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Treffpunkt - Buluşma Noktası

Türkische und deutsche Kultur im Dialog

Warum sich Türken in Bayern sehr wohl fühlen

Berge sind Schauplätze mächtiger Naturgewalten. Sie beschwören immer wieder plötzliche Unwetter herauf, die den Bewohnern und dem Vieh in den Tälern den Tod bringen können – im Sommer wie im Winter. Ein falscher Schritt in den Bergen kann oft einen tödlichen Absturz bedeuten. Auf Grund dieser Gefahren haben die Menschen in der ganzen Welt, die in gebirgigen Regionen leben, einen höheren Grad an Frömmigkeit in ihrer Religion entwickelt. Glaubensstärke soll die Extra-Portion Schutz gegen die Naturgewalten bieten. Das gilt im Himalaya, in Anatolien und genauso in Oberbayern. Ebenso im Karwendelgebirge, wie im Doğu Karadeniz Dağları.

„Bin ich froh, dass meine Großeltern nicht nach Berlin angeworben wurden. Nach Berlin in diese gottlose Stadt! Nein sie gingen nach Bayern. Allah sei Dank. Denn die Bayern leben ihre Religion, sie gehen regelmäßig in die Kirche, sie sind gottesfürchtig und sie veranstalten Prozessionen, bei den sie um gutes Wachstum für ihre Früchte bitten und im Herbst danken sie bei einer weiteren Prozession für den Ertrag der Ernte“, erklärt mir Bülent in München und fährt fort „außerdem pflegen sie wie die Menschen in Anatolien ihre Traditionen, ziehen zu den Festlichkeiten ihre Trachten an und feiern und trinken Bier. Dem Bier zu Ehren geben sie ein ganzes Fest: das Oktoberfest. Wir nennen es ‚Bira Bayramler'“, lacht Bülent. „Viele Bayern halten sich auch an das Fasten, auch wenn sie dafür ein spezielles Bier erfinden mussten. Die Mönche haben beschlossen, dass sie während der Fastenzeit nur flüssige Nahrung zu sich nehmen zu dürfen, also haben sie einfach ein spezielles Starkbier gebraut. Sind schon ganz schlaue Leute, die Bayern“ so schließt Bülent seine Erklärung.

Mit diesem Festhalten an ihren Traditionen sind die Bayern in Deutschland ebenso eine Minderheit, wie die Menschen, die aus der Türkei nach Deutschland kamen. Auch die Bayern werden vom übrigen Teil der deutschen Bevölkerung etwas belächelt und argwöhnisch betrachtet. Programme zu ihrer Integration gibt es nicht. Doch am „Bira Byramler“, dem Münchner Oktoberfest sind die Mehrheitsdeutschen dann gerne mit dabei. Denn auch Deutschland ist ein Land mit vielen verschiedenen Kulturen, Gebräuchen und Religionen. Wenn diese unterschlichen Volksgruppen ihren Dialekt sprechen, können sie sich untereinander nicht verstehen. Diese Unterschiede betrachten die Deutschen als normal. Ihnen fällt es aber schwer zu begreifen, dass auch die Menschen aus der Türkei aus unterschiedlichen Volksgruppen stammen. Sie stecken diese einfach in eine Schublade. Menschen aus Bayern und Anatolien haben gemeinsam, dass sie nicht aufgrund ihrer Religiosität oder Frömmigkeit beschimpft oder beleidigt werden möchten. Was übrigens fromme Menschen auf der ganzen Welt nicht wollen.

Sollten sich in den Bergen ein Bayer und ein Muslim begegnen, so wird der Bayer dem Muslim ein „Pfiadi“ – deutlicher ausgesprochen ein „(Gott) Behüte Dich“ -entgegenrufen. Der Muslim wird antworten: „Allaha ısmarladık!“. Zu Deutsch: „Gott befohlen“.

Datum

Donnerstag, 18.10.2012 | 09:44

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