten, wenn es darum geht, Fixseile zu verlegen. Es war einfach zu viel passiert.

Matthias Baumann: Entscheidung abzubrechen war richtig

Es gab auch Berichte über Druck, den eine kleine Gruppe Sherpas ausgeübt hat. Hast du davon etwas mitbekommen?

Ja, es war definitiv so. Ich habe mit vielen Sherpas gesprochen. Auch innerhalb der einzelnen Expeditionsgruppen gab es unterschiedliche Meinungen zwischen den Sherpas. Es gab viele, die weitermachen wollten. Andere Sherpas haben gedroht, ihnen das Bein zu brechen, wenn sie noch einmal den Khumbu-Eisfall betreten.

Wirst du noch einmal zum Everest zurückkehren? Und wenn ja, auf der nepalesischen Seite?

Der Traum bleibt natürlich bestehen. Wenn ich die zeitliche und finanzielle Möglichkeit habe, werde ich es bestimmt noch einmal angehen. Die Nordseite kam mir objektiv sehr viel sicherer vor. Die Südseite war für mich interessant, weil der Weg für mich neu war. Wenn ich noch einmal die Chance bekomme, tendiere ich jetzt wieder eher zur Nordseite.“

P.S. Für alle, die Matthias Baumanns Hilfsprojekt mit Spenden unterstützen wollen, hier die Bankverbindung: Himalayan Project e.V., Kreissparkasse Biberach, IBAN: DE45 6545 0070 0007 0581 89, BIC: SBCRDE66, Kennwort: „Sherpa Lawinenopfer“. Danke!  

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Hilfe für Familien der Everest-Lawinenopfer https://blogs.dw.com/abenteuersport/hilfe-fuer-familien-der-everest-lawinenopfer/ Fri, 09 May 2014 19:36:25 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=26035 Schneefahne vom Gipfel des Mount Everst

Schneefahne vom Gipfel des Mount Everest

Warten auf die Ruhe nach dem Sturm. Derzeit bläst es heftig in der Gipfelregion des Mount Everest – mit Windgeschwindigkeiten bis zu 60 Knoten (etwa 110 Stundenkilometer). An einen Gipfelversuch eines der etwa zehn Teams auf der tibetischen Nordseite des Bergs ist nicht zu denken. Erst ab dem 16. Mai, also in einer Woche, zeichnet sich ein Schönwetterfenster mit wenig Wind ab. Auf der Südseite haben nach Information des US-Expeditionsleiters Eric Simonsen die „Icefall doctors“ ihre Leitern und Seile aus dem Khumbu-Eisbruch geholt. Bis zur nächsten Saison wird das Material in einem Lager in Gorak Shep deponiert, der letzten ständig bewohnten kleinen Ortschaft nahe dem Mount Everest auf 5200 Metern. Einen Aufstieg auf den 8850 Meter hohen Gipfel wird es damit von der nepalesischen Seite aus in diesem Frühjahr definitiv nicht mehr geben. In Kathmandu übergab dieser Tage der Japaner Ken Noguchi im Namen seiner Umweltschutz-Organisation „Seven Summits Actions for Sustainable Society“ einen Scheck über 100.000 US-Dollar an Ang Tshering Sherpa, den Präsidenten des Nepalesischen Bergsteigerverbands (NMA).

NMA soll Hilfe koordinieren

Mit dem Geld, das Noguchi in Japan sammelte, sollen die Familien der 16 Lawinenopfer vom Everest (seht unten das bewegende Video der New York Times „Letzte Minuten am Everest“)  unterstützt werden. Die nepalesische Regierung hat die NMA beauftragt, dafür Sorge zu tragen, dass die Kinder dieser Familien weiter ausgebildet werden.

Ang Tshering kündigte an, dass sein Verband dafür einen Hilfsfond gründen werde, in den die NMA ebenfalls 100.000 Dollar einzahlen werde und in den Spendengelder aus aller Welt fließen könnten. In vielen Ländern haben Bergsteiger Sammlungen für die Familien der Opfer organisiert – wie der Tübinger Arzt und Bergsteiger Matthias Baumann, der im Basislager war, als die Lawine von der Westschulter hinabdonnerte:

Ken Noguchi war 1999 mit 25 Jahren der damals jüngste Bergsteiger, der die „Seven Summits“ bestiegen hatte, die höchsten Berge aller Kontinente. Die Absage einer kompletten Saison auf der nepalesischen Seite des Everest wie in diesem Frühjahr dürfe sich nicht wiederholen, sagte der 40 Jahre alte Japaner: „Wenn es noch einmal passiert, werden die Ausländer einen Bogen um den Everest machen.“ Oder aber auf die tibetische Seite des Bergs wechseln. Das hat der blinde österreichische Bergsteiger Andy Holzer vor. „Der Grund ist, dass ich dem Chaos, das auf nepalesischer Seite entstanden ist, entgehen möchte. Ich will nicht zum Spielball der nepalesischen Regierung und der Sherpas werden“, sagte der 47-Jährige nach seiner Rückkehr aus Nepal.

P.S.: Wer Matthias Baumanns Video bis zu Ende geguckt hat, weiß es schon. Für alle anderen hier die Konto-Nummer seiner Hilfsaktion für die Sherpa-Familien: Himalayan Project e.V., Kreissparkasse Biberach IBAN DE45 6545 0070 0007 0581 89, BIC SBCRDE66, Kennwort: Sherpa Lawinenopfer.

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